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Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart

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<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

<strong>ist</strong> <strong>Gegenwart</strong>


HIN<br />

UND<br />

WEG<br />

<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

<strong>ist</strong> <strong>Gegenwart</strong><br />

E. A. Seemann


INHALT<br />

14 HIN UND WEG<br />

<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

<strong>ist</strong> <strong>Gegenwart</strong><br />

Karen Buttler, Hartmut Dorgerloh,<br />

Judith Prokasky, Anke Schnabel<br />

22 SPUREN<br />

1950–1989<br />

32 1950–1989 Aufbruch<br />

Reinhard Alings<br />

48 FOTOCOLLAGEN<br />

51 KULTURPALÄSTE<br />

Versuch einer Annäherung<br />

Uta Kornmeier<br />

61 KEIN PLATZ FÜR MARX<br />

UND ENGELS<br />

Die Entwicklung des Marx-Engels-<br />

Platzes von 1951 bis 1989<br />

Alfred P. Hagemann<br />

69 SOZIALISTISCHE VERSUCHS-<br />

ANORDNUNG<br />

Gestaltung im <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

Oliver Sukrow<br />

76 DESIGNOBJEKTE<br />

83 DIE GLÄSERNE BLUME<br />

Form <strong>und</strong> Symbolik<br />

eines Ornaments<br />

Zsófia Kelm<br />

87 STIMMEN<br />

91 UTOPIE UND PARANOIA<br />

Die Staatssicherheit<br />

im <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

Dagmar Hovestädt<br />

98 AUGENBLICKE<br />

105 TRENCHCOAT, KLAPPSTULLE UND<br />

DER PALAST ALS ERLEBNISORT<br />

Erinnerungen<br />

Ilko-Sascha Kowalczuk<br />

112 DAS VERANSTALTUNGSPROGRAMM<br />

Kultur <strong>und</strong> Unterhaltung<br />

im Sinne des Internationalismus<br />

Constanze Fritzsch<br />

119 VERANSTALTUNGSPLAKATE<br />

127 Mit Willi Sitte<br />

im <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

Aron Boks<br />

131 ERINNERUNGSSTÜCKE


1989/90<br />

136<br />

1989/90 Umbruch<br />

Reinhard Alings<br />

142 STIMMEN<br />

1990–2013<br />

150 1990–2013 Abbruch<br />

Reinhard Alings<br />

158 PORTRÄTS<br />

174 SPRITZASBEST IM PALAST<br />

DER REPUBLIK<br />

Die Genese einer Ausnahme<br />

Bruno Torres Suñén<br />

180 TRAUM UND RAUM<br />

<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

als Erinnerungsort<br />

Hanno Hochmuth<br />

184 STIMMEN<br />

187 ERINNERUNGSSTÜCKE<br />

191 WEM GEHÖRT DIE MITTE?<br />

Wer erzählt unsere Gesellschaft?<br />

Gesine Danckwart<br />

196 ZWISCHENPALASTNUTZUNG<br />

201 MEIN PALAST<br />

<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

für eine zugezogene,<br />

türke<strong>ist</strong>ämmige Hamburgerin<br />

Gülşah Stapel<br />

205 berauschend<br />

Victoria Helene Bergemann<br />

208 DER WINTERGARTEN VON TOREZK<br />

Pflanzen für die Menschen<br />

Zhenia Moliar<br />

211 VERRATENE REVOLUTION<br />

Performance zwischen Erinnerung<br />

<strong>und</strong> Vergessen<br />

Shuyu Chen<br />

214 DIE SUCHE NACH DEM PALAST<br />

Verlagert, verscherbelt, verschollen?<br />

Dominique Falentin<br />

222 parade <strong>der</strong> fenstergespenster<br />

Uljana Wolf<br />

ANHANG<br />

225 Anmerkungen<br />

232 Die Autor*innen<br />

234 Neuere Publikationen –<br />

Lektüren zum Weiterdenken<br />

235 Bildnachweis<br />

239 Dank


12


13


SPUREN<br />

Wie zufällig verteilt, finden sich im Humboldt Forum – vom Keller bis zum Dachgeschoss –<br />

36 Spuren, die an wichtige Nutzungsaspekte <strong>und</strong> h<strong>ist</strong>orische Ereignisse im Berliner Schloss <strong>und</strong><br />

im <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> erinnern. Sie bieten keine auf Vollständigkeit angelegte Darstellung o<strong>der</strong><br />

chronologisch geschlossene Erzählung <strong>der</strong> Geschichte des Ortes, son<strong>der</strong>n veranschaulichen<br />

beispielhaft durch Schlüsselobjekte, kleine Objektensembles o<strong>der</strong> auch audiovisuelle Angebote<br />

Momente <strong>der</strong> (Kultur-)Geschichte dieses Ortes.<br />

Die insgesamt zwölf Spuren zur Geschichte des <strong>Palast</strong>s <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> bilden dabei einen<br />

be son<strong>der</strong>en Schwerpunkt. Vielen <strong>ist</strong> dieses 1976 nach nur dreijähriger Bauzeit eröffnete, als<br />

»Haus des Volkes« konzipierte, multifunktionale Gebäude mit attraktiven Veranstaltungs<strong>und</strong><br />

Gastronomieangeboten, den Kontroversen um seinen Erhalt sowie die Zeit <strong>der</strong> kulturellen<br />

Zwischennutzung bis zu seinem Abriss ab 2006 noch in lebhafter Erinnerung. Die Spuren<br />

stellen die verschiedenen Funktionen des <strong>Palast</strong>s <strong>und</strong> zentrale Ereignisse vor <strong>und</strong> geben nicht<br />

zuletzt Zeugnis von <strong>der</strong> hochwertigen Ausstattung in dem wichtigsten Prestigebauwerk <strong>der</strong> DDR.<br />

Zwei Ersttagsbriefe zur Eröffnung<br />

des <strong>Palast</strong>s <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

In dieser Vitrine werden im Wechsel private Erinnerungsstücke<br />

gezeigt, die einen persönlichen Blick auf die<br />

Geschichte dieses Ortes gewähren. Zwei Ersttagsbriefe<br />

von <strong>der</strong> Eröffnung des <strong>Palast</strong>s <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> hat uns Peter<br />

