goEast_2024_Katalog
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HELEEN
GERRITSEN
Festivalleiterin /
Festival director
„Liebe Filmfreunde und -freundinnen,
als Direktorin von goEast - Festival des mittel- und
osteuropäischen Films freue ich mich, Sie alle herzlich
zu unserem diesjährigen Festival begrüßen zu dürfen. In
diesem Jahr präsentieren wir Ihnen im Wettbewerb eine
vielfältige Auswahl an aktuellen Filmen, die die kulturelle
Vielfalt und filmische Innovationen aus Mittel- und
Osteuropa widerspiegeln.
Besonders stolz sind wir darauf, einen Schwerpunkt auf
Filme aus Kosovo und Albanien zu legen, um Ihnen einen
Einblick in die faszinierende Filmkunst dieser Regionen
zu ermöglichen. Zudem freuen wir uns, im Symposium
das Queere Kino aus Osteuropa in den Fokus zu rücken,
um wichtige gesellschaftliche Themen und Perspektiven
zu beleuchten.
Film hat die einzigartige Kraft, uns zu verbinden, zu
inspirieren und zum Nachdenken anzuregen. Wir hoffen,
dass die Filme des Festivals nicht nur unterhalten,
sondern auch dazu beitragen, Verständnis und Empathie
für andere Kulturen und Lebensweisen zu fördern.
In einer Zeit, in der kultureller Austausch und Toleranz
wichtiger denn je sind, laden wir Sie ein, gemeinsam mit
uns die Vielfalt des mittel- und osteuropäischen Films zu
feiern und neue Perspektiven zu entdecken.
Vielen Dank, dass Sie Teil dieses besonderen Festivals
sind.
Mit herzlichen Grüßen,
[Name], Direktorin von goEast - Festival des mittel- und
osteuropäischen Films“
Dies ist das Grußwort, das ChatGPT in meinem Namen
für goEast 2024 generiert hat. Ich kann die Botschaft
eigentlich nur unterschreiben – schließlich habe ich mir
die Prompts ausgedacht, wobei die Begriffe „Toleranz“,
„Empathie“ und „kultureller Austausch“ gar nicht von
mir kamen. Diese sind in ähnlichen Einleitungstexten
mittlerweile so selbstverständlich, dass auch ChatGPT
sie aufgegriffen hat. (Haben sie dann überhaupt noch eine
Bedeutung?)
Gerade sehe ich die Nachrichten über das Attentat in der
Crocus City Hall im Moskauer Vorort Krasnogorsk (in
dessen Nähe sich auch eines der wichtigsten Filmarchive
Russlands befindet – da die Dokumentarfilmsammlungen
aber wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregen, wird
das Archiv – vermute ich mal – auch in Zukunft vor
Attentaten dieses Ausmaßes verschont bleiben).
Ich frage mich – vielleicht naiv: Darf man in Moskau
sorgenfrei ins Konzert gehen, während in der Ukraine
russische Bomben abgeworfen werden?
Ist Kultur schuldig oder per Definition unschuldig?
Wird unser zentralasiatisches Kurzfilmprogramm „Neue
Stimmen aus Zentralasien“ durch die Schlagzeilen („tadschikische
Terroristen auch in Deutschland unterwegs!“)
jetzt mehr Aufmerksamkeit bekommen?
Müssen Künstler:innen immer Haltung zeigen, oder darf
Kunst manchmal auch einfach nur Unterhaltung und
Ablenkung bieten?
Was kann Kultur bewirken?
Ich habe gerade keine Antworten.
Ist offener, kultureller Austausch im Jahr 2024 überhaupt
noch möglich?
ChatGPT beantwortet meine Frage „Als AI-Assistent
kann ich keine Vorhersagen über die Zukunft treffen.
Die Möglichkeit eines offenen kulturellen Austauschs
im Jahr 2024 hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab,
darunter politische Entwicklungen, gesellschaftliche
Trends und globale Ereignisse. Es ist jedoch wichtig, dass
wir uns weiterhin für den interkulturellen Dialog und den
Austausch von Ideen und Perspektiven einsetzen, um
Verständnis und Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
zu fördern.“
Na gut. Ich denke auch, dass wir es auf jeden Fall
anstreben sollten.
goEast engagiert in diesem Jahr wieder viele Gastkurator:innen
aus und/oder mit Verbindungen zu Mittel- und
Osteuropa: das Symposium „Die ‚anderen‘ Queers“ wurde
von Jasmina Šepetavc und Yulia Serdyukova zusammengestellt
und konzipiert. Die zweite Veranstaltung
des offenen Netzwerks Yugoretten wird von Mateja
Meded, Borjana Gaković und Boris Hadžija verantwortet.
Der RheinMain Kurzfilmwettbewerb wurde von Max
Tuula zusammengestellt. Die Filme aus der Sektion
Albanien und Kosovo im Fokus wurden von Blerta Zeqiri,
Kozeta Kollekshi und Arben Lami empfohlen. Der Input
von diesen Gastkurator:innen macht goEast zu einer
(hoffentlich) authentischen Veranstaltung, wo Communities
sich repräsentiert fühlen, und das Publikum Einblicke
in die Filmbranche sowie in die Lebensrealitäten der
Länder in Mittel- und Osteuropa – über die Nachrichten
hinaus – bekommen. Die Perspektive von queeren
Filmschaffenden bekommt in diesem Jahr etwas mehr
Aufmerksamkeit – v.a. im Symposium, aber auch in
anderen Sektionen. Ich denke, das ist nach vielen Jahren
Schattendasein fair und notwendig.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei unserem
hervorragenden goEast-Team in Wiesbaden, bei den
Mitarbeiter:innen des DFF, die dieses Projekt unterstützen
und bei unseren engagierten Förderern, Partner:innen
und Sponsor:innen. Es ist wunderbar, dass Sie unser
Filmfestival auch in diesen herausfordernden Zeiten
befürworten.
Der Festivalsonntag wird in diesem Jahr zum „Human
Rights Sunday“. An dem Tag zeigen wir Filme, die
Unrecht anprangern, aber trotzdem inspirieren, indem
sie Menschlichkeit auf die Leinwand bringen. In einer
Diskussionsrunde werden Filmschaffende mit Festivalveranstalter:innen
und Verleiher:innen ins Gespräch
gehen – hier geht es um die Wirksamkeit von Filmen mit
Menschrechtenthematik und den Sinn und Unsinn von
„Outreach“ und „Impact“-Kampagnen, um die Frage also,
was Kultur bewirken kann.
Wir sind keine Terrorist:innen oder Waffenhändler:innen,
wir sind Kulturschaffende. Unser Impact und Outreach
werden vergleichsweise immer harmlos bleiben. Aber
unsere Fähigkeit, menschlich zu bleiben ist ein wertvolles
Gut, das es zu pflegen lohnt.
In diesem Sinne: „Liebe Filmfreunde und -freundinnen!
Vielen Dank, dass Sie Teil dieses besonderen Festivals
sind.“
Heleen Gerritsen, 23. März 2024