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Umstellung von Gashochdruckleitungen auf Wasserstoff<br />
A. Großmann, München<br />
Wasserstoff nimmt eine zentrale Rolle bei der Energiewende ein. Für seinen Transport soll das vorhandene<br />
Erdgasnetz genutzt werden. Hierzu ist im Vorfeld die Wasserstoffverträglichkeit der Werkstoffe und die Lebensdauer<br />
der Erdgaspipelines zu untersuchen. Kern aller Betrachtungen ist die bruchmechanische Bewertung<br />
der Erdgaspipelines, bei der neben der Versprödung des Werkstoffs Stahl auch die Rissstabilität und das<br />
Risswachstum in Wasserstoffatmosphäre untersucht werden. Im Folgenden sollen Grundlegende Vorgehensweisen<br />
der Bewertung aufgezeigt werden.<br />
1 Prüfumfänge der Umstellung<br />
Eine Änderung des Mediums ist im Sinne der Verordnung für Gashochdruckleitungen (GasHDrLtgV) bei Gasleitungen<br />
mit einem maximalen zulässigen Betriebsdruck über 16 bar eine wesentliche Änderung mit den entsprechenden<br />
Anzeigeverfahren, wenn dadurch eine Beeinträchtigung der Sicherheit unterstellt werden kann.<br />
In diesem Fall muss ein Anzeigeverfahren nach §5 GasHDrLtgV eingeleitet werden. Sowohl beim Neubau als<br />
auch bei der Umstellung müssen Hersteller und Betreiber nachweisen, dass die Maßnahmen dem Stand der<br />
Technik entsprechen und fachgerecht durchgeführt wurden. Die erforderlichen technischen Maßgaben zur<br />
Umstellung einer Bestandsleitung auf Wasserstofftransport oder bei Neubau einer Gasleitung sind im DVGW<br />
Arbeitsblatt G463 sowie Merkblatt G409 beschrieben.<br />
Der Betreiber ist für Planung und Überprüfung der Angaben und Herstellerbescheinigungen / -erklärungen<br />
sowie der Eignung für die konkrete Anwendung (betriebliche Einflussgrößen, wie z. B. Lastwechsel, zulässige<br />
Druckbereiche) verantwortlich. Dabei sind unter anderem die Gasdichtheit der Gassysteme (äußere/innere<br />
Dichtheit) unter Wasserstoff, die Wasserstofftauglichkeit der verwendeten Werkstoffe, Betriebsstoffe und Hilfsstoffe,<br />
Arbeitsmittel und Arbeitsschutz, Explosionssicherheit – Explosionsschutz, Brandschutz und Brandmeldeanlagen<br />
– zu prüfen. Auch Instandhaltungsfristen, Gefährdungsbeurteilungen und Risikobewertungen sind<br />
gegebenenfalls zu aktualisieren oder an die Eigenschaften des Mediums Wasserstoff anzupassen.<br />
2 Wasserstoffeinfluss auf Stähle<br />
Die durch Wasserstoff induzierte Schädigung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Man unterscheidet<br />
zwischen Schädigungen durch chemische und elektrochemische Reaktionen mit metallphysikalischen Vorgängen.<br />
Während bei chemischen Reaktionen der Wasserstoff mit dem Werkstoff Bindungen eingeht, fungiert<br />
bei elektrochemischen und metallphysikalischen Vorgängen der Wasserstoff als eine Art Legierungselement<br />
in dem Metall.<br />
Unabhängig von der Herkunft des Wasserstoffs erfolgt dessen Aufnahme immer über die Teilschritte: Adsorption<br />
und Dissoziation, Absorption und Diffusion oder Einlagerung im Metallgitter. Dreh- und Angelpunkt der<br />
Wasserstoffversprödung ist Wasserstoff in seiner atomaren Form, da nur dieser – im Gegensatz zu H2 – in<br />
der Lage ist, in Metalle diffundieren zu können. Wasserstoff kommt unter atmosphärischen Bedingungen fast<br />
ausschließlich molekular vor, somit muss es bestimmte Prozesse geben, aus denen Wasserstoffatome hervorgehen<br />
und anschließend in den Stahl eindringen können.<br />
Eine Vielzahl von Publikationen beschreibt den Wasserstoffeinfluss auf Stähle und die experimentell nachgewiesenen<br />
negativen Effekte. Dabei ist die Art der Stähle maßgebend für die Intensität der sogenannten Wasserstoffversprödung.<br />
Im Allgemeinen wird festgestellt, dass mit wachsenden Festigkeitskennwerten und raueren<br />
Oberflächenbeschaffenheiten die Neigung zur Wasserstoffversprödung zunimmt. Kommt es zur Wasserstoffversprödung,<br />
so ist die duktile Verformungsfähigkeit des Stahls reduziert. Anstatt lokale Spannungsspitzen<br />
durch Verformung abzubauen, kommt es hier zu kleinsten Materialtrennungen, die in größerem Maßstab<br />
als Risse sichtbar werden können.<br />
<strong>DVS</strong> 392 1