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Die Wirtschaft Köln - Ausgabe 03 / 24

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Titelstory | w<br />

w: Hat diese Politik Sie in<br />

gewisser Weise desillusioniert?<br />

Emitis Pohl: Im Bezug auf den Iran, definitiv,<br />

ja.<br />

Hilfe zur Selbsthilfe<br />

w: Sie widmen jetzt Ihre<br />

ganze Kraft dem von Ihnen gegründeten<br />

Verein seiSTARK. Im Zentrum Ihrer Tätigkeit<br />

stehen Frauen aus aller „Herren“<br />

Länder und Schichten, zum Teil ohne<br />

Ausbildung oder alleinerziehende Mütter,<br />

denen Sie mit Rat und Tat zur Seite stehen.<br />

Ist das letztlich das, was Sie aus Ihren eigenen<br />

Lebenserfahrungen als Lebensziel<br />

sehen, besonders Frauen zu helfen? Auch<br />

weil Frauen immer noch nicht die Gleichberechtigung<br />

erfahren, von der alle Welt<br />

zwar spricht, die aber oft nur als Sonntagsrede<br />

daherkommt?<br />

Emitis Pohl: Aus meinen eigenen Lebenserfahrungen<br />

heraus betrachte ich es<br />

als ein wichtiges Lebensziel, insbesondere<br />

Frauen zu unterstützen. Sie erleben oft<br />

trotz aller Lippenbekenntnisse zur Gleichberechtigung<br />

immer noch nicht die volle<br />

Gleichstellung, die sie verdienen. Das Konzept<br />

der „Sonntagsrede“ beschreibt dies<br />

humorvoll, aber zugleich treffend. Deshalb<br />

ist es mir ein persönliches Anliegen, Frauen<br />

zu unterstützen und zu ermächtigen.<br />

Mit unserem Verein seiSTARK e. V. möchte<br />

ich meine Lebensgeschichte weitergeben<br />

und Frauen dazu ermutigen, ihr Leben<br />

selbst in die Hand zu nehmen. Unser Ansatz<br />

basiert auf Hilfe zur Selbsthilfe. Wir<br />

bieten ein Mentoringprogramm an, in dem<br />

Frauen Unterstützung in den Bereichen<br />

Bildung, Arbeitsmarkt, Integration, Persönlichkeitsstärkung<br />

und gesellschaftliche<br />

Teilhabe erhalten.<br />

Wir fordern Frauen dazu auf, ein selbstbestimmtes<br />

Leben zu führen, und betonen die<br />

Bedeutung von Arbeit als Teil dieses Lebens.<br />

Durch unsere Arbeit möchten wir Frauen<br />

dazu ermutigen, bessere Vorbilder für ihre<br />

Kinder zu sein und aktiv am Arbeitsleben<br />

teilzunehmen. Für geflüchtete Frauen bieten<br />

wir Unterstützung an, um sich besser<br />

in unsere Gesellschaft zu integrieren, Vorurteile<br />

abzubauen, die Sprache schneller zu<br />

erlernen und letztendlich Arbeit zu finden.<br />

Darüber hinaus stärken wir junge Frauen<br />

in Schulen, damit sie ihre eigenen finanziellen<br />

Angelegenheiten im Blick behalten<br />

und nicht ausschließlich dem Wunsch<br />

nach einer Karriere als Influencerin in Dubai<br />

nachstreben. Wir ermutigen sie, sich<br />

weiterhin zu bewerben und nicht aufzugeben,<br />

auch wenn sie Absagen erhalten.<br />

Der Bedarf an Unterstützung für unsere Arbeit<br />

ist sehr groß, und unser Verein besteht<br />

nur durch die Hilfe von großartigen Unternehmen,<br />

regelmäßigen Spendern, Mitgliedern,<br />

Stiftungen und ehrenamtlichen<br />

Helfern. Wir sind ihnen außerordentlich<br />

dankbar. Wenn wir mehr Unterstützung seitens<br />

der Politik erhalten würden, könnten<br />

wir uns noch stärker auf unsere wichtige<br />

Arbeit konzentrieren. Leider erfahren wir<br />

jedoch nur wenig Unterstützung von politischer<br />

Seite, da das Geld oft lieber für unnötige<br />

<strong>Ausgabe</strong>n verwendet wird.<br />

Obwohl wir die Wirksamkeit unserer Arbeit<br />

teilweise wissenschaftlich belegen können<br />

und der Bedarf offensichtlich groß ist,<br />

scheint das Bewusstsein in der Politik für<br />

unsere Anliegen begrenzt zu sein. Wir hoffen,<br />

dass sich dies in Zukunft ändern wird,<br />

damit wir unsere Bemühungen noch effektiver<br />

gestalten und noch mehr Frauen unterstützen<br />

können, ein selbstbestimmtes<br />

Leben zu führen.<br />

w: Bei allem, was Sie im<br />

bisherigen Leben taten, kamen Sie offensichtlich<br />

nicht ohne feste Überzeugungen<br />

aus. Ist diese Haltung die eigene Kernbotschaft<br />

für Ihr gesamtes Handeln?<br />

Emitis Pohl: Meine festen Überzeugungen<br />

und meine Werte bilden die Grundlage für<br />

mein gesamtes Handeln. In allem, was ich<br />

tue, sind meine Überzeugungen der Anker,<br />

der mich leitet und inspiriert. Wenn ich etwas<br />

tue, dann aus voller Überzeugung und<br />

mit ganzem Herzen. Meine Arbeit ist nicht<br />

nur meine Berufung, sondern auch mein<br />

Hobby, obwohl sie teilweise sehr emotional<br />

und belastend ist, besonders vor dem Hintergrund<br />

meiner eigenen Geschichte. Dennoch<br />

erfüllt es mich am Ende des Tages,<br />

wenn wir mit unserer Arbeit ein Lächeln<br />

auf das Gesicht der Frauen zaubern können.<br />

w: Sie stehen altersmäßig<br />

in der Mitte Ihres Lebens. Was haben Sie<br />

noch vor und wo sehen Sie sich in 20 Jahren?<br />

Emitis Pohl: Eines kann ich Ihnen mit Sicherheit<br />

sagen: Ich werde immer Menschen,<br />

besonders Frauen und Kindern, helfen, wo<br />

ich nur kann, auch wenn ich alt und zerbrechlich<br />

bin, egal wo auf der Welt. Auch in<br />

20 Jahren sehe ich mich immer noch aktiv<br />

in der humanitären Arbeit engagiert, denn<br />

das ist meine Lebensaufgabe und meine<br />

Leidenschaft geworden.<br />

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann<br />

wäre es nichts lieber, als mein Herkunftsland<br />

zu bereisen und gleichzeitig das gesamte<br />

Land zu erkunden. Der Iran ist ein<br />

wunderschönes Land mit einer reichen Kultur<br />

und vielen Facetten, die ich gerne entdecken<br />

würde. Es wäre eine Möglichkeit,<br />

meine Wurzeln zu erforschen und gleichzeitig<br />

neue Perspektiven und Erfahrungen zu<br />

sammeln. W<br />

In ihrer Arbeit bei dem von ihr gegründeten Verein seiSTARK e.V. hat Emitis<br />

Pohl keinen Beruf, sondern eine Berufung und ein Hobby zugleich gefunden<br />

Jana Leckel<br />

Foto: seiSTARK e. V.<br />

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