Leseprobe_Ein Elefant in der Kommune
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Eike Rathgeber<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>Elefant</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kommune</strong><br />
und an<strong>der</strong>e Texte zur Kunst und Tafelkultur
<strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>Elefant</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kommune</strong>
Eike Rathgeber<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>Elefant</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kommune</strong><br />
und an<strong>der</strong>e Texte zur Kunst und Tafelkultur
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von<br />
Eike Rathgeber: <strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>Elefant</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kommune</strong><br />
und an<strong>der</strong>e Texte zur Kunst und Tafelkultur<br />
Hollitzer Verlag, Wien 2024<br />
Abbildung auf dem Cover:<br />
<strong>Elefant</strong> (Reims um 830),<br />
Illum<strong>in</strong>ation aus dem Physiologus Bernensis (Burgerbibliothek Bern)<br />
Umschlag und Satz: Nikola Stevanović<br />
Gedruckt und gebunden <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />
www.hollitzer.at<br />
ISBN 978-3-99094-192-8
Inhalt<br />
Vorwort 7<br />
Vom Schmausen und Kl<strong>in</strong>gen<br />
Couper<strong>in</strong> im Dienst<br />
und wie es sich mit <strong>der</strong> Musik bei Tisch verhält 9<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> Salzfass für François<br />
Cell<strong>in</strong>i zum 450. Todestag 19<br />
Dichterfeste <strong>in</strong> al-Andalus<br />
We<strong>in</strong> und Poesie 31<br />
Zwischen Himmel und Erde<br />
Santon<strong>in</strong>o, Tizian und die Hypnerotomachia Poliphili 43<br />
Burgundische Mission<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> Treffen im Namen des Fasans 55<br />
Feste feiern<br />
Gefährliche Liebschaften 67<br />
Wiener Kongress<br />
Von <strong>der</strong> Politik 79<br />
Vom Geschmack 85<br />
Ke<strong>in</strong>e Chansons für den Kriegsbericht<br />
Guillaume de Machaut und das Krakauer Königstreffen 97<br />
Tafeln für die Geistlichkeit<br />
He<strong>in</strong>rich Ignaz Franz Biber 111<br />
Speisen im barocken Salzburg 118<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>Elefant</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kommune</strong><br />
Harun al-Rashid sendet Karl dem Großen e<strong>in</strong> Geschenk 125<br />
Karl <strong>der</strong> Große. De gustibus 134<br />
Rezeptregister 145<br />
Anmerkungen 149<br />
Literaturnachweis 167<br />
Bildnachweis 177
Vorwort<br />
Die verschiedenen Protagonisten dieses Buches – Künstler, Kunstwerke<br />
und sogar e<strong>in</strong> <strong>Elefant</strong> – hatten ihren allerersten Auftritt im Spectrum,<br />
<strong>der</strong> literarischen Wochenendbeilage <strong>der</strong> österreichischen Tageszeitung<br />
Die Presse, und bilden nun vere<strong>in</strong>t <strong>in</strong> diesem Band den Ausgangspunkt<br />
für e<strong>in</strong> Ensemble kunsthistorischer Betrachtungen über ganz verschiedene<br />
Zeiten und Län<strong>der</strong>. Was sie alle mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verb<strong>in</strong>det, ist die<br />
heraus ragende Stellung, die sie <strong>in</strong> ihrer jeweiligen Epoche nicht nur für<br />
die Entwicklung e<strong>in</strong>es ästhetischen Stils und <strong>der</strong> dazugehörigen Politik,<br />
son<strong>der</strong>n darüber h<strong>in</strong>aus auch für das Gedächtnis ganzer Regionen<br />
e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong>nehatten. Und weil sie selbst so wun<strong>der</strong>bare und prächtige<br />
Vorkommnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte darstellen, sollten sie auch wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e lebendige Umgebung zurückkehren, zu <strong>der</strong>en Repräsentant sie<br />
e<strong>in</strong>mal geworden s<strong>in</strong>d. Die Beschäftigung mit allen diesen Artefakten<br />
und ihren Schöpfern war dabei höchst vergnüglich und bereichernd,<br />
erfor<strong>der</strong>te aber mitunter auch e<strong>in</strong>iges an labyr<strong>in</strong>thischer Quellenkunde,<br />
um ihre Lebensumstände und die Art und Weise, wie sie ihre Zeit<br />
verbrachten, wie<strong>der</strong> zu entdecken.<br />
Die Künstler und ihre Werke, aber auch <strong>der</strong> langmütige <strong>Elefant</strong><br />
Abul-Abbaz o<strong>der</strong> die andalusische Dichter<strong>in</strong> Hamda b<strong>in</strong>t Ziyâd<br />
al-Mu’addib kamen dadurch noch e<strong>in</strong>mal vor den Vorhang und bilden<br />
nun gewissermaßen den Brennpunkt e<strong>in</strong>er ganzen Epoche. Ihre Geschichte<br />
führt uns zu den Menschen ihrer Zeit. Denn sie waren es, die<br />
als kostbarstes Gut den diplomatischen Austausch bestimmten und ihre<br />
Herrscher bis heute zuweilen sogar noch überstrahlen. In ihrem Schatten<br />
beg<strong>in</strong>nt das Leben ihrer Umgebung nun wie<strong>der</strong> Gestalt anzunehmen:<br />
Personen, die mit ihnen gelebt, sich an ihnen verausgabt und für<br />
7
Eike Rathgeber<br />
sie gekämpft haben; Gegenstände, die ihnen wichtig waren; Häuser, <strong>in</strong><br />
denen sie gewohnt, und Speisen, die sie gern gegessen haben.<br />
Denn wer würde sich noch an den Kreuzfahrer Pierre de Lusignan<br />
er<strong>in</strong>nern, hätte nicht Machaut ihn mitsamt <strong>der</strong> reich gedeckten Tafel <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Prager Burg besungen? Wenn Wolfram von <strong>der</strong> schönen König<strong>in</strong><br />
Belakane aus dem Maurenlande schwärmt, denkt er wohl auch an die<br />
Freund<strong>in</strong> unserer andalusischen Dichter<strong>in</strong>. Und François Couper<strong>in</strong>,<br />
<strong>der</strong> Große, wie man ihn nannte, komponierte zwar für den Sonnenkönig,<br />
jedoch nie für se<strong>in</strong>e Tafel, obwohl er gleich nach Beendigung<br />
<strong>der</strong> Messe zum Dîner eilte. Beethoven wie<strong>der</strong>um erwies sich als<br />
erstaunlich gefällig, wenn es beim Wiener Kongress um den Dienst<br />
