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Tradition der Bundeswehr (Tagesbefehl und Richtlinien)

Am 28. März 2018 unterzeichnete die damalige Bundesministerin der Verteidigung Ursula von der Leyen die überarbeiteten „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ für unsere Streitkräfte – kurz „Traditionserlass“. In ihrem Tagesbefehl hieß es dazu unter anderem: „Der neue Erlass setzt nur einen Rahmen für die Traditionspflege in der Bundeswehr. Er gewährt bewusst Freiräume. Ich fordere die Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche, die Truppengattungen, Verbände und Dienststellen der Bundeswehr, vor allem aber jeden einzelnen Angehörigen der Bundeswehr auf, diese Freiräume verantwortlich zu gestalten. Tragen Sie dazu bei, Tradition zu pflegen, die werteorientiert und sinnstiftend ist.“

Am 28. März 2018 unterzeichnete die damalige Bundesministerin der Verteidigung Ursula von der Leyen die überarbeiteten „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ für unsere Streitkräfte – kurz „Traditionserlass“. In ihrem Tagesbefehl hieß es dazu unter anderem: „Der neue Erlass setzt nur einen Rahmen für die Traditionspflege in der Bundeswehr. Er gewährt bewusst Freiräume. Ich fordere die Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche, die Truppengattungen, Verbände und Dienststellen der Bundeswehr, vor allem aber jeden einzelnen Angehörigen der Bundeswehr auf, diese Freiräume verantwortlich zu gestalten. Tragen Sie dazu bei, Tradition zu pflegen, die werteorientiert und sinnstiftend ist.“

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<strong>Tagesbefehl</strong> <strong>der</strong> damaligen B<strong>und</strong>esministerin <strong>der</strong> Verteidigung Ursula von <strong>der</strong> Leyen vom 28. März<br />

2018 anlässlich <strong>der</strong> Zeichnung <strong>der</strong> überarbeiteten <strong>Richtlinien</strong> zum <strong>Tradition</strong>sverständnis <strong>und</strong> zur<br />

<strong>Tradition</strong>spflege (<strong>Tradition</strong>serlass).<br />

Soldatinnen <strong>und</strong> Soldaten, zivile Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter!<br />

Ich habe heute unseren neuen <strong>Tradition</strong>serlass gezeichnet. Der letzte stammte aus dem<br />

Jahr 1982. Deutschland war geteilt, unsere Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik bestimmt<br />

durch die Blockkonfrontation zwischen den USA <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sowjetunion. Die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

war noch eine Wehrpflichtarmee, fokussiert auf die Landesverteidigung gegen die<br />

Armeen des Warschauer Paktes. Der alte <strong>Tradition</strong>serlass wusste noch nichts von <strong>der</strong><br />

Armee <strong>der</strong> Einheit <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Armee im Einsatz. Er wusste noch nichts vom Kampf<br />

gegen heutige Terrormilizen, die mit brutaler Gewalt Schreckensherrschaften errichten,<br />

von hybriden Bedrohungen, von Auseinan<strong>der</strong>setzungen im Cyber- <strong>und</strong><br />

Informationsraum.<br />

Es war daher überfällig, dass wir uns wie<strong>der</strong> einmal ganz gr<strong>und</strong>legend mit den Fragen<br />

beschäftigen: Was macht uns eigentlich aus? Was können wir aus <strong>der</strong> Geschichte für das<br />

Heute lernen? Was gibt unserem Handeln Sinn? Gerade weil sich die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

heute so schnell verän<strong>der</strong>n, brauchen wir ein gemeinsames Verständnis von unserer<br />

Vergangenheit. Wir müssen uns immer wie<strong>der</strong> selbst vergewissern, auf welchem Gr<strong>und</strong><br />

wir stehen.<br />

Daher waren uns bei <strong>der</strong> Erarbeitung des neuen <strong>Tradition</strong>serlasses zwei Aspekte<br />

beson<strong>der</strong>s wichtig:<br />

Erstens wollten wir die deutsche Militärgeschichte in ihrer ganzen Breite in den Blick<br />

nehmen, aus ihr schöpfen, bewerten, was daraus für uns heute vorbildlich <strong>und</strong><br />

sinnstiftend ist. Denn natürlich gab es zu allen Zeiten herausragende soldatische<br />

Persönlichkeiten, außergewöhnliches soldatisches Handeln. Militärische Exzellenz allein<br />

genügt jedoch nicht. Sie mag als praktisches Beispiel für Lehre <strong>und</strong> Ausbildung dienen.<br />

<strong>Tradition</strong> ist aber mehr. Wir sind die Streitkräfte einer gereiften, weltweit geachteten<br />

Demokratie. Sinn- <strong>und</strong> traditionsstiftend für unsere <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>, die freiheitlichen <strong>und</strong>


demokratischen Zielsetzungen verpflichtet ist, kann daher nur ein soldatisches<br />

Selbstverständnis sein, das auf dem Wertef<strong>und</strong>ament unseres Gr<strong>und</strong>gesetzes ruht.<br />

Praktisch bedeutet dieser Wertebezug, dass etwa die Wehrmacht als Institution<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zu unserem <strong>Tradition</strong>skanon gehören kann, weil sie das Werkzeug<br />

eines verbrecherischen Regimes war. Dieser Maßstab unserer Werte gilt auch für die<br />

Nationale Volksarmee <strong>und</strong> schließt sie daher ebenfalls als traditionsstiftende Institution<br />

aus. Gleichwohl können aber einzelne Angehörige bei<strong>der</strong> Armeen durchaus<br />

traditionswürdige Vorbil<strong>der</strong> für die Soldatinnen <strong>und</strong> Soldaten <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> sein. Es kommt auf die einzelne Person an, <strong>und</strong> wir müssen immer<br />

sorgfältig abwägen. Dabei stellt sich auch die Frage nach persönlicher Schuld. Die<br />