Hannuth, verantwortlicher Bauleiter für den Innenausbau<br />

von Bauteil 3, übergeben. Die Briefe sind mit den<br />

Unterschriften des Generalbaudirektors, <strong>der</strong> Architekten<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> am Innenausbau beteiligten Mitarbeiter*innen<br />

versehen. Sie halten den Eröffnungsabend am 22. April<br />

1976 <strong>und</strong> ein Abschiedsessen <strong>der</strong> Bauleitung am<br />

10. Juni 1976 in Erinnerung.<br />

Manfred Gottschall (Gestaltung Brief <strong>und</strong> Postwertzeichen), 22. April 1976<br />

Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Schenkung Peter Hannuth, 2021<br />

22


Element des Wegeleitsystems<br />

<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> sollte vor allem als öffentliches Haus wahrgenommen werden.<br />

Die Vielfalt <strong>der</strong> Nutzungen erfor<strong>der</strong>te ein komplexes Wegeleitsystem, das eine möglichst<br />

einfache <strong>und</strong> selbstständige Orientierung erlaubte. Dazu gestaltete Klaus Wittkugel ein<br />

System von Piktogrammen, die auf beleuchteten <strong>Hin</strong>weisschil<strong>der</strong>n den Weg wiesen. Die<br />

Bildzeichen lehnten sich an inter nationale Gestaltungsstandards an. Diese hatten sich<br />

in den 1960er-Jahren für Informations- <strong>und</strong> Leitsysteme von Großveranstaltungen etabliert.<br />

Klaus Wittkugel (Piktogramme), Peter Rockel, VEB Ingenieurhochbau Berlin (Gestaltung);<br />

VEB Leuchtenbau Leipzig (Herstellung), 1975, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss<br />

Spuren<br />

23


1950 – 1989<br />

32<br />

Reinhard Alings


Reinhard Alings<br />

Aufbruch<br />

Am 19. September 1990 wurde <strong>der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

aufgr<strong>und</strong> akuter Asbestbelastung auf Anordnung<br />

des Min<strong>ist</strong>errats <strong>der</strong> DDR <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bezirkshygieneverwaltung<br />

von einem Tag auf den an<strong>der</strong>en geschlossen.<br />

Viele Mitarbeiter*innen standen am Morgen vor verriegelten<br />

Türen. Vor allem für sie war die Schließung ein tiefer<br />

Einschnitt, <strong>der</strong> sozial flankierte Massenentlas sungen<br />

<strong>und</strong>, nach sechzehnjähriger Debatte, den Abriss des gesamten<br />

Gebäudes nach sich zog. Von 1800 Angestellten<br />

1989 waren 1990 noch 60 beschäftigt, wesentlich mit <strong>der</strong><br />

Abwicklung.<br />

Mit dem Beitritt <strong>der</strong> DDR zur B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland am 3. Oktober 1990 ging <strong>der</strong> <strong>Palast</strong> in den<br />

Besitz <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esfinanzverwaltung über. Am 29. Oktober<br />

verfügte die B<strong>und</strong>esrepublik die Auflösung des<br />

<strong>Palast</strong>s als Institution, am 1. November wurden bis auf<br />

einen Notbetrieb alle technischen Anlagen abgeschaltet.<br />

Für die notwendige Dekontamination vom krebserregenden<br />

Spritzasbest mussten sämtliche Einrichtungsgegenstände<br />

<strong>und</strong> große Teile <strong>der</strong> Technik entfernt sowie<br />

<strong>der</strong> gesamte Bau entkernt werden. Am 8. Mai 1991 beauftragte<br />

die B<strong>und</strong>esfinanzverwaltung die VEBEG GmbH,<br />

die b<strong>und</strong>eseigene Treuhandgesellschaft zur Verwertung<br />

von Eigentum des B<strong>und</strong>es, mit <strong>der</strong> Verwertung des Inventars<br />

des »Ehemaligen <strong>Palast</strong>es <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>«. Damit<br />

begann die Verteilung <strong>der</strong> Einzelteile des <strong>Palast</strong>s in alle<br />

Welt. 1<br />

▶ Dominique Falentin: Die Suche nach dem <strong>Palast</strong>, S. 214<br />

Im Folgenden werden zentrale Aspekte <strong>der</strong> Geschichte<br />

des <strong>Palast</strong>s <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> von <strong>der</strong> Idee bis zur Fertigstellung<br />

<strong>und</strong> Nutzung bis 1989 erläutert. Auf Vertiefungen<br />

einzelner Aspekte in weiteren Beiträgen in diesem Band<br />

wird an entsprechen<strong>der</strong> Stelle verwiesen.<br />

DIE PLANUNGSGESCHICHTE<br />

Am 27. März 1973 fasst die DDR-Regierung den Beschluss<br />

zur Errichtung des <strong>Palast</strong>s <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>. Dies markiert<br />

den Endpunkt einer jahrzehntelangen Planungsgeschichte.<br />

Anhand <strong>der</strong> dieser Entscheidung vorausgehenden<br />

städtebaulichen Überlegungen lassen sich auch politischideologische<br />

Entwicklungen <strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

DDR seit Anfang <strong>der</strong> 1950er-Jahre nachvollziehen.<br />

Blick auf das Areal des Marx-Engels-Platzes<br />

<strong>und</strong> die Baustelle <strong>der</strong> Tribüne, 1951<br />

<strong>Der</strong> Ort<br />

Eine wesentliche Rolle für Planung, Bau <strong>und</strong> Gestalt eines<br />

vorgesehenen »Zentralen Gebäudes« spielt <strong>der</strong> prominente<br />

Standort auf <strong>der</strong> Spreeinsel. <strong>Der</strong> Schlossplatz,<br />

1951 Marx-Engels-Platz, seit 1994 wie<strong>der</strong>um Schlossplatz,<br />

1950– 1989<br />

33


DESIGNOBJEKTE<br />

R<strong>und</strong> eintausend Gegenstände aus <strong>der</strong> Inneneinrichtung des <strong>Palast</strong>s umfasst die Sammlung<br />

<strong>der</strong> Stiftung Humboldt Forum, die durch Schenkungen <strong>und</strong> Ankäufe noch immer wächst. Für<br />

viele Objekte wurden die in Vergessenheit geratenen Urheber*innen recherchiert – einige Werke,<br />

wie die keramische Wandgestaltung <strong>der</strong> Personalkantine, werden hier erstmals ver öffentlicht.<br />