bei Hofe g<strong>in</strong>g, konnte als Koch jedoch ganz und gar nicht reüssieren,<br />
Fidelio freilich hören wir heute noch. Der Wiener Kongress 1814/1815<br />
schlussendlich gelang auch nur durch e<strong>in</strong>e langwierige Abfolge von<br />
gegenseitigen Geschenken und Festen, die möglicherweise – aber darüber<br />
s<strong>in</strong>d sich die Quellen nicht e<strong>in</strong>ig – Talleyrands Leibkoch Carême<br />
mitbestimmt hat.<br />
Kriege s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> all diesen Erzählungen ständig gegenwärtig und<br />
sie s<strong>in</strong>d oftmals auch Thema <strong>der</strong> Kunst. Zumeist aber war <strong>der</strong> Erwerb<br />
e<strong>in</strong>es Artefakts die bessere Waffe, und das Geschehen wurde später mit<br />
Farben, Tönen und Worten gebannt. Das Ende des Streits wird dann<br />
allerd<strong>in</strong>gs bei Tisch gefeiert. Ke<strong>in</strong> Frieden ohne Bankett, so lautet das<br />
eherne Gesetz, und ke<strong>in</strong> Bankett ohne die Kunst, auch nicht ohne die<br />
Kunst <strong>der</strong> Speisenzubereitung. Und wie das Essen damals ausgesehen<br />
haben mag, woher die Zutaten kamen und wer sie zubereitete, war<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Ausgangspunkt me<strong>in</strong>er Betrachtungen, weshalb auch und<br />
eigentlich ganz zentral über das Essen nachgedacht wird. Die kul<strong>in</strong>arischen<br />
Vorlieben <strong>der</strong> jeweiligen Epoche rücken deshalb bunt und<br />
lautstark <strong>in</strong>s Zentrum <strong>der</strong> Texte, und die Rezepte aus <strong>der</strong> Zeit s<strong>in</strong>d<br />
allesamt fern genug, dass man ihren weiten Weg erkennt, aber für alle,<br />
die gern kochen, s<strong>in</strong>d sie ohne Hürden zuzubereiten.<br />
8
Vom Schmausen und Kl<strong>in</strong>gen<br />
Vom Schmausen und Kl<strong>in</strong>gen<br />
Couper<strong>in</strong> im Dienst<br />
und wie es sich mit <strong>der</strong> Musik bei Tisch verhält<br />
Mit überzeugen<strong>der</strong> Diesseitigkeit und vielleicht e<strong>in</strong>em Stoßseufzer <strong>der</strong><br />
Erleichterung notierte <strong>der</strong> französische Komponist François Couper<strong>in</strong><br />
1690 – damals gerade 21 Jahre alt und entsprechend hungrig – am Ende<br />
se<strong>in</strong>es Manuskripts <strong>der</strong> großen Orgelmesse, dass diese nun beendet sei<br />
und daher Zeit fürs Speisen wäre („La Messe est dîtte – allons dîner!“). 1<br />
Wir wünschen ihm, dass er rasch zu se<strong>in</strong>em Tisch gefunden hat, <strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> den Pariser Gasthäusern vielleicht noch nicht mit Tüchern gedeckt<br />
war, aber dafür e<strong>in</strong>en großen kupfernen Topf dampfenden Ragouts<br />
bereithielt, neben Fischen, Wildpasteten und gebackenen Quitten,<br />
die alle gerne mochten. Und es wird laut gewesen se<strong>in</strong>, Scherben am<br />
Boden, Krüge im Umlauf, vielleicht sogar hatte <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
e<strong>in</strong> Instrument dabei und gesungen, aber Couper<strong>in</strong> war – so viel ist<br />
gewiss – <strong>in</strong> <strong>der</strong> glücklichen Lage, noch ke<strong>in</strong> Radio im H<strong>in</strong>tergrund<br />
zur Begleitung zu hören.<br />
Mit diesem, se<strong>in</strong>em geflügelten <strong>E<strong>in</strong></strong>trag jedoch fügte Couper<strong>in</strong> le<br />
Grand, wie man ihn später nennen würde, um die unzähligen Mitglie<strong>der</strong><br />
se<strong>in</strong>er musikalischen Familie besser ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zuhalten, Sphären<br />
zusammen, die wir viel lieber trennen würden – nämlich das Hochgeistige<br />
und das Profane, Beten und Essen, Seele und Leib. Obwohl<br />
er doch nur den allseits bekannten festlichen Tagesablauf schil<strong>der</strong>te,<br />
<strong>der</strong>, egal ob es um e<strong>in</strong> zeremonielles Te Deum mit darauffolgendem<br />
Bankett, o<strong>der</strong> um den Besuch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landkirche vor dem begehrten<br />
Sonntagsbraten g<strong>in</strong>g, den Höhepunkt <strong>der</strong> Woche <strong>in</strong> unseren Breiten<br />
9
Eike Rathgeber<br />
François Couper<strong>in</strong> (1735), Kupferstich von<br />
Jean Jacques Flipart, nach André Bouys<br />
bildet. Also s<strong>in</strong>d es vielleicht gar nicht die verschiedenen Ebenen, die<br />
uns daran so sehr irritieren, als vielmehr die Frage, wie und unter welchen<br />
Umständen sie denn angemessen zusammenf<strong>in</strong>den könnten, die<br />
Musik und das Essen?<br />
Dabei übernimmt die Tonkunst e<strong>in</strong>e durchaus dubiose Rolle, sie<br />
passt sich be<strong>in</strong>ahe allem an und spielt den Mittler, wo immer man sie<br />
benötigt. Zum Lobe Gottes erkl<strong>in</strong>gt sie, weil sie unsere geistlichen<br />
Anliegen noch schöner vorzubr<strong>in</strong>gen vermag, aber ebenso begleitet<br />
sie den Kanonendonner und trommelt die armen Soldaten <strong>in</strong> Trance.<br />
Nie darf sie beim Tanz fehlen, wenn die Menschen Glück und Freude<br />
teilen, und sie tröstet die Leidenden beim Trauerzug, als ob es ihr<br />
<strong>in</strong>nerstes Begehr wäre. Bei allen Ritualen umgeben uns Klänge. Und<br />
die Musik – so möchte man kurzschließen – baut auf diesen Konventionen<br />
recht eigentlich erst auf. Je nach <strong>E<strong>in</strong></strong>fallskraft ihrer Schöpfer<br />
begleitet sie <strong>in</strong> gewohnter o<strong>der</strong> manchmal auch überraschen<strong>der</strong> Weise<br />
10
Vom Schmausen und Kl<strong>in</strong>gen<br />
unseren gesamten Tages- und Lebensablauf, und was für e<strong>in</strong> erschütterndes<br />
Ereignis, wenn sie wirklich fehlt – wie am Karfreitag. Sie ist<br />
e<strong>in</strong> bisschen zu gefällig, könnte man nun me<strong>in</strong>en, wo je<strong>der</strong> sie so gern<br />
um sich hat: Natürlich nicht nur zum <strong>E<strong>in</strong></strong>zug <strong>in</strong> den Speisesaal, o<strong>der</strong><br />
wenn später <strong>der</strong> Ball beg<strong>in</strong>nt, son<strong>der</strong>n gerade auch beim Festessen, wo<br />
