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2024_16

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4 Dorfspiegel Dietlikon<br />

Kurier Nr. <strong>16</strong> 18.4.<strong>2024</strong><br />

Sicherheit entlang eines Stücks der Alten Winterthurerstrasse: Nun haben die Amphibien eine Zugstelle. (Fotos mh)<br />

Amphibienrettung<br />

Im Einsatz für Frösche, Kröten und Molche<br />

Wie schon im letzten Jahr wurde entlang eines Teilstücks der Alten<br />

Winterthurerstrasse eine Zugstelle für Amphibien errichtet.<br />

Monika Haverkamp<br />

Szenario 1: Sie liegen um sechs<br />

Uhr morgens im warmen Bett, der<br />

Regen trommelt einschläfernd an<br />

die Fensterscheibe, Sie drehen sich<br />

noch einmal wohlig seufzend auf<br />

die andere Seite. Szenario 2: Sie<br />

liegen um sechs Uhr morgens im<br />

warmen Bett, der Regen trommelt<br />

einschläfernd an die Fensterscheibe,<br />

Sie springen aus den Federn hinein<br />

in Regenkleidung und Leuchtweste<br />

und machen sich bei fünf<br />

Grad Aussentemperatur auf den<br />

Weg zur Zugstelle. Elf Freiwillige<br />

aus Wallisellen und Dietlikon haben<br />

ihre Komfortzonen verlassen<br />

und genau dies getan.<br />

Der Zuzug beginnt<br />

Die Amphibienwanderung beginnt<br />

Mitte Februar, wenn die Temperaturen<br />

in der Nacht auf mindestens<br />

fünf Grad steigen und Niederschläge<br />

für genügend Feuchtigkeit sorgen.<br />

Die Tiere erwachen aus ihrer<br />

Winterstarre, die sie in unterirdischen<br />

Ritzen und Höhlen, unter<br />

Blättern und Moos oder im<br />

Schlamm von Gewässern verbracht<br />

haben. In der Abenddämmerung<br />

machen sie sich auf den Weg zu ihren<br />

angestammten Laich-Teichen.<br />

Das ist der sogenannte Zuzug.<br />

Muss auf dem Weg dorthin eine<br />

stark befahrene Strasse überquert<br />

werden, stehen die Chancen, die<br />

andere Seite lebend zu erreichen,<br />

äusserst schlecht.<br />

Was ist eine Zugstelle?<br />

Eine mobile Zugstelle besteht aus<br />

einer kniehohen Plastikplane, die<br />

entlang einer ausgewählten Stelle<br />

an einer Strasse errichtet wird. Hinter<br />

diesem Fangzaun, auf der von<br />

der Strasse abgewandten Seite,<br />

werden in grösseren Abständen Eimer<br />

im Boden versenkt, die mit<br />

Deckeln verschlossen werden können,<br />

wenn keine Amphibien unterwegs<br />

sind, da das Wetter zu kalt<br />

und zu trocken ist. Die Tiere stossen<br />

auf ihrem Weg zum Teich auf<br />

den Zaun, wandern auf der Suche<br />

nach einem Durchlass an ihm entlang<br />

und fallen in die mit etwas<br />

Laub gefüllten Eimer. Am Morgen<br />

werden sie von den Freiwilligen<br />

dort herausgeholt und in der Nähe<br />

des Teichs freigelassen.<br />

Da Amphibien ortstreu sind, lassen<br />

sie sich nicht in einen anderen Teich<br />

umsiedeln. Sie kehren immer wieder<br />

zu dem Teich zurück, in dem sie<br />

als Laich abgelegt wurden. Über<br />

Anzahl und Art der gefundenen Tiere<br />

sowie die Wetterverhältnisse am<br />

Vorabend wird sorgfältig Buch geführt.<br />

Eine gewisse Frusttoleranz ist<br />

hilfreich. Es kann durchaus vorkommen,<br />