In Verbindung mit temporär ausgeliehenen Stücken spiegelt die Sammlung sowohl die Tradition<br />

innovativer Formgestaltung in <strong>der</strong> DDR als auch den jeweiligen Zeitgeschmack wi<strong>der</strong>.<br />

Aschenbecher, Kerzenstän<strong>der</strong> <strong>und</strong> Vase aus <strong>der</strong> Porzellan-Serie »Iris« von Jutta Schulz<br />

76


Kaffeegedecke von Günther Pucher <strong>und</strong> Peter Smalun,<br />

Signet des <strong>Palast</strong>s <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> von Klaus Wittkugel<br />

Designobjekte 1950 – 1989<br />

77


AUGENBLICKE<br />

Neben dem reichen Angebot an kulturellen Veranstaltungen war das »Haus<br />

des Volkes« auch <strong>weg</strong>en seiner Restaurants <strong>und</strong> Bars <strong>und</strong> ganz allgemein<br />

<strong>weg</strong>en seiner Aufenthaltsqualität beliebt. Viele Menschen feierten dort<br />

beson<strong>der</strong>e Momente ihres Lebens, für an<strong>der</strong>e war <strong>der</strong> <strong>Palast</strong> täglicher<br />

Arbeitsort.<br />

Diskothek<br />

im Jugendtreff<br />

98


Tanzveranstaltung im Jugendtreff<br />

Augenblicke 1950 – 1989<br />

99


VERANSTALTUNGSPLAKATE<br />

Ob Rockkonzert, Volkstanz, Kabarett o<strong>der</strong> Klassik – so<br />

vielfältig die kulturellen Angebote im <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>,<br />

so facettenreich waren auch die Gestaltungsentwürfe<br />

zu ihrer Ankündigung. Vom Faltblatt über aufwendige<br />

Broschüren bis hin zum großformatigen Plakat ergibt<br />

sich ein Who’s who <strong>der</strong> Grafik <strong>und</strong> Illustration <strong>der</strong> DDR.<br />

Mo<strong>der</strong>n-Soul-Band Berlin, Programmflyer,<br />

Gestaltung: Carla <strong>und</strong> Detlef Mann, 1982<br />

1950 – 1989<br />

119


Plakate für die »Tage <strong>der</strong> Volkskunst« mit ausgewählten Kulturensembles aus den Bezirken <strong>der</strong> DDR,<br />

Gestaltung: Axel Dehlsen, 1978–1980<br />

120 Veranstaltungsplakate


PORTRÄTS<br />

Judith En<strong>der</strong>s<br />

Politikwissenschaftlerin <strong>und</strong> Mitbegrün<strong>der</strong>in<br />

<strong>der</strong> Initiative Dritte Generation Ost<br />

Judith En<strong>der</strong>s <strong>ist</strong> 13 Jahre alt, als sie in den Nachrichten von <strong>der</strong> Maueröffnung<br />

erfährt. Instinktiv wird ihr klar, dass sich die Welt, wie sie sie kennt,<br />

verän<strong>der</strong>n wird. Die Erfahrung <strong>der</strong> anschließenden Jahre mit vielen großen<br />

<strong>und</strong> kleinen Umbrüchen treibt sie um. So empfindet sie die Schließung <strong>und</strong><br />

den späteren Abriss des <strong>Palast</strong>s <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> als anmaßend gegenüber den<br />

Menschen, die bis dahin in <strong>der</strong> DDR gelebt haben.<br />

Nach dem Abitur studiert sie in Berlin Politikwissenschaften, auch um den<br />

Systemwandel besser zu verstehen <strong>und</strong> zu erforschen. 2009 fühlen sie <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>e ihrer Generation sich noch immer nicht ausreichend repräsentiert<br />

im öffentlichen Diskurs <strong>und</strong> gründen die Initiative Dritte Generation Ost.<br />

158


Viele Freiheiten<br />

Die Jahre 1989 <strong>und</strong> 1990 habe ich als wahnsinnigen<br />

Freiheitsgewinn erlebt. Da war die Verunsicherung <strong>der</strong><br />

Erwachsenen, zum Beispiel <strong>der</strong> Lehrkräfte in <strong>der</strong> Schule.<br />

Die ganze Schule hat sich in ihrer Autorität zurückgezogen<br />

<strong>und</strong> uns Schüler*innen sehr viele Freiheiten<br />

gelassen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gleichzeitiger Rückzug<br />

<strong>der</strong> Eltern durch den gesellschaftlichen Umbruch. Die<br />

haben uns dadurch auch weniger reglementiert in unserem<br />

Teenager-Dasein. Heute würde ich sagen, die konnten<br />

sich kaum mit uns auseinan<strong>der</strong>setzen, wir mussten<br />

uns selbst kümmern. Manche haben das sicher auch als<br />

angsteinflößend erlebt. Für mich war es Autonomiegewinn,<br />

eine positive Anarchieerfahrung. Die gesellschaftliche<br />

Atmosphäre hatte etwas Chilliges, Friedliches <strong>und</strong><br />

Hippiemäßiges. Diese Freude <strong>und</strong> die Gestaltungswut <strong>der</strong><br />

Menschen habe ich als etwas sehr Positives <strong>und</strong> Freiheitliches<br />

erlebt.<br />

Eine Dominanzgeste<br />

Ich erinnere mich noch, wie sie das Innere des Emblems<br />

am <strong>Palast</strong> abgebaut haben, den Hammer <strong>und</strong> die Sichel,<br />

sodass nur noch <strong>der</strong> Ehrenkranz da hing. Das fand ich<br />

damals schon übergriffig. Ich dachte mir: Das arme Gebäude,<br />

das hat sich immer so eine Mühe gegeben, nett zu<br />

sein. Dies war meine kindliche Wahrnehmung. Dieses Gebäude<br />

wollte irgendwas für alle, auch wenn es vielleicht<br />

nicht immer geklappt hat. Warum machen sie denn nun<br />

gerade dieses zu? Das <strong>ist</strong> doch unser <strong>Palast</strong>!<br />