Aufnahme in unser <strong>Tradition</strong>sgut erfor<strong>der</strong>t in solchen Fällen zudem eine Leistung, die<br />

vorbildlich <strong>und</strong> sinnstiftend in die heutige <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> wirkt. Etwa die Beteiligung am<br />

militärischen Wi<strong>der</strong>stand gegen das NS-Regime o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e Verdienste um den<br />

Aufbau <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> o<strong>der</strong> die Auflehnung gegen die SED-Herrschaft o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e<br />

Verdienste um die Deutsche Einheit.<br />

Zweiter Schwerpunkt des neuen Erlasses ist, dass er die eigene über 60-jährige, reiche<br />

Geschichte <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> in den Mittelpunkt unserer Erinnerungskultur stellt. Sie<br />

wird zum zentralen Bezugspunkt unserer <strong>Tradition</strong>. Eine Geschichte, die von einer<br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> berichtet, die an <strong>der</strong> Seite ihrer Partner im Kalten Krieg Freiheit <strong>und</strong><br />

Frieden wahrte, die einen vorbildlichen Beitrag zur Verwirklichung <strong>der</strong> Deutschen<br />

Einheit leistete, die seit einem Vierteljahrhun<strong>der</strong>t zum internationalen<br />

Krisenmanagement beiträgt, <strong>und</strong> sich dabei in multinationalen Einsätzen <strong>und</strong> auch im<br />

harten Gefecht bewährte, <strong>der</strong>en Soldaten immer wie<strong>der</strong> aufs Neue Mut, Tapferkeit <strong>und</strong><br />

ihre Bereitschaft bewiesen, auch mit dem höchsten Gut für ihren Auftrag einzustehen,<br />

die für die Menschen in unserem Land da ist, wenn sie gebraucht wird, die seit mehr als<br />

sechs Jahrzehnten einsteht für Recht <strong>und</strong> Freiheit unseres Landes. Auf diese Geschichte<br />

darf die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> unendlich stolz sein!<br />

Der überarbeitete Erlass soll Klarheit geben über unser Verständnis von <strong>Tradition</strong> <strong>und</strong><br />

mehr Handlungssicherheit in <strong>der</strong> praktischen <strong>Tradition</strong>spflege. Ich danke allen, die sich<br />

in den vergangenen Monaten an <strong>der</strong> Überarbeitung <strong>der</strong> <strong>Richtlinien</strong> zum<br />

<strong>Tradition</strong>sverständnis <strong>und</strong> zur <strong>Tradition</strong>spflege beteiligt haben. Ihr Engagement steht


selbst für eine gute <strong>Tradition</strong> <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>. Der neue <strong>Tradition</strong>serlass setzt nur einen<br />

Rahmen für die <strong>Tradition</strong>spflege in <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>. Er gewährt bewusst Freiräume. Ich<br />

for<strong>der</strong>e die Teilstreitkräfte <strong>und</strong> Organisationsbereiche, die Truppengattungen, Verbände<br />

<strong>und</strong> Dienststellen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>, vor allem aber jeden einzelnen Angehörigen <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> auf, diese Freiräume verantwortlich zu gestalten. Tragen Sie dazu bei,<br />

<strong>Tradition</strong> zu pflegen, die werteorientiert <strong>und</strong> sinnstiftend ist.<br />

Bewahren <strong>und</strong> verän<strong>der</strong>n gehören zusammen. Ich möchte, dass unsere <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

stärker ihre eigene stolze Geschichte erzählt mit Respekt vor den Leistungen <strong>der</strong><br />

Vergangenheit, mit Stolz auf das Erreichte <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Zuversicht, dass die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

auch künftig Frieden <strong>und</strong> Freiheit verlässlich schützen wird.<br />

Ihre<br />

Dr. Ursula von <strong>der</strong> Leyen<br />

B<strong>und</strong>esministerin <strong>der</strong> Verteidigung


DIE TRADITION DER BUNDESWEHR<br />

RICHTLINIEN ZUM TRADITIONSVERSTÄNDNIS<br />

UND ZUR TRADITIONSPFLEGE


1. GRUNDSÄTZE<br />

1.1 Funktion<br />

Die <strong>Tradition</strong> <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> ist <strong>der</strong> Kern ihrer Erinnerungskultur. Sie ist die<br />

bewusste Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Vergangenheit in gewachsenen<br />

Ausdrucksformen. <strong>Tradition</strong> ist damit Bestandteil des werteorientierten<br />

Selbstverständnisses <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> mit ihren militärischen <strong>und</strong> zivilen<br />

Anteilen. Sie festigt <strong>der</strong>en Verankerung in <strong>der</strong> Gesellschaft. Als geistige Brücke<br />

zwischen Vergangenheit <strong>und</strong> Zukunft verbindet <strong>Tradition</strong> die Generationen <strong>und</strong><br />

gibt Orientierung für das Führen <strong>und</strong> Handeln.<br />

1.2 Wirkung<br />

Mit ihrer <strong>Tradition</strong> überliefert <strong>und</strong> pflegt die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> die Erinnerung an<br />

Ereignisse, Personen, Institutionen <strong>und</strong> Prinzipien aus <strong>der</strong> Gesamtheit <strong>der</strong><br />

deutschen (Militär-)Geschichte, sofern diese vorbildlich <strong>und</strong> richtungsweisend<br />

für ihren heutigen Auftrag wirken. Der innere Zusammenhalt <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

beruht auf gemeinsamen Werten <strong>und</strong> überlieferten Vorbil<strong>der</strong>n, die durch<br />

<strong>Tradition</strong> symbolisiert <strong>und</strong> bewahrt werden. <strong>Tradition</strong> dient so <strong>der</strong><br />

Selbstvergewisserung. Sie schafft <strong>und</strong> stärkt Identifikation, unterstützt eine<br />

verantwortungsvolle Auftragserfüllung <strong>und</strong> erhöht Einsatzwert <strong>und</strong> Kampfkraft.<br />

Um ihre integrative <strong>und</strong> motivierende Wirkung entfalten zu können, muss die<br />

