vsao Journal Nr. 2 - April 2024
System - Gesellschaft, Gesundheit, Gekrabbel Politik - Zwei Initiativen auf dem Prüfstand Psychoanaleptika - Off-Label-Einsatz in der Palliativmedizin Zecken - Die selteneren Infektionen
System - Gesellschaft, Gesundheit, Gekrabbel
Politik - Zwei Initiativen auf dem Prüfstand
Psychoanaleptika - Off-Label-Einsatz in der Palliativmedizin
Zecken - Die selteneren Infektionen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>vsao</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 2, <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />
<strong>Journal</strong><br />
Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
System<br />
Gesellschaft, Gesundheit,<br />
Gekrabbel<br />
Seite 28<br />
Politik<br />
Zwei Initiativen auf<br />
dem Prüfstand<br />
Seite 6<br />
Psychoanaleptika<br />
Off-Label-Einsatz in der<br />
Palliativmedizin<br />
Seite 45<br />
Zecken<br />
Die selteneren<br />
Infektionen<br />
Seite 48
Genossenschaft<br />
Rundum sicher gerüstet<br />
Ihre zuverlässige Partnerin<br />
Die Ärztekasse unterstützt und berät Sie umfassend zu den Themen Praxismanagement,<br />
Datenschutz, Datensicherheit, Tarife, Rückweisungen und zu vielem mehr.<br />
Weitere Infos und Angebote auf<br />
aerztekasse.ch<br />
Ärztekasse – die standeseigene<br />
Genossenschaft an Ihrer Seite<br />
publix.ch
Inhalt<br />
System<br />
Gesellschaft, Gesundheit, Gekrabbel<br />
Coverbild: Stephan Schmitz<br />
Editorial<br />
5 Kleine Insekten, grosse Fragen<br />
Politik<br />
6 Für eine solidarische, leistungsfähige<br />
Gesundheitsversorgung<br />
8 Klimabedingte Notfälle und<br />
Infektionen: Konkrete Massnahmen<br />
sind gefragt<br />
Weiterbildung /<br />
Arbeitsbedingungen<br />
11 Andere Länder – andere Medizin?<br />
«Ich bin ein grosser Fan davon, verschiedene<br />
Kontexte kennenzulernen»<br />
14 Der korrekte Umgang mit Wundfotos<br />
16 Forschen lernen<br />
17 Auf den Punkt gebracht<br />
18 Next Level<br />
Leadership im klinischen Alltag<br />
Perspektiven<br />
45 Aktuelles zu Stimulanzien:<br />
Was bewirken Psychoanaleptika<br />
in der Palliativ medizin?<br />
48 Aus der «Therapeutischen<br />
Umschau» – Übersichtsarbeit:<br />
Die anderen Zecken-übertragenen<br />
Infektionen in Mitteleuropa<br />
62 My Way<br />
mediservice<br />
63 Briefkasten<br />
64 Schützen Sie Ihre<br />
Lieblings gegenstände<br />
65 Bewusst in den<br />
Offlinemodus schalten<br />
66 Impressum<br />
<strong>vsao</strong><br />
22 Neues aus den Sektionen<br />
26 <strong>vsao</strong>-Inside<br />
27 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Fokus: System<br />
28 Das hoch entwickelte Sozialsystem<br />
der Ameisen<br />
31 Augen auf: Hypnose als Gamechanger<br />
für Kinder und Jugendliche<br />
33 Die Basis unserer Gesundheit<br />
36 Wie die Viehzucht soziale Ungleichheit<br />
förderte<br />
39 Mit Glasfasernetzen Erdbeben<br />
beobachten<br />
42 Sind Autoimmun krankheiten<br />
somatoforme Störungen?<br />
<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>: neue Redaktionsmitglieder gesucht<br />
Sind Sie vielseitig interessiert und haben Lust, das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> mitzuprägen?<br />
