POLITIK Oberster Soldat Als 17. Generalinspekteur befehligt Carsten <strong>Breuer</strong> über <strong>18</strong>0 000 Kräfte der Bundeswehr 40
BUNDESWEHR „Panzer stehen nicht im Regal herum“ Als Generalinspekteur der Bundeswehr will und soll Carsten <strong>Breuer</strong> seine Truppe kriegstauglich machen – und die gesamte Gesellschaft gleich mit TEXT VON FRANZISKA REICH UND THOMAS TUMA FOTOS VON NIKITA TERYOSHIN S ein letzter Gegner war mikroskopisch klein: Im November 2021 wurde der Spitzen-Offizier Carsten <strong>Breuer</strong> zum Leiter des Corona-Krisenstabs im Kanzleramt ernannt. Dann machte die virale Bedrohung einer militärischen Platz: Putins Überfall auf die Ukraine. Und <strong>Breuer</strong> rückte noch eins auf. Seit gut einem Jahr ist der 59-Jährige jetzt als Generalinspekteur der Bundeswehr für den kompletten Um- und Ausbau der Truppe zuständig. Zeit für einen Ausblick auf das, was noch droht. Herr <strong>Breuer</strong>, Sie sind der oberste Soldat der Bundeswehr – und Diplom-Pädagoge. Was davon hilft im täglichen Dienst? Es kommt mir gar nicht so sehr auf den konkreten Studiengang an, sondern auf die generelle akademische Analysefähigkeit. Wir brauchen in der Bundeswehr die Fähigkeit zum analytischen Denken, mehr denn je. Und dazu hilft mir das Studium in der Tat. Wenn Deutschland eine Schulklasse wäre – was würden Sie ihr beibringen? Ich würde in Anbetracht der zunehmenden Bedrohungen vor allem die Aufmerksamkeit für das eminent wichtige Thema „Kriegstüchtigkeit“ schärfen ... … die auch Verteidigungsminister Boris Pistorius nun dauernd predigt. Aber was genau bedeutet das? Zunächst müssen unsere Streitkräfte kriegstüchtig werden, aber die Forderung geht weit darüber hinaus. Ich spreche von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Wir alle müssen „wehrhaft“ werden, denn das erst schafft die notwendige gesellschaftliche Resilienz. Um was zu tun? Einem Angriff von außen jederzeit etwas entgegensetzen zu können. Abschrecken zu können. Braucht die Bundeswehr dafür Nachhilfe? Nachhilfe klingt so, als hätten wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht. <strong>FOCUS</strong> <strong>18</strong>/<strong>2024</strong> Die machen wir aber längst angesichts einer völlig veränderten Bedrohungslage durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Putins Aggression hat alle Streitkräfte Europas vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Wo muss die Resilienz optimiert werden: in Ihrer Truppe oder in der Zivilgesellschaft? Unsere Streitkräfte sind ein Teil der Gesellschaft, die als Ganzes Bedrohungslagen bewältigen muss. Wir werden auch langfristig mit Spannungen und Gefahren konfrontiert sein. Geht es Ihnen dabei vor allem um das Bewusstsein? Sicher auch. Und hier nehme ich schon erhebliche Veränderungen wahr. Ich erlebe zum Beispiel bei Bürger-Dialogen eine neue Form der Auseinandersetzung mit verteidigungspolitischen Themen. Und ich bin überzeugt, dass diese Diskussionen in der Gesellschaft gerade wichtig sind. Aber wie steht es um die ganz konkrete Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr? Sie ist gewährleistet. Wie lange? Uns würde doch schon nach zwei Tagen die Munition ausgehen! Nein, nach zwei Tagen würde uns die Munition nicht ausgehen. Trotzdem muss sich unsere Verteidigungsfähigkeit weiter verbessern. Das steht für mich außer Frage – und das umzusetzen, ist mein Antrieb. Aber alle Soldatinnen und Soldaten sind bereit, ihr Land mit den Mitteln zu verteidigen, die sie aktuell haben. Können wir Deutschland verteidigen – ja. Müssen wir es besser können – ebenso ein ja. Die Mittel dazu werden allerdings eher weniger, weil die Unterstützung der Ukraine dauernd neue Lücken in unsere Bestände reißt, oder? Wir bewerten sehr genau, was wir der Ukraine geben können. Dabei prüfen wir natürlich nicht nur die eigenen Bestände, sondern auch die Möglichkeiten der Industrie und von Partner-Nationen. Wir dürfen nicht mehr nur national denken. Nato und EU bieten eine Plattform zur Abstimmung und Steuerung. Alleingänge bringen nur wenig. Steht Deutschland militärisch nicht aktuell schlechter da als zu Beginn des Ukrainekriegs? Diese Frage lässt sich nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten, weil zu viele Faktoren eine Rolle spielen. Vor zwei Jahren haben wir uns etwa über Drohnen und die Ausbildung daran wenig Gedanken gemacht. Heute ist das für uns ein sehr wichtiges Thema. Hier sind wir also dabei, uns auf der Grundlage der Lehren aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine deutlich zu verbessern. Hinter den USA ist Deutschland der zweitgrößte Waffenlieferant für die Ukraine. Würden Sie sich mehr Unterstützung von unseren europäischen Nachbarn wünschen? Wir sind mit unseren Partnern… … „im stetigen Austausch“, wie es dann immer diplomatisch heißt. Aber verhalten sich da alle fair? Wenn wir in Vorleistung gehen, bekommen wir von unseren Partnern an anderer Stelle Unterstützung. Zum Beispiel im Bereich Ausbildung. Wir kooperieren eng auf vielen Gebieten. Entscheidend ist, dass die Unterstützer der Ukraine gemeinsam agieren. Gerade das ist das starke Zeichen gegenüber Putin. Und gerade das hilft der Ukraine. Zuletzt haben Sie ein drittes Patriot-System an die Ukraine geliefert. Was ist überhaupt noch hier? Genug. Und auch in diesem Bereich können wir uns auf die Unterstützung unserer Nato-Partner verlassen. Wann wird das nächste Patriot- System in die Ukraine gehen? Die Gegebenheiten bei uns und die Lage in der Ukraine ändern sich fortwährend. Wir müssen immer wieder ad hoc bewerten, was nötig und möglich ist. Mit dem dritten System konnten wir unterstützen, weil ein System schneller als ursprünglich geplant aus der Instandsetzung zurückkam. 41