05 / 2024
Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.
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Wünscht sich mehr Diversität<br />
in der Medienlandschaft:<br />
René Schaar, stellvertretender<br />
Gleichstellungsbeauftragter<br />
des NDR.<br />
Foto: Norbert Scheffler<br />
Monster oder Superheld – Wie Stereotype in Film<br />
und Fernsehen unser Denken formen<br />
In jungen Jahren hat sich René Schaar sehnlichst gewünscht,<br />
Kinder mit Behinderungen im Fernsehen zu sehen.<br />
Heute macht er sich als stellvertretender Gleichstellungsbeauftragter<br />
des Norddeutschen Rundfunks (NDR)<br />
für Inklusion in den Medien stark. Durch ihn zog im vergangenen<br />
Jahr Elin, die erste Bewohnerin im Rollstuhl, in<br />
die „Sesamstraße“ ein. Am Freitag, 17. Mai, steht er nun<br />
als Keynote-Speaker auf der Bühne der OTWorld. In seinem<br />
Vortrag „Who cares about representation? Behinderte<br />
Menschen in den Medien“ wird Schaar beleuchten,<br />
wie Behinderungen in Film und Fernsehen dargestellt<br />
werden. Zudem hinterfragt er Stereotype und zeigt auf,<br />
welchen Einfluss sie auf unser Denken haben und welche<br />
Chancen er in Bewegtbildern für Vielfalt und Inklusion<br />
sieht. Im Gespräch mit der OT-Redaktion schaut er auf<br />
die deutschen und internationalen Bildschirme.<br />
OT: Laut Statistischem Bundesamt lag die Zahl der schwerbehinderten<br />
Menschen in Deutschland 2021 bei 9,4 Prozent.<br />
Eine Studie des Instituts für Medienforschung an der Universität<br />
Rostock zeigt, dass jedoch lediglich 0,4 Prozent in der<br />
deutschen TV-Landschaft eine sichtbar schwere Behinderung<br />
haben. Woher rührt diese Diskrepanz?<br />
René Schaar: Das hat verschiedene Gründe. Hinter der Kamera<br />
liegt das sicherlich an den Bildungschancen und da-<br />
mit verbunden dem Weg in den Journalismus. Wer kann<br />
es sich leisten, nicht bezahlte Praktika anzunehmen? Wer<br />
wird eigentlich Autor:in oder Redakteur:in, wer wird CvD<br />
oder Planer:in? Wer kommt in diese machtvolleren Positionen<br />
und kann darüber entscheiden, was wir im Programm<br />
sehen? Wir müssen uns anschauen, wie das Recruiting stattfindet,<br />
wie der Bildungsweg und das Schulsystem aussehen.<br />
Dasselbe gilt auch vor der Kamera. Denn Schauspielschulen<br />
haben einen sehr harten Auswahlprozess. Dieses System<br />
und die dahinter liegenden Normen zu hinterfragen ist eine<br />
Aufgabe für jede einzelne Schnittstelle, für jede einzelne<br />
Person. Wenn jede und jeder an ihrer beziehungsweise seiner<br />
Stellschraube dreht, dann kommen wir deutlich weiter.<br />
Für viele Schauspieler:innen stellt sich zudem die Frage:<br />
Traue ich mir den Job überhaupt zu? Wenn Vorbilder fehlen,<br />
kommen sie vielleicht gar nicht auf die Idee, dass das<br />
ein Weg für sie sein könnte. Das hat viel mit sogenanntem<br />
internalisierten Ableismus zu tun, also mit verinnerlichten<br />
Stereotypen und Denkmustern. Eine behinderte Person<br />
sieht so und so aus, kann nur dieses oder jenes und nichts<br />
anderes und ist hilfsbedürftig. Wenn man das oft genug<br />
hört und im direkten Umfeld niemanden hat, der oder die<br />
einen unterstützt oder einem Selbstbewusstsein gibt, dann<br />
bleiben nur die Medien, dann bleiben nur die Geschichten,<br />
die wir uns als Gesellschaft erzählen. Genau da knüpft<br />
mein Vortrag auf der OTWorld an.<br />
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ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24