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14476 Golm_01

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SCHWEIZER IN GOLM

AUSGABE 01 | APRIL 2024 · ORTSTEILZEITUNG · 14476 Golm

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mal) außer Betrieb und von einem noch

leistungsstärkeren Pfahlschöpfwerk mit

Unterwasserpumpen abgelöst. Seit 1991

betreut der neugegründete Wasser- und

Bodenverband Nauen auch den ca. 670

ha großen Golmer Bruch bezüglich Entwässerung.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts sollte

ausschließlich mit Meliorationsmethoden

die landwirtschaftliche Nutzung

des Golmer Bruch erreicht werden. Dies

änderte sich als zu Beginn des 1. Weltkrieges

Bodenverbesserungsmethoden

als geeignet propagandiert wurden, um

die Eigenversorgung der Bevölkerung mit

Lebensmitteln (Autarkie) anzustreben

und sicherzustellen. In diese Pläne wurde

auch der Golmer Bruch einbezogen. Es

wurde 1915 vom Königlichen Meliorationsamt

Potsdam ein überschlägiger

Entwässerungs- und Meliorationsplan

für das Gesamtgebiet von rund 950 ha

mit 445.000 M Gesamtkosten aufgestellt.

Dieser zieht eine Zuschüttung der Wasserlöcher

im Golmer Bruch in Betracht,

weil wegen ihrer Umfänglichkeit die landwirtschaftlich

nutzbare Fläche sonst nur

70 % betragen würde. Die Zuschüttung

wird aber nur dann anzuraten sein, wenn

die Füllmasse kostenlos zur Verfügung

gestellt und eingebracht wird, so daß dem

Eigenthümer nur noch die Kosten für

Zurichtung der Oberfläche verbleiben.

Als geeignete Füllmasse erscheint der

Müll, wie er in Berlin und Umgebung

in großen Mengen anfällt und die betreffenden

Gemeinden froh sind, wenn sie

ihn auf möglichst billige Art und Weise

in der Nähe unterbringen können; nicht

zu vergessen ist hierbei, daß der Müll

gegenüber allen anderen Abfallstoffen

(Sand, Schlacke) den Vorzug eines nicht

unwesentlichen Nährstoffgehaltes hat.

Der durch diese Maßnahmen erreichte

Zuwachs an landwirtschaftlich nutzbarer

Fläche wird von 255 ha auf 337 h

ansteigen. Durch Herstellung der neuen

großen Ackerflächen in der Nähe von

Einhaus und Nattwerder werden die

Vorbereitungen zur Begründung weiterer

Ansiedlungen im Golmer Bruch

geschaffen. Damit ist die Trockenlegung

von sumpfigen Flächen (Niedermooren

usw.) mit Hausmüll für ihre verbesserte

landwirtschaftliche Nutzung geboren!

In einem zweiten Schritt ist 1930

speziell für den Golmer Bruch ein Müllspülverfahren

von der Firma Beton- und

Tiefbau Mast, Berlin, »praxisreif« entwickelt

worden. Sie gründete mit der

Berliner Müllabfuhr-A.G. (BEMAG) die

Firma »Müllkultivierung GmbH«. Diese

Gesellschaft fuhr seit 1934 fast die Hälfte

des Berliner Mülls (600 – 1000 t täglich!)

mit Lastkähnen in den Golmer Bruch und

errichtete 1936 in der Berlin-Charlottenburger

Helmholzstraße an der Spree

eine hochmoderne und allen Belangen

der städtischen Hygiene entsprechende

Müllverladehalle, in der der Müll aus

Pferdewagen auf Lastkähne umgeladen

wurde.

Der technischen Perfektionierung

beim Herausschaffen des Mülls aus der

Großstadt stand aber ein gewissenloser

Umgang mit der Landschaft gegenüber,

in die er verbracht wurde. Im Bruch angekommen,

wurde nämlich der Müll in den

Lastkähnen mit Wasser vermengt, sodass

eine dicke Müllbrühe entstand. Mittels

einer Pumpe wurde diese Brühe dann

unter hohem Druck mehrere hundert

Meter weit kreisförmig in die Landschaft

versprüht. Dort sollte sie sich absetzen

und den Boden nach und nach erhöhen.

Wie Abb. 4 zeigt, sollte so das ganze

Golmer Bruch übermüllt werden. Es war

ein schon auf den ersten Blick sehr widerwärtiges

Verfahren, besonders für die

Arbeiter, die den Müllbrei auf verwertbares

Altmaterial hin absuchen mussten.

Freiwillig fand sich dafür niemand und

so verpflichtete die BEMAG Strafgefangene.

Diese Art der »Müllspülung« setzte

die Müllkultivierung GmbH bis 1945 fort.

Direkt nach Kriegsende ordnete der Alliierte

Kontrollrat die Fortsetzung der

Müllspülung im Golmer Bruch an. Während

der Berliner-Blockade wurde sie

endlich eingestellt. Im Ergebnis war der

Golmer Bruch, das jahrhundertelang allen

Entwässerungsversuchen widerstanden

hatte, trockengelegt und kontaminiert.

Schilder warnen heute noch, Pilze auf

diesem Gebiet zu sammeln.

Wir haben heute ein anderes Verständnis

gegenüber Feuchtgebieten. Sie werden

zum Teil sogar renaturiert, nicht nur

wegen der seltenen Flora und Fauna, sondern

auch langfristig als CO2-Speicher.

(Anmerkung: Bei den kursiv geschriebenen

Textstellen handelt es sich um Zitierungen aus

Akten.)

Dr. mult. Dietmar Bleyl ///

Nattwerder

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