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DVS_Bericht_392LP

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Abbildung 1. Sprödbruch unter Wasserstoffeinfluss<br />

Aus diversen Veröffentlichungen zu durchgeführten Laboruntersuchungen geht hervor, dass Wasserstoff die<br />

Bruchzähigkeit senkt und das Wachstum von Rissen beschleunigt, auch bei relativ niedrigen Wasserstoffpartialdrücken.<br />

Dieser Einfluss ist zudem abhängig von der mechanischen Belastungsfrequenz. Der Wasserstoff<br />

braucht eine gewisse Zeit für die Diffusion ins Metallgitter, sodass Versuche hierzu nicht beliebig schnell durchgeführt<br />

werden können. Messungen der Zugeigenschaften in Wasserstoff zeigen, dass die Anwesenheit von<br />

Wasserstoff die Brucheinschnürung senkt, jedoch weder Zugfestigkeit noch Streckgrenze beeinträchtigt. Damit<br />

ergeben sich für die klassische strukturmechanische Innendruckbemessung von Leitungen nach dem aktuellen<br />

Wissensstand keine Änderungen.<br />

Weiterhin wurde nachgewiesen, dass die Bruchzähigkeit der Werkstoffe unter der Wirkung des Wasserstoffes<br />

verringert wird. Die Rissausbreitungsgrößen können dabei in Anwesenheit von Wasserstoff um den Faktor 10<br />

höher sein als an Luft. Ein Risswachstum ist in Kombination mit Lastwechseln durch variierende Betriebsdrücke<br />

grundsätzlich möglich. Lastwechsel können von betriebsbedingten Innendruckschwankungen, wie z. B.<br />

bei Aus- und Einspeiseprozessen oder von wechselnden Zusatzlasten, z. B. aus Schwingungen, ausgehen.<br />

Die Geschwindigkeit des Risswachstums ist neben dem Medium und dem Werkstoff auch abhängig von der<br />

Lastamplitude, dem Spannungsmittelwert und der Häufigkeit der Lastamplitude innerhalb eines gegebenen<br />

Zeitintervalls. So kann bei hoher Maximallast mit kleinster Lastamplitude ein geringeres Risswachstum stattfinden<br />

als bei geringerer Maximallast, aber größerer Lastamplitude. Die Identifizierung und Berücksichtigung<br />

solcher lebensdauerbestimmenden Einflüsse ist einer der Bausteine zur Feststellung der Wasserstofftauglichkeit<br />

einer Pipeline.<br />

3 Bruchmechanisches Nachweiskonzept<br />

Die feststellbaren Einflüsse der Wasserstoffversprödung auf die Stähle (Reduzierung der Risszähigkeit und<br />

beschleunigtes Risswachstum) sind nach heutigem Wissensstand geeignete Kenngrößen, um die statische<br />

und dynamische Tragfähigkeit wasserstoffinduzierter Fehler zu bewerten. Man greift dabei auf bruchmechanische<br />

Berechnungs- und Bewertungskonzepte zurück, in welche die Risszähigkeit und Risswachstumsgrößen<br />

einfließen. Wesentliche Kennwerte der bruchmechanischen Berechnungs- und Bewertungskonzepte stellen<br />

die Fehlergröße, Lage und Orientierung dar, so dass im Gegensatz zur klassischen strukturmechanischen<br />

Bemessung und Bewertung hier ein Fehler bekannt sein bzw. angenommen werden muss, um aus diesem<br />

Konzept Erkenntnisse zur Tragfähigkeit und Lebensdauer von Rohrleitungen unter Wasserstoffeinfluss zu erhalten.<br />

Die zur Beschreibung des mechanischen Verhaltens von Festkörpern gängigen Größen wie Spannungen und<br />

Verzerrungen sind in der Bruchmechanik nicht unmittelbar für die Beschreibung von Bruchvorgängen geeignet.<br />

Dies liegt zum einen an sehr hohen – unter Annahme rein elastischen Werkstoffverhaltens unbeschränkt<br />

hohen – Spannungen an der Rissspitze und zum anderen an der komplexen Interaktion zwischen Rissgeometrie<br />

und Beanspruchungen. In der Bruchmechanik werden zusätzliche Größen wie die Spannungsintensität<br />

und die Energiefreisetzungsrate eingeführt, welche den lokalen Spannungszustand an der Rissspitze bzw.<br />

das globale Rissverhalten bei dessen Ausbreitung charakterisieren. Für den Wasserstoffbetrieb ist nachzuweisen,<br />

dass die umzustellende Leitung für einen maximal zulässigen Betriebsdruck und die auftretenden<br />

Betriebslastwechsel unter bruchmechanischen Aspekten ausreichend dimensioniert ist. Für Bestandsleitungen<br />

kommen die aktuellen DVGW-Merkblätter G 409 0 sowie G 464 0 zur Anwendung.<br />

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<strong>DVS</strong> 392

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