03.05.2024 Aufrufe

05 / 2024

Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.

Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Prothetik<br />

a. b.<br />

Abb. 1a u. b Beispiel für eine Myotestung für eine 2-EMG-Elektrodensteuerung (a) und<br />

eine Steuerung von komplexeren Steuerungssystemen mittels Elektrodenmanschette (b).<br />

– Behandlung von Phantomschmerzen<br />

– Behandlung des Stumpfes<br />

– Einhändertraining<br />

– Training der Aktivitäten des täglichen<br />

Lebens (AdLs) – ohne Prothese<br />

– Myotestung/Myotraining<br />

Um festzustellen, welche Prothesenart<br />

individuell anwendbar ist und<br />

welches Steuerungssystem eine betroffene<br />

Person umsetzen kann, wird<br />

bereits sehr früh eine Myotestung<br />

durchgeführt (Abb. 1). Unter Myotestung<br />

versteht man die graphische<br />

Abbildung der vorhandenen Muskelpotenziale,<br />

die zur Steuerung einer<br />

Prothese verwendet werden könnten.<br />

Mit dieser softwareunterstützten<br />

Darstellung kann den Patienten<br />

die Muskelkontraktion visualisiert<br />

werden. Mit der visuellen Rückmeldung<br />

ist es den Klienten möglich,<br />

Muskeln selektiv anzusteuern und<br />

so zu trainieren, dass diese dauerhaft<br />

reproduziert werden können. Dies<br />

kann zum einen mit 2 EMG-Elektroden<br />

zur Muskelsignalsuche durchgeführt<br />

werden. Sind die Muskelsignale<br />

so schwach, dass eine 2-Elektrodensteuerung<br />

nicht möglich ist, kann<br />

zum anderen mithilfe von „Elektrodenmanschetten“<br />

eine Evaluation<br />

für komplexere Steuerungssysteme<br />

durchgeführt werden.<br />

Die Myotestung wird in enger Zusammenarbeit<br />

von Ergotherapie und<br />

Orthopädietechnik durchgeführt.<br />

Die Ergebnisse aus Myotestung, den<br />

Fähigkeiten des Patienten und dem<br />

Anforderungsprofil (ICF-basiert: Körperfunktion,<br />

Teilhabe, Umweltfaktoren<br />

sowie personenbezogene Faktoren)<br />

(siehe Kasten und Abb. 2) zur gewünschten<br />

Prothesennutzung, stellen<br />

die Grundlage (Weichenstellung)<br />

für eine prothetische Versorgung dar.<br />

Sobald feststeht, welche Prothesenausführung<br />

mit welchem Steuerungssystem<br />

ausgeführt werden kann, wird<br />

mit dem Myotraining begonnen. Dabei<br />

sollen die in der Testung gefundenen<br />

Signale verinnerlicht und weiter<br />

verbessert werden. Bei manchen<br />

Systemen ist es notwendig, zwischen<br />

mehreren Komponenten (Hand öffnen/schließen,<br />

Hand drehen, Ellenbogen)<br />

umzuschalten. Hierzu müssen<br />

verschiedene Varianten einstudiert<br />

werden. Möglichkeiten hierbei sind<br />

z. B. 2 oder 3 schnelle Muskelkontraktionen,<br />

ein langer Muskelimpuls oder<br />

eine Kokontraktion (die möglichst<br />

gleichzeitige Anspannung eines Muskels<br />

[Agonist] mit seinem Gegenspieler<br />

[Antagonist], z. B. M. biceps- und<br />

M. triceps brachii).<br />

Die Elektroden können in ihrer<br />

Empfindlichkeit, bzw. Sensitivität<br />

verändert werden. Je besser und zuverlässiger<br />

das Muskelsignal reproduzierbar<br />

ist, umso geringer kann später<br />

die Sensitivität der Elektroden eingestellt<br />

werden. Wenn die Elektrode<br />

sehr empfindlich eingestellt ist, reicht<br />

bereits ein sehr geringer Muskelimpuls<br />

zur Ansteuerung der Prothese.<br />

Dies kann jedoch auch zu ungewollten<br />

Bewegungen führen. Dadurch<br />

sollen ungewollte Bewegungen der<br />

Prothese minimiert werden.<br />

Prothesengebrauchsschulung<br />

Hier wird zuerst mit dem Erlernen der<br />

Grundfunktionen begonnen. Die Betroffenen<br />

sollen den Umgang mit der<br />

Prothese erlernen. Zu Beginn werden<br />

sämtliche Bedienfunktionen erklärt.<br />

Dazu zählen neben allen technischen<br />

Gegebenheiten, wie z. B. das<br />

Ein- und Ausschalten der Prothese,<br />

das Akku-Management oder die Maximallasten<br />

der Komponenten, auch<br />

hygienische Vorgaben bzw. Reinigungshinweise.<br />

Anschließend wird<br />

das selbstständige An- und Ausziehen<br />

der Prothese erlernt. Vor allem<br />

ICF: Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit<br />

Die ICF (International Classification of Functioning,<br />

Disability and Health der WHO) klassifiziert im Unterschied<br />

zur ICD (International Statistical Classification<br />

of Diseases and Related Health Problems) die Auswirkungen<br />

einer Verletzung oder Erkrankung in Bezug auf<br />

die Körperfunktionen, die Aktivitäten und die Teilhabe<br />

einer Person.<br />

Sowohl der Begriff der Funktionsfähigkeit als auch der<br />

der Behinderung beschreiben die Folgen, die sich für einen<br />

Menschen mit einem Gesundheitsproblem in Bezug<br />

zu seinen Umwelt- und seinen personenbezogenen Faktoren<br />

(Kontextfaktoren) ergeben. Die Grundlage für diese<br />

Sichtweise stellt das biopsychosoziale Modell dar [10].<br />

In Anlehnung an diese Systematik gehen wir davon<br />

aus, dass Klienten mit einer Armprothese in ihrer Teilhabefähigkeit<br />

profitieren, je besser sie die Funktionen<br />

einer Prothese in einzelnen Aktivitäten einsetzen können.<br />

Aus diesem Gedanken heraus ergibt sich für uns die<br />

Aufteilung der Prothesengebrauchsschulung in Funktions-,<br />

Aktivitäts- und Teilhabetraining.<br />

76<br />

ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!