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05 / 2024

Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.

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Foto: Christian Schlierf<br />

Regelmäßig reist Christian Schlierf<br />

(2. v. l.) ins ukrainische Lwiw,<br />

unterstützt bei der Versorgung und<br />

schult die Techniker:innen.<br />

Hilfsmittelversorgung im Krisengebiet:<br />

Human Study qualifiziert vor Ort und auf Distanz<br />

Als Human Study 2017 mit dem Ausbildungsprogramm<br />

in der Ukraine startete, gab es keine nach internationalen<br />

Standards ausgebildeten Orthopädietechniker:innen<br />

im Land. Heute sind es 21, Tendenz steigend. Denn der gemeinnützige<br />

Verein, der weltweit Fachkräfte für die Hilfsmittelversorgung<br />

schult, arbeitet an einer flächendeckenden<br />

Ausbildung und Versorgung. Und das – aber nicht nur<br />

– vor dem Hintergrund des Angriffskriegs Russlands im Februar<br />

2022. Auch unabhängig von der Invasion ist der Bedarf<br />

in der Ukraine groß. Bei der OTWorld wird Christian<br />

Schlierf, Geschäftsführer von Human Study, ein Zwischenfazit<br />

des Projekts ziehen.<br />

Bereits vor Ausbruch des Krieges benötigten laut Schlierf<br />

von den 40 Millionen Einwohner:innen der Ukraine rund<br />

300.000 Menschen orthopädietechnische Hilfsmittel, circa<br />

drei Viertel davon eine orthetische Versorgung. „Durch die<br />

Invasion seit 2014 und vor allem seit 2022 sind dazu noch<br />

Kriegsversehrte hinzugekommen, hauptsächlich Amputierte,<br />

sehr viele davon mit sogenanntem Poly-Trauma,<br />

also multiple Amputierte“, so Schlierf. Die Gesamtzahl der<br />

kriegsversehrten Zivilist:innen und Soldat:innen sei nicht<br />

öffentlich, vom ukrainischen Gesundheitsministerium<br />

würden Angaben zwischen 40.000 und 90.000 kommuniziert.<br />

Vor Kriegsausbruch gab es 46 orthopädietechnische<br />

Werkstätten mit rund 300 Techniker:innen ohne formelle<br />

Qualifikation im Land. Innerhalb der vergangenen zwei<br />

Jahre kam es zu einem Boom. Die Zahl ist auf 84 Werkstätten<br />

mit rund 500 Techniker:innen gewachsen. Eine positive<br />

Entwicklung, findet Schlierf, doch die reiche nicht aus.<br />

Denn nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität<br />

der Techniker:innen sei entscheidend. „Unser Ziel ist es,<br />

die Techniker nach und nach zu qualifizieren und gemeinsam<br />

mit lokalen Partnern langfristig eine nationale Ausbildung<br />

auf die Beine zu stellen.“ Nicht nur Kriegsversehrte<br />

seien darauf angewiesen, sagt Schlierf und warnt davor,<br />

das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren. Denn entgegen<br />

des „Hypes“ rund um die prothetische Versorgung von<br />

Menschen mit Amputationen benötige der Großteil nach<br />

wie vor Orthesen. „Es gibt in der Ukraine – genauso wie<br />

in allen anderen Ländern auch – viele Menschen mit Skoliose,<br />

Cerebralparese, Diabetes und allen anderen Pathologien.“<br />

Wer langfristig Versorgung gewährleisten möchte,<br />

müsse auch langfristig denken. Deswegen strebt der Verein<br />

eine umfassende Ausbildung in allen Versorgungsbereichen<br />

und auf drei Niveaus an. Dazu gehören Gesell:innen,<br />

Techniker:innen, die für die Koordinierung zuständig sind<br />

und den Gesell:innen zuarbeiten, sowie Meister:innen.<br />

Die Ausbildung umfasst je nach Stufe zwischen 1.800 und<br />

3.900 Stunden und ist von der International Society for<br />

Prosthetics and Orthotics (ISPO) zertifiziert.<br />

Human Study setzt bei all seinen Programmen weltweit<br />

auf das gleiche Prinzip: Blended Learning. Das bedeutet,<br />

es wird berufsbegleitend sowohl online als auch vor Ort<br />

gelehrt. Das theoretische Wissen wird multimedial über<br />

eine Lernplattform vermittelt, die fachpraktische Ausbildung<br />

findet im ukrainischen Lwiw statt. Zurück in der eigenen<br />

Werkstatt können die Techniker:innen ihr Wissen<br />

dann anwenden und weitergeben. Nicht nur aus der Distanz,<br />

sondern zusätzlich vor Ort zu lehren, hält Schlierf<br />

für notwendig, um den Techniker:innen das mitzugeben,<br />

was sie unter den jeweiligen Gegebenheiten auch tatsächlich<br />

umsetzen können. „Wir arbeiten dort in ihrer Realität<br />

mit ihren Patienten und mit ihren Materialien“, be­<br />

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ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24

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