05 / 2024
Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.
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Prothetik<br />
Schwellung bis zur Mobilisation in der<br />
Prothese wurde keine Umfangsreduktion,<br />
sondern eine Zunahme gemessen.<br />
Dies kann auf die im ausgehändigten<br />
Bewegungsprotokoll instruierte<br />
gezielte Anspannung der AMI-Muskeln<br />
ab der sechsten postoperativen<br />
Woche zurückgeführt werden. Nach<br />
regelmäßigem Gehen in der Prothese,<br />
hier gekennzeichnet als Ausgabe<br />
der Interimsprothese an Tag 166 nach<br />
Amputation (Anmerkung: Dies war<br />
eine sepsisassoziierte Amputation mit<br />
einer retrahierten Mobilisation aufgrund<br />
des initial sepsisreduzierten Allgemeinzustandes),<br />
verringert sich der<br />
Umfang in den überwiegenden Messpunkten.<br />
Dies kann auf die effektive<br />
Kompression des Schaftes unter täglicher<br />
Mobilisation in Zusammenhang<br />
mit einem residuellem Ödem zurückzuführen<br />
sein. Gefolgt wird dies von<br />
einem Umfangs-Peak an sechs von<br />
sieben Messpunkten. 100 Tage nach<br />
Mobilisation stabilisieren sich die Umfänge<br />
auf einem Wert direkt nach Amputation.<br />
Der Peak nach Mobilisation<br />
könnte eine reaktive Hypertrophie der<br />
Muskulatur als Antwort auf die Mehrbelastung<br />
in der Prothese sein.<br />
Die longitudinale Analyse der gemittelten<br />
Umfänge zeigte einen Trend<br />
zur Umfangszunahme als unmittelbar<br />
messbaren Effekt in der Nachbeobachtung<br />
dieser neuen Amputationsmethode<br />
mit relevanten Auswirkungen<br />
für einen robusteren Stumpf<br />
(Abb. 2 a–d). Es bleibt abzuwarten, wie<br />
nachhaltig in Stabilität und Funktionalität<br />
die gleitenden AMI-Konstrukte<br />
an der ventralen Tibia sind.<br />
Neben einer im ausgehändigten<br />
Bewegungsprotokoll deutlich geringen<br />
Prävalenz von Phantom- und<br />
Neuromschmerzen (n = 1/13) in dieser<br />
analysierten Subgruppe im Vergleich<br />
zu Prävalenzen nach Standard-Amputation<br />
gaben alle Patienten ein ungestörtes<br />
Phantomgefühl der amputierten<br />
Ex tremität an. Eine detaillierte<br />
Analyse der Schmerzen war hier nicht<br />
Gegenstand des vorliegenden Artikels.<br />
In Zukunft könnte es interessant sein<br />
zu untersuchen, welchen Einfluss diese<br />
neue Operationsmethode auf das<br />
Embodiment hat. Weiterhin sollte<br />
systematisch untersucht werden, wie<br />
hoch die propriozeptive Fähigkeit ist,<br />
und ob dies möglicherweise klinisch<br />
relevante Auswirkungen auf Balance<br />
und Gehvermögen hat. Die insgesamt<br />
niedrige Prävalenz amputationsassoziierter<br />
Schmerzen könnte auch Folge<br />
des selektiven Nerventransfers (TMR,<br />
TSR, RPNI) sein.<br />
Die Kopplung der Agonisten und<br />
Antagonisten wurde bereits im letzten<br />
Jahrhundert zur direkten Kraftübertragung<br />
und verbesserten Armprothesensteuerung<br />
unter dem Begriff<br />
„Kine plastik“ beschrieben [41, 42].<br />
Wir haben wie unser Kollege in Boston<br />
(M. Carty, Brigham and Women’s<br />
Hospital, Harvard Medical School Boston)<br />
in Analogie zur transtibialen Amputation<br />
das AMI-Verfahren für transradiale<br />
Amputationen durchgeführt.<br />
Anders als bei der Kine plastik wird hier<br />
die Kopplung der Agonisten und Antagonisten<br />
nun nicht zur direkten Kraftübertragung<br />
wie bei der originären<br />
Kineplastik, wohl aber zur indirekten<br />
Kraftübertragung genutzt. Es konnten<br />
nach Ausheilung der Sehnennaht unmittelbar<br />
sechs bis zu acht Myo signale<br />
zur myoelektrischen Steuerung der<br />
Handprothese genutzt werden.<br />
Die transponierten und gekoppelten<br />
Muskeln der transtibialen AMIs<br />
sind unter Laborbedingungen bereits<br />
zur myoelektrischen Steuerung<br />
von mechatronischen Sprunggelenken<br />
eingesetzt worden. Die gezielte<br />
Transposition erlaubt eine reliable<br />
Ansteuerung unter Verwendung von<br />
Oberflächenelektroden [43]. Weitere<br />
sekundäre und tertiäre Einflüsse dieses<br />
sogenannten Closed-loop-Mechanismus<br />
von rekonstruierter Propriozeption<br />
(Sensorik) und Myosignalen<br />
(motorischer Kontrolle) könnten neue<br />
Versorgungsdimensionen für Unterschenkelamputierte<br />
bedeuten.<br />
Für die Autoren:<br />
Victor Hoursch<br />
Assistenzarzt in Weiterbildung<br />
Klinik für Unfallchirurgie<br />
Medizinische Hochschule Hannover<br />
Carl-Neuberg-Straße 1<br />
30625 Hannover<br />
Hoursch.Victor@mh-hannover.de<br />
Begutachteter Beitrag/reviewed paper<br />
Zitation: Hoursch V et al. Agonisten-Antagonisten-Myoneural-Interface (AMI) – eine neue<br />
Versorgungs dimension für den transtibialen Stumpf? Orthopädie Technik, <strong>2024</strong>; 75 (5): 82–88<br />
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ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24