05 / 2024
Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.
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Kompression<br />
S. Klör<br />
Medizinische adaptive Kompressionssysteme<br />
in der Praxis<br />
Medical Adaptive Compression Systems in Practice<br />
Die Kompressionsbehandlung bei<br />
Ödemen an den Extremitäten ist seit<br />
Jahrzehnten etabliert, die Wirksamkeit<br />
wissenschaftlich fundiert belegt.<br />
Bestanden die Therapieoptionen<br />
bislang hauptsächlich aus medizinischen<br />
Kompressionsstrümpfen<br />
oder phlebologischen Kompressionsverbänden,<br />
drängen inzwischen<br />
medizinische adaptive Kompressionssysteme<br />
auf den Markt. Der<br />
große Vorteil dieser Systeme ist die<br />
Anpassbarkeit des Drucks auch bei<br />
wechselnden Schwellungszuständen.<br />
Der Artikel beleuchtet die Hintergründe<br />
der medizinischen adaptiven<br />
Kompressionssysteme und<br />
veranschaulicht die Anwendungsmöglichkeiten<br />
anhand von Fallbeispielen.<br />
Schlüsselwörter: medizinisch adaptive<br />
Kompressionssysteme (MAK), venöse<br />
Ödeme, Kompressionstherapie,<br />
Bandagen, Verbände<br />
Compression treatment for oedema<br />
of the extremities has been established<br />
for decades, and its effectiveness<br />
has been scientifically proven.<br />
While therapy options have so far<br />
mainly consisted of medical compression<br />
stockings or phlebological compression<br />
bandages, medical adaptive<br />
compression systems are now entering<br />
the market. The great advantage<br />
of these systems is the adaptability<br />
of the pressure even with changing<br />
swelling conditions. The article sheds<br />
light on the background of medical<br />
adaptive compression systems and<br />
illustrates the possible applications<br />
using case studies.<br />
Key words: Medical Adaptive Compression<br />
Systems (MAC), Venous<br />
Oedema, Compression Treatment,<br />
Bandages, Dressings<br />
Einleitung<br />
Seit einiger Zeit stehen die medizinischen<br />
adaptiven Kompressionssysteme<br />
(MAK) als Alternative zu herkömmlichen<br />
Kompressionsverbänden<br />
und Kompressionsstrümpfen in<br />
der Entstauung von lymphatischen<br />
und ausgeprägten venösen Ödemen<br />
sowie in der Therapie des Ulcus cruris<br />
venosum zur Verfügung.<br />
Die grundsätzlichen Vorteile einer<br />
Kompressionsbehandlung sind vielfältig.<br />
Durch die Unterstützung des<br />
venösen und lymphatischen Rückflusses<br />
kann sie helfen, die Ödementstehung<br />
zu verhindern und vorhandene<br />
Ödeme zu minimieren, Schadstoffe<br />
abzutransportieren und Entzündungen<br />
zu reduzieren. Dies ist<br />
Voraussetzung für eine verbesserte<br />
Wundheilung, fördert die Mobilität,<br />
kann Schmerzen reduzieren und die<br />
Lebensqualität der Patienten (deutlich)<br />
verbessern.<br />
Problematisch ist bei klassischen<br />
Kompressionsmitteln häufig das Anlegen<br />
der Verbände bzw. das Anziehen<br />
der Bestrumpfung. Dies wird durch<br />
die Verwendung von MAK deutlich<br />
vereinfacht. Gerade in der Entstauungsphase<br />
erweist sich die Anpassbarkeit<br />
an variierende Umfänge bei<br />
gleichzeitigem einfachem Handling<br />
als vorteilhaft. Die Anwendung von<br />
medizinisch-adaptiver Kompression<br />
sollte jedoch stets unter Aufsicht medizinischer<br />
Fachkräfte erfolgen, um<br />
eine sichere und wirksame Behandlung<br />
zu gewährleisten.<br />
Vorgeschichte<br />
Die Idee zu MAK wird dem Amerikaner<br />
Frank Shaw zugeschrieben, der<br />
auf der Suche nach Linderung für die<br />
Lymphödeme seiner Frau die Beobachtung<br />
machte, dass Giraffen trotz<br />
der stattlichen Beinlänge und nur<br />
kurzen Liegephasen keine Ödeme in<br />
den Beinen entwickeln. Ursächlich<br />
dafür ist die Beschaffenheit der Giraffenhaut,<br />
die an den Beinen deutlich<br />
straffer ist als beim Menschen und damit<br />
keine Ausdehnung zulässt. Diese<br />
Erkenntnis führte dazu, eine unelastische,<br />
über Klettverschlüsse einstellbare<br />
Kompressionsversorgung zu entwickeln.<br />
Medizinische adaptive<br />
Kompressionssysteme<br />
Die am Markt verfügbaren Produkte<br />
bestehen in der Regel aus einer<br />
unelastischen Manschette, die über<br />
einem Unterziehstrumpf angelegt<br />
wird. Allen gemeinsam ist ein Klettverschluss-System,<br />
das entweder gegenläufig<br />
oder in gleicher Richtung<br />
verschlossen wird. Der Kompressionsdruck<br />
ist jederzeit nachjustierbar.<br />
Bei einem der verfügbaren Produkte<br />
kann mithilfe einer Schablone<br />
der verordnete Kompressionsdruck<br />
reproduzierbar eingestellt werden,<br />
bei den anderen erfolgt die Einstellung<br />
nach dem Gefühl des Patienten.<br />
MAK erzeugen, ähnlich wie Kurzzugbinden,<br />
einen hohen Arbeitsund<br />
einen niedrigen Ruhedruck und<br />
weisen eine höhere Stiffness auf. Im<br />
Gegensatz zu diesen sind sie bei Volumenänderungen<br />
aber leichter und<br />
schneller nachpassbar und können<br />
somit auch den erforderlich Kompressionsdruck<br />
besser aufrechterhalten.<br />
Die meisten Produkte sind in der<br />
Maschine waschbar und genügen so<br />
den hygienischen Standards. MAK-<br />
Produkte sind sowohl für die untere<br />
als auch für die obere Extremität verfügbar<br />
und sind im Hilfsmittelverzeichnis<br />
unter 17.06.23. (Bein) bzw.<br />
17.10.10. (Arm) gelistet.<br />
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ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24