05 / 2024
Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.
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Prothetik<br />
b.<br />
c.<br />
Fibula<br />
Tibia<br />
Die Osteotomie wird bei einer Länge<br />
von 14–16 cm und die Hautlappen<br />
mit einem langen dorsalen Lappen<br />
geplant. Während der transtibialen<br />
Amputation werden bei der AMI-Methode<br />
der M. tibialis anterior und ein<br />
Bauch des M. gastrocnemius unter<br />
Vorspannung an den intramuskulären<br />
Anteil der Sehnen ventral der Tibia<br />
miteinander durch eine Sehnennaht<br />
verknüpft, um die muskuläre<br />
Kopplung der Fußhebung und -senkung<br />
(oberes Sprunggelenk) zu rekona.<br />
Gastrocnemius-Muskel<br />
Soleus-<br />
Muskel<br />
Achillessehne<br />
kelanspannung und -entspannung<br />
der Agonisten und Antagonisten codiert.<br />
Bei der Fußhebung führt eine<br />
Kontraktion der Fußheber (Extensoren<br />
und M. tibialis anterior) zu einer<br />
Dehnung der entspannten Fußsenker<br />
(Flexoren, Mm. gastrocnemius medialis<br />
und lateralis sowie M. soleus).<br />
Das bisherige Vorgehen bei einer<br />
transtibialen Amputation berücksichtigt<br />
nicht oder nur unvollständig die<br />
anatomische und neuromechanische<br />
Kopplung von Agonisten und Antagonisten<br />
(Abb. 1a, b).<br />
Abb. 1a–c Möglichkeiten der<br />
Refixation der Stumpfmuskulatur.<br />
Myoplastik/-pexie (a). Die Faszie des<br />
dorsalen Gastrocnemiusbauchs wird<br />
an der ventralen derben Faszie über<br />
eine Naht fixiert, um die Tibia und Fibula<br />
abzupolstern (b). Myodese. Die<br />
Stumpfmuskulatur wird über Bohrlöcher<br />
an der Tibia fixiert (c). AMI: Agonist<br />
und Antagonist werden miteinander<br />
verbunden (oben). Kontrahiert<br />
der Agonist (links unten), wird der Antagonist<br />
(rechts oben) gedehnt. AMI<br />
transtibial bedeutet, dass der M. tibialis<br />
anterior und ein Bauch des M. gastrocnemius<br />
unter Vorspannung ventral<br />
der Tibia miteinander durch eine<br />
Sehnennaht verknüpft werden. Wenige<br />
Zentimeter distal vom ersten AMI<br />
folgt der zweite AMI, dazu werden<br />
der M. proneus longus und der M. tibialis<br />
posterior miteinander verbunden.<br />
Ziel ist, die muskuläre Kopplung<br />
der Fußhebung und -senkung (oberes<br />
Sprunggelenk) zu rekonstruieren (vgl.<br />
Abb. 2c).<br />
Copyright A Innovative Amputations medizin, Klinik für<br />
Unfallchirurgie Medizinische Hochschule Hannover<br />
Schnelle Reaktionen zur Korrektur<br />
der Haltung und zum Ausgleich des<br />
Gleichgewichts beim Gehen sind für<br />
Beinamputierte durch die gestörte motorische<br />
Kontrolle und propriozeptive<br />
Wahrnehmung stark beeinträchtigt<br />
[25–28].<br />
In Untersuchungen der Arbeitsgruppe<br />
der Erstbeschreiber der AMI-<br />
Technik und ihren Nachuntersuchungen<br />
konnten nach Wiederherstellung<br />
der Kopplung von Agonisten und Antagonisten<br />
im Rahmen der Amputation<br />
eine verbesserte motorische Kontrolle<br />
und propriozeptive Wahrnehmung<br />
gezeigt werden [28–32].<br />
Diese Ergebnisse als auch die Prävalenz<br />
der Vorstellung von insuffizient<br />
weichteilgedeckten transtibialen<br />
Stümpfen mit exponierter Tibiakante<br />
und Fibulaköpfchen in unserer Amputationssprechstunde<br />
motivierten uns<br />
zur Einführung dieser Operationsmethode<br />
im Januar 2022. Im Folgenden<br />
berichten wir über die ersten perioperativen<br />
Ergebnisse dieser innovativen<br />
Interpretation der Muskeltransposition<br />
für transtibial Amputierte.<br />
Methoden<br />
Patientenkollektiv<br />
Transtibial Amputierte, die im Zeitraum<br />
von Januar 2022 bis Dezember<br />
2023 AMIs erhielten, wurden eingeschlossen.<br />
Kontraindikationen waren<br />
ein massives Muskeltrauma, mangelnde<br />
Compliance und ein reduzierter<br />
Allgemeinzustand, der eine Operationszeit<br />
von mehr als drei Stunden<br />
verbietet.<br />
Operative Schritte des transtibialen<br />
Agonisten-Antagonisten<br />
Myoneural-Interface<br />
Anzahl der<br />
Patienten<br />
Gesamt<br />
Trauma<br />
Diabetes mellitus<br />
und/oder Durchblutungsstörungen<br />
Sepsis<br />
Infektion<br />
ohne Sepsis<br />
Spätversagen<br />
von Extremitätenrekonstruktionen<br />
Kongenital<br />
20 7 1 4 1 5 1 1<br />
Geschlecht M/F 16/4 7/0 1/0 3/1 1/0 4/1 0/1 0/1<br />
Alter bei AMI-<br />
Amputation<br />
(ø, Jahre)<br />
52, 35 50, 42 85 57, 25 53 54, 17 2 53<br />
Komplikationen 3 2 – – – 1 – –<br />
Tumor<br />
Tab. 1 Demographie und Amputationsursache der transtibialen Agonisten-Antagonisten-Myoneural-Interfaces (AMI)<br />
im Beobachtungszeitraum.<br />
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ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24