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mav 02.2024

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Kommentar<br />

Dr. Allwissend<br />

der Zerspanung<br />

■■■■■■ Wenn mich jemand nach dem Technik-Hype des Jahres<br />

fragt, dann werde ich wohl sagen müssen: Das ist die künstliche<br />

Intelligenz. Ob in der Fertigung, in der Qualitätssicherung<br />

oder in der Automatisierungstechnik – das Thema ist einfach<br />

omnipräsent. Dabei setzen nur gut 13 % der deutschen Unternehmen<br />

KI tatsächlich produktiv ein, so eine Umfrage des Ifo-Instituts<br />

von August vergangenen Jahres. Aber das Potenzial sehen<br />

fast alle. Und natürlich auch wir, die Medienunternehmen, nutzen<br />

den digitalen Kollegen, und wenn auch nur als Stichwortgeber.<br />

Es ist ein Spielfeld, auf dem beide Seiten ständig dazulernen.<br />

Früher hat man sich bei der Abfrage einer Datenbank – was die<br />

KI ja letztlich ist, nur unterfüttert mit neuronalen Netzen – an<br />

die Struktur der Software angepasst, die Syntax einer Query gelernt,<br />

etc. Jetzt will diese plötzlich mit mir kommunizieren, wie<br />

ein Mensch das tut. Das ist schon eine ganz neue Art, mit Maschinen<br />

umzugehen. Und ich bin immer noch unschlüssig, ob ich<br />

mir viele Dinge, die der Chatbot so ausspuckt, nicht auch wie gewohnt<br />

„ergoogeln“ hätte können. Von konkreten Fertigungsproblemen<br />

mal ganz abgesehen.<br />

Da kommt Gienie gerade recht. Dabei handelt es sich natürlich<br />

nicht um den hübschen Flaschengeist ähnlichen Namens, der seinerzeit den<br />

TV-Astronauten Tony Nelson auf Trab hielt. Es geht vielmehr um einen KI-<br />

Chatbot der Schweizer Firma Orderfox, der auf der Bedienoberfläche von Open<br />

AI aufsetzt und spezifische Fragen zu Marktsituation und Anbietern für Fertigungsunternehmen<br />

beantworten soll. Das B2B-KI-Tool des Online-Fertigers<br />

stützt sich dabei auf eine Datenbank von über 250 000 Maschinen und 120 000<br />

Herstellern. Es kann jetzt als Beta-Version getestet werden und das habe ich<br />

auch gleich gemacht. Ich habe den Bot z. B. mal gefragt, welche Hersteller Lösungen<br />

zur Bearbeitung von Batteriegehäusen für E-Fahrzeuge anbieten. Zu unspezifisch,<br />

hat er mir geantwortet. Könne man das nicht regional eingrenzen?<br />

Ok., Punkt für Dich! Dann eben aus Deutschland. Und siehe da, er hat nicht<br />

nur eine Reihe bekannter Hersteller genannt, auf die ich vielleicht auch so gekommen<br />

wäre, sondern auch einige dedizierte Maschinenmodelle für diesen<br />

Zweck. Und auch noch eine Handvoll Fertigungsunternehmen, die sich in diesem<br />

Bereich positionieren.<br />

Klar, gegen ein fundiertes Messegespräch mit einem Brancheninsider können<br />

solche Tools wohl noch nicht „anstinken“. Aber sie werfen doch spannende<br />

Fragen auf. Was geschieht, wenn sie aus vielen Anfragen von Anwendern Stück<br />

für Stück dazulernen? Wenn sie aus dem gesammelten Prozesswissen unzähliger<br />

Zerspaner schöpfen können? Werden sie dann in der Lage sein, für ein spezifisches<br />

Fertigungsproblem eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Lösung<br />

vorzuschlagen? Oder doch nur die legendäre „42“? Wird es also eines Tages<br />

den Dr. Allwissend der Zerspanung im Netz geben? Gut möglich. Aber wahrscheinlich<br />

werde ich dann in Rente sein.<br />

■<br />

Dr. Frank-Michael Kieß<br />

Redakteur<br />

frank-michael.kiess@konradin.de<br />

April 2024 113

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