dass die Frösche eine andere<br />

Wetter-App konsultiert haben<br />

und die Eimer leer bleiben. Die<br />

meisten Helfer:innen nehmen es<br />

zum Glück sportlich: «Zu trocken,<br />

Eimer auf beiden Seiten leer, aber<br />

erfrischender Morgenspaziergang»,<br />

lautete eine Rückmeldung. Was<br />

man hingegen immer findet, ist<br />

Müll. Der reicht vom ganz ordinären<br />

Abfall bis hin zu Trouvaillen<br />

wie eine Orchidee im Topf oder<br />

zwei Rubbellose mit jeweils fünf<br />

Franken Gewinn. Es ist höchst erstaunlich,<br />

was alles so aus Autofenstern<br />

geworfen wird.<br />

Ein Kontrollblick in den Eimer zeigt, wieviele Tiere drin sind.<br />

Vom Wetter überrascht<br />

In diesem Jahr wurde das Zaunaufbau-Team<br />

auf dem falschen Fuss<br />

erwischt. Durch die unerwartet<br />

milden Temperaturen im Januar<br />

hatten sich viele Amphibien schon<br />

vor ihren potentiellen Retter:innen<br />

in Bewegung gesetzt. Dank eingelegter<br />

Extraschichten konnten vor<br />

allem die Zugstellen mit hohem<br />

Aufkommen noch rechtzeitig errichtet<br />

werden. Am 29. Januar<br />

stand auch in Dietlikon der Zaun<br />

und die ersten beiden Grasfrösche<br />

hockten am 8. Februar im Eimer.<br />

Ein paar Tage später kam ein Rückzugzaun<br />

auf der gegenüberliegenden<br />

Strassenseite hinzu, den es im<br />

letzten Jahr noch nicht gegeben<br />

hatte. Wenn sich die Amphibien<br />

nach dem Absetzen des Laichs wieder<br />

auf den Rückweg in den Wald<br />

machen, müssen sie die Strasse ein<br />

zweites Mal überqueren und geraten<br />

erneut in Lebensgefahr.<br />

Mit 75 Tieren im Zuzug (105 Tiere<br />

im Jahr 2023) blieben die Zahlen<br />

unter denen des Vorjahres.<br />

Schweizweit waren die Zahlen<br />

vielerorts rückläufig. Trotzdem hat<br />

sich der Einsatz gelohnt. Die<br />

Dietliker Zugstelle kann sich<br />

glücklich schätzen, auf ein Team<br />

von elf motivierten freiwilligen<br />

Helfer:innen zählen zu können.<br />

Das ist nicht selbstverständlich,<br />

viele Zugstellen suchen verzweifelt<br />

Unterstützung.<br />

30 km/h wären das Maximum<br />

Verkehrsschilder machen auf die<br />

Krötenwanderung aufmerksam. Die<br />

Bitte «langsam fahren» zeigt allerdings<br />

keine Wirkung. Selten leuchtet<br />

ein Rücklicht beim Passieren<br />

auf. Und wenn, wird höchstens auf<br />

50 bis 60 km/h abgebremst.<br />

Kaum jemand weiss, dass bei über<br />

30 km/h die Amphibien durch die<br />

im Vorbeifahren entstehenden<br />

Luftverwirbelungen getötet werden.<br />

Ohne konkrete Geschwindigkeitsangabe<br />

sind die Schilder leider<br />

nutzlos. Jeder kann buchstäblich<br />

vor der eigenen Haustür etwas gegen<br />

das Artensterben im Allgemeinen<br />

und gegen ein Amphibienmassaker<br />

im Besonderen tun. Nächstes<br />

Jahr ist eine neue Zugstelle in Wallisellen<br />

beim Forsthaus geplant.<br />

Weitere Helfer:innen sind hoch<br />

willkommen.<br />

Auf der Website von http://www.<br />

karch.ch/ erfahren Sie mehr über das<br />

Leben der Amphibien und welche<br />

Zugstelle noch Unterstützung sucht.

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