sich die beiden Vergnügen aufs Fe<strong>in</strong>ste ergänzen. Schon Hera und ihr<br />
wankelmütiger Gatte Zeus konnten sich bestimmt nicht an Nektar<br />
und Ambrosia delektieren, ohne ihren Gästen himmlische Musik zu<br />
kredenzen. Es wirkt, egal ob Alltag o<strong>der</strong> Feiertag, als ob die Musik<br />
e<strong>in</strong>fach immer dazugehörte, wenn nicht die Geschichte mit <strong>der</strong> Kunst<br />
dazwischengekommen wäre.<br />
Schließlich gab es seit Beg<strong>in</strong>n unserer musikalischen Aufzeichnungen<br />
immer auch diese beson<strong>der</strong>en Kompositionen, die ihre Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
nicht nur besser als an<strong>der</strong>e erfüllten, son<strong>der</strong>n die auch ihren<br />
eigentlichen Zweck gleich noch e<strong>in</strong> bisschen überstrahlten. Mal durch<br />
ausgeklügelte F<strong>in</strong>essen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form, mal durch beson<strong>der</strong>en Wohlklang,<br />
wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e schafften dies durch ihre Instrumentation o<strong>der</strong><br />
durch bis dah<strong>in</strong> ungehörte Melodien – und schon rückte nicht mehr<br />
<strong>der</strong> Nutzen, son<strong>der</strong>n ihr Erf<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund. Wenn das Publikum<br />
nur noch auf die neuartige Klangkonstellation achtete anstatt<br />
auf die eigentliche Zeremonie – und das war natürlich auch schon bei<br />
<strong>der</strong> Messe Guillaume de Machauts <strong>der</strong> Fall – wo bleibt da die <strong>in</strong>nere<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>kehr, die Huldigung des Monarchen, <strong>der</strong> Kampfgeist <strong>der</strong> Truppe,<br />
die Freude <strong>der</strong> Tanzenden, das Leid <strong>der</strong> Trauernden? Wo bleibt <strong>der</strong><br />
eigentliche Zweck <strong>der</strong> Tonkunst? Allerd<strong>in</strong>gs strömten nun viel mehr<br />
Menschen <strong>in</strong> die Kirche o<strong>der</strong> wollten den <strong>E<strong>in</strong></strong>zug <strong>der</strong> Helden verfolgen,<br />
sodass sich die konkurrierenden Familien förmlich überboten mit<br />
ihren Darbietungen, sobald klar war, dass die kunstvolle Musik sich<br />
bestens zur Anhebung des eigenen Rufs verwenden ließ. Es verselbständigten<br />
sich solchermaßen die Deutungen im gleichen Maß wie die<br />
Gagen <strong>der</strong> Künstler und Richtungsstreits, die wahre Kunst betreffend,<br />
rissen gar nicht mehr ab. Die Leute jedenfalls wollten mehr von diesem<br />
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Eike Rathgeber<br />
Wun<strong>der</strong>werk hören, auch neben dem eigentlichen Zweck, o<strong>der</strong> ganz<br />
und gar ohne <strong>der</strong>en Anlass. <strong>E<strong>in</strong></strong>fach nur zum Vergnügen.<br />
Städtische und höfische Verwaltungen, selbst die knausrigsten Auftraggeber<br />
sahen sich gezwungen, wenn sie nicht zurückfallen wollten<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Gunst, zur Domkapelle, den Stadtpfeifern und <strong>der</strong><br />
Militärmusik, nun auch Fachleute für e<strong>in</strong>e eigene Kammermusik zu<br />
bestellen. Deren Aufgabe war es, für den (zivilen) Musikunterricht von<br />
Bürgerk<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Pr<strong>in</strong>zen wie Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nen zu sorgen und virtuose<br />
Konzerte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirche, wie <strong>in</strong> Lübeck, Leipzig o<strong>der</strong> Hamburg, o<strong>der</strong><br />
am Hof zu geben. Und natürlich sollten sie, wenn irgend möglich, dort<br />
auch weiterh<strong>in</strong> zur Tafel aufspielen. Für die Komponisten waren das<br />
herrliche Aufträge, es w<strong>in</strong>kten Anstellungen und gute Bezahlung (freilich<br />
nur, wenn die Kriegsaufwendungen nicht gerade wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> großes<br />
Loch <strong>in</strong>s Budget gerissen hatten), und dazu e<strong>in</strong> kennerhaftes Publikum,<br />
das zumeist sehr stolz auf die teuer erworbenen Künstler war. Manchmal<br />
gelang es dem e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Musiker sogar, selbst e<strong>in</strong>en Platz<br />
am Tisch zu err<strong>in</strong>gen, wie He<strong>in</strong>rich Ignaz Franz Biber, <strong>der</strong> am Ende<br />
se<strong>in</strong>er Laufbahn als Truchsess den elften Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rangfolge beim<br />
Salzburger Fürstbischof e<strong>in</strong>nahm, und mit e<strong>in</strong>igen se<strong>in</strong>er Werke, darunter<br />
die Sonatae tam aris quam aulis servientes, so kunstvolle Werke zum<br />
Speisen erdachte, dass die Köche vermutlich Schwierigkeiten hatten,<br />
dem auf kul<strong>in</strong>arischem Gebiet auch nur e<strong>in</strong>igermaßen zu entsprechen.<br />
Dass gleichzeitig auch <strong>der</strong> Handel mit den Drucken e<strong>in</strong>en regelrechten<br />
Boom <strong>in</strong> Sachen Tafelmusik auslöste und die Privilegien, die<br />
damals für e<strong>in</strong>e Veröffentlichung benötigt wurden, gern <strong>in</strong> den Anstellungsverträgen<br />
vermerkt wurden, erklärt die Fülle an Werkkompilationen,<br />
die seit <strong>der</strong> frühen Neuzeit lukrativ verwertet wurden. Man<br />
hat den <strong>E<strong>in</strong></strong>druck, dass damit e<strong>in</strong>e Benennung gefunden war für fast<br />
alle profanen Werke, die gerade en vogue waren. Was ließ sich nicht<br />
alles bei Tisch vorführen – von geselligen Lie<strong>der</strong>n über kunstvolle Ensemblemusik<br />
und große Orchesterkompositionen, bis h<strong>in</strong> zu virtuosen<br />
Konzerten und ganzen dramatischen Werken – sie alle konnten <strong>in</strong> ei-<br />
12
Vom Schmausen und Kl<strong>in</strong>gen<br />
nem Band zum Druck versammelt werden und fanden ihr Publikum.<br />
Ob als Musicall banquet von Dowland o<strong>der</strong> Sche<strong>in</strong>s Banchetto musicale, ob<br />
als musikalisches Tafel-Confekt o<strong>der</strong> Telemanns großformatige Musique<br />
de table, die den f<strong>in</strong>anzkräftigen europäischen Kennern zur Subscription<br />