<strong>Tradition</strong> <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> geistiges Gut aller Angehörigen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

sein. Sie ist im dienstlichen Alltag sichtbar <strong>und</strong> erlebbar zu machen. Gelebte<br />

<strong>Tradition</strong> spricht nicht nur Kopf <strong>und</strong> Verstand an, son<strong>der</strong>n in beson<strong>der</strong>er Weise<br />

auch Herz <strong>und</strong> Gemüt. <strong>Tradition</strong>sinhalte können daher auch durch Symbole <strong>und</strong><br />

Zeremonien anschaulich vermittelt <strong>und</strong> erlebt werden.<br />

1.3 Eigenschaften<br />

Die <strong>Tradition</strong> <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> bewahrt <strong>der</strong>en Erbe auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong><br />

Werteordnung des Gr<strong>und</strong>gesetzes <strong>und</strong>, daraus abgeleitet, des Soldatengesetzes.<br />

Sie ist integraler Bestandteil <strong>der</strong> Konzeption <strong>der</strong> Inneren Führung.<br />

<strong>Tradition</strong> bildet sich in einem fortlaufenden <strong>und</strong> schöpferischen Prozess<br />

wertegeleiteter Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Vergangenheit. <strong>Tradition</strong> ist nicht<br />

Geschichte, son<strong>der</strong>n eine absichtsvolle <strong>und</strong> sinnstiftende Auswahl aus ihr.<br />

1.4 Voraussetzungen<br />

Die <strong>Tradition</strong> <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> beruht auf <strong>der</strong> kritischen Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit, auf den ethischen Geboten <strong>der</strong> Konzeption <strong>der</strong> Inneren<br />

Führung <strong>und</strong> auf ihrer gesellschaftlichen Integration als Armee <strong>der</strong> Demokratie.<br />

Geschichtsbewusstsein <strong>und</strong> Kenntnis <strong>der</strong> eigenen Geschichte sind<br />

Voraussetzungen für das werteorientierte <strong>Tradition</strong>sverständnis <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lage für eine verantwortungsvolle <strong>Tradition</strong>spflege.<br />

2


1.5 Gegenwartsbezug<br />

<strong>Tradition</strong>sstiftung <strong>und</strong> <strong>Tradition</strong>spflege sind dynamisches <strong>und</strong> niemals<br />

abgeschlossenes Handeln, das sich allen Versuchen entzieht, es zentral o<strong>der</strong><br />

dauerhaft festlegen zu wollen. Sie setzen staatsbürgerliches Bewusstsein sowie<br />

Verständnis für historische, politische <strong>und</strong> gesellschaftliche Zusammenhänge<br />

voraus <strong>und</strong> for<strong>der</strong>n zur persönlichen Auseinan<strong>der</strong>setzung auf. Lebendige<br />

<strong>Tradition</strong> muss gegenwarts- <strong>und</strong> auftragsbezogen sein. Sie ist daher ständig zu<br />

überprüfen <strong>und</strong> fortzuentwickeln. <strong>Tradition</strong> <strong>und</strong> Auftrag <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> greifen<br />

so ineinan<strong>der</strong>.<br />

2. HISTORISCHE GRUNDLAGEN<br />

2.1 <strong>Tradition</strong> <strong>und</strong> Geschichte<br />

Die deutsche (Militär-)Geschichte ist geprägt von Brüchen <strong>und</strong> Zäsuren. Wegen<br />

des folgenschweren Missbrauchs militärischer Macht, insbeson<strong>der</strong>e während<br />

<strong>der</strong> nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, gibt es keine geradlinige deutsche<br />

Militärtradition. Die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> ist sich des wi<strong>der</strong>sprüchlichen Erbes <strong>der</strong><br />

deutschen (Militär-)Geschichte mit ihren Höhen, aber auch ihren Abgründen<br />

bewusst. <strong>Tradition</strong> <strong>und</strong> Identität <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> nehmen daher die gesamte<br />

deutsche (Militär-)Geschichte in den Blick. Sie schließen aber jene Teile aus,<br />

die unvereinbar mit den Werten unserer freiheitlichen demokratischen<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung sind.<br />

2.2 Deutsche Streitkräfte bis 1918<br />

Bis zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t waren deutsche Streitkräfte stabilisieren<strong>der</strong><br />

Bestandteil einer vornehmlich kleinstaatlichen <strong>und</strong> überwiegend dynastischen<br />

Ordnung. Dies begründete ihre herausgehobene Stellung in Staat <strong>und</strong><br />

Gesellschaft. Ihre vielfältige Geschichte spiegelt die Entwicklung Deutschlands<br />

<strong>und</strong> ist Quelle erinnerungs- <strong>und</strong> damit bewahrungswürdiger Vorbil<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Geschehnisse <strong>der</strong> deutschen (Militär-)Geschichte. So entwickelten deutsche<br />

Streitkräfte zahlreiche fortschrittliche <strong>und</strong> richtungsweisende Verfahren,<br />

Strukturen <strong>und</strong> Prinzipien, die noch heute Bedeutung haben, etwa die mo<strong>der</strong>ne<br />

Stabsarbeit, das Führen mit Auftrag, das Führen von vorne o<strong>der</strong> das<br />

Generalstabswesen.<br />

2.3 Deutsche Streitkräfte zwischen 1919 <strong>und</strong> 1945<br />

In <strong>der</strong> Weimarer Republik gab es erstmals gesamtdeutsche Streitkräfte. Die<br />

Reichswehr legte ihren Eid auf die Verfassung ab, wahrte jedoch eine<br />

weitgehende innere Distanz <strong>und</strong> blieb Zeit ihres Bestehens zu großen Teilen<br />

einem antirepublikanischen Geist verhaftet. Der demokratisch verfassten<br />

Weimarer Republik blieb sie fremd <strong>und</strong> bildete letztlich einen „Staat im Staate“.<br />

3


Mit Wie<strong>der</strong>einführung <strong>der</strong> Wehrpflicht im Nationalsozialismus ging 1935 aus <strong>der</strong><br />