Für mich war es so, als hätten sie eine Bibliothek o<strong>der</strong><br />

eine Schule geschlossen, so als wenn man ein Krankenhaus<br />

o<strong>der</strong> sonstige öffentliche Gebäude <strong>der</strong> Daseinsvorsorge<br />

abreißt, einfach so. Das war eine Dominanzgeste<br />

gegenüber <strong>der</strong> Identität <strong>der</strong> Ostdeutschen. Man konnte<br />

da eine positive o<strong>der</strong> auch eine negative Identifikation mit<br />

dem <strong>Palast</strong> gehabt haben, aber in jedem Fall hatte man<br />

eine. Den <strong>Palast</strong> einfach auszulöschen <strong>und</strong> dem Erdboden<br />

gleichzumachen, empfand ich als ziemlich aggressiv.<br />

Generationenfragen<br />

2009 war <strong>der</strong> 20. Jahrestag des Mauerfalls, <strong>und</strong> es gab<br />

viele Feierlichkeiten. Auffällig war, dass immer hauptsächlich<br />

ältere Männer aus dem Westen <strong>und</strong> Wolfgang<br />

Thierse als einziger Ostdeutscher in <strong>der</strong> R<strong>und</strong>e erzählten,<br />

wie die DDR war – es fehlten die jungen <strong>und</strong> die weiblichen<br />

Stimmen. Deshalb gründeten wir dann 2009 die<br />

Initiative Dritte Generation Ost. Wir begannen mit <strong>der</strong><br />

Ausrichtung zweier Konferenzen zur Selbstverständigung<br />

<strong>und</strong> öffentlichen Positionierung, wir brachten Bücher heraus,<br />

richteten Veranstaltungen aus <strong>und</strong> le<strong>ist</strong>eten viel Medienarbeit.<br />

Die Dritte Generation Ost sind die zwischen 1975 <strong>und</strong><br />

1985 Geborenen, die als Kin<strong>der</strong> nur in Ausnahmefällen<br />

mit <strong>der</strong> Staatsmacht in <strong>der</strong> DDR in Konflikt gekommen<br />

waren. Das war bei uns nicht <strong>der</strong> Fall, da haben wir einfach<br />

Glück gehabt.<br />

Warum erst 2009 die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> eigenen<br />

Herkunft? 1989 wollte man erst mal die Welt sehen,<br />

die DDR <strong>und</strong> ihre Geschichte waren zu <strong>der</strong> Zeit nicht<br />

interessant. Wir schauten <strong>und</strong> re<strong>ist</strong>en nach Westen. Ich<br />

denke, dass dieses Explorieren <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welt wichtig<br />

war, um sich selbst dazu in Beziehung zu setzen <strong>und</strong> zu<br />

merken: Ich bin doch an<strong>der</strong>s als die, die westlich sozialisiert<br />

sind.<br />

Dazu kamen die Abwertungsmechanismen gegenüber<br />

»Ostdeutschen«, die wir <strong>und</strong> vor allem unsere Eltern erlebt<br />

haben. Wir mussten ja zusehen, wie unsere Eltern<br />

<strong>und</strong> Großeltern struktureller Diskriminierung ausgesetzt<br />

waren <strong>und</strong> darunter litten. Das als junger Mensch <strong>weg</strong>zustecken,<br />

braucht Zeit, das dauert eine Weile, bis man sich<br />

da herantraut.<br />

Aus dem Interview am 29. März 2023,<br />

geführt <strong>und</strong> bearbeitet von Mareen Maaß<br />

Porträts 1990–2013<br />

159


ERINNERUNGSSTÜCKE<br />

Olaf Sarnow<br />

Ein Tattoo <strong>der</strong> Gläsernen Blume<br />

auf Instagram. Philipp Hennermann<br />

postete es in seinem Profil, nachdem er es Olaf<br />

Sarnow in den Oberschenkel tätowiert hatte. Zuvor hatten<br />

an<strong>der</strong>e Tätowierer den Wunsch des 53-Jährigen<br />

abgelehnt, da die Darstellung von transparentem Material<br />

in einem Tattoo eine Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>ist</strong>. Philipp<br />

Henner mann beschäftigte sich mit <strong>der</strong> Glas-Stahl-Plastik<br />

<strong>und</strong> entwarf ein Bild <strong>der</strong> Blume zusammen mit einem<br />

<strong>der</strong> legendären Sofas <strong>und</strong> Pflanzenkübeln aus dem<br />

Foyer. Für Olaf Sarnow war es das 17. von insgesamt 21<br />

Tattoos.<br />

Foto <strong>und</strong> Tattoo<br />

Philipp Hennermann, 2022<br />

Privatbesitz<br />

Zum <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, unabhängig von <strong>der</strong> DDR-Politik, hatte man immer<br />

einen positiven Bezug. Obwohl ich als Jugendlicher überhaupt nicht staatskonform<br />

war. Also, ich bin nicht irgendwie ein DDR-Freak, <strong>der</strong> <strong>der</strong> alten Zeit<br />

nachheult. Es <strong>ist</strong> ein Stück meiner H<strong>ist</strong>orie. Auch wenn ich mich nicht ständig<br />

an dieser Gläsernen Blume aufgehalten habe, gehört sie doch irgendwie<br />

zu mir.<br />

Aus dem Audiointerview von Chr<strong>ist</strong>ian Schmidt am 9. Mai 2023,<br />

bearbeitet von Anke Schnabel<br />

1990 – 2013<br />

187


Sven Swora<br />

Das Interesse an Architektur wurde Sven Swora<br />

gleichsam in die Wiege gelegt. Sein Vater Karl-Ernst<br />

Swora verantwortete für das VE Bau- <strong>und</strong> Montagekombinat Ingenieurhochbau<br />

Berlin eine Reihe von Gesellschaftsbauten <strong>und</strong> leitete als stellvertreten<strong>der</strong><br />

Chefarchitekt ab 1973 den Innenausbau des <strong>Palast</strong>s <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>.<br />

Wie an<strong>der</strong>e beteiligte Architekten kämpfte er um den Erhalt des Gebäudes,<br />

bis er 2001 verstarb. Mit diesem Bild erinnert Sven Swora an seinen Verlust<br />

