Versicherungsbote 1-2020
- Leitfaden: Zukauf von Maklerbeständen und Firmen - Krankenkasse: Die hohen Überschüsse führten zu Begehrlichkeiten - Wie man sich gegen das Wetter versichert
- Leitfaden: Zukauf von Maklerbeständen und Firmen
- Krankenkasse: Die hohen Überschüsse führten zu Begehrlichkeiten
- Wie man sich gegen das Wetter versichert
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Fakt ist: Sie können mit einer Krankenhaus-<br />
Notaufnahme viel schneller und treffsicherer<br />
bedrohliche Erkrankungen ausschließen und die<br />
entsprechende Therapie einleiten, als es ein<br />
kassenärztlicher Notdienst in einer minimal ausgestatteten<br />
Notfallpraxis tun könnte. Insofern muss man<br />
die Vergütungsstrukturen und die Organisation der<br />
Notversorgung an diese Realität anpassen, sodass die<br />
Krankenhäuser personell, technisch und räumlich besser<br />
ausgestattet werden.<br />
Sie kritisieren die Finanzierung über Fallpauschalen,<br />
die zu einer Unterversorgung der Intensiv- und Notfallmedizin<br />
in den Kliniken beitragen kann. Können Sie<br />
kurz erklären, warum gerade die Fallpauschalen die<br />
Notfallmedizin benachteiligen?<br />
Zum einen, weil die Pauschalen, die für die ambulante<br />
Versorgung im Krankenhaus gezahlt werden, sich auch<br />
an den ambulanten Pauschalen<br />
des kassenärztlichen Notdienstes<br />
orientieren. Das sind zum Teil<br />
nur 32 Euro pro Notfall. Im<br />
internationalen Vergleich ist das<br />
lächerlich gering und deckt den<br />
Aufwand nicht im geringsten.<br />
Deswegen galten die Notaufnahmen<br />
in den Krankenhäusern<br />
bislang als defizitär –<br />
mit der Folge, dass in diesen<br />
Bereich zu wenig investiert<br />
wurde. In vielen Kliniken wird<br />
versucht, diese Aufgabe mit dem geringsten Aufwand<br />
hinzukriegen, um nicht noch mehr finanzielle Defizite<br />
entstehen zu lassen. Das hat auch die Belastung der dort<br />
Tätigen zusätzlich erhöht.<br />
Ein weiterer Grund: Grundsätzlich gilt für die<br />
Notfallversorgung, dass viele Vorhaltekosten anfallen.<br />
Sie haben fast durchgehend hohe Kosten, etwa für das<br />
erforderliche Personal – egal, ob es in Anspruch<br />
genommen wird oder nicht. Es gibt Tage, an denen eine<br />
Notaufnahme mal leer ist, weil schlicht wenige<br />
Patienten eingeliefert werden. Und es gibt Tage, da<br />
platzt sie aus allen Nähten. Das unterliegt den Gesetzen<br />
des Zufalls. Trotzdem haben Sie an einem ereignisarmen<br />
Tag die gleichen Personalaufwendungen. Und Sie haben<br />
einen festen Dienstplan, den Sie füllen müssen. Das ist<br />
mit den Fallpauschalen nicht ausreichend<br />
berücksichtigt.<br />
In einer alternden<br />
Gesellschaft gibt es<br />
schlicht mehr<br />
Notfälle.<br />
Die Fallpauschalen haben zu Fehlsteuerungen im<br />
Gesundheitssystem geführt, die ebenfalls dazu<br />
beitragen, dass viele Kliniken inzwischen zu voll sind.<br />
Um Umsatz und Einnahmen zu generieren, werden<br />
möglichst viele Patienten für Operationen einbestellt,<br />
die sogenannten elektiven Patienten. Ziel ist es hierbei<br />
das Fallpauschalensystem auszureizen, also Eingriffe<br />
vorzunehmen, die sich finanziell auszahlen. Ständig<br />
müssen die Kliniken ihre Fallzahlen steigern. Darunter<br />
leidet eine effiziente Notfallversorgung, und das führt zu<br />
einer Verschlechterung der Qualität und zu einer<br />
Überlastung der Mitarbeiter.<br />
Halten Sie das Fallpauschalen-System für gescheitert?<br />
Das würde ich so nicht verallgemeinern. In Bereichen<br />
außerhalb der Notfallversorgung, etwa Spezialkliniken<br />
für geplante Hüftgelenksoperationen und mit Niedrig-<br />
Risiko-Patienten, wo Eingriffe geplant nach einem<br />
festem Termin vorgenommen<br />
werden können, da könnte man<br />
Fallpauschalen aufrechterhalten,<br />
da sind sie auch angemessen.<br />
Schwierig sind Fallpauschalen<br />
aber, wie gesagt, bei Kliniken mit<br />
hohen Vorhaltekosten. Wir<br />
haben soeben ein Diskussionspapier<br />
für eine Reform der<br />
Krankenhausversorgung vorgelegt.<br />
Darin schlagen wir vor, dass<br />
die Krankenhäuser, die an der<br />
Notfall- und Intensivversorgung teilnehmen, ihre<br />
Vorhaltekosten über ein Budget finanziert bekommen,<br />
das Personal, Infrastruktur und Investitionen abdeckt.<br />
Die Fallpauschalen sollten dann nur die Sachkosten<br />
eines Falls abdecken und nicht die gesamte<br />
Infrastruktur.<br />
Solche Akut- und Allgemeinkrankenhäuser behandeln<br />
mit ihren vielen Fachabteilungen jegliche Art von<br />
Notfällen wie Polytraumata, Reanimationen oder<br />
Multiorganversagen. Sie sind aber auch verantwortlich<br />
für die Versorgung von komplexen Patienten wie etwa<br />
Tumorpatienten, in die eine Reihe von unterschiedlichen<br />
Spezialisten eingebunden ist. Auch hier<br />
sind die Vorhaltekosten höher, weswegen die<br />
Finanzierung ein Stück weit von den Fallpauschalen<br />
entkoppelt werden sollte.<br />
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