Reichswehr die Wehrmacht hervor. Die Wehrmacht diente dem<br />

nationalsozialistischen Unrechtsregime <strong>und</strong> war in dessen Verbrechen<br />

schuldhaft verstrickt, die in ihrem Ausmaß, in ihrem Schrecken <strong>und</strong> im Grad<br />

ihrer staatlichen Organisation einzigartig in <strong>der</strong> Geschichte sind. Im Zweiten<br />

Weltkrieg wurde sie zu einem Instrument <strong>der</strong> rassenideologischen<br />

Kriegsführung.<br />

2.4 Deutsche Streitkräfte nach 1945<br />

2.4.1 Nationale Volksarmee<br />

Die Nationale Volksarmee (NVA) war eine sozialistische Klassen- <strong>und</strong><br />

Parteiarmee, die mit ihrer Aufstellung fest in das Bündnissystem <strong>der</strong><br />

sozialistischen Staaten, den Warschauer Pakt, eingefügt wurde. Ihr<br />

Selbstverständnis orientierte sich an <strong>der</strong> Staatsideologie <strong>der</strong> DDR. Die NVA<br />

wurde von <strong>der</strong> SED geführt, handelte im Sinne ihrer Politik <strong>und</strong> trug maßgeblich<br />

zu ihrer Herrschaftssicherung bei. Während <strong>der</strong> Friedlichen Revolution 1989<br />

ging sie jedoch nicht gegen das Freiheitsstreben <strong>der</strong> Bevölkerung vor.<br />

Ausgewählte ehemalige NVA-Angehörige wurden 1990 in die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

übernommen <strong>und</strong> trugen zum Gelingen <strong>der</strong> Deutschen Einheit bei.<br />

2.4.2 <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

Die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> ist eine Bündnisarmee unter parlamentarischer Kontrolle <strong>und</strong><br />

mit unabhängiger Gerichtsbarkeit. Streitkräfte <strong>und</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>verwaltung sind<br />

in die demokratische Verfassungsordnung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> ist tief in das Nordatlantische<br />

Verteidigungsbündnis integriert. Ihr Selbstverständnis vereint militärische<br />

Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> soldatische Pflichten mit demokratischen Rechten.<br />

Soldatinnen <strong>und</strong> Soldaten sind mündige Staatsbürgerinnen <strong>und</strong> Staatsbürger in<br />

Uniform. Aus diesen Gr<strong>und</strong>sätzen leitet sich die Innere Führung als ziel- <strong>und</strong><br />

werteorientierte Konzeption für die Stellung <strong>der</strong> Streitkräfte in Staat <strong>und</strong><br />

Gesellschaft ab.<br />

3. DAS TRADITIONSVERSTÄNDNIS DER BUNDESWEHR<br />

3.1 Wertebindung<br />

Gr<strong>und</strong>lage sowie Maßstab für das <strong>Tradition</strong>sverständnis <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> <strong>und</strong><br />

für ihre <strong>Tradition</strong>spflege sind neben den <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> übertragenen<br />

Aufgaben <strong>und</strong> Pflichten vor allem die Werte <strong>und</strong> Normen des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />

Zu ihnen zählen insbeson<strong>der</strong>e die Achtung <strong>der</strong> Menschenwürde, die Wahrung<br />

von Rechtsstaatlichkeit <strong>und</strong> Völkerrecht, <strong>der</strong> Ausschluss je<strong>der</strong> Gewalt- <strong>und</strong><br />

Willkürherrschaft sowie die Verpflichtung auf Freiheit <strong>und</strong> Frieden. Die<br />

4


Angehörigen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> sind zudem <strong>der</strong> Menschlichkeit verpflichtet, auch<br />

unter Belastung <strong>und</strong> im Gefecht.<br />

Die Ursprünge <strong>der</strong> Werte <strong>und</strong> Normen des Gr<strong>und</strong>gesetzes reichen weit in die<br />

Vergangenheit zurück. In diesem Verständnis lassen sich aus allen Epochen<br />

<strong>der</strong> deutschen (Militär-)Geschichte vorbildliche soldatisch-ethische Haltungen<br />

<strong>und</strong> Handlungen sowie militärische Formen, Symbole <strong>und</strong> Überlieferungen in<br />

das <strong>Tradition</strong>sgut <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> übernehmen.<br />

3.2 Zentraler Bezugspunkt<br />

Zentraler Bezugspunkt <strong>der</strong> <strong>Tradition</strong> <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> sind ihre eigene, lange<br />

Geschichte <strong>und</strong> die Leistungen ihrer Soldatinnen <strong>und</strong> Soldaten, zivilen<br />

Angehörigen sowie Reservistinnen <strong>und</strong> Reservisten. Dazu zählen insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> ihrer Bürgerinnen <strong>und</strong><br />

Bürger,<br />

treues Dienen in Freiheit, das soldatisches Handeln an das Gewissen<br />

bindet <strong>und</strong> dem Gehorsam Grenzen setzt,<br />

die Konzeption <strong>der</strong> Inneren Führung mit ihrem Leitbild des Staatsbürgers<br />

in Uniform,<br />

<strong>der</strong> gemeinsame Beitrag zur Einsatzbereitschaft <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> durch<br />

Streitkräfte <strong>und</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>verwaltung,<br />

<strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> zum internationalen Krisenmanagement<br />

sowie ihre Bewährung in Einsätzen <strong>und</strong> im Gefecht,<br />

das Bewahren von Freiheit <strong>und</strong> Frieden im Kalten Krieg <strong>und</strong> das Eintreten<br />

für die deutsche Einheit,<br />

das Erbe <strong>der</strong> allgemeinen Wehrpflicht <strong>und</strong> die Leistungen <strong>der</strong> über acht<br />

Millionen Gr<strong>und</strong>wehrdienstleistenden,<br />

die Einbindung in multinationale Strukturen <strong>und</strong> Verbände <strong>der</strong> NATO <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Europäischen Union,<br />

<strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> zur Aussöhnung Deutschlands mit<br />

ehemaligen Kriegsgegnern,<br />

die erfolgreiche Hilfeleistung in humanitären Notsituationen im In- <strong>und</strong><br />

Ausland,<br />

die Integrationsleistung <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />

Deutschlands.<br />

Diese Geschichte zu würdigen <strong>und</strong> ihr Erbe weiterzuentwickeln, ist Aufgabe<br />

aller Angehörigen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>. Die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> verfügt selbst über einen<br />

breiten F<strong>und</strong>us, um mit Stolz <strong>Tradition</strong> zu stiften.<br />

3.3 <strong>Tradition</strong>sstiftendes Verhalten<br />

Historische Beispiele für zeitlos gültige soldatische Tugenden, etwa Tapferkeit,<br />

Ritterlichkeit, Anstand, Treue, Bescheidenheit, Kameradschaft, Wahrhaftigkeit,<br />

Entschlussfreude <strong>und</strong> gewissenhafte Pflichterfüllung, aber auch Beispiele für<br />

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militärische Exzellenz, z.B. herausragende Truppenführung, können in <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> Anerkennung finden <strong>und</strong> in Lehre <strong>und</strong> Ausbildung genutzt werden.<br />

Sie sind jedoch immer im historischen Zusammenhang zu bewerten <strong>und</strong> nicht<br />

zu trennen von den politischen Zielen, denen sie dienten. Die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> ist<br />

freiheitlichen <strong>und</strong> demokratischen Zielsetzungen verpflichtet. Für sie kann nur<br />

ein soldatisches Selbstverständnis mit Wertebindung, das sich nicht allein auf<br />

professionelles Können im Gefecht reduziert, sinn- <strong>und</strong> traditionsstiftend sein.<br />

3.4 Ausschlüsse<br />

Die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> pflegt keine <strong>Tradition</strong> von Personen, Truppenverbänden <strong>und</strong><br />

militärischen Institutionen <strong>der</strong> deutschen (Militär-)Geschichte, die nach<br />

heutigem Verständnis verbrecherisch, rassistisch o<strong>der</strong> menschenverachtend<br />

gehandelt haben.<br />

3.4.1 Wehrmacht<br />

Der verbrecherische NS-Staat kann <strong>Tradition</strong> nicht begründen. Für die<br />

Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als<br />

Institution nicht traditionswürdig. Gleiches gilt für ihre Truppenverbände sowie<br />

Organisationen, die Militärverwaltung <strong>und</strong> den Rüstungsbereich.<br />

Die Aufnahme einzelner Angehöriger <strong>der</strong> Wehrmacht in das <strong>Tradition</strong>sgut <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> ist dagegen gr<strong>und</strong>sätzlich möglich. Voraussetzung dafür ist immer<br />

eine eingehende Einzelfallbetrachtung sowie ein sorgfältiges Abwägen. Dieses<br />

Abwägen muss die Frage persönlicher Schuld berücksichtigen <strong>und</strong> eine<br />

Leistung zur Bedingung machen, die vorbildlich o<strong>der</strong> sinnstiftend in die<br />

Gegenwart wirkt, etwa die Beteiligung am militärischen Wi<strong>der</strong>stand gegen das<br />

NS-Regime o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e Verdienste um den Aufbau <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>.<br />

3.4.2 NVA<br />

Die NVA begründet als Institution <strong>und</strong> mit ihren Verbänden <strong>und</strong> Dienststellen<br />

keine <strong>Tradition</strong> <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>. In ihrem eigenen Selbstverständnis war sie<br />

Hauptwaffenträger einer sozialistischen Diktatur. Sie war fest in die<br />

Staatsideologie <strong>der</strong> DDR eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wesentlicher Garant für die<br />

Sicherung ihres politisch-gesellschaftlichen Systems.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist jedoch die Aufnahme von Angehörigen <strong>der</strong> NVA in das<br />

<strong>Tradition</strong>sgut <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> möglich. Sie setzt ebenfalls immer eine<br />

eingehende Einzelfallbetrachtung sowie ein sorgfältiges Abwägen voraus.<br />

Dieses Abwägen muss die Frage nach persönlicher Schuld berücksichtigen <strong>und</strong><br />

eine Leistung zur Bedingung machen, die vorbildlich o<strong>der</strong> sinnstiftend in die<br />

Gegenwart wirkt, etwa die Auflehnung gegen die SED-Herrschaft o<strong>der</strong><br />

beson<strong>der</strong>e Verdienste um die Deutsche Einheit.<br />

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4. TRADITIONSPFLEGE IN DER BUNDESWEHR<br />

4.1 Historische Bildung<br />

Historische Bildung ist Voraussetzung für eine werteorientierte <strong>Tradition</strong>spflege.<br />

Sie vermittelt Orientierungswissen, Identität sowie die Fähigkeit zur kritischen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> eigenen Geschichte. An den Schulen <strong>und</strong><br />

Bildungseinrichtungen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>, aber auch im täglichen Dienst ist dem<br />

Vermitteln von <strong>Tradition</strong>sverständnis <strong>und</strong> <strong>Tradition</strong>sgut ausreichend<br />

Gelegenheit <strong>und</strong> Zeit zu geben.<br />

4.2 Zweck <strong>der</strong> <strong>Tradition</strong>spflege<br />

Die <strong>Tradition</strong>spflege in <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> stärkt das Bewusstsein für ihre eigene<br />

Geschichte <strong>und</strong> den Stolz auf ihre Leistungen. Sie verfolgt insbeson<strong>der</strong>e<br />

folgende Ziele:<br />

demokratisches Wertebewusstsein <strong>und</strong> Verfassungstreue,<br />

einen verfassungsorientierten Patriotismus,<br />

das Bejahen des Auftrags zum Erhalt o<strong>der</strong> zur Wie<strong>der</strong>herstellung des<br />

Friedens in Freiheit als Gr<strong>und</strong>lage des soldatischen Selbstverständnisses<br />

<strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>,<br />

das Vermitteln soldatischer Tugenden <strong>und</strong> soldatischer Haltung,<br />

Einsatzbereitschaft <strong>und</strong> den Willen zum Kampf, wenn es <strong>der</strong> Auftrag<br />

erfor<strong>der</strong>t,<br />

die Identifikation mit <strong>der</strong> Teilstreitkraft, dem Organisationsbereich, <strong>der</strong><br />

Truppengattung o<strong>der</strong> dem Dienstbereich,<br />

das Auseinan<strong>der</strong>setzen mit <strong>der</strong> ethischen Dimension des Dienstes in <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> als Voraussetzung für die Bereitschaft <strong>und</strong> die Fähigkeit zum<br />

Kampf sowie für das Tragen <strong>der</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Belastungen,<br />

für die zivilen Angehörigen die Identifikation mit <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> als<br />

staatlicher Institution mit Verfassungsrang unter beson<strong>der</strong>er<br />

Berücksichtigung ihrer nicht-militärischen Aufgaben,<br />

die Stärkung <strong>der</strong> Gemeinschaft aller Angehörigen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

unabhängig von Status o<strong>der</strong> Dienst- <strong>und</strong> Arbeitsverhältnis.<br />

4.3 Verantwortung <strong>und</strong> Dienstaufsicht<br />

<strong>Tradition</strong>spflege <strong>und</strong> historische Bildung sind Führungsaufgaben. Sie liegen in<br />

<strong>der</strong> Verantwortung <strong>der</strong> Inspekteure bzw. Inspekteurinnen <strong>und</strong> Leiter bzw.<br />

Leiterinnen <strong>der</strong> Organisationsbereiche <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> sowie insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

Kommandeure bzw. Kommandeurinnen, Dienststellenleiter bzw.<br />

Dienststellenleiterinnen <strong>und</strong> Einheitsführer bzw. Einheitsführerinnen. Diese<br />

sorgen für das Beachten <strong>und</strong> Verwirklichen dieser <strong>Richtlinien</strong>. Bei <strong>der</strong><br />

<strong>Tradition</strong>spflege sollen sie die truppengattungs- <strong>und</strong> verbandspezifischen<br />

Alleinstellungs-merkmale im Gr<strong>und</strong>betrieb <strong>und</strong> Einsatz betonen sowie regionale<br />

7


Bezüge o<strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten hervorheben. Dazu verfügen sie über Ermessens<strong>und</strong><br />

Entscheidungsfreiheit vor allem bei regionalen <strong>und</strong> lokalen Beson<strong>der</strong>heiten.<br />

Die verantwortlichen Vorgesetzten treffen ihre Entscheidungen auf Gr<strong>und</strong>lage<br />

dieser <strong>Richtlinien</strong> selbständig. Sie sind damit auch für das Einhalten <strong>der</strong><br />

einschlägigen rechtlichen Bestimmungen verantwortlich.<br />

4.4 Hilfsmittel<br />

Vorgaben <strong>und</strong> Inhalte <strong>der</strong> spezifischen <strong>Tradition</strong>spflege in den militärischen <strong>und</strong><br />

zivilen Organisationsbereichen erlassen <strong>der</strong>en Inspekteure bzw.<br />

Inspekteurinnen <strong>und</strong> Leiter bzw. Leiterinnen. Hilfsmittel <strong>und</strong> Handreichungen<br />

zur <strong>Tradition</strong>spflege auf Gr<strong>und</strong>lage dieses Erlasses sind bis auf die<br />

Dienststellen-/ Einheitsebene zu verteilen.<br />

4.5 Regionaler Bezug<br />

Die <strong>Tradition</strong>spflege in den Standorten <strong>und</strong> Dienststellen soll regionale<br />

Beson<strong>der</strong>heiten berücksichtigen. Dies entspricht dem fö<strong>der</strong>alen Charakter<br />

unserer Verfassungsordnung <strong>und</strong> <strong>der</strong> vielfältigen deutschen Landesgeschichte.<br />

Regionale Ausstellungen sind beson<strong>der</strong>s geeignet, die Geschichte des<br />

Standortes, <strong>der</strong> Dienststelle <strong>und</strong> <strong>der</strong> dort stationierten Verbände <strong>und</strong> Einheiten<br />

zu bewahren.<br />

4.6 Symbole, Zeichen <strong>und</strong> Zeremoniell<br />

<strong>Tradition</strong> braucht Symbole, Zeichen <strong>und</strong> Zeremonielle. Sie prägen das Bild <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> in Staat <strong>und</strong> Gesellschaft. Viele überlieferte Rituale, Sitten <strong>und</strong><br />

Gepflogenheiten sind nicht <strong>Tradition</strong>, son<strong>der</strong>n gehören zum Brauchtum. Sie<br />

spiegeln militärische Verhaltensweisen <strong>und</strong> Formen. Meist haben sie sich vor<br />

langer Zeit herausgebildet. Sie stehen stellvertretend für den historischen <strong>und</strong><br />

militärischen Kontext, <strong>der</strong> sie hervorgebracht hat o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ihnen zugeschrieben<br />

wird. Als Überlieferung auf vornehmlich emotionaler Ebene können Symbole,<br />

Zeichen <strong>und</strong> Zeremonielle auf das <strong>Tradition</strong>serbe <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> verweisen<br />

<strong>und</strong> dazu beitragen, es zu bewahren.<br />

Beson<strong>der</strong>e Bedeutung in <strong>der</strong> <strong>Tradition</strong>spflege <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> haben:<br />

die schwarz-rot-goldenen Nationalfarben als Symbol demokratischen<br />

Selbstverständnisses,<br />

die Nationalhymne als Ausdruck des Bewahrens von Einigkeit, Recht <strong>und</strong><br />

Freiheit,<br />

<strong>der</strong> Adler des deutschen B<strong>und</strong>eswappens als Zeichen nationaler<br />