<strong>und</strong> würdigt zugleich die Arbeit seines Vaters.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

von <strong>der</strong> Spreeseite<br />

Sven Swora,<br />

9. September 2002<br />

Aquarell<br />

Privatbesitz<br />

Das <strong>Palast</strong>bild <strong>ist</strong> ein Jahr nach dem Tod meines Vaters<br />

entstanden. Ich habe es mir gar nicht vorgenommen als<br />

Andenken zum Jubiläum, aber es hat sich so ergeben. Ich<br />

glaube, es passiert immer alles so, wie es passieren soll,<br />

also unterbewusst. Beim <strong>Palast</strong> habe ich dagesessen <strong>und</strong><br />

gesehen, wie die Fassade immer grauer wurde, weil das<br />

Gebäude stillgelegt war. Und sobald ein Gebäude nicht<br />

mehr in Betrieb <strong>ist</strong>, fängt es an, zu verfallen. In dem Bild<br />

habe ich die Fassade extra schön farbenfroh gezeichnet,<br />

dass sie ein bisschen leuchtet.<br />

Aus dem Audiointerview von Ralf Pasch am 28. April 2023,<br />

bearbeitet von Karen Buttler<br />

Erinnerungsstücke 1990 – 2013 189


198 Zwischen<strong>Palast</strong>Nutzung


Zwischen<strong>Palast</strong>Nutzung 1990 – 2013<br />

199


ANMERKUNGEN<br />

Buttler, Dorgerloh, Prokasky, Schnabel<br />

HIN UND WEG<br />

1 Heinrich Wefing, »<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>«, in: Martin Sabrow<br />

(Hg.), Erinnerungsorte <strong>der</strong> DDR (Schriftenreihe <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eszentrale<br />

für Politische Bildung, Bd. 1116), München 2009, S. 134–<br />

141.<br />

2 Weitere Publikationen <strong>der</strong> Stiftung Humboldt Forum, in denen<br />

<strong>der</strong> <strong>Palast</strong> eine Rolle spielt: Judith Prokasky, »<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Republik</strong> – ein deutscher Erinnerungsort«, in: Das Humboldt<br />

Forum im Berliner Schloss, hg. von Stiftung Humboldt Forum<br />

im Berliner Schloss, München 2020, S. 114 f.; Humboldt Forum.<br />

Geschichte des Ortes. Ausstellungsführer, hg. von <strong>der</strong> Stiftung<br />

Humboldt Forum im Berliner Schloss, München u.a. 2020;<br />

Vom Kloster zum Humboldt Forum. 700 Jahre Geschichte <strong>und</strong> Architektur.<br />

Ein Buch zum Tasten, Sehen <strong>und</strong> Hören, hg. von <strong>der</strong> Stiftung<br />

Humboldt Forum im Berliner Schloss, Berlin 2020.<br />

3 Vgl. Einleitung zum Bestand <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> im B<strong>und</strong>es ­<br />

archiv Berlin, Bestandsgeschichte. 1. Verwaltung im <strong>Palast</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Republik</strong>, http://www.argus.bstu.b<strong>und</strong>esarchiv.de/DC207-<br />

23070/index.htm?kid=ad2a891d-da18-4650-b299-f09bb<br />

45136e3 (abgerufen am 9.11.2023).<br />

4 Anja Tack, »Auf dem ›Trümmerhaufen vergangener Zukunft‹ –<br />

Das Wandbild von Tim Trantenroth erinnert an den <strong>Palast</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Republik</strong>«, in: Zeitgenössische Kunst im Humboldt Forum, hg. von<br />

<strong>der</strong> Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Berlin/<br />

München 2022, S. 61–65.<br />

5 Für den Kontakt zur Künstlerin Margret Lüdtke danken wir<br />

Marianne Schwarzbach.<br />

6 https://sammlungenonline.humboldtforum.org/de.<br />

7 In diesem Zusammenhang führten Susanne Johne <strong>und</strong> Judith<br />

Prokasky am 25.3.2021 ein Gespräch mit Justin Jampol, aus<br />

dem auf S. 14 zitiert wird.<br />

8 Siehe auch Anke Schnabel <strong>und</strong> Judith Prokasky, »Design Thinking<br />

im Museum. Ein Erfahrungsbericht aus dem Humboldt<br />

Forum in Berlin«, in: Besser ausstellen. Innovative Wege <strong>der</strong> Konzeption<br />

<strong>und</strong> Reflexion von Ausstellungen, hg. von DASA, Arbeitswelt<br />

Ausstellung, Professur für Museologie <strong>der</strong> Universität Würzburg,<br />

Institut für Museumsforschung, Bielefeld 2024, S. 121–127.<br />

9 Maurice Halbwachs, Das Gedächtnis <strong>und</strong> seine sozialen Bedingungen,<br />

7. Aufl. Berlin 2022.<br />

10 Das Filmteam bestand aus Julia Novak (Regie/Interview), Andreas<br />

Deinert, Harald Mellwig, Dennis Streckfuss (Kamera),<br />

Sascha Czycykowski, Michele Gambarara <strong>und</strong> Matthias Kreitschmann<br />

(Ton).<br />

11 Unter den Interviewten sind sogenannte Erbauer des <strong>Palast</strong>s<br />

wie Frank Arndt, Wolf R. Eisentraut <strong>und</strong> Brigitte Fahlisch,<br />

Künstler*innen wie Vera Oelschlegel, Gertraude Pohl <strong>und</strong> Pierre<br />

Sanoussi-Bliss, Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Volkskammer wie Sabine<br />

Bergmann-Pohl, Jens Reich <strong>und</strong> Wolfgang Thierse sowie die<br />

Initiator*innen <strong>der</strong> »Zwischen<strong>Palast</strong>Nutzung«, Amelie Deuflhard<br />

<strong>und</strong> Philipp Oswalt.<br />

12 Das übergreifende Projekt »Erinnerungsarbeit im Humboldt<br />

Forum« (2021–2024) <strong>ist</strong> angesiedelt in <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Stiftung<br />

