FOCUS_18_2024_Breuer
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POLITIK<br />
„Wichtig ist: Wir müssen in unsere Sicherheit<br />
investieren. Ohne Sicherheit ist alles nichts“ Carsten <strong>Breuer</strong><br />
Wenn ukrainische Truppen hierzulande ausgebildet<br />
werden: Erleben Sie da Spionage?<br />
Nahezu von Beginn an haben wir an<br />
den Ausbildungsstandorten Drohnen<br />
entdeckt, die nicht zugeordnet werden<br />
konnten.<br />
Das könnten ja auch welche aus dem<br />
Elektromarkt gewesen sein.<br />
Ohne in taktische Details gehen zu<br />
wollen: Genau das waren sie eben nicht.<br />
Wir haben unsere Abwehrmaßnahmen<br />
verstärkt, unter anderem durch elektronische<br />
Schutzmechanismen. Fest steht:<br />
Wir müssen weiterhin sehr wachsam sein,<br />
auch im Inland.<br />
Hat die brutale Realität in der Ukraine Ihre<br />
Vorstellungen gesprengt, wie Krieg geht?<br />
Sie hat die Entwicklung unserer taktischen<br />
und operativen Überlegungen<br />
jedenfalls sehr beeinflusst. Es liegt aber<br />
in der Natur des Krieges, nicht berechenbar<br />
zu sein.<br />
Gibt es in der Truppe die Sorge, dass die<br />
Bundeswehr sehr bald selbst die Belastungsgrenzen<br />
erreichen könnte?<br />
Ich spreche viel mit den Soldatinnen<br />
und Soldaten und erlebe eine große Ernsthaftigkeit<br />
und zugleich Professionalität.<br />
Man versteht, wie wichtig unsere Unterstützung<br />
für die Ukraine ist. Ich höre<br />
keine Zweifel an der Sinnhaftigkeit.<br />
Die Situation in der Ukraine scheint aber<br />
doch zunehmend verzweifelt. Erleben<br />
wir einen endlosen Stellungskrieg – oder<br />
ist die Lage in Wahrheit noch ernster?<br />
Aktuell sehen wir eine Pattsituation.<br />
Aber ohne Frage, die Ukraine ist stark<br />
bedrängt. Russland hat auf Kriegswirtschaft<br />
umgestellt. Zudem werden in<br />
menschenverachtender Weise Soldaten<br />
gegen ukrainische Stellungen geworfen<br />
– für Geländegewinne, die sich oft nur<br />
in Metern messen lassen. Zugleich sind<br />
große Landstriche mittlerweile vermint<br />
worden, was ein Vorrücken der Ukrainer<br />
auf von Russland besetztes Gebiet umso<br />
schwerer macht. Aber wir sehen gleichzeitig:<br />
Die Ukraine verändert ihre Strategien<br />
ebenfalls – sie entwickeln eine ganz<br />
neue Flexibilität.<br />
Wissen Sie, was diese neue russische<br />
Kriegswirtschaft vor allem produziert?<br />
Derzeit Kampf-, Schützen- und Transportpanzer,<br />
ebenso Raketen, Lenkflugkörper<br />
und Drohnen. Es ist das gesamte<br />
Spektrum.<br />
Kürzlich haben Sie gewarnt, Russland<br />
könne in fünf bis acht Jahren einen<br />
Krieg gegen einen Nato-Staat beginnen.<br />
Warum könnte der Kreml das wollen?<br />
Wir sehen, wie sich Wladimir Putin<br />
äußert. Wie er seine Abscheu gegenüber<br />
westlichen Gesellschaftsmodellen<br />
klarmacht. Und wir sehen außerdem das<br />
industrielle Hochfahren seiner Kriegswirtschaft.<br />
Man kann daraus prognostizieren,<br />
wann Russland zu einem Krieg gegen<br />
einen Nato-Staat in der Lage wäre. Und<br />
das ist laut unseren Analysen das Jahr<br />
2029. Ich denke militärisch und in einem<br />
Worst-Case-Szenario: Bis dahin müssen<br />
auch wir vorbereitet sein.<br />
Machen Sie sich auch deshalb stark für<br />
eine Raketenabwehr im Nato-Verbund, die<br />
sogenannte European Skyshield Initiative?<br />
Diese gemeinsame Initiative soll dazu<br />
führen, dass wir die nötigen Mittel zur<br />
Luftabwehr schneller beschaffen können.<br />
21 Länder tragen diese Idee bereits mit.<br />
Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat<br />
jüngst erklärt, dass sein Land ebenfalls<br />
einen Beitritt anstrebt. Der nächste Schritt<br />
wird sein, daraus einen gemeinsamen<br />
Abwehrschild zu schmieden.<br />
In diesem Jahr schon könnte<br />
aber noch eine ganz andere<br />
Herausforderung auf die<br />
Nato zukommen: Was, wenn<br />
Donald Trump zum US-Präsidenten<br />
gewählt wird?<br />
Wir wissen nicht, ob Biden<br />
oder Trump die anstehende<br />
Wahl gewinnen wird. Es<br />
bleibt eine Entscheidung des<br />
US-Souveräns, die wir selbstverständlich<br />
akzeptieren …<br />
LESERDEBATTE<br />
Wie kriegstauglich<br />
ist die<br />
Bundeswehr?<br />
Schreiben Sie<br />
uns an<br />
leserbriefe@<br />
focus-magazin.de<br />
… mit der Sie sich aber doch auseinandersetzen<br />
müssen.<br />
Wir denken natürlich in Eventualitäten.<br />
Aber ich erinnere mich gut, wie Donald<br />
Trump von seinen Nato-Partnern immer<br />
wieder forderte, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts<br />
in Verteidigung zu<br />
investieren.<br />
Davon war nicht nur Deutschland<br />
lange weit entfernt.<br />
… aber nicht nur wir halten das Zwei-<br />
Prozent-Ziel inzwischen ein. Nato-Generalsekretär<br />
Jens Stoltenberg kündigte<br />
zuletzt an, dass rund 20 Nato-Staaten das<br />
Ziel Ende des Jahres erreichen werden.<br />
Auch für einen US-Präsidenten Trump<br />
wäre damit die Nato ein „guter Deal“.<br />
Egal wie die US-Wahl ausgeht: Auf Deutschland<br />
kommen immer größere Aufgaben zu.<br />
Dafür braucht es aber auch ausreichend<br />
Personal. Ihnen fehlen noch immer<br />
20 000 Männer und Frauen,<br />
um auf die ausgegebene<br />
Zielgröße von 203 000 zu<br />
kommen! Was also tun?<br />
Wir wollen und müssen<br />
weiter aufwachsen – nicht<br />
nur wegen unserer Verpflichtungen<br />
gegenüber der<br />
Nato. Vieles wurde bereits<br />
angeschoben, wirkt sich<br />
aber noch nicht sichtbar<br />
aus. Die durch uns eingesetzte<br />
Task Force Personal<br />
42 <strong>FOCUS</strong> <strong>18</strong>/<strong>2024</strong>