Gewinnen Sie einen Einblick in unsere Arbeit, und nehmen Sie unverbindlich an einer<br />
Redaktionssitzung teil. Hauptaufgaben der Redaktion sind<br />
• die thematische Planung der Hefte,<br />
• die Suche nach Autorinnen und Autoren,<br />
• die regelmässige Teilnahme an den Sitzungen<br />
(sechs abendliche Sitzungen und eine Retraite).<br />
Interessiert? Dann melden Sie sich unter journal@<strong>vsao</strong>.ch.<br />
Wir freuen uns auf neue Gesichter.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 3
Allgemeine<br />
Innere Medizin<br />
11. – 15.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />
40 h<br />
Innere Medizin<br />
25. – 29.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />
40 h<br />
Hausarzt Fortbildungstage<br />
05. – 06.09.<strong>2024</strong> Basel<br />
12. – 13.09.<strong>2024</strong> Bern<br />
27. – 28.09.<strong>2024</strong> Luzern<br />
14 h<br />
FOMF Bonus<br />
Rabattcode*<br />
Anästhesiologie<br />
und Intensivmedizin<br />
04. – 05.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />
16 h<br />
EKG – Grundkurs<br />
10. – 11.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />
16 SSAPM | 14 SGK |<br />
14 SGAIM | 16 SGNOR<br />
Gynäkologie<br />
02. – 04.05.<strong>2024</strong> Zürich<br />
24 h<br />
Immunonkologika<br />
und gezielte Therapien<br />
05. – 06.07.<strong>2024</strong> Livestream<br />
16 h<br />
Ophthalmologie<br />
13. – 14.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />
16 h<br />
Pneumologie<br />
03. – 04.05.<strong>2024</strong> Zürich<br />
14 h<br />
Psychiatrie und<br />
Psychotherapie<br />
06. – 08.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />
21 h<br />
Urologie<br />
24.05.<strong>2024</strong> Zürich<br />
8 SGU<br />
INVSAO0424<br />
Teilnahme vor Ort oder via Livestream<br />
Update Refresher<br />
Information / Anmeldung<br />
Tel.: 041 567 29 80 | info@fomf.ch | www.fomf.ch<br />
* gültig bis zum letzten Kurstag, 10 CHF auf Kursbuchung &<br />
Mitgliedschaft, nicht rückwirkend einlösbar<br />
Beste Prognosen<br />
für Ihr<br />
Familienglück.<br />
Sie stehen mitten im Leben, verwirklichen<br />
Ihre Ziele und gründen eine Familie.<br />
Schützen Sie sich vor Erwerbsausfall und<br />
sichern Sie Ihr Altersguthaben – damit<br />
Ihre Liebsten jederzeit gut versorgt sind.<br />
Machen Sie den Spar-Check:<br />
va-genossenschaft.ch<br />
Risikoschutz<br />
Vorsorge<br />
Partner von
Editorial<br />
Kleine Insekten,<br />
grosse Fragen<br />
Regula Grünwald<br />
Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Augen zukneifen, Zähne zusammenbeissen und die Luft<br />
anhalten, bis der Puck die Verteidigungszone verlassen<br />
hat: Als Kind schien mir dies ein todsicheres System,<br />
um meiner Lieblingseishockeymannschaft zum Sieg zu<br />
verhelfen. Ob es genützt hat? Leider nein: Der erste Schweizer-<br />
Meister-Titel lässt noch immer auf sich warten.<br />
Mit einigen besser funktionierenden Systemen haben wir es im<br />
Fokus-Teil der aktuellen Ausgabe zu tun: Dank einer raffinierten<br />
sozialen Organisation und Aufgabenteilung stellt eine Ameisenkolonie<br />
sicher, dass stets genügend Individuen verfügbar sind, die<br />
sich um Nachwuchs und Nahrung kümmern. Beinahe zur Selbstverständlichkeit<br />
geworden ist für uns die Siedlungsentwässerung,<br />
die entscheidend dazu beigetragen hat, dass Seuchen wie Typhus<br />
und Cholera ebenso wie stinkende Algen- und Schaumteppiche in<br />
Flüssen und Seen längst der Vergangenheit angehören. Und warum<br />
das Glasfasernetz nicht nur der Datenübertragung dient, sondern<br />
auch für die Seismologie spannend ist, zeigt ein weiterer Artikel<br />
auf.<br />
Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen biologischen,<br />
psychologischen und sozialen Faktoren? Und wie beeinflussen sie<br />
die Gesundheit? Diesen Fragen sowie möglichen Ansätzen zum<br />
Umgang damit sind zwei Beiträge gewidmet. Und schliesslich<br />
gehen wir über das menschliche Individuum hinaus und werfen<br />
einen Blick auf die Entstehung der bestehenden gesellschaftlichen<br />
Strukturen.<br />
Dank unserem demokratischen System kann die Bevölkerung auf<br />
politischer Ebene mitbestimmen. Und dies wird genutzt: Gleich<br />
zwei gesundheitspolitische Volksinitiativen gelangen im Juni zur<br />
Abstimmung. Warum der <strong>vsao</strong> die eine unterstützt und die andere<br />
ablehnt, können Sie im Politik-Teil nachlesen. Und in der Serie<br />
«Next Level» erfahren Sie, was eine Führungspersönlichkeit ausmacht,<br />
was frischgebackenen Oberärztinnen und -ärzten hilft, in<br />
ihre neue Rolle hineinzuwachsen, und wie man sich bereits in der<br />
Assistenzzeit auf diesen Übergang vorbereiten kann.<br />
Apropos Übergang: Sie halten die voraussichtlich drittletzte Printausgabe<br />
des <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s in den Händen. Die Vorbereitungen<br />
für eine Ablösung des gedruckten Hefts laufen auf Hochtouren.<br />
Möchten Sie sichergehen, dass das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> künftig auch in<br />
Ihrem virtuellen Briefkasten landet? Dann melden Sie sich unter<br />
www.mediservice-<strong>vsao</strong>.ch/journalnewsletter bereits jetzt für<br />
unseren <strong>Journal</strong>-Newsletter an.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 5
Politik<br />
Für eine solidarische,<br />
leistungsfähige Gesundheitsversorgung<br />
Der <strong>vsao</strong> empfiehlt, am 9. Juni die Kostenbremse-Initiative<br />
abzulehnen und die Prämien-Entlastungs-Initiative anzunehmen.<br />
Damit werden die Weichen richtig gestellt für eine qualitativ hochstehende<br />
Gesundheitsversorgung, die für alle bezahlbar bleibt.<br />
Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
Die Kampagne der Ärzteschaft und weiterer Gesundheitsorganisationen gegen die Kostenbremse-Initiative setzt auf Emotionen.<br />
Am kommenden 9. Juni stimmt<br />
die Schweizer Stimmbevölkerung<br />
über zwei gesundheitspolitische<br />
Vorlagen von grosser<br />
Tragweite ab. Bei beiden geht es um<br />
die Kosten des Gesundheitswesens, beide<br />
bieten deshalb auch die Chance, in der<br />
Diskussion die Leistungen und den Wert<br />
des Schweizer Gesundheitssystems vermehrt<br />
in den Vordergrund zu stellen.<br />
Doch was wollen die Initiativen genau?<br />
Die Prämien-Entlastungs-Initiative,<br />
die von der SP lanciert wurde, verlangt,<br />
dass niemand in der Schweiz mehr als<br />
zehn Prozent des Einkommens für die Prämien<br />
der obligatorischen Grundversicherung<br />
verwenden muss. Diese Forderung<br />
würde im Fall einer Annahme mit verbesserten<br />
Prämienverbilligungen umgesetzt.<br />
Auch der Bund müsste mit substanziellen<br />
Finanzmitteln dazu beitragen. Der Initiativtext<br />
hält fest, dass mindestens zwei<br />
Drittel der für die Prämienverbilligungen<br />
aufgewendeten Mittel vom Bund bereitzustellen<br />
sind. Heute zahlt der Bund dafür<br />
etwa gleich viel wie die Kantone.<br />
Belastende Gesundheitsausgaben<br />
Die Befürworterinnen und Befürworter<br />
argumentieren damit, dass die Prämien<br />
seit Jahren steigen und für einen immer<br />
grösseren Teil der Bevölkerung zu einer<br />
spürbaren und teilweise untragbaren Belastung<br />
werden. Gemäss Bundesamt für<br />
Statistik haben sich die Kosten der obligatorischen<br />
Grundversicherung seit 1999<br />
tatsächlich mehr als verdoppelt. Trotz<br />
gleichzeitig positiver Lohnentwicklung<br />
und auch mit Prämienverbilligungen hatte<br />
dieser Anstieg einen negativen Einfluss<br />
Bild: Kampagnensujet «Nein zur Kostenbremse»<br />
6<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Politik<br />
auf die verfügbaren Einkommen. 2023<br />
zum Beispiel resultierte ein Minus von<br />
0,4 Prozent. Tatsache ist, dass zahlreiche<br />
Kantone in den vergangenen Jahren ihre<br />
Ausgaben für Prämienverbilligungen gesenkt<br />
haben und dass die Prämien in weiten<br />
Teilen der Bevölkerung als Belastung<br />
empfunden werden.<br />
Die Gegnerschaft der Initiative kritisiert,<br />
dass die Initiative zu hohe Kosten<br />
nach sich ziehen würde und dass keinerlei<br />
Massnahmen für eine Senkung der Gesundheitskosten<br />
vorgesehen sind.<br />
Der Bundesrat anerkannte zwar im<br />
Grundsatz die Berechtigung des Anliegens,<br />
sein Gegenvorschlag wurde im Parlament<br />
aber derart verwässert, dass er für die Initiantinnen<br />
und Initianten keine valable<br />
Alternative war.<br />
Kostendeckel für die Grundversicherung<br />
…<br />
Die Kostenbremse-Initiative wurde von der<br />
Mitte-Partei lanciert und verlangt einen<br />
Kostendeckel für Leistungen der Grundversicherung.<br />
Das Total der von der Grundversicherung<br />
bezahlten Leistungen müsste<br />
sich bei einer Annahme gemäss Initiativtext<br />
an der «schweizerischen Gesamtwirtschaft<br />
und den durchschnittlichen Löhnen»<br />
orientieren. Wenn die Kosten um<br />
20 Prozent mehr steigen als die Löhne,<br />
müsste der Bund gemeinsam mit den Kantonen<br />
bei der Gesundheitsversorgung Kostensenkungsmassnahmen<br />
umsetzen.<br />
Die Pro-Seite argumentiert ebenfalls<br />
mit den steigenden Gesundheitskosten und<br />
der hohen Belastung der Haushalte. Sie vertritt<br />
die Meinung, dass es viel Sparpotenzial<br />
gibt, das aber nur ausgeschöpft werden<br />
kann, wenn der Druck einer Kostenbremse<br />
die Akteure dazu zwingt.<br />
… führt zu Rationierung und<br />
Wartezeiten<br />
Die Gegnerschaft hingegen befürchtet,<br />
dass die Kostenbremse zu einer Rationierung<br />
der Gesundheitsleistungen und zu<br />
langen Wartezeiten führen würde. Die Folge<br />
wäre eine Zweiklassenmedizin, unter<br />
der vor allem derjenige Teil der Gesellschaft<br />
leiden würde, der auf eine solidarische<br />
Finanzierung von Gesundheitsleistungen<br />
angewiesen ist.<br />
Wie steht der <strong>vsao</strong> zu den Initiativen?<br />
Der Geschäftsausschuss des <strong>vsao</strong> hat die<br />
Ja-Parole zur Prämien-Entlastungs-Initiative<br />
und die Nein-Parole zur Kostenbremse-Initiative<br />
beschlossen. Angelo<br />
Barrile, Präsident des <strong>vsao</strong> und als ehemaliger<br />
SP-Nationalrat auch Mitglied des<br />
Initiativkomitees, begründet das Ja des<br />
<strong>vsao</strong> zur Prämien-Entlastung folgendermassen:<br />
«Als Ärztinnen und Ärzte tragen<br />
wir eine Verantwortung für die Gesundheit<br />
der Patientinnen und Patienten. Wir<br />
müssen uns deshalb für ein qualitativ<br />
hochstehendes System einsetzen, das sich<br />
alle leisten können. Ich erlebe es in der<br />
Praxis oft: Patientinnen und Patienten<br />
entscheiden sich für eine hohe Franchise,<br />
weil sie damit Geld sparen können. Danach<br />
zögern sie den Arztbesuch zu lange<br />
hinaus, um das Haushaltsbudget nicht<br />
zusätzlich zu belasten. Das darf nicht<br />
sein – der Arztbesuch darf nicht zu einem<br />
Luxusgut werden.»<br />
Aus demselben Grund sei die Kostenbremse-<br />
Initiative abzulehnen, sagt Barrile:<br />
«Eine Kostendeckelung führt automatisch<br />
zu einer Rationierung, das ist überall so<br />
geschehen, wo es umgesetzt wurde. Die<br />
Leidtragenden sind die Schwächsten im<br />
System. Eine Annahme der Initiative würde<br />
zu einer Zweiklassenmedizin und langen<br />
Wartezeiten für notwendige Behandlungen<br />
führen.»<br />
Gute Argumente gegen die<br />
Kostenbremse<br />
Das Nein-Komitee der Gesundheitsorganisationen,<br />
das von der FMH angeführt wird<br />
und dem auch der <strong>vsao</strong> angehört, führt<br />
weitere Argumente gegen die Kostenbremse-Initiative<br />
ins Feld: Die Koppelung der<br />
Gesundheitskosten an die Konjunktur ist<br />
absurd, da Erkrankungen gerade dann<br />
häufiger auftreten, wenn die Wirtschaftslage<br />
schlecht ist. Die Gesundheitsversorgung<br />
wird also genau dann eingeschränkt,<br />
wenn sie am meisten benötigt wird. Zudem<br />
besteht die grosse Gefahr, dass auf<br />
dem Buckel des Personals gespart würde,<br />
dass also auch auf die Löhne und Arbeitsbedingungen<br />
von Ärzteschaft und Pflegepersonal<br />
in den Spitälern noch mehr Druck<br />
entstünde. Verzögerte oder nicht stattfindende<br />
Behandlungen führen zudem zu<br />
hohen Folgekosten. Das eigentliche Ziel<br />
der Initiative – Kosten senken – kann so<br />
gar nicht erreicht werden.<br />
Angelo Barrile betont, dass die Kosten<br />
der Gesundheitsversorgung durchaus im<br />
Auge behalten werden müssen. Die Kostenbremse<br />
sei aber das falsche Instrument.<br />
«Stattdessen sollten wir die Grundversorgung<br />
stärken und die digitale Transformation<br />
vorantreiben. Studien zeigen, dass allein<br />
durch die Digitalisierung die Kosten um<br />
zehn Prozent gesenkt werden können.<br />
Auch Krankenkassen können beim Sparen<br />
helfen, indem sie unnötige Nachfragen vermeiden,<br />
die auf ärztlicher Seite viel Aufwand<br />
verursachen.» Nicht zuletzt weist er<br />
darauf hin, dass auch die Arbeitsbedingungen<br />
des Spitalpersonals verbessert werden<br />
müssen, denn eine hohe Fluktuation verursacht<br />
ebenfalls Kosten. Die Ärzteschaft<br />
ihrerseits könne zu Kostenreduktionen beitragen,<br />
indem sie nach «Smarter Medicine»-<br />
Grundsätzen arbeite.<br />
Abstimmen und mobilisieren<br />
Erste Umfragen im März haben gezeigt,<br />
dass beide Initiativen gute Chancen haben,<br />
angenommen zu werden. Gerade eine<br />
Annahme der Kostenbremse-Initiative<br />
aber würde die Qualität der Gesundheitsversorgung<br />
gefährden, wie auch Angelo<br />
Barrile betont: «Als Ärztinnen und Ärzte<br />
wissen wir, wie das Gesundheitswesen<br />
funktioniert. Es ist an uns, Aufklärungsarbeit<br />
zu leisten und die vielen falschen<br />
Argumente zu entkräften, die im Umlauf<br />
sind. Es ist wichtig, möglichst viele für<br />
ein Nein zu mobilisieren. Eine deutliche<br />
Ablehnung der Initiative wäre ein wichtiges<br />
Signal zugunsten einer Gesundheitsversorgung<br />
mit Zukunft.»<br />
– Weitere Informationen und Kampagnenmaterial<br />
zum Download auf der Website<br />
des Komitees «Nein zur Kostenbremse»:<br />
www.nein-zur-kostenbremse.ch<br />
– Informationen und Argumente zur Prämien-Entlastungs-Initiative:<br />
www.bezahlbare-praemien.ch<br />
@<strong>vsao</strong>asmac<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 7
Politik<br />
Die Folgen klimatischer Veränderungen sind<br />
auch im medizinischen Alltag spürbar.<br />
Wie eine Umfrage zeigt, wünschen sich viele<br />
<strong>vsao</strong>-Mitglieder mehr konkrete Massnahmen,<br />
um besser damit umgehen zu können.<br />
Klimabedingte<br />
Notfälle und Infektionen:<br />
Konkrete Massnahmen<br />
sind gefragt<br />
Viele <strong>vsao</strong>-Mitglieder sind sensibilisiert für die Folgen des Klimawandels.<br />
Jedoch hapert es bei der Umsetzung griffiger Massnahmen für<br />
einen besseren Umgang damit. Dies zeigt eine Umfrage des <strong>vsao</strong>.<br />
Dr. med. Nora Höger, Co-Leiterin <strong>vsao</strong>-Arbeitsgruppe Planetary Health, und<br />
Robin Rieser, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Abteilung Public Health FMH<br />
Die Folgen der Klimaveränderungen<br />
sind im medizinischen<br />
Alltag angekommen:<br />
Insbesondere ältere Menschen,<br />
Kinder und vulnerable Bevölkerungsgruppen<br />
mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
und Ähnlichem sind durch vermehrte<br />
Hitzewellen, Dauerregen und<br />
neue Infektionskrankheiten zunehmend<br />
gefährdet. Doch wie nehmen Ärztinnen<br />
und Ärzte die gesundheitlichen Auswirkungen<br />
des Klimawandels wahr? Welche<br />
Massnahmen gibt es an ihrem Arbeitsplatz,<br />
um mit den Folgen des Klimawandels<br />
umzugehen? Und was wird an ihrem<br />
Arbeitsplatz zur Verringerung des ökologischen<br />
Fussabdrucks getan?<br />
Um das Stimmungsbild in der Ärzteschaft<br />
und die Situation in den Spitälern<br />
bezüglich dieser drei Kernthemen zu erheben,<br />
führte der <strong>vsao</strong> in Kooperation mit<br />
der Abteilung Public Health der FMH im<br />
vergangenen Herbst eine Umfrage durch.<br />
Neben vorgegebenen Antwortmöglichkeiten<br />
konnten die Teilnehmenden sich in<br />
Freitextantworten äussern. Die 351 Teilnehmenden<br />
sind hinsichtlich Gender, Arbeitsort,<br />
Fachgebieten und Alter repräsentativ<br />
für <strong>vsao</strong>-Mitglieder.<br />
Bild: Adobe Stock, generiert mit KI<br />
8<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Politik<br />
Mehr Notfälle, kaum Anpassungen<br />
der Medikation<br />
Die Ergebnisse zeigen ein hohes Bewusstsein<br />
für die gesundheitlichen Auswirkungen<br />
des Klimawandels bei den <strong>vsao</strong>-Mitgliedern<br />
(Grafik 1). 42 Prozent der Befragten<br />
geben an, mehr hitzebedingte Notfälle bei<br />
ihren Patientinnen und Patienten zu beobachten,<br />
und immerhin ein Drittel berät<br />
Patientinnen und Patienten hinsichtlich<br />
der Folgen klimatischer Veränderungen.<br />
Gleichzeitig passen weniger als 20 Prozent<br />
die Medikation ihrer Patientinnen und Patienten,<br />
z. B. aufgrund von Hitzeperioden,<br />
an. Angesichts der konkreten Gesundheitsgefährdung<br />
– insbesondere für Risikopatientinnen<br />
und -patienten – besteht dringender<br />
Handlungs- und Weiterbildungsbedarf.<br />
Konkrete Massnahmen fehlen<br />
weitgehend<br />
Ein erschreckendes Bild zeigt sich bei den<br />
Massnahmen für einen besseren Umgang<br />
mit den Folgen des Klimawandels. Über<br />
ein Drittel der Teilnehmenden gibt an,<br />
dass ihres Wissens von ihrem Arbeitgeber<br />
bislang keine solchen Massnahmen ergriffen<br />
wurden. Nur gut ein Fünftel nennt Anpassungen<br />
in der Einrichtung, insbesondere<br />
zum Hitzeschutz. Im Kontrast dazu<br />
besteht ein klarer Wunsch nach konkreten<br />
Massnahmen wie Informations- und Weiterbildungsangeboten<br />
zu den medizinischen<br />
Folgen des Klimawandels und den<br />
Behandlungsmöglichkeiten. Für die Ärzteschaft<br />
relevant sind insbesondere Weiterbildungen<br />
zu klimasensiblen Erkrankungen<br />
und zu Präventionsmassnahmen wie<br />
einem gesunden und klimafreundlichen<br />
Lebensstil. Wiederholt wird hier auch der<br />
Umgang mit der psychischen Belastung<br />
durch «Klimaangst» genannt.<br />
Wunsch nach weniger Müll<br />
Wichtig sind auch strukturelle Massnahmen,<br />
die Klimaschutz in der Einrichtung<br />
ermöglichen. So geben 40 Prozent der Befragten<br />
an, dass es in ihrer Einrichtung bereits<br />
Leitlinien für Energiesparmassnahmen,<br />
die Förderung von öV-Angeboten<br />
und veränderte Menüpläne in den Mensen<br />
gibt (Grafik 2). Gleichzeitig ist der Bedarf<br />
an zusätzlichen Massnahmen in allen abgefragten<br />
Bereichen sehr hoch (Grafik 3).<br />
Dies zeigt sich insbesondere bei der Reduktion<br />
des Ressourcenverbrauchs, z. B.<br />
bei Verpackungsmaterial oder Medikamenten,<br />
die in der Herstellung und in der<br />
Lieferkette enorme Emissionen verursachen.<br />
Gut ein Drittel der Befragten gibt an,<br />
Nachhaltigkeitsbeauftragte für die Einrichtung<br />
zu benötigen.<br />
Mehr hitzebedingte Notfälle<br />
(z.B. Herz-Kreislauf-Symptome wie<br />
Exsikkose, Nierenversagen,<br />
Blutdruckkrisen; Migräneattacken u.a.)<br />
Patientenaufklärung bezüglich<br />
klimatischer Veränderungen<br />
(Hitze, Infektionen, Medikamentenwirkung,<br />
Alltagsverhalten usw.)<br />
Veränderter Einsatz von Medikamenten<br />
keine<br />
andere<br />
Bereitstellen von<br />
Informationsbroschüren zu<br />
hitzebedingten Ereignissen<br />
Auch der Wunsch nach Beratungsmöglichkeiten<br />
zur Verminderung von<br />
Treibhausgasemissionen seitens der<br />
Fachgesellschaften sowie nach politischen<br />
Massnahmen wurde in den Freitextantworten<br />
deutlich: Über 80 Prozent der<br />
Befragten unterstützen ein weiteres Engagement<br />
ihrer Berufsverbände. Ein klarer<br />
Auftrag!<br />
Teilnahme über Onlinefragebogen<br />
Die Teilnahme an der Umfrage wurde<br />
über die gängigen sozialen Medien (Facebook,<br />
Instagram, LinkedIn) und via <strong>vsao</strong>-<br />
Newsletter beworben. Als Erhebungsinstrument<br />
wurde ein Onlinefragebogen in<br />
Inwiefern spielt die Klimakrise in Ihrem Umgang mit Patientinnen<br />
und Patienten eine Rolle?<br />
8<br />
11<br />
15<br />
18<br />
0 10 20 30 40<br />
Anteil [%]<br />
Grafik 1: 42 Prozent der Teilnehmenden (n=351) haben in den letzten Jahren einen Anstieg der<br />
hitzebedingten Notfälle erlebt.<br />
Förderung von öV-Angeboten auf dem Arbeitsweg<br />
(z.B. Bahnticket, PubliBike)<br />
Vermehrt rein vegetarisches Menü in der Mensa<br />
Leitlinien für Energiesparmassnahmen<br />
(z.B. Beheizung/Lüften, Gangbeleuchtung,<br />
Einsatz elektronischer Geräte)<br />
Massnahmen zur Müllreduktion<br />
(z.B. Verpackungsmaterial, Einwegbesteck)<br />
Förderung der klimaschonenden Teilnahme an<br />
Weiter- und Fortbildungen (mit öV, virtuell, wohnortnah)<br />
Nein/Keine<br />
Einsatz von Nachhaltigkeitsbeauftragten<br />
Leitlinien zum ressourcenschonenden Einsatz<br />
von Medikamenten und Medizinprodukten<br />
Andere<br />
Weiss nicht<br />
Beratungsmöglichkeiten zur Umsetzung<br />
von Klimaschutzmassnahmen von meiner<br />
Fachgesellschaft / von meinem Berufsverband<br />
Gibt es an Ihrer Arbeitsstätte bereits Massnahmen, um den<br />
Ressourcenverbrauch und die negativen Auswirkungen<br />
auf das Klima zu reduzieren?<br />
1<br />
1<br />
2<br />
5<br />
6<br />
11<br />
18<br />
0 10 20 30 40<br />
Anteil [%]<br />
Grafik 2: Viele Einrichtungen haben bereits Massnahmen zum Klimaschutz ergriffen, indem sie<br />
öV-Angebote fördern, in der Mensa vermehrt vegetarische Menüs anbieten und Leitlinien für<br />
Energiesparmassnahmen verfasst haben.<br />
23<br />
Anlehnung an die Umfrage der Stiftung<br />
Gesundheit im Auftrag des Centre for<br />
Planetary Health Policy (CPHP) aus dem<br />
Frühjahr 2023 konzipiert. Die Umfrage<br />
erfolgte vom 21. September 2023 bis zum<br />
30. Oktober 2023. Einschränkend muss<br />
bemerkt werden, dass die Grösse der Stichprobe<br />
nur einen Bruchteil der Mitgliederzahl<br />
ausmacht und sicherlich vor allem<br />
Mitglieder erreicht wurden, die sich bereits<br />
für das Thema interessieren. Dennoch zeigen<br />
die Ergebnisse in eine klare Richtung.