FOCUS_18_2024_Breuer
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BUNDESWEHR<br />
„Panzer stehen nicht im Regal herum“<br />
Als Generalinspekteur der Bundeswehr will und soll Carsten <strong>Breuer</strong><br />
seine Truppe kriegstauglich machen – und die gesamte Gesellschaft gleich mit<br />
TEXT VON FRANZISKA REICH UND THOMAS TUMA FOTOS VON NIKITA TERYOSHIN<br />
S<br />
ein letzter Gegner war<br />
mikroskopisch klein: Im<br />
November 2021 wurde der<br />
Spitzen-Offizier Carsten<br />
<strong>Breuer</strong> zum Leiter des Corona-Krisenstabs<br />
im Kanzleramt<br />
ernannt. Dann machte<br />
die virale Bedrohung einer militärischen<br />
Platz: Putins Überfall auf die Ukraine.<br />
Und <strong>Breuer</strong> rückte noch eins auf. Seit<br />
gut einem Jahr ist der 59-Jährige jetzt<br />
als Generalinspekteur der Bundeswehr<br />
für den kompletten Um- und Ausbau der<br />
Truppe zuständig. Zeit für einen Ausblick<br />
auf das, was noch droht.<br />
Herr <strong>Breuer</strong>, Sie sind der oberste Soldat<br />
der Bundeswehr – und Diplom-Pädagoge.<br />
Was davon hilft im täglichen Dienst?<br />
Es kommt mir gar nicht so sehr auf den<br />
konkreten Studiengang an, sondern auf<br />
die generelle akademische Analysefähigkeit.<br />
Wir brauchen in der Bundeswehr<br />
die Fähigkeit zum analytischen Denken,<br />
mehr denn je. Und dazu hilft mir das Studium<br />
in der Tat.<br />
Wenn Deutschland eine Schulklasse<br />
wäre – was würden Sie ihr beibringen?<br />
Ich würde in Anbetracht der zunehmenden<br />
Bedrohungen vor allem die Aufmerksamkeit<br />
für das eminent wichtige Thema<br />
„Kriegstüchtigkeit“ schärfen ...<br />
… die auch Verteidigungsminister<br />
Boris Pistorius nun dauernd predigt.<br />
Aber was genau bedeutet das?<br />
Zunächst müssen unsere Streitkräfte<br />
kriegstüchtig werden, aber die Forderung<br />
geht weit darüber hinaus. Ich spreche von<br />
einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.<br />
Wir alle müssen „wehrhaft“ werden, denn<br />
das erst schafft die notwendige gesellschaftliche<br />
Resilienz.<br />
Um was zu tun?<br />
Einem Angriff von außen jederzeit<br />
etwas entgegensetzen zu können. Abschrecken<br />
zu können.<br />
Braucht die Bundeswehr dafür Nachhilfe?<br />
Nachhilfe klingt so, als hätten wir<br />
unsere Hausaufgaben nicht gemacht.<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>18</strong>/<strong>2024</strong><br />
Die machen wir aber längst angesichts<br />
einer völlig veränderten Bedrohungslage<br />
durch den russischen Angriffskrieg auf<br />
die Ukraine. Putins Aggression hat alle<br />
Streitkräfte Europas vor völlig neue Herausforderungen<br />
gestellt.<br />
Wo muss die Resilienz optimiert werden: in<br />
Ihrer Truppe oder in der Zivilgesellschaft?<br />
Unsere Streitkräfte sind ein Teil der<br />
Gesellschaft, die als Ganzes Bedrohungslagen<br />
bewältigen muss. Wir werden auch<br />
langfristig mit Spannungen und Gefahren<br />
konfrontiert sein.<br />
Geht es Ihnen dabei vor allem<br />
um das Bewusstsein?<br />
Sicher auch. Und hier nehme ich schon<br />
erhebliche Veränderungen wahr. Ich erlebe<br />
zum Beispiel bei Bürger-Dialogen eine<br />
neue Form der Auseinandersetzung mit<br />
verteidigungspolitischen Themen. Und<br />
ich bin überzeugt, dass diese Diskussionen<br />
in der Gesellschaft gerade wichtig<br />
sind.<br />
Aber wie steht es um die ganz konkrete<br />
Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr?<br />
Sie ist gewährleistet.<br />
Wie lange? Uns würde doch schon nach<br />
zwei Tagen die Munition ausgehen!<br />
Nein, nach zwei Tagen würde uns die<br />
Munition nicht ausgehen. Trotzdem muss<br />
sich unsere Verteidigungsfähigkeit weiter<br />
verbessern. Das steht für mich außer<br />
Frage – und das umzusetzen, ist mein Antrieb.<br />
Aber alle Soldatinnen und Soldaten<br />
sind bereit, ihr Land mit den Mitteln zu<br />
verteidigen, die sie aktuell haben. Können<br />
wir Deutschland verteidigen – ja. Müssen<br />
wir es besser können – ebenso ein ja.<br />
Die Mittel dazu werden allerdings<br />
eher weniger, weil die Unterstützung<br />
der Ukraine dauernd neue Lücken<br />
in unsere Bestände reißt, oder?<br />
Wir bewerten sehr genau, was wir der<br />
Ukraine geben können. Dabei prüfen wir<br />
natürlich nicht nur die eigenen Bestände,<br />
sondern auch die Möglichkeiten der<br />
Industrie und von Partner-Nationen. Wir<br />
dürfen nicht mehr nur national denken.<br />
Nato und EU bieten eine Plattform zur<br />
Abstimmung und Steuerung. Alleingänge<br />
bringen nur wenig.<br />
Steht Deutschland militärisch<br />
nicht aktuell schlechter da als zu<br />
Beginn des Ukrainekriegs?<br />
Diese Frage lässt sich nicht mit einem<br />
einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten,<br />
weil zu viele Faktoren eine Rolle<br />
spielen. Vor zwei Jahren haben wir uns<br />
etwa über Drohnen und die Ausbildung<br />
daran wenig Gedanken gemacht. Heute<br />
ist das für uns ein sehr wichtiges Thema.<br />
Hier sind wir also dabei, uns auf der<br />
Grundlage der Lehren aus dem Krieg<br />
Russlands gegen die Ukraine deutlich<br />
zu verbessern.<br />
Hinter den USA ist Deutschland der zweitgrößte<br />
Waffenlieferant für die Ukraine.<br />
Würden Sie sich mehr Unterstützung von<br />
unseren europäischen Nachbarn wünschen?<br />
Wir sind mit unseren Partnern…<br />
… „im stetigen Austausch“, wie es<br />
dann immer diplomatisch heißt.<br />
Aber verhalten sich da alle fair?<br />
Wenn wir in Vorleistung gehen, bekommen<br />
wir von unseren Partnern an anderer<br />
Stelle Unterstützung. Zum Beispiel<br />
im Bereich Ausbildung. Wir kooperieren<br />
eng auf vielen Gebieten. Entscheidend<br />
ist, dass die Unterstützer der Ukraine<br />
gemeinsam agieren. Gerade das ist<br />
das starke Zeichen gegenüber Putin. Und<br />
gerade das hilft der Ukraine.<br />
Zuletzt haben Sie ein drittes<br />
Patriot-System an die Ukraine geliefert.<br />
Was ist überhaupt noch hier?<br />
Genug. Und auch in diesem Bereich<br />
können wir uns auf die Unterstützung<br />
unserer Nato-Partner verlassen.<br />
Wann wird das nächste Patriot-<br />
System in die Ukraine gehen?<br />
Die Gegebenheiten bei uns und die<br />
Lage in der Ukraine ändern sich fortwährend.<br />
Wir müssen immer wieder ad<br />
hoc bewerten, was nötig und möglich<br />
ist. Mit dem dritten System konnten wir<br />
unterstützen, weil ein System schneller<br />
als ursprünglich geplant aus der Instandsetzung<br />
zurückkam.<br />
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