Humboldt Forum, ihrer Programmabteilung für Bildung,<br />

Vermittlung <strong>und</strong> Wissenschaft, in enger Zusammenarbeit mit<br />

dem Bereich »Geschichte des Ortes«.<br />

13 Einige Gesprächspartner*innen schlossen es aus, die Gespräche<br />

aufzeichnen zu lassen <strong>und</strong> sie mit einer Öffentlichkeit zu<br />

teilen.<br />

14 Die Interviewer*innen haben ihre persönlichen Haltungen, mit<br />

denen sie die Gespräche führten, wie<strong>der</strong>um in Interviews dargelegt.<br />

Diese Interviews befinden sich in <strong>der</strong> Sammlung des<br />

Bereichs »Geschichte des Ortes«.<br />

Reinhard Alings<br />

1950–1989 AUFBRUCH<br />

1 <strong>Der</strong> Aufsatz basiert neben von <strong>der</strong> Stiftung Humboldt Forum in<br />

Auftrag gegebenen spezifischen Rechercheberichten im Wesentlichen<br />

auf folgenden Werken: Martin Beerbaum, Heinz<br />

Graff<strong>und</strong>er <strong>und</strong> Gerhard Murza, <strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, Leipzig<br />

1977; Thomas Beutelschmidt <strong>und</strong> Julia M. Novak (Hg.), Ein<br />

<strong>Palast</strong> <strong>und</strong> seine <strong>Republik</strong>, Berlin 2001; Aufbauleitung Son<strong>der</strong>vorhaben<br />

Berlin (Hg.), <strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> <strong>und</strong> seine Erbauer,<br />

Berlin 1976; Amelie Deuflhard u. a. (Hg.), Volkspalast, o. O.<br />

2006; Gerd Dietrich, Kulturgeschichte <strong>der</strong> DDR, 3 Bde., Bonn<br />

2019; Gabriele Dolff-Bonekämper <strong>und</strong> Hiltrud Kier (Hg.),<br />

Städtebau <strong>und</strong> Staatsbau im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert, München/Berlin<br />

1996; Werner Durth, Jörn Düwel <strong>und</strong> Niels Gutschow, Architektur<br />

<strong>und</strong> Städtebau <strong>der</strong> DDR, 2 Bde., Frankfurt a. M./New York<br />

1998; Wolf R. Eisentraut, Zweifach war des Bauens Lust, Berlin<br />

2023; Bruno Flierl, Haus Stadt Mensch, Berlin 2019; Matthias<br />

Grünzig, <strong>Der</strong> Fernsehturm <strong>und</strong> sein Freiraum, Berlin 2022; Kirsten<br />

Heidler (Hg.), Von Erichs Lampenladen zur Asbestruine, Berlin<br />

1998; Moritz Holfel<strong>der</strong>, <strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, Berlin 2008;<br />

Internationale Expertenkommission H<strong>ist</strong>orische Mitte Berlin,<br />

Bd. 1, Abschlussbericht, Bd. 2 , Materialien, o. O. 2002; Elmar Kossel,<br />

Hermann Henselmann <strong>und</strong> die Mo<strong>der</strong>ne, Königstein/Ts. o. J.;<br />

Thorsten Klapsch, <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, Mannheim 2010; Anke<br />

Kuhrmann, <strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, Petersberg 2006; Steffen<br />

Mau, Lütten Klein, Frankfurt a. M. 2019; <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong><br />

(Hg.), <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, Dresden 1977; Kunsthalle Rostock<br />

(Hg.), <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, Halle a. d. S. 2019; Joachim Palutzki,<br />

Architektur in <strong>der</strong> DDR, Berlin 2000; Michael Phillip, Dürfen<br />

Kommun<strong>ist</strong>en träumen?, München u. a. 2017; Martin Sabrow<br />

(Hg.), Erinnerungsorte <strong>der</strong> DDR, München 2009; Alexan<strong>der</strong><br />

Schug (Hg.), <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, Berlin 2007; Frie<strong>der</strong> Sieber<br />

<strong>und</strong> Hans Fritsche, Bauen in <strong>der</strong> DDR, Berlin 2006; Chr<strong>ist</strong>ian<br />

von Steffelin, <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> (1994–2010), Ostfil<strong>der</strong>n 2011;<br />

Stefan Wolle, Die heile Welt <strong>der</strong> Diktatur, Bonn 1998.<br />

2 Zit. nach Durth/Düwel/Gutschow 1998, Bd. 1, Ostkreuz, S. 173.<br />

3 Bruno Flierl, »Planung <strong>und</strong> Bau des <strong>Palast</strong>es«, zit. nach Beutelschmidt/Novak<br />

2001, S. 71.<br />

4 Zit. nach: Kuhrmann 2006, S. 58.<br />

5 Die Mengenangaben zum Spritzasbest bzw. Rohasbest variieren<br />

in den unterschiedlichen Verträgen bzw. Gutachten<br />

stark <strong>und</strong> werden offenbar auch miteinan<strong>der</strong> verwechselt.<br />

Die Fa. Limex (DDR) or<strong>der</strong>t von TAC lt. Vertrag ab 1. April<br />

bis 1. Dezember 1974 in Teilmengen insgesamt 772 Tonnen<br />

»Spritzasbest« samt Maschinen <strong>und</strong> Ausrüstung, so auch das<br />

Zwischengutachten <strong>der</strong> Fa. ATD unter <strong>der</strong> Leitung von Rainer<br />

Tepasse zur Kontamination vom 16.9.1990: BArch, DC<br />

207/137. Die Schlussdokumentation zur Asbestbeseitigung<br />

Dr.-Ing. Steffen GmbH vom September 2003 dagegen nennt<br />

720 Tonnen »Rohasbest« <strong>und</strong> 4500 bis 5000 Tonnen »Spritzasbest«.<br />

Anmerkungen<br />

225


6 Vgl. Kuhrmann 2006, S. 63.<br />

7 Klaus Beetz, »Die wirtschaftliche Seite«, in: Beutelschmidt/<br />

Novak 2001, S. 155.<br />

8 Volker Büttner, »Die Veranstaltungen. Zwischen Professionalismus<br />

<strong>und</strong> Provinzialismus«, in: Beutelschmidt/Novak 2001,<br />

S. 158–173. <strong>Der</strong> Rest verteilt sich auf Veranstaltungen im Jugendtreff,<br />

das TiP, Tanz, Bowling, das Foyer etc., sodass es zu<br />

einem Verhältnis von etwa 8 % Politik <strong>und</strong> 92 % Kultur kommt.<br />

9 Paul Kaiser, »Alltag ohne Epoche«, in: Beutelschmidt/Novak<br />

2001, S. 132.<br />

10 Eines davon <strong>ist</strong> im Erdgeschoss des Humboldt Forums wie<strong>der</strong><br />

angebracht worden. Das zweite befindet sich leicht verkleinert<br />

in einem Besprechungssaal des B<strong>und</strong>esmin<strong>ist</strong>eriums <strong>der</strong><br />

Finanzen.<br />

11 Kaiser 2001 (wie Anm. 9).<br />

12 Vgl. Beetz 2001 (wie Anm. 7) S. 148–157.<br />

13 Thomas Beutelschmidt, interner Rechercheauftrag SHF,<br />

2018.<br />

14 17-BArch_MfS_HA_VIII_6846.<br />

15 Wolle 1998, S. 46.<br />

Uta Kornmeier<br />

KULTURPALÄSTE<br />

1 Heinz Graff<strong>und</strong>er, Martin Beerbaum <strong>und</strong> Gerhard Murza, <strong>Der</strong><br />

<strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>, Leipzig 1977, S. 10–15.<br />

2 Vgl. Anke Kuhrmann, <strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong>. Geschichte <strong>und</strong> Bedeutung<br />

des Ost-Berliner Parlaments- <strong>und</strong> Kulturhauses, Petersberg<br />

2006, S. 155.<br />

3 Dieser Aufsatz basiert auf einer detaillierten Recherche, die Dr.<br />

Thomas Beutelschmidt 2022–2023 im Auftrag <strong>der</strong> Stiftung<br />

Humboldt Forum durchgeführt hat. Mit Dank an die Unterstützung<br />

durch Alessandra Praun.<br />

4 Chr<strong>ist</strong>ine Meyer, Kulturpaläste <strong>und</strong> Stadthallen <strong>der</strong> DDR. Anspruch<br />

<strong>und</strong> Realität einer Bauaufgabe, Hamburg 2005, S. 9–14; vgl. Thomas<br />

Ruben <strong>und</strong> Bernd Wagner, Kulturhäuser in Brandenburg. Bestandsaufnahme<br />

<strong>und</strong> Problemanalyse, Potsdam 1994, S. 15–66, bes.<br />

S. 21.<br />

5 Vgl. Dieter Bartetzko <strong>und</strong> Karin Berkemann (Hg.), Kulturhäuser.<br />

Demokratie feiern, mo<strong>der</strong>neRegional, 3/2023.<br />

6 W. I. Lenin, Werke, Bd. 36 (russ.), S. 535, zit. nach Heinz Marohn,<br />

Klubs <strong>und</strong> Kulturhäuser. Platz <strong>und</strong> Funktion, Leitung <strong>und</strong> Planung,<br />

Arbeit <strong>und</strong> Wirkung, hg. von <strong>der</strong> Akademie für Weiterbildung<br />

beim Min<strong>ist</strong>erium für Kultur, Berlin 1978, S. 10.<br />

7 https://www.kph-hamburg.de/ueber-uns/chronik/ <strong>und</strong><br />

https://kulturpalastwedding.wordpress.com/(abgerufen 11.12.<br />

2023).<br />

8 Vgl. Anke Hoffsten, Das Volkshaus <strong>der</strong> Arbeiterbe<strong>weg</strong>ung in Deutschland.<br />

Gemeinschaftsbauten zwischen Alltag <strong>und</strong> Utopie, Wien u.a.<br />

2017. Im Weiteren siehe Horst Groschopp, »Kulturhäuser in<br />

<strong>der</strong> DDR. Vorläufer, Konzepte, Gebrauch. Versuch einer h<strong>ist</strong>orischen<br />

Rekonstruktion«, in: Ruben/Wagner 1994 (wie Anm. 4),<br />

S. 97–178.<br />

9 Vgl. hier v. a. Chr<strong>ist</strong>iane Post, Arbeiterklubs als neue Bauaufgabe <strong>der</strong><br />

sowjetischen Avantgarde, Berlin 2004, S. 22–48; Gabriele Gorzka,<br />

Arbeiterkultur in <strong>der</strong> Sowjetunion. Industriearbeiterklubs 1917–1929.<br />

Ein Beitrag zur sowjetischen Kulturgeschichte, Berlin 1990.<br />

10 Post 2004 (wie Anm. 9), bes. S. 26–29.<br />

11 Lewis H. Siegelbaum, »The Shaping of Soviet Workers’ Leisure:<br />

Workers’ Clubs and Palaces of Culture in the 1930s«, in: International<br />

Labor and Working-Class H<strong>ist</strong>ory 56, Herbst 1999, S. 78–<br />

92, hier S. 79.<br />

12 El Lissitzky: »Die Klubs als soziale Kraftwerke«, in: <strong>Der</strong>s., 1929<br />

Rußland: Architektur für eine Weltrevolution, Braunschweig/<br />

Wiesbaden 1989, S. 25–27, hier S. 26.<br />

13 Ebd., S. 27.<br />

14 Anna Bokov, »Soviet Workers’ Clubs: Lessons from the Social<br />

Condensers«, in: The Journal of Architecture 22, 3, 2017, S. 403–<br />

436, hier S. 407–411; Siegelbaum 1999 (wie Anm. 11) S. 84–87.<br />

15 Michał Murawski <strong>und</strong> Jane Rendell, »Preface: The social condenser:<br />

a century of revolution through architecture, 1917–<br />

2017«, in: The Journal of Architecture 22, 3, 2017, S. 369–371. Zu<br />

den Planungen <strong>und</strong> Bauten <strong>der</strong> 1920er-Jahre siehe Post 2004<br />

(wie Anm. 9), ab S. 34. Siehe auch Anna Bokov, Lessons from the<br />

Social Condensers. 101 Workers’ Clubs and Spaces for Mass Assembly,<br />

Zürich 2023.<br />

16 Post 2004 (wie Anm. 9).<br />

17 Bokov 2017 (wie Anm. 14), hier S. 411–414.<br />

18 Zit. in: Siegelbaum 1999 (wie Anm. 11), S. 81 f.; vgl. auch Werner<br />

Durth, »Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> neuen Stadt – Parallelbau <strong>und</strong><br />

Kontraste im deutschen Städtebau«, in: Gabi Dolff-Bonekämper<br />

<strong>und</strong> Hiltrud Klier (Hg.), Städtebau <strong>und</strong> Staatsbau im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

München/Berlin 1996, S. 17–38, bes. S. 29–30.<br />

19 Ulrich Hartung, »Traditionalismus. Geschichtsbezüge <strong>und</strong> Funktionshierarchien<br />

in <strong>der</strong> frühen DDR-Architektur«, in: Holger<br />

Barth (Hg.), Grammatik sozial<strong>ist</strong>ischer Architekturen. Lesarten h<strong>ist</strong>orischer<br />

Städtebauforschung zur DDR, Berlin 2001, S. 127–147.<br />

20 Vgl. Otto Karl Werckme<strong>ist</strong>er, »<strong>Der</strong> Sowjetpalast in Moskau <strong>und</strong><br />

die große Kuppelhalle in Berlin als projektierte Bauten einer<br />

totalitären Volksrepräsentation«, in: Dolff-Bohnekämper/<br />

Klier 1996 (wie Anm. 18), S. 113–130, Zitat S. 119.<br />

21 Vgl. Wettbewerbsausschreibung, in: Naum Gabo <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wettbewerb<br />

zum <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> Sowjets Moskau 1931–1933, hg. von <strong>der</strong> Berlinischen<br />

Galerie, Berlin 1992, S. 202–209; Karl Schlögel, »<strong>Der</strong><br />

Schatten des imaginären Turms«, in: Ebd., S. 177–184.<br />

22 Zu Boris M. Iofan siehe zuletzt Wladimir Sedow, Stalins Architekt.<br />

Aufstieg <strong>und</strong> Fall von Boris Iofan, Berlin 2022.<br />

23 Michał Murawski, The Palace Complex. A Stalin<strong>ist</strong> Skyscraper, Capital<strong>ist</strong><br />

Warsaw, and a City Transfixed, Bloomington 2019.<br />

24 Min<strong>ist</strong>erialblatt <strong>der</strong> Deutschen Demokratischen <strong>Republik</strong> 25,<br />

16. 9. 1950, S. 153 f.; zit. nach https://www.bpb.de/themen/nach<br />

kriegszeit/wie<strong>der</strong>aufbau-<strong>der</strong>-staedte/64346/die-16-gr<strong>und</strong>saetzedes-staedtebaus/<br />

(abgerufen am 11.12.2023).<br />

25 Andreas Kriege-Steffen, Das Stadtbild <strong>und</strong> die Idee <strong>der</strong> Stadt in den<br />

städtebaulichen Diskursen <strong>der</strong> Nachkriegszeit. <strong>Der</strong> 1952 veranstaltete<br />

Wettbewerb für die städtebauliche <strong>und</strong> architektonische Gestaltung<br />

des Zentrums <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ost-West-Mag<strong>ist</strong>rale in Dresden, Dresden<br />

2020, bes. S. 162–199; siehe auch Durth 1996 (wie Anm. 18),<br />

S. 17–20; Dietrich Fürst u.a. (Hg.), Prämiert <strong>und</strong> ausgeschieden.<br />

Dokumentation eines IRS-Sammlungsbestandes zu städtebaulichen<br />

Wettbewerben in <strong>der</strong> DDR, (Regio doc 2), Berlin 1998, S. 43 f.;<br />

vgl. auch Das neue Dresden. Portal zu Dresdner Bauwerken des 20.<br />

<strong>und</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>erts, Kapitel »Altmarktbebauung 1953–1958«,<br />

https://www.das-neue-dresden.de/altmarkt-1953-58.html<br />

(abgerufen am 11.12.2023).<br />

26 Vgl. Simone Hain, »Die Salons <strong>der</strong> Sozial<strong>ist</strong>en. Geschichte <strong>und</strong><br />

Gestalt <strong>der</strong> Kulturhäuser in <strong>der</strong> DDR«, in: Dies. <strong>und</strong> Stephan<br />

Stroux, Die Salons <strong>der</strong> Sozial<strong>ist</strong>en. Kulturhäuser in <strong>der</strong> DDR, mit<br />

226 Anmerkungen


GELIEBT UND GESCHMÄHT,<br />

VERSCHWUNDEN UND UNVERGESSEN<br />

<strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> war <strong>der</strong> wichtigste Repräsentationsbau<br />

politischer Macht in <strong>der</strong> DDR. Von 1973 bis<br />

1976 in <strong>der</strong> Mitte Berlins errichtet, war das Staats- <strong>und</strong><br />

Kulturhaus zugleich Sitz <strong>der</strong> Volkskammer <strong>und</strong> Begegnungsort<br />

mit Gemäldegalerie, Theater, Veranstaltungssaal,<br />

Restaurants, Diskothek <strong>und</strong> Bowlingbahn. Im März<br />

1990 konstituierte sich dort die erste frei gewählte<br />

Volkskammer, kurz darauf wurde <strong>der</strong> Bau <strong>weg</strong>en Asbestbelastung<br />

geschlossen. Die kulturelle Zwischennutzung<br />

im entkernten Gebäude Anfang <strong>der</strong> 2000er-Jahre war<br />

eine Erfolgsgeschichte, trotzdem folgte wenig später <strong>der</strong><br />

Abriss. Heute befindet sich an dieser Stelle das Humboldt<br />

Forum. <strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>ist</strong> jedoch in <strong>der</strong> Erinnerung<br />

vieler Menschen weiter präsent.<br />

Das Buch widmet sich Aspekten wie Ausverkauf, Baustellen,<br />

Beleuchtungskörper, Ge<strong>ist</strong>er, Gläserne Blume,<br />

Globaler Süden, Identität, Kulturpaläste, Marx & Engels,<br />

Rekonstruktion, Stasi, Zwischennutzung <strong>und</strong> mehr. Aktuelle<br />

Forschungsergebnisse, künstlerische Beiträge<br />

<strong>und</strong> persönliche Interviews eröffnen neue Perspektiven<br />

auf den <strong>Palast</strong>. <strong>Der</strong> <strong>Palast</strong> <strong>der</strong> <strong>Republik</strong> wird hier zum<br />

gesamtdeutschen Thema.

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