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05 / 2024

Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.

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OT: Sie haben das Merkmal „hilfsbedürftig“ angesprochen.<br />

Welche weiteren Stereotype herrschen in Film und Fernsehen<br />

vor?<br />

Schaar: Egal ob die Figuren in den Märchen der Brüder<br />

Grimm oder die Star-Wars- und James-Bond-Bösewichte –<br />

das sind Menschen, die angsteinflößend sein sollen und die<br />

– ganz bewusst als Gestaltungsmittel – eine Behinderung<br />

haben. Sie sind entstellt, fehlgebildet, sprechen komisch,<br />

haben vielleicht einen Akzent, Wortfindungsstörungen,<br />

ein Metallgebiss oder sie lispeln. Es sind immer dieselben<br />

Geschichten, die wir uns erzählen, mit Stereotypen, die<br />

wir immer wieder reproduzieren. Entweder sind behinderte<br />

Menschen angsteinflößende Monster, bemitleidenswerte<br />

Wesen oder – wenn sie es dann trotz aller Widrigkeiten<br />

geschafft haben und stark genug waren, sich dem System<br />

anzupassen – werden sie überhöht und zu Superhelden stilisiert.<br />

Es gibt wenig Graustufen, nur das eine oder das andere<br />

Extrem. Die Frage ist: Was hat das eigentlich mit unserer<br />

Lebensrealität zu tun und in unserem Alltag für Konsequenzen?<br />

OT: Welche Geschichten sollten wir uns stattdessen erzählen?<br />

Schaar: Um ein Beispiel zu nennen: Ich war gerade in London<br />

im Urlaub und habe mir meine erste Barbie gekauft.<br />

Und die Geschichte, die sie erzählt, finde ich super. Sie ist<br />

eine schwarze Frau und sitzt im Rollstuhl. Und das ist kein<br />

medizinischer Krankenhausrollstuhl mit Griffen hinten<br />

dran, sondern einer, der an sie angepasst ist. Damit ist sie<br />

eigenständig unterwegs. Ich war so im Flow, dass ich mir<br />

direkt die zweite Barbie gekauft habe, und zwar aus dem<br />

neuesten Disney-Film „Wish“: eine etwas dickere Barbie,<br />

die eine Gehhilfe benutzt. Das finde ich supercool. Auch<br />

im Bereich Kinderliteratur bewegt sich etwas, wenn man<br />

sich beispielsweise das Buch „Als Ela das Weltall eroberte“<br />

von Raúl Krauthausen anschaut. Aus Mangel an realistischen<br />

Geschichten sind wir gezwungen, selber tätig zu<br />

werden. Neue Publikationen setzen auf Beiläufigkeit und<br />

Leichtigkeit. Sie zeigen, dass Behinderung nur ein Merkmal<br />

von ganz vielen ist, das den jeweiligen Charakter auszeichnet.<br />

Bei der OTWorld werde ich ein Tool vorstellen,<br />

mit dem überprüft werden kann, ob und wie Geschichten<br />

Stereotype reproduzieren.<br />

Bewegung in der Branche<br />

OT: Es heißt: Sprache formt das Denken, beeinflusst, wie wir<br />

die Welt wahrnehmen. Haben Bewegtbilder Ihrer Meinung<br />

nach den gleichen Einfluss?<br />

Schaar: Video-Content – also Mediatheken, Streaming und<br />

Social Media – ist das am stärksten wachsende Medium.<br />

Wenn sie gut gemacht sind, können Videoformate ein sehr<br />

niedrigschwelliger Zugang für Menschen sein und – aus öffentlich-rechtlicher<br />

Perspektive – den Bildungsauftrag erfüllen,<br />

zum Zusammengehörigkeitsgefühl der Gesellschaft<br />

beitragen, zur Solidarität und letztendlich auch zur Demokratie.<br />

Sie können aber eben auch schlecht gemacht sein<br />

und Stereotype fördern. Und das gar nicht unbedingt mit<br />

bösem Willen, sondern weil die Macher:innen einen blinden<br />

Fleck haben. Insofern kommt den Medien eine große<br />

ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24<br />

Verantwortung zu. Ich nehme in Bezug auf Inklusion und<br />

Vielfalt aber deutlich mehr Bewegung in der Branche wahr.<br />

OT: Woran liegt das?<br />

Schaar: Zum einen an gesetzlich veränderten Rahmenbedingungen.<br />

Im Medienstaatsvertrag wird das Thema Barrierefreiheit<br />

explizit erwähnt und wir als Medienschaffende<br />

sind dazu verpflichtet, es umzusetzen. Für Websites und<br />

Apps gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Dann gibt es<br />

natürlich noch die UN-Behindertenrechtskonvention, auf<br />

die immer wieder geprüft wird. Aus unternehmerischer<br />

Perspektive haben wir auch den Fachkräftemangel im<br />

Blick. Wir können es uns einfach nicht leisten, behinderte<br />

Menschen aus dem Bewerberpool auszuklammern und<br />

dieses Potenzial nicht zu schöpfen.<br />

„Ich habe mich selten so gesehen<br />

gefühlt“<br />

OT: Haben Sie Film- und Serientipps, in denen Vielfalt gut umgesetzt<br />

wird?<br />

Schaar: Viele Disney- und Pixar-Filme sind echt gut. Es gibt<br />

eine Arielle, die schwarz ist, Nemo, der eine kurze Flosse<br />

hat, Lucas Vater, der einen kurzen Arm hat. Im Film „Red“<br />

trägt Stacy ein Glukosemessgerät, das ganz beiläufig in einer<br />

Szene gezeigt wird. Das ist in der Community total ge-<br />

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