Souveränität <strong>und</strong> <strong>der</strong> dem Recht dienenden Macht,<br />

das Eiserne Kreuz als nationales Erkennungszeichen <strong>und</strong> als Sinnbild für<br />

Tapferkeit, Freiheitsliebe <strong>und</strong> Ritterlichkeit,<br />

<strong>der</strong> Diensteid <strong>und</strong> das Feierliche Gelöbnis <strong>der</strong> Soldatinnen <strong>und</strong> Soldaten<br />

als öffentliches Bekenntnis <strong>und</strong> Versprechen, <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik<br />

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Deutschland treu zu dienen <strong>und</strong> das Recht <strong>und</strong> die Freiheit des deutschen<br />

Volkes tapfer zu verteidigen,<br />

das Ehrenkreuz <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> für Tapferkeit als höchste Form des<br />

Ehrenzeichens <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>,<br />

<strong>der</strong> Große Zapfenstreich als höchstes Zeremoniell <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>,<br />

das Lied vom guten Kameraden als letztem Abschiedsgruß <strong>und</strong> Herzstück<br />

je<strong>der</strong> militärischen Trauerfeier,<br />

Europahymne <strong>und</strong> Europafahne als Bekenntnis zur europäischen<br />

Verteidigungsidentität.<br />

4.7 Totengedenken, Mahn- <strong>und</strong> Ehrenmale<br />

Das Einrichten <strong>und</strong> Pflegen von Gedenkstätten sowie Mahn- <strong>und</strong> Ehrenmalen<br />

für die Toten vergangener Kriege dient <strong>der</strong> Erinnerung an die Opfer von Krieg<br />

<strong>und</strong> Gewalt. Zentraler Erinnerungsort, um aller militärischen <strong>und</strong> zivilen<br />

Angehörigen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> zu gedenken, die in Folge <strong>der</strong> Ausübung ihrer<br />

Dienstpflichten ihr Leben verloren haben, ist das Ehrenmal <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> am<br />

Dienstsitz des B<strong>und</strong>esministeriums <strong>der</strong> Verteidigung in Berlin. Es wird durch<br />

den Wald <strong>der</strong> Erinnerung in Geltow ergänzt. Heer, Marine <strong>und</strong> Luftwaffe<br />

gedenken ihrer Toten zusätzlich an eigenen Ehrenmalen <strong>und</strong> regionalen<br />

Gedenkorten.<br />

Die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> unterstützt <strong>und</strong> beteiligt sich an <strong>der</strong> Arbeit des Volksb<strong>und</strong>es<br />

Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. sowie an den Veranstaltungen am<br />

Volkstrauertag im Sinne eines allgemeinen Totengedenkens. Damit pflegt sie<br />

jedoch keine <strong>Tradition</strong> früherer Streitkräfte.<br />

4.8 <strong>Tradition</strong>en ehemaliger Verbände <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong><br />

<strong>Tradition</strong>en ehemaliger Verbände <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> können von Truppenteilen<br />

<strong>und</strong> Dienststellen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> übernommen werden. Vereine <strong>und</strong><br />

Organisationen, die <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong> <strong>Tradition</strong> ehemaliger Verbände <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> dienen, können geför<strong>der</strong>t <strong>und</strong> unterstützt werden. Die<br />

Zusammenarbeit ist durch die verantwortlichen Vorgesetzten zu genehmigen.<br />

4.9 <strong>Tradition</strong>en ehemaliger deutscher Streitkräfte<br />

<strong>Tradition</strong>en von Verbänden ehemaliger deutscher Streitkräfte werden an<br />

Truppenteile <strong>und</strong> Dienststellen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> nicht verliehen; ihre Fahnen<br />

<strong>und</strong> Standarten werden in <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> nicht mitgeführt o<strong>der</strong> begleitet. Es<br />

ist verboten, nationalsozialistische Symbole <strong>und</strong> Zeichen, insbeson<strong>der</strong>e das<br />

Hakenkreuz, zu zeigen. Ausgenommen davon sind Darstellungen, die <strong>der</strong><br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Nationalsozialismus in <strong>der</strong> politischen o<strong>der</strong><br />

historischen Bildung dienen, etwa in Ausstellungen, Lehrsammlungen <strong>und</strong><br />

militärgeschichtlichen Sammlungen sowie im Rahmen von Forschung <strong>und</strong><br />

Lehre. Dienstliche Kontakte mit Nachfolgeorganisationen <strong>der</strong> Waffen-SS o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Ordensgemeinschaft <strong>der</strong> Ritterkreuzträger sind untersagt.<br />

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4.10 Museumswesen<br />

Das Darstellen <strong>und</strong> Bewahren <strong>der</strong> deutschen Militärgeschichte in Museen <strong>und</strong><br />

Sammlungen <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> dient <strong>der</strong> historischen Bildung <strong>und</strong> auch <strong>der</strong><br />

<strong>Tradition</strong>spflege. Geschichtsdarstellung <strong>und</strong> <strong>Tradition</strong>spflege sind deutlich<br />

voneinan<strong>der</strong> abzugrenzen.<br />

4.11 Verwendung historischer Exponate<br />

Dokumente <strong>und</strong> Ausrüstungsgegenstände aus <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>, etwa<br />

Uniformen, Sockelfahrzeuge o<strong>der</strong> Truppenfahnen aufgelöster Verbände, dürfen<br />

gesammelt <strong>und</strong> ausgestellt werden. Objekte (z.B. Uniformen, Ausrüstungsgegenstände<br />

o<strong>der</strong> Orden) sowie Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Darstellungen früherer Streitkräfte,<br />

die zur fachlichen Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung genutzt werden, <strong>der</strong> historischen<br />

Unterweisung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ausschmückung dienen, müssen durch die Betrachter in<br />

ihren historischen Kontext einzuordnen sein.<br />

Das Ausschmücken von Diensträumen mit Exponaten <strong>und</strong> Darstellungen aus<br />

<strong>der</strong> Wehrmacht <strong>und</strong> <strong>der</strong> NVA ist außerhalb von Ausstellungen in<br />

Militärgeschichtlichen Sammlungen gr<strong>und</strong>sätzlich nicht gestattet, sofern es sich<br />

nicht um traditionsstiftende Persönlichkeiten im Sinne von 3.3 handelt.<br />

Ausnahmen von dieser Festlegung kann <strong>der</strong> bzw. die nächste<br />

Disziplinarvorgesetzte genehmigen, wenn ein Bezug <strong>der</strong> Exponate zur<br />

betroffenen Einheit o<strong>der</strong> eine persönliche Bindung gegeben ist (z.B. Bil<strong>der</strong><br />

enger Familienangehöriger). Die Ausgestaltung darf den Vorgaben dieses<br />

Erlasses nicht wi<strong>der</strong>sprechen. Im Zweifel <strong>und</strong> bei Fragen ist die Ansprechstelle<br />

für militärhistorischen Rat des Zentrums für Militärgeschichte <strong>und</strong><br />

Sozialwissenschaften hinzuzuziehen.<br />

Waffen, Sockelfahrzeuge <strong>und</strong> Munition sind nur schieß- o<strong>der</strong> funktionsunfähig<br />

auszustellen. Kulturgüter, also beson<strong>der</strong>s bewahrens- o<strong>der</strong> schützenswerte<br />

Objekte, müssen hingegen in ihrem historischen Zustand verbleiben.<br />

4.12 Denkmalschutz<br />

Historischer Bauschmuck in Kasernen <strong>und</strong> Liegenschaften sowie an Gebäuden<br />

<strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> ist nicht Gegenstand <strong>der</strong> <strong>Tradition</strong>spflege. Als historische<br />

Artefakte ist ihr Erhalt dennoch anzustreben. Eine historische Einordnung, z.B.<br />

durch eine Informationstafel, ist erfor<strong>der</strong>lich. Denkmäler in Kasernen müssen<br />

den <strong>Richtlinien</strong> dieses Erlasses entsprechen.<br />

4.13 Diensteid <strong>und</strong> Feierliches Gelöbnis<br />

Diensteid <strong>und</strong> Feierliches Gelöbnis unter Anteilnahme <strong>der</strong> Bevölkerung sind ein<br />

öffentlich abgelegtes Bekenntnis <strong>der</strong> Soldatinnen <strong>und</strong> Soldaten zur freiheitlichen<br />

demokratischen Gr<strong>und</strong>ordnung. Vereidigungen <strong>und</strong> Feierliche Gelöbnisse im<br />

öffentlichen Raum sind Ausdruck <strong>der</strong> gesellschaftlichen Verankerung <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> <strong>und</strong> gewachsener Teil ihrer <strong>Tradition</strong>.<br />

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Mit dem Feierlichen Gelöbnis am 20. Juli in Berlin ehrt die <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> den<br />

militärischen Wi<strong>der</strong>stand gegen das NS-Regime <strong>und</strong> bek<strong>und</strong>et dessen<br />

herausgehobene Bedeutung für die <strong>Tradition</strong> <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>.<br />

4.14 Militärmusik<br />

Militärmusik dient dem Ausgestalten dienstlicher <strong>und</strong> öffentlicher<br />

Veranstaltungen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Repräsentation <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> im In- <strong>und</strong><br />

Ausland. Sie pflegt überliefertes Kulturgut. Die Begleitung mit Militärmusik<br />

entspricht militärischer Gepflogenheit <strong>und</strong> ist Teil des Zeremoniells <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>. Das Singen in <strong>der</strong> militärischen Gemeinschaft ist ein alter Brauch,<br />

<strong>der</strong> bewahrt werden soll. Das Liedgut <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> ist ein wichtiger Teil ihrer<br />

Identität. Es unterliegt <strong>der</strong> Wertebindung <strong>der</strong> <strong>Tradition</strong>spflege in <strong>der</strong><br />

<strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> (vgl. 3.1).<br />

4.15 <strong>Tradition</strong>snamen<br />

Das Benennen von Liegenschaften, Kasernen <strong>und</strong> Verbänden/Dienststellen<br />

stärkt die Identifikation <strong>und</strong> ist Teil <strong>der</strong> <strong>Tradition</strong>spflege <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong>. Das<br />

Verfahren zum Benennen <strong>und</strong> Umbenennen von Liegenschaften <strong>und</strong> Kasernen<br />

ist in <strong>der</strong> ZDv A-2650/2 festgelegt <strong>und</strong> bedarf <strong>der</strong> abschließenden<br />

Genehmigung durch das B<strong>und</strong>esministerium <strong>der</strong> Verteidigung. Über das<br />

Benennen von Verbänden <strong>und</strong> Dienststellen entscheiden die Inspekteure bzw.<br />

Inspekteurinnen o<strong>der</strong> die Leiter bzw. Leiterinnen des betroffenen<br />

Organisationsbereiches.<br />

Bestehende Benennungen müssen diesem <strong>Tradition</strong>serlass entsprechen. Bei<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Überprüfungen <strong>und</strong> Umbenennungen ist das Zentrum für<br />

Militärgeschichte <strong>und</strong> Sozialwissenschaften <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> über das<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>der</strong> Verteidigung einzubeziehen.<br />

4.16 Beratung<br />

Als Ansprechstelle für militärhistorischen Rat unterstützt das Zentrum für<br />

Militärgeschichte <strong>und</strong> Sozialwissenschaften <strong>der</strong> <strong>B<strong>und</strong>eswehr</strong> die<br />

verantwortlichen Vorgesetzten im Umgang mit historischen Ausstellungs- <strong>und</strong><br />

Erinnerungsstücken. Außerdem verfügen die militärischen Kommandobehörden,<br />

B<strong>und</strong>esämter <strong>und</strong> Schulen/ Ausbildungseinrichtungen über Historiker<br />

bzw. Historikerinnen, die bei militärhistorischen Fragen im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> <strong>Tradition</strong>spflege fachlich beraten sollen.<br />

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