angeboten wurde.<br />
Was gab es Schöneres, als gelungene Kompositionen für alle, die<br />
Instrumente zur Verfügung hatten, zu so e<strong>in</strong>em angenehmen Zweck<br />
zur Verfügung zu stellen? <strong>E<strong>in</strong></strong> wenig war dadurch <strong>der</strong> Flüchtigkeit<br />
des musikalischen <strong>E<strong>in</strong></strong>drucks <strong>E<strong>in</strong></strong>halt geboten, er konnte noch länger<br />
nachhallen. Die Werke wurden wie<strong>der</strong>holt gespielt, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
Käufer studierte die Noten und vergnügte sich beim Nachspielen<br />
mancher Komposition. Und <strong>der</strong> Genuss des Essens sowie die anstehenden<br />
Gespräche wurden durch die Präsenz <strong>der</strong> Musiker nicht nur um<br />
e<strong>in</strong> Vielfaches vermehrt, son<strong>der</strong>n merklich entspannt. Denn an<strong>der</strong>s als<br />
das Bild des gerühmten Malers o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gobel<strong>in</strong> an <strong>der</strong> Wand, an<strong>der</strong>s<br />
auch als die Gedicht- und Romanbände, die geduldig warten, bis man<br />
sich ihrer annimmt, verlangt <strong>der</strong> Klang direkte Aufmerksamkeit. Er<br />
verschw<strong>in</strong>det zugleich wie<strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>em Ersche<strong>in</strong>en, und e<strong>in</strong>e mitunter<br />
bedeutende Zahl an Interpreten muss erst gewonnen werden,<br />
damit er überhaupt zu hören ist. Se<strong>in</strong>e Nie<strong>der</strong>schrift ist ebenso wie<br />
die Rezeptur e<strong>in</strong>es Gerichts nur e<strong>in</strong>e Handlungsanweisung, <strong>der</strong>en<br />
Verwirklichung e<strong>in</strong>em Ungeübten kaum je, o<strong>der</strong> wenn, dann nur mit<br />
großer Mühe gel<strong>in</strong>gen kann; – doch während gespielt wird, s<strong>in</strong>d alle<br />
e<strong>in</strong>ig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufmerksamkeit.<br />
Das verb<strong>in</strong>det, wenn man so will, die Musik mit den Meisterwerken,<br />
die zum Verspeisen auf <strong>der</strong> Tafel landen, die nur <strong>in</strong> genau diesem<br />
Moment zu bewun<strong>der</strong>n, verkosten und genießen s<strong>in</strong>d, selbst wenn die<br />
Er<strong>in</strong>nerung daran noch viele Jahre anhalten mag. Und beim Bankett<br />
ist tatsächlich die Kochkunst e<strong>in</strong> wenig im Vorteil, zu ihrem Genuss<br />
hat man sich e<strong>in</strong>gefunden. Nicht so <strong>in</strong> <strong>der</strong> Oper, wo das Publikum<br />
damals mitunter sieben Stunden nicht genug bekommen konnte von<br />
den wun<strong>der</strong>baren musikalischen Darbietungen und nur deshalb e<strong>in</strong>ige<br />
13
Eike Rathgeber<br />
kul<strong>in</strong>arische Stärkungen <strong>in</strong> die Loge serviert bekam. Im Parterre wurden<br />
immerh<strong>in</strong> noch Erfrischungen gereicht, obwohl man dort mangels<br />
Sitzgelegenheiten ohneh<strong>in</strong> viel beweglicher war. Dass es auf <strong>der</strong> Bühne<br />
ebenfalls nicht nur um Liebe, Kampf und Ehre g<strong>in</strong>g, son<strong>der</strong>n die<br />
handelnden Figuren den dramatischen Knoten am festlich gedeckten<br />
Tisch fortsp<strong>in</strong>nen wollten, sieht man <strong>in</strong> vielen Werken – Ross<strong>in</strong>i aber,<br />
<strong>der</strong> musikalischste unter den Genießern, konnte se<strong>in</strong> Publikum auch<br />
noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> verworrensten Situation mit e<strong>in</strong>er solch geistvoll perlenden<br />
Musik beglücken, dass sich die Frage nach dem Champagner von<br />
vornhere<strong>in</strong> erübrigt.<br />
Wie sieht es aber nun <strong>in</strong> unserer Gegenwart aus mit <strong>der</strong> Musik und<br />
dem Essen? Was würde man zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> 18 kle<strong>in</strong>en futuristischen<br />
Gänge von Ferran Adrià und se<strong>in</strong>en Nachfolgern servieren, das den alchimistischen<br />
Meistern standhalten und gleichzeitig die dampfenden,<br />
gefrorenen, kubistischen Köstlichkeiten <strong>in</strong> ihrer Wirkung bestärken<br />
könnte? Wir würden uns scheuen, die D<strong>in</strong>ge gleichzeitig zu komb<strong>in</strong>ieren,<br />
daran besteht ke<strong>in</strong> Zweifel, aber ließen sie sich aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> folgend<br />
nicht doch sehr schön vere<strong>in</strong>en? Mit den vielen kunstvollen M<strong>in</strong>iaturen<br />
vielleicht, die uns das 20. Jahrhun<strong>der</strong>t zu se<strong>in</strong>em Beg<strong>in</strong>n h<strong>in</strong>terlassen<br />
hat, die an hermetischer Artifizialität den kle<strong>in</strong>en Konstrukten des<br />
katalanischen Erf<strong>in</strong><strong>der</strong>s <strong>der</strong> Molekularküche sehr nahekommen? O<strong>der</strong><br />
wäre musikalische Opulenz die spannen<strong>der</strong>e Antwort zur Askese auf<br />
dem Teller – weil eigentlich doch nur die ähnlich geartete Farbtiefe<br />
von beidem zählte?<br />
Viel e<strong>in</strong>facher lässt sich die Frage nach <strong>der</strong> musikalischen Begleitung<br />
von fröhlichen Familienessen beantworten: Auch die schönste<br />
selbstgebackene Pizza, das knusprigste Backhendl nimmt uns Unterhaltungsmusik<br />
nicht übel und wäre mit dem, was die Hausmusik<br />
zusammenbr<strong>in</strong>gt, völlig im <strong>E<strong>in</strong></strong>klang – ob Schubert allerd<strong>in</strong>gs gern<br />
daran teilnähme, wer vermag es zu sagen? Das bürgerliche 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
wollte von unserer Frage nichts mehr wissen, nachdem sich<br />
die Kunst ihre Unabhängigkeit so mühevoll erkämpft hatte.<br />
14
Vom Schmausen und Kl<strong>in</strong>gen<br />
Couper<strong>in</strong> jedenfalls übernahm sieben <strong>der</strong> acht zu se<strong>in</strong>er Wirkungszeit<br />
ausgeschriebenen Stellen am Hofe Ludwig XIV. nicht und wohnte<br />
weiterh<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>er Familie <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Wohnung nicht weit von<br />
St. Gervais. Zuständig für die Musik zur Tafel <strong>in</strong> Versailles war zu<br />
dieser Zeit se<strong>in</strong> Lehrer, Monsieur Michel-Richard Delalande, <strong>der</strong> die<br />
erste Sammlung se<strong>in</strong>er Symphonies pour les Soupers du Roy 1703 nie<strong>der</strong>schrieb.<br />
Couper<strong>in</strong>s prunkvolle Concerts Royaux waren deshalb auch nie<br />
für den Speisesaal gedacht, son<strong>der</strong>n für die sonntäglichen Kammerkonzerte<br />
<strong>der</strong> Jahre 1714 und 1715.<br />
15
Eike Rathgeber<br />
Rezepte<br />
Pa<strong>in</strong> de Jambon<br />
Sch<strong>in</strong>kenbrot<br />
Das Rezept entstammt den Aufzeichnungen auf Schloss Beauregard<br />
(Loire) und war für e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Nachtmahl bestimmt. 2<br />
Zutaten<br />
6 Eier, 250 g gehackter Sch<strong>in</strong>ken, 250 geriebener Gruyère<br />
Zubereitung<br />
Ofen auf 160°C vorheizen.<br />
Eier trennen, Dotter, Sch<strong>in</strong>ken und Käse gut zu e<strong>in</strong>er homogenen<br />
Masse vermischen, eventuell nachwürzen, fest aufgeschlagenes Eiweiß<br />
darunterheben. <strong>E<strong>in</strong></strong>e Pudd<strong>in</strong>g- o<strong>der</strong> Kuchenform buttern und die<br />
Masse h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>füllen, glattstreichen und im Wasserbad goldgelb backen.<br />
Brot anschließend auf e<strong>in</strong>e Platte stürzen. Es kann kalt o<strong>der</strong> warm mit<br />
e<strong>in</strong>er Béchamelsauce gegessen werden.<br />
16
Vom Schmausen und Kl<strong>in</strong>gen – Rezepte<br />
Joues de boeuf à l’ancienne<br />
Geschmorte Ochsenbackerl<br />
In Gasthäusern waren die Backerl e<strong>in</strong>e geschätzte Speise, weil man<br />
auf diese Weise auch die weniger teuren Teile des Ochsen schmackhaft<br />
zubereiten konnte.<br />
Zutaten<br />
1,5 kg Ochsenbacken, pariert, 2 Zwiebeln, fe<strong>in</strong> gehackt, Knoblauch,<br />
Ingwer, fe<strong>in</strong> gehackt, Röstgemüse (Karotten, Sellerie, Porree), fe<strong>in</strong><br />
gewürfelt, Rotwe<strong>in</strong>essig, 2 l Rotwe<strong>in</strong>, Brühe,<br />
Pfefferkörner, Piment, Korian<strong>der</strong> (Gewürze <strong>in</strong> trockener Pfanne angeröstet,<br />
grob zermörsert), Lorbeer, 1 EL Zucker, 2 Tomaten, Salz,<br />
Pfeffer<br />
Zubereitung<br />
Ofen auf 180°C vorheizen.<br />
Ochsenbackerl <strong>in</strong> etwas Öl und Butter anrösten, aus dem Topf heben<br />
und zur Seite stellen. Röstgemüse, Zwiebeln,<br />
Ingwer, Knoblauch im Bratensatz langsam anschmoren, Gewürze h<strong>in</strong>zufügen<br />
und den Zucker schmelzen.<br />
Mit Essig ablöschen, e<strong>in</strong>kochen lassen.<br />
Ochsenbackerl zurück <strong>in</strong> den Topf geben, mit 2 Gläsern We<strong>in</strong> glacieren,<br />
e<strong>in</strong>kochen lassen. Vorgang wie<strong>der</strong>holen. Den restlichen We<strong>in</strong> und<br />
die Brühe aufgießen, bis das Fleisch bedeckt ist.<br />
Den Topf <strong>in</strong> den Ofen geben und ca. 1,5 Std. offen schmoren lassen.<br />
Mit <strong>der</strong> Fleischgabel die Zartheit prüfen. Das Fleisch darf nicht zu<br />
lange braten, sonst zerfällt es.<br />
Fleisch herausheben, warmhalten, den Fond abseihen und die Sauce abschmecken.<br />
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Eike Rathgeber<br />
Co<strong>in</strong>gs au four<br />
Gebackene Quitten<br />
Die im Ofen gebackenen Quitten gehören vermutlich – ähnlich den<br />
Bratäpfeln – zu den ältesten Zubereitungsarten dieser Frucht und s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong> wun<strong>der</strong>bar aromatisches Gericht.<br />
Zutaten<br />
4 Quitten, gesäubert, halbiert, Kerngehäuse entfernt, 1 Zimtstange,<br />
4 Nelken, ¼ l Rotwe<strong>in</strong>, 250 g Zucker, 100 ml Wasser<br />
Zubereitung<br />
Ofen auf 200°C vorheizen.<br />
In e<strong>in</strong>er passenden Grat<strong>in</strong>ierform die Hälfte des Zuckers streuen, die<br />
Quittenhälften mit <strong>der</strong> Hautseite nach oben daraufsetzen. We<strong>in</strong>, Wasser<br />
und Gewürze vermischen und über die Früchte geben, zum Schluss<br />
den restlichen Zucker darauf streuen. Ca. 1 Std. im Ofen backen (je<br />
nach Größe <strong>der</strong> Früchte), mit Schlagobers warm servieren.<br />
18
<strong>E<strong>in</strong></strong> Salzfass für François<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> Salzfass für François<br />
Cell<strong>in</strong>i zum 450. Todestag<br />
Saliera (Paris, 1540–1543), Salzfass von Benvenuto Cell<strong>in</strong>i<br />
Natürlich braucht man ke<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Anlass, um von <strong>der</strong> Saliera<br />
zu erzählen, aber nachdem ohneh<strong>in</strong> alle Vorhänge geschlossen und die<br />
Tore gesperrt bleiben, kommt mir <strong>der</strong> 450. Todestag ihres Schöpfers<br />
dazu gerade recht. Unser Radius hat sich schon so weit verkle<strong>in</strong>ert, dass<br />
nichts an<strong>der</strong>es zu tun bleibt, als es den alten Forschern gleichzutun, die<br />
mithilfe geschliffener Gläser, ganz ohne sich selbst zu bewegen, zu<br />
den sche<strong>in</strong>bar verborgenen Schätzen ihrer Umgebung vorgedrungen<br />
s<strong>in</strong>d. Deshalb gilt es nun, Benvenuto Cell<strong>in</strong>i, <strong>der</strong> vor über 450 Jahren,<br />
am 13. Februar 1571 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Heimatstadt Florenz verstarb, und se<strong>in</strong><br />
Prunkstück <strong>der</strong> Kunstkammer, das alle Unbilden se<strong>in</strong>er abenteuerlichen<br />
Existenz bisher mit ungetrübter Heiterkeit überstanden hat,<br />
genauer zu betrachten.<br />
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Eike Rathgeber<br />
Im Gegensatz zum <strong>E<strong>in</strong></strong>druck, den se<strong>in</strong> chef d’oeuvre erweckt, war Cell<strong>in</strong>i<br />
bekanntermaßen gefährlich explosiv. Ja, sogar mit dem Soldatenberuf<br />
kokettierte er zunächst, wie wir aus se<strong>in</strong>er abenteuerlichen Autobiographie<br />
erfahren, denn er hatte die Plün<strong>der</strong>ung Roms durch Karl V. und<br />
se<strong>in</strong>e Soldateska im Jahr 1527 mit e<strong>in</strong>igem Erfolg als Bombardier an<br />
den Kanonen <strong>der</strong> Engelsburg auf Seiten des Papstes überstanden. 1<br />
Für stille <strong>E<strong>in</strong></strong>kehr war <strong>in</strong> diesem Leben also nicht viel freie Zeit,<br />
es sei denn <strong>in</strong> den Monaten <strong>der</strong> Kerkerhaft, die er nach <strong>der</strong> vergeblichen<br />
Verteidigung <strong>der</strong> Engelsburg gegen Karl V. zu überstehen hatte.<br />
Wofür – so fragt man sich unweigerlich bei diesen Räubergeschichten<br />
– brauchte irgendjemand just <strong>in</strong> dieser Zeit e<strong>in</strong> solches Salzfass? Noch<br />
dazu, wo r<strong>in</strong>gsum die Welt <strong>in</strong> Krieg und Elend versank, regelmäßige<br />
Pestwellen die Städte entvölkerten und unzählige Menschen <strong>in</strong> Armut<br />
und Hunger starben.<br />
Gerade damals jedoch, so Georges Duby, als e<strong>in</strong> Sommer ohne marodierende<br />
Kriegsbanden als e<strong>in</strong> Geschenk des Himmels galt, kultivierten<br />
die Fürsten Europas ihren höfischen Traum von e<strong>in</strong>er zauberhaften<br />
Kunstwelt, die für die Zeit des Innehaltens alles vergessen und ungeschehen<br />
machte. 2 Und vielleicht ist ja die kle<strong>in</strong>e goldene Skulptur, die Cell<strong>in</strong>i<br />
zwischen 1540 und 1543 für den französischen König Franz I. schuf, e<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong> letzten Ausformungen dieses Traums <strong>in</strong>mitten des Schlachtengetümmels.<br />
Angesichts e<strong>in</strong>es so makellosen Werkes konnte man sich vielleicht<br />
doch noch <strong>der</strong> von Gott gesetzten Ordnung versichern.<br />
Die Saliera ist auch nicht das e<strong>in</strong>zige Objekt dieser Art, e<strong>in</strong> wahrer<br />
Wettkampf um die erlesensten Kompositionen hatte eben erst begonnen.<br />
Und fast alle dieser Artefakte hatten auch entwe<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e sakrale<br />
Funktion – sei es bei <strong>der</strong> Andacht, wie die mit Edelste<strong>in</strong> gefassten Reliquiare<br />
o<strong>der</strong> die kle<strong>in</strong>e flämische Betnuss, an <strong>der</strong>en Figuren ihr unbekannter<br />
Meister 18 Jahre lang geschnitzt hatte, 3 o<strong>der</strong> aber – und das ist<br />
die weltzugewandte Seite dieser Kunst – sie begleiteten die Tafel ihrer<br />
Auftraggeber, als Schaustücke, Werkzeuge o<strong>der</strong> Klangkunst. Ganz<br />
ohne Auftrag, wie symbolisch auch immer, war ke<strong>in</strong>es unter ihnen.<br />
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<strong>E<strong>in</strong></strong> Salzfass für François<br />
Ganze Heerscharen von Bediensteten waren tage<strong>in</strong> tagaus beschäftigt,<br />
das Umfeld des geme<strong>in</strong>samen Tafelns auszustatten und anzurichten – <strong>in</strong><br />
Holz und Emaille, Gold und Silber, gewebt mit glänzenden Fäden, an<br />
<strong>der</strong> Wand und auf dem Boden, <strong>der</strong> den Tisch umgab –, all jenes, das<br />
dem Auge und dem Ohr des Betrachters zu dienen hatte und das den<br />
kul<strong>in</strong>arischen Genuss bereithielt.<br />
Dafür wurden die ausgefallensten Kompositionen gesucht, dargeboten<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft von Kunstliebhabern und Mäzenen, die ihren<br />
teuer erworbenen Schmaus mit Andacht verzehrten, auf Podesten<br />
präsentierten und ihn auf ihren Reisen mit sich führten. Der Zug von<br />
18.000 Menschen, <strong>der</strong> den rastlosen französischen König begleitete,<br />
war nicht zum ger<strong>in</strong>gsten Teil mit Prunkgeschirren und Kochwerkzeugen<br />
bestückt, ebenso wie mit dem großen Instrumentarium <strong>der</strong><br />
Hofkapelle(n), das für den Alltag <strong>der</strong> Fürsten von <strong>der</strong> Frühmesse bis<br />
zum nächtlichen Konzert unverzichtbar war. Dem kostbaren Salzfass<br />
vergleichbar waren die Prunkcodices <strong>der</strong> Bußpsalmen von Orlando di<br />
Lasso, die Hans Mielich für den Münchner Herzog Albrecht V. anfertigte,<br />
<strong>der</strong> sich zum Konfekt als Krönung <strong>der</strong> festlichen Speisefolge<br />
e<strong>in</strong>e neue Motette se<strong>in</strong>es Komponisten aufführen ließ. 4 Dabei war <strong>der</strong><br />
f<strong>in</strong>anzielle Aufwand für die Musiker natürlich nicht ger<strong>in</strong>ger als <strong>der</strong><br />
für die bildenden Künstler, und manch e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Auftraggeber ru<strong>in</strong>ierte<br />
se<strong>in</strong>e Staatsf<strong>in</strong>anzen damit für alle Zeiten. Den Preis für das<br />
waghalsigste musikalische Experiment gewann um 1570 aber schließlich<br />
<strong>der</strong> englische Komponist Thomas Tallis mit se<strong>in</strong>er 40-stimmigen<br />
Motette Spem <strong>in</strong> alium, die <strong>der</strong> Duke of Norfolk vermutlich im Turm<br />
<strong>der</strong> Burg se<strong>in</strong>es Schwiegervaters, des Earl of Arundel, vorführen ließ,<br />
um das betörende Zirkulieren des Klangs noch <strong>in</strong>tensiver erleben zu<br />
können. 5 Um diese Zeit sche<strong>in</strong>t auch die Saliera wie<strong>der</strong> auf, die gerade<br />
eben dem <strong>E<strong>in</strong></strong>schmelzen für die Kriegskasse Karls IX. entgangen war. 6<br />
Purer Zufall mag es gewesen se<strong>in</strong>, dass dieser sich entschloss, sie neben<br />
an<strong>der</strong>en Preziosen se<strong>in</strong>em Prokurator <strong>in</strong> Heiratsangelegenheiten,<br />
Ferd<strong>in</strong>and II. von Tirol, zu übergeben, dessen bürgerliche Gemahl<strong>in</strong><br />
21
Eike Rathgeber<br />
Philipp<strong>in</strong>e Welser alle, die an ihrer Tafel Platz nahmen, mit kul<strong>in</strong>arischer<br />
Meisterschaft beglückte.<br />
Das goldene Salzfass nun ist zwar aus fester Materie, doch ke<strong>in</strong>eswegs<br />
so unzugänglich, wie ihre Verwahrung h<strong>in</strong>ter Glas vermuten<br />
ließe. Die Saliera ist sogar sehr präsent im Hier und Jetzt, ihr Meer ist<br />
aufgewühlt, die Vielzahl <strong>der</strong> abgebildeten Personen wirken lebendig,<br />
s<strong>in</strong>d voller Symbole und Zuschreibungen, auch wenn die beiden Protagonisten,<br />
Neptun (als Symbol für das salzhaltige Meer) und Kybele (als<br />
Verkörperung <strong>der</strong> Erde) mit s<strong>in</strong>nlich aufgeladener Nonchalance über<br />
allem ruhen. Nobile sprezzatura würde Castiglione dazu angemerkt<br />
haben, denn ihre Haltung ist ungezwungen, ruhig, doch nicht fern,<br />
aufmerksam, aber nicht bemüht. Und <strong>der</strong> Rhythmus, <strong>der</strong> <strong>in</strong> diesem<br />
Oval zirkuliert, ist von auffallen<strong>der</strong> Regelmäßigkeit. Dabei dürfen die<br />
beiden Protagonisten ruhen, ihre Umgebung allerd<strong>in</strong>gs nicht, sie ist<br />
als Zentrum <strong>der</strong> fürstlichen Tafel gedacht, an <strong>der</strong> sich die beteiligten<br />
Personen <strong>in</strong> eben dem Rhythmus von Zuwendung und Zurückhaltung<br />
choreographisch e<strong>in</strong>zufügen hatten. Dass <strong>in</strong> ihrem Fuß zudem<br />
acht Kugeln e<strong>in</strong>gelassen s<strong>in</strong>d, die zum Vergnügen ihres Schöpfers das<br />
Salzfass von e<strong>in</strong>em Ende des Tisches zum an<strong>der</strong>en rollen konnten, war<br />
<strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er solchen Mode von Tischautomaten, die sich rasch<br />
über den Kont<strong>in</strong>ent verbreitete.<br />
Und Benvenuto Cell<strong>in</strong>i, <strong>der</strong> zunächst als Musiker ausgebildet wurde,<br />
hatte nicht nur Erfahrung als Zuschauer bei diesen hochherrschaftlichen<br />
Banketten, son<strong>der</strong>n wirkte selbst als Cornettist (Z<strong>in</strong>k spielend)<br />
bei e<strong>in</strong>er Tafelmusik für den neu ernannten Medici-Papst, Clemens VII.,<br />
am 15. August 1523 im Ensemble mit. Die Musiker unter Giangiacomo<br />
da Cesena probten e<strong>in</strong>e Woche lang täglich zwei Stunden, um „mehrere<br />
sehr schöne Motetten“ vorzutragen und konnten damit den Gastgeber<br />
offenbar überzeugen, denn Clemens nahm den jungen Mann <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>e Dienste. 7 Wir wissen nicht, welche Motetten gespielt wurden,<br />
doch die Form war gleichsam prädest<strong>in</strong>iert, um Aufbauten aus Gold<br />
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<strong>E<strong>in</strong></strong> Salzfass für François<br />
und Silber o<strong>der</strong> Skulpturen aus Zucker, für die auch Bern<strong>in</strong>i später<br />
Entwürfe anfertigte, zu begleiten. Sie bot die notwendige Freiheit <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Gestaltung, nicht nur für den Komponisten, son<strong>der</strong>n auch für die<br />
Musiker, und wenn Sänger zur Verfügung standen, dann konnten die<br />
Tafelgäste sich dadurch gleich <strong>der</strong> schönen Literatur zuwenden. Oftmals<br />
stammten die Verse von den Speisenden selbst, darunter auch von<br />
Franz I., dessen Gedichte nun – 15 Jahre nach ihrer Entstehung – allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht mehr als „italienische“ Motetten, son<strong>der</strong>n als französische<br />
Chansons vertont wurden, am liebsten durch den Hofkomponisten<br />
Claud<strong>in</strong> de Sermisy, wie die berühmte vierstimmige Bien heureuse nach<br />
Petrarca. 8 Im Prolog zum IV. Buch des Gargantua schil<strong>der</strong>t Rabelais,<br />
unter demselben königlichen Schutz wie die Reihe <strong>der</strong> prom<strong>in</strong>enten<br />
„Musici“, die er namentlich aufzählt, „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geheimen Lustgärtle<strong>in</strong><br />
unter grünen Lauben, vor e<strong>in</strong>em Wall von Flaschen, Schunken, Pasteten<br />
und diversen schmucken Schopflerchle<strong>in</strong> anmuthiglich im Chorus<br />
s<strong>in</strong>gen.“ 9<br />
Dabei handelte es sich allerd<strong>in</strong>gs eher um die <strong>in</strong>timen Dîners unter<br />
Mitglie<strong>der</strong>n des Hofes, die zu jedem Gang an musikalischen o<strong>der</strong><br />
auch e<strong>in</strong>mal szenischen Darbietungen, an Poesie und Spiel sowie an<br />
Danceries teilnahmen, gespielt aus den ersten Musikdrucken von Pierre<br />
Atta<strong>in</strong>gnant. Und gern verfolgte man die solistischen Vorführungen<br />
auf <strong>der</strong> Laute zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Speisetrachten mit und ohne<br />
Sängern, zuweilen auch durch größere Ensembles von Flöten o<strong>der</strong><br />
Gamben, im von Francesco Primaticcio gestalteten und von Franz I.<br />
hochgeschätzten Ballsaal des Schlosses Fonta<strong>in</strong>ebleau.<br />
Das Protokoll bei Festbanketten zu Ehren familiärer Ereignisse<br />
wie Geburten, Taufen und Hochzeiten o<strong>der</strong> dasjenige bei politischen<br />
Zusammenkünften, bei denen die Geschehnisse rund um die festliche<br />
Tafel rasch durch beson<strong>der</strong>e Druckwerke weitergetragen wurden,<br />
war ungleich strenger. Clar<strong>in</strong>i (Fanfaren) verkündeten dann die festlichen<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>züge von Personen ebenso wie aufgetragene Speisen o<strong>der</strong><br />
23
Eike Rathgeber<br />
François I. zu Pferd (1540), Illum<strong>in</strong>ation Jean Clouet zugeschrieben<br />
symbolische Schaubil<strong>der</strong>, jede Bewegung während e<strong>in</strong>es solchen oft<br />
mehrtägigen Festes wurde daher <strong>in</strong> altehrwürdigen Regularien, wie<br />
<strong>der</strong> Goldenen Bulle, festgehalten.<br />
Völlig verständlich also, dass <strong>der</strong> Wettkampf um den schönsten<br />
Tafelschmuck auch Kul<strong>in</strong>arisches betraf, und damit die Superstars<br />
unter den Köchen herausfor<strong>der</strong>te. Unter ihnen war <strong>der</strong> vatikanische<br />
Bibliothekar, Bartolomeo Sacchi, genannt Plat<strong>in</strong>a Cremonensis, dessen<br />
Kochbuch De honesta voluptate et valetud<strong>in</strong>e 1474 erstmals gedruckt<br />
wurde, <strong>der</strong> berühmteste. 10<br />
Das Werk wurde bereits zu se<strong>in</strong>en Lebzeiten <strong>in</strong> zahlreichen Auflagen<br />
und Übersetzungen verbreitet, und die Leser erfreuten sich nicht<br />
nur an dessen fabelhaften Berichten über die Herkunft von Früchten<br />
und Tieren (nach Herodot), son<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>s an <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Zurichtung von Kranichen und Pfauen („den man auf den Tisch br<strong>in</strong>gen<br />
möge, als lebt er“), 11 und von Pasteten und <strong>in</strong> Zucker gesponnenen<br />
Früchten, die man zu solchen Anlässen servierte.<br />
24
<strong>E<strong>in</strong></strong> Salzfass für François<br />
Benvenuto Cell<strong>in</strong>i (1762), Zeichnung von Francesco Allegr<strong>in</strong>i nach e<strong>in</strong>er<br />
Skizze von Giuseppe Zocchi (Serie di ritratti d’uom<strong>in</strong>i illustri toscani,<br />
con gli elogi istorici dei medesimi, 1766–1773)<br />
Inzwischen s<strong>in</strong>d die Kompositionen ebenso verklungen wie die kostbaren<br />
Düfte von Zimt und Pfeffer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Farce des ausgestopften<br />
Pfaus, nur die Saliera überstand alles Ungemach ihrer erwünschten und<br />
unerwünschten Ausflüge <strong>der</strong> vergangenen gut 480 Jahre, wenn auch<br />
von allem Zeremoniell entbunden. Franz I. wird sie selbst wohl nicht<br />
sehr oft am Tisch zum Rollen gebracht haben, nachdem er statt ihrer<br />
se<strong>in</strong> verschließbares Tafelschiff, le nef du roi, mit Besteck und Salz verwenden<br />
musste, das zuvor allen Prüfungen gegen Vergiftungen und<br />
an<strong>der</strong>es Ungemach standgehalten hatte. Das Salzfass Cell<strong>in</strong>is freilich<br />
begleitete zumeist nur Friedensschlüsse, die Kriege dieser Zeit wurden<br />
abseits <strong>der</strong> Tafel geführt.<br />
25
Eike Rathgeber<br />
Rezepte<br />
Huitres grat<strong>in</strong>ées<br />
Überbackene Austern<br />
Austern galten seit jeher als beson<strong>der</strong>er Auftakt festlicher Bankette<br />
und wurden für lange Zeit nur gegart verzehrt.<br />
Zutaten<br />
24 Austern, 1 Schalotte, 200 ml Weißwe<strong>in</strong>, 100 g Schlagobers, 2 Eidotter,<br />
Safran, Semmelbrösel, Pfeffer<br />
Zubereitung<br />
Die Austern öffnen, vorsichtig aus <strong>der</strong> Schale lösen, dabei sowohl die<br />
untere Schalenhälfte als auch das Austernwasser aufheben.<br />
In e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Pfanne die fe<strong>in</strong>gehackte Schalotte mit dem Weißwe<strong>in</strong><br />
aufkochen, nach 30 Sek. die Austern ganz kurz mitgaren. Austern<br />
vorsichtig herausheben und <strong>in</strong> die gere<strong>in</strong>igten Austernschalen geben.<br />
Den durchgeseihten Kochsud auf dem Feuer um die Hälfte reduzieren.<br />
Obers und Safran h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geben und auf e<strong>in</strong> Drittel reduzieren. Vom<br />
Feuer nehmen und die verschlagenen Dotter mit dem Schneebesen<br />
dar<strong>in</strong> schaumig schlagen. Pfeffern und die Austern damit bedecken.<br />
Brösel auf den Austern verteilen und kurz übergrillen.<br />
26
<strong>E<strong>in</strong></strong> Salzfass für François – Rezepte<br />
Pied de porc à la Sa<strong>in</strong>te-Menehould<br />
Grat<strong>in</strong>ierte Schwe<strong>in</strong>shaxerl<br />
Diese altehrwürdige Speise genießt bis heute legendären Ruhm, nicht<br />
zuletzt deshalb, weil Ludwig XVI. auf se<strong>in</strong>er Flucht von den Revolutionären<br />
gefangen wurde, während er <strong>in</strong> Sa<strong>in</strong>te-Menehould just auf<br />
dieses Gericht wartete.<br />
Zutaten<br />
Für die Lauge: 1 kg Salz auf 5 Liter Wasser, e<strong>in</strong> Glas Essig, Wachol<strong>der</strong>beeren,<br />
Pfeffer, 1 EL Zucker und nach Möglichkeit 50–100 g Pökelsalz,<br />
damit die Farbe hübscher bleibt<br />
4 Schwe<strong>in</strong>shaxerl, halbiert, 3 Karotten, 2 Stangen Sellerie, 2 Zwiebeln<br />
mit Nelken gespickt, 1 Knoblauchzehe, 3 Lorbeerblätter, 1 TL Pfefferkörner,<br />
1 TL Wachol<strong>der</strong>beeren (angedrückt), Bouquet garni aus Thy-<br />
27
Eike Rathgeber<br />
mian, Petersilie, Rosmar<strong>in</strong>, 2 Liter Weißwe<strong>in</strong>, 1/8 Liter Weißwe<strong>in</strong>essig,<br />
Salz<br />
Zum Panieren: 2 Eier, Mehl, Semmelbrösel, Butter<br />
Zubereitung<br />
Die Lauge mit den angegebenen Zutaten aufkochen und abkühlen<br />
lassen. Schwe<strong>in</strong>shaxerl <strong>in</strong> kaltem Wasser blanchieren, waschen und<br />
idealerweise für zwei Tage <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lauge liegen lassen – kühl stellen.<br />
Die halbierten Schwe<strong>in</strong>haxerl gut waschen und am besten <strong>in</strong> Gaze fest<br />
e<strong>in</strong>wickeln, damit sie nicht zerfallen. Bouillon mit den angegebenen<br />
Zutaten vorbereiten, Fleisch e<strong>in</strong>legen und im Sud m<strong>in</strong>d. 4 Stunden<br />
sanft köcheln lassen. Danach vom Feuer nehmen und, wenn sie etwas<br />
abgekühlt s<strong>in</strong>d, aus <strong>der</strong> Bouillon heben.<br />
Ursprünglich wurden die Hälften im Ganzen vorsichtig paniert und<br />
im Ofen überbacken, man kann sie aber auch auslösen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Form pressen, beschweren und gut kühlen. Am nächsten Tag <strong>in</strong> Scheiben<br />
schneiden, panieren und ausbacken o<strong>der</strong> kurz grat<strong>in</strong>ieren.<br />
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<strong>E<strong>in</strong></strong> Salzfass für François – Rezepte<br />
Cotignac<br />
Quittenkonfekt<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> Rezept für Quittenkonfekt, das im Deutschen auch die Namen<br />
Quittenbrot o<strong>der</strong> Quittenkäse trägt, und das bereits beim antiken Arzt<br />
Galen unter dem Namen cot<strong>in</strong>atum auftaucht, f<strong>in</strong>det sich im Mesnagier<br />
de Paris (um 1393). 12 Franz I., so berichten die Chroniken, war e<strong>in</strong> leidenschaftlicher<br />
Liebhaber dieser Süßigkeit, die er mit Tränen <strong>in</strong> den<br />
Augen verspeiste. 13<br />
Zutaten<br />
1 kg Quitten, 500 g Honig, 2 Gl. Rotwe<strong>in</strong>, 2 TL Gewürzmischung<br />
für Hypocras (Gewürzwe<strong>in</strong>): Ingwer, Galgant, Zimt, Muskat, Paradieskörner)<br />
o<strong>der</strong> Quatre-épices<br />
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