Versicherungsbote 1-2020
- Leitfaden: Zukauf von Maklerbeständen und Firmen - Krankenkasse: Die hohen Überschüsse führten zu Begehrlichkeiten - Wie man sich gegen das Wetter versichert
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- Krankenkasse: Die hohen Überschüsse führten zu Begehrlichkeiten
- Wie man sich gegen das Wetter versichert
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ingt. Hier kämpft man sich mit dem Rad ja ganz oft<br />
durch einen Flickenteppich an Radwegen, Mischverkehr<br />
mit Autos und freigegeben Gehwegen durch, um dann<br />
zielsicher immer wieder am Schild „Radweg Ende“ zu<br />
landen. Da muss jetzt wirklich dringend etwas passieren.<br />
Zwei Drittel aller Fahrradunfälle sind Kollisionen mit<br />
Autos, die Hauptschuld liegt in beinahe 75 Prozent der<br />
Zusammenstöße beim Autofahrer. Was sind aus Ihrer<br />
Sicht Gründe dafür, dass gerade Autos so oft Radunfälle<br />
verursachen? Braucht es mehr Sensibilisierung für die<br />
Risiken – bei der Fahrausbildung, über Kampagnen etc.?<br />
Die Ursache dafür ist ja zunächst mal reine Physik: Autos<br />
sind schwerer, schneller und weniger präzise unterwegs<br />
als zum Beispiel ein Fußgänger oder jemand auf dem Rad.<br />
Klar, dass da mehr passieren kann. Deshalb muss man<br />
beim innerstädtischen Verkehr an diese Faktoren ran. Der<br />
ADFC setzt sich daher ganz klar für eine innerstädtische<br />
Regelgeschwindigkeit von Tempo 30 ein – mal abgesehen<br />
von Schnellstraßen ist das einfach zum Schutz aller<br />
anderen Verkehrsteilnehmer schlicht vernünftig. Wir<br />
setzen uns außerdem dafür ein, dass an großen Straßen<br />
mit viel Autoverkehr baulich gesicherte Radinfrastruktur<br />
geschaffen wird, die Radfahrer schützt und allen, die noch<br />
nicht Rad fahren, auch Mut macht, öfter mal aufs Rad zu<br />
steigen. Der dritte Baustein sind dann Kampagnen. Der<br />
ADFC ist da zum Beispiel beim Thema Überholabstand<br />
aktiv – ein heißes Eisen angesichts knapper Flächen in der<br />
Stadt. Aber wenn wir wollen, dass Radverkehr sicherer<br />
wird und sich mehr Menschen aufs Fahrrad trauen, muss<br />
man sich drauf verlassen können, dass Autofahrer die<br />
1,50 m Mindestabstand auch tatsächlich einhalten. Darüber<br />
brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte.<br />
Aber damit ist es nicht getan. Wir sind sehr froh, dass die<br />
Novellierung der StVO auch den verbindlichen<br />
Mindestabstand beim Überholen von 1,50 m innerorts<br />
und 2 Meter außerorts enthalten wird.<br />
Die seit letztem Jahr zugelassenen eScooter müssen Fahrradwege<br />
nutzen, wenn es einen gibt. Vielfach wurde bei<br />
der Einführung gemutmaßt, das könnte die Unfallzahlen<br />
weiter hochtreiben. Eine erste Bilanz: Beobachten Sie<br />
vermehrt Konflikte zwischen Radfahrern und Scooter-<br />
Fahrern? Oder wurde da vieles argumentativ hochgekocht?<br />
Nach Aussagen der Polizei ist die Zahl der Unfälle mit<br />
eScootern relativ hoch. Und auffällig viele davon stünden<br />
in Zusammenhang mit alkoholisierten Fahrern und der<br />
Verwendung des eScooters als Spaßvehikel. Es ist wie bei<br />
allen neuen Erfindungen: Sie werden erstmal ausprobiert<br />
bis an die Grenzen und darüber hinaus. Der gesellschaftliche<br />
Lernprozess, was sinnvoll ist und was nicht,<br />
der folgt mit etwas geringerer Geschwindigkeit. Ein<br />
großes Problem sind die kleinen Räder der Scooter in<br />
Verbindung mit der großen Kraft des Antriebs. Ich bin<br />
überzeugt, dass die Scooterhersteller über kurz oder lang<br />
größere Räder einsetzen werden, weil dann so ein<br />
Fahrzeug natürlich einen besseren Geradeauslauf hat.<br />
Aber insgesamt muss man auch die Kirche im Dorf lassen:<br />
Die Konflikte sind überschaubar und am meisten tun sich<br />
die Scooterfahrer bei ihren Stürzen ja selbst weh.<br />
In den Medien wird viel über eine Verkehrswende debattiert,<br />
was vor allem bedeutet: weniger Autos in den Innenstädten,<br />
mehr Rad- und Nahverkehr. Schnell ist von<br />
Verboten die Rede, sogar von Einschränkung der individuellen<br />
Freiheit: das Thema wird emotional diskutiert.<br />
Ich vermute, Sie befürworten eine solche Verkehrswende?<br />
Wie kann dafür Akzeptanz geschaffen werden – gerade<br />
in einer vermeintlichen Autonation wie Deutschland?<br />
Nun, Deutschland ist ja zuerst einmal Fahrradnation<br />
–immerhin wurde hier auch das Fahrrad erfunden! Aber<br />
mal Spaß beiseite: Nur über eine Verbotsdebatte werden<br />
wir natürlich keine nach vorn gerichtete Debatte über die<br />
Verkehrswende hinbekommen und wir werden so auch<br />
nicht das Dilemma lösen, dass die Verkehrsflächen für<br />
den Autoverkehr immer weiter anwachsen und in<br />
gleicher Weise das System Autoverkehr immer weniger<br />
gut funktioniert. Man muss ja nur einen Blick auf die<br />
wachsenden Zeiten werfen, die die Deutschen im Stau<br />
stehen oder auf die galoppierenden Kosten des<br />
Straßenbaus. Da ist klar: Irgendwas kann da nicht<br />
stimmen. Mit einem effizienten System hat das nicht<br />
mehr viel zu tun.<br />
Was wir in Deutschland vor allem brauchen, ist eine<br />
Debatte darüber, wie moderne Mobilität aussehen kann.<br />
Und ich glaube, da sind wir mit unserer Idee des Fahrrads<br />
im Mittelpunkt moderner Mobilität näher an den Leuten<br />
dran, als sich das weite Teile der Politik vorstellen<br />
können. Ich erlebe immer wieder bei neugebauten<br />
Radwegen, dass die Leute noch vor der Eröffnung die<br />
Absperrungen zur Seite schubsen und die Wege in Besitz<br />
nehmen, schneller als sich das vielleicht der eine oder<br />
andere Verkehrspolitiker oder Bürgermeister vorstellen<br />
kann. Die Leute wollen ihre Wege gern mit dem Rad<br />
zurücklegen. Was fehlt, ist ein flächendeckendes und<br />
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