Versicherungsbote 1-2020
- Leitfaden: Zukauf von Maklerbeständen und Firmen - Krankenkasse: Die hohen Überschüsse führten zu Begehrlichkeiten - Wie man sich gegen das Wetter versichert
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Missstände der Notversorgung:<br />
Allein<br />
unter marktwirtschaftlichen<br />
Aspekten<br />
ist das Problem<br />
nicht zu lösen<br />
Prof. Dr. Reimer Riessen<br />
Universität Tübingen<br />
Überfüllte Notaufnahmen, geschlossene und defizitäre Kinderintensivstationen: in den Medien<br />
wird oft ein düsteres Bild von der Intensiv- und Notfallversorgung in Krankenhäusern gezeigt.<br />
Wie sieht die Situation tatsächlich aus, was sind Gründe für Probleme – und welche Reformansätze<br />
gibt es? Der <strong>Versicherungsbote</strong> sprach mit Prof. Dr. med. Reimer Riessen, leitender<br />
Oberarzt der Internistischen Intensivstation am Universitätsklinikum Tübingen sowie Sprecher<br />
der Sektion „Qualität und Ökonomie in der Intensivmedizin“ der Deutschen Interdisziplinären<br />
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI).<br />
(Anmerkung: Das Gespräch fand vor der Corona-<br />
Pandemie statt)<br />
<strong>Versicherungsbote</strong>: Man liest in Zeitungen teilweise<br />
sehr dramatische Beschreibungen über überfüllte Notaufnahmen<br />
in Kliniken. Wie schätzen Sie die aktuelle<br />
Situation in der Notfallversorgung ein?<br />
Reimer Riessen: Die Situation der Notaufnahmen und<br />
Intensivstationen ist schwer zu verallgemeinern. Es gibt<br />
Regionen, die besser aufgestellt sind, andere schlechter.<br />
Grundsätzlich halten wir einen Strukturwandel für<br />
notwendig, weil sich die Versorgungsrealität verändert<br />
hat: Die Menschen gehen mehr in Krankenhäuser als<br />
früher, sie suchen bei einem Notfall direkt die Klinik auf.<br />
Warum gehen die Patienten eher in die Notaufnahmen?<br />
Die Gründe sind vielfältig. Die Patienten kennen oft das<br />
System der Notfallpraxen nicht. Speziell jüngere Leute<br />
und ausländische Mitbürger wissen nicht, dass es weitere<br />
Anlaufstellen als die Notaufnahmen in den<br />
Krankenhäusern gibt. Vielleicht bekommen Sie auch<br />
keinen Termin beim Haus- oder Facharzt. Dort sind die<br />
Praxen ja ebenfalls voll. Auch sind die Notfallpraxen der<br />
KV oft nicht rund um die Uhr besetzt – dann geht man<br />
automatisch in die Kliniken.<br />
Es ist mir aber wichtig zu betonen: Viele Patienten sind<br />
in der Notaufnahme eines Krankenhauses richtig<br />
aufgehoben, weil sie Notfälle sind, die einer stationären<br />
Versorgung bedürfen. Wenn Sie zum Beispiel einen<br />
Thoraxschmerz haben und der Verdacht auf Herzinfarkt<br />
besteht, dann kann der KV-Notdienst mit seinen<br />
Mitteln – ohne EKG, ohne Labor – den Patienten nicht<br />
richtig betreuen. Auch im unfallchirurgischen Bereich<br />
kann der kassenärztliche Notdienst meist nicht viel<br />
helfen.<br />
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