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05 / 2024

Die Fachzeitschrift ORTHOPÄDIE TECHNIK ist die maßgebliche Publikation für das OT-Handwerk und ein wichtiger Kompass für die gesamte Hilfsmittelbranche.

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Info<br />

aktiv steuern. Wir standen deswegen immer vor der Frage:<br />

Wie können wir den Übergang gestalten, also die Zeit bis<br />

zum Jugendalter überbrücken?<br />

OT: Kann der Hero Arm diese Lücke schließen?<br />

Hannen: Ja. Er hat viele Vorteile. Man muss bedenken:<br />

Bei Prothesen sitzt das Hauptgewicht am Ende. Das bringt<br />

schlechte Hebelverhältnisse mit sich. Für die Kinder ist<br />

es deswegen sehr anstrengend, eine Prothese den ganzen<br />

Tag über zu tragen und zu benutzen. Auch die Stumpflänge<br />

und die Hautverhältnisse können eine Versorgung erschweren.<br />

Statt Titan, schwerem Stahl oder Aluminium<br />

kommt beim Hero Arm Kunststoff zum Einsatz. Daher ist<br />

er deutlich leichter. Wir können damit Kinder bereits ab<br />

sieben Jahren versorgen. Trotzdem ist das System nicht<br />

besonders komplex. Den Kindern stehen „nur“ sechs verschiedene<br />

Griffe zur Verfügung, aber aus meiner Sicht<br />

reicht das völlig aus. Kinder brauchen keine Hightech-<br />

Hand. Sie brauchen eine Hand, mit der sie zwei oder drei<br />

Griffe machen können, eine Hand, die schnell reagiert,<br />

robust ist und vor allem leicht. All das bildet das System<br />

von Open Bionics ab. Ich würde mir wünschen, dass auch<br />

andere Hersteller von der Hightech-Variante zurückgehen<br />

und stattdessen auf das setzen, was wirklich gebraucht<br />

wird. Der Hero Arm ist zudem nicht nur für Kinder geeignet,<br />

auch Jugendliche und Erwachsene können von der<br />

Prothese profitieren, je nachdem, wo der Fokus in der Versorgung<br />

liegt.<br />

OT: Wie steht es um die Versorgung der Kleinsten, also um<br />

Kinder, die jünger als sieben Jahre alt sind?<br />

Hannen: Aktuell gibt es nur die Kinderhände von Ottobock<br />

und Habitusprothesen.<br />

OT: Woran liegt es, dass es so wenig Auswahl gibt?<br />

Hannen: Ich glaube, es liegt nicht daran, dass die Hersteller<br />

nicht wollen, sondern dass sie es – noch – nicht können.<br />

Es braucht kleine Sensoren, kleine Motoren und kleine Verkabelungen:<br />

Es ist unheimlich schwierig, all das im Miniformat<br />

herzustellen. Ich bin mir aber sicher, dass der 3D-<br />

Druck neue Möglichkeiten eröffnen wird.<br />

OT: Auch der Hero Arm wird per 3D-Druck hergestellt. Ist das<br />

Verfahren die Zukunft?<br />

Hannen: Ich denke, die additiven Herstellungsverfahren<br />

bieten uns neue Möglichkeiten und ergänzen unsere bisherigen<br />

Tätigkeiten. Beim Hero Arm sind wir für den Schaft<br />

zuständig, wir ermitteln die Elektrodenpunkte, sorgen für<br />

eine optimale Passform und Zuschnitt und übertragen die<br />

digitalen Daten an den Hersteller. Den restlichen Aufbau<br />

des Unterarms sowie die Installation der Elektrik übernimmt<br />

die Firma Open Bionics. Der 3D-Druck ermöglicht<br />

uns hierbei Konstruktionen, die wir händisch nicht hätten<br />

fertigen können. Dazu gehört auch der Schaft, der sich wie<br />

eine Ziehharmonika öffnen und schließen lässt, und sich<br />

somit im Umfang anpassen lässt.<br />

OT: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der<br />

Hero Arm zum Einsatz kommen kann?<br />

Hannen: Der Stumpf muss – vom Ellenbogen bis Stumpfende<br />

– mindestens acht Zentimeter lang sein. Zudem müssen<br />

ausreichend myoelektrische Signale vorhanden sein.<br />

Ein Signal reicht aber tatsächlich schon aus, um die Pro these<br />

zu steuern. Die Hautverhältnisse und ebenso die kognitiven<br />

Fähigkeiten müssen auch eine Versorgung zulassen.<br />

Prothese für den Alltag<br />

Greifen, heben,<br />

halten: Die Prothese<br />

unterstützt Niklas<br />

im Alltag bei zahlreichen<br />

Tätigkeiten.<br />

OT: Wie wurde Niklas versorgt, bevor er den Hero Arm erhalten<br />

hat?<br />

Hannen: Mit einem Kinderhandsystem von Ottobock.<br />

Hätten wir den Hero Arm nicht als Alternative gefunden,<br />

hätte er sich wahrscheinlich gegen eine erneute Versorgung<br />

aufgrund der technischen Defizite und des hohen<br />

Gewichtes entschieden.<br />

OT: Wie sind Sie auf die Prothese aufmerksam geworden?<br />

Hannen: Die Firma Open Bionics hatte mich noch vor<br />

Markteinführung angesprochen und gefragt, was ich von<br />

dem Produkt halte und was ich verändern würde. Ich dachte<br />

dabei gleich an Niklas und daran, ob der Hero Arm vielleicht<br />

die Lösung sein könnte. Er ist deutlich leichter, hat<br />

eine größere Griffkraft und Griffgeschwindigkeit. Damit<br />

können wir alles abbilden, was Niklas wollte. Normalerweise<br />

richten wir uns nach dem Qualitätsstandard des Vereins<br />

zur Qualitätssicherung in der Armprothetik (VQSA).<br />

Dieser schreibt einen Schaft mit HTV-Silikon vor. Das bietet<br />

einen guten Komfort und eine gute Compliance bei den<br />

Patienten. Ich habe mich dann aber entschieden, das System<br />

so auszuprobieren, wie es der Hersteller anbietet, also<br />

ohne Silikon. Der Schaft ist wie eine Art Ziehharmonika gestaltet.<br />

Er kann durch einen Bohrverschluss etwas größer<br />

und kleiner gemacht werden. Wir haben festgestellt, dass<br />

die Luftzirkulation dadurch deutlich besser ist.<br />

ORTHOPÄDIE TECHNIK <strong>05</strong>/24<br />

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