05 / 2024
Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.
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Politik und Verbände<br />
Verfassungsbeschwerde eingereicht<br />
Wie angekündigt hat die Stolle Sanitätshaus GmbH<br />
eine Verfassungsbeschwerde gegen die einseitige<br />
Befreiung von Apotheken aus der Präqualifizierung für<br />
bestimmte Produktgruppen eingereicht. Konkret geht<br />
es um die Benachteiligung des Sanitätsfachhandels und<br />
die Gefährdung der GKV-Versicherten durch den Wegfall<br />
einheitlicher Versorgungs- und Qualitätsstandards. „Wir<br />
sind zuversichtlich, auf diesem Weg die einseitige Befreiung<br />
der Apotheken von der Präqualifizierung zu Fall zu<br />
bringen und damit den fairen Wettbewerb sowie einheitliche<br />
Qualitätsstandards in der Hilfsmittelversorgung<br />
wieder herzustellen“, erklärt Stolle-Geschäftsführer Detlef<br />
Möller.<br />
„Die unterschiedlichen Regeln für Apotheken und Sanitätshäuser<br />
verstoßen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.<br />
Der Zugang zum Markt wird für Apotheken<br />
und Sanitätshäuser von völlig unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
abhängig gemacht“, kommentieren die Generalsekretäre<br />
des Bündnisses „Wir versorgen Deutschland“<br />
(WvD), Kirsten Abel und Patrick Grunau die aktuelle Situation.<br />
„Patienten, insbesondere aus vulnerablen Gruppen,<br />
sollten sich darauf verlassen können, eine gleichermaßen<br />
hochwertige Versorgung zu erhalten, unabhängig vom Ort<br />
der Leistung.“ Während das Arzneimittel-Lieferengpass-<br />
bekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALB-<br />
VVG) ursprünglich darauf abzielte, Bürokratie zu reduzieren<br />
und Mehrfachprüfungen zu eliminieren, wurde aus<br />
Sicht des Bündnisses ein Gesetz beschlossen, das neue bürokratische<br />
Doppelstrukturen im System etabliere, Patientensicherheit<br />
gefährde und einheitliche Mindeststandards<br />
der Versorgung untergrabe. Daher sieht WvD nach wie vor<br />
deutlichen Korrekturbedarf: „Wir haben konstruktive Vorschläge<br />
für eine bürokratiearme und gerechte Qualitätssicherung<br />
im Rahmen der sogenannten Präqualifizierung<br />
gemacht und stehen bereit, um mit politischen Entscheidungsträgern<br />
und Gesundheitsakteuren eine Lösung zu<br />
finden, die allen gerecht wird“, so Abel und Grunau.<br />
Detlef Möller betont, dass die Beschwerde der Politik ein<br />
Zeichen sein sollte, die fortgesetzte Ignoranz gegenüber<br />
den Sanitätshäusern und der mittelständisch geprägten<br />
Struktur in der Hilfsmittelversorgung zu beenden und<br />
stattdessen eine einheitliche und qualitätssichernde bürokratische<br />
Entschlackung bei der Präqualifizierung für alle<br />
Leistungserbringer in Angriff zu nehmen. Die Verfassungsbeschwerde<br />
wurde am 2. April von der Kanzlei Zuck, Vaihingen,<br />
eingereicht. Im Folgenden wird nun das Bundesverfassungsgericht<br />
zunächst über die Annahme der Verfassungsbeschwerde<br />
entscheiden.<br />
Überarbeitung der MDR gefordert<br />
Am 26. Mai feiert die europäische Medizinprodukteverordnung<br />
(MDR) ihren dritten „Geburtstag“, sie gilt in<br />
der Medizintechnikbranche weiterhin als ein viel diskutiertes<br />
Thema. Jüngst meldete sich auch die Politik in Person<br />
von Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach zur<br />
MDR zu Wort. Sie fordert eine Überarbeitung. Gerlach betont:<br />
„Bayern, Deutschland und Europa müssen auch künftig<br />
für medizintechnische Unternehmen attraktiv bleiben.<br />
Deshalb ist es wichtig, dass die europäische Verordnung zu<br />
Medizinprodukten besser wird. Derzeit ist vieles überbürokratisch<br />
– das führt zu Innovationshemmnissen.“<br />
Ähnlich lautet auch das Fazit der<br />
EU-Abgeordneten Peter Liese, Angelika<br />
Niebler und Andreas Glück,<br />
die bereits Ende Februar im Europäischen<br />
Parlament (EP) darauf<br />
hingewiesen haben, dass die MDR<br />
„über das Ziel hinausgeschossen“<br />
sei und grundlegend überarbeitet<br />
werden müsse. Peter Liese forderte<br />
dabei unter anderem eine Regelung<br />
Foto: Susie Knollon/Stimmkreisbüro Judith Gerlach<br />
Bayerns Gesundheitsministerin<br />
Judith Gerlach fordert eine MDR-<br />
Anpassung.<br />
zu Nischenprodukten sowie die Abschaffung der Rezertifizierungs-Regelung.<br />
Auch die EU-Kommission zeigte sich in<br />
der Diskussion aufgeschlossen. „Die EP-Debatte zeigt überdeutlich<br />
die Erkenntnis der Parlamentarier:innen, dass<br />
die MDR über das Ziel hinausgeschossen ist und dringend<br />
nachgebessert werden muss. Auch die Unterstützung des<br />
Vorschlags, die Rezertifizierung von Bestandsprodukten<br />
abzuschaffen, ist ein gutes Signal. Nach den EP-Wahlen im<br />
Juni müssen die Lösungen so schnell wie möglich vorangetrieben<br />
werden“, kommentiert BVMed-Geschäftsführer<br />
und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll die Entwicklung,<br />
die eine neuerliche Anpassung der MDR wahrscheinlich<br />
macht.<br />
Welche Folgen eine Beibehaltung des Status-Quo haben<br />
wird, das skizzierte Judith Gerlach: „Die EU-Medizinprodukte-Verordnung<br />
hat als Ziel, Patienten besser zu schützen.<br />
Das unterstützen wir selbstverständlich. Dieses Ziel<br />
kann jedoch nicht erreicht werden, wenn die Versorgungssicherheit<br />
mit lebenswichtigen Medizinprodukten nicht<br />
mehr gewährleistet ist. Im schlimmsten Fall werden wegen<br />
Überregulierungen Produkte nur noch außerhalb der Europäischen<br />
Union entwickelt und produziert. Hier besteht<br />
dringender Handlungsbedarf. Über die Hälfte der gesamten<br />
europäischen MedTech-Entwicklung und -Produktion<br />
findet in Süddeutschland statt – und wir in Bayern wollen,<br />
dass das so bleibt!“<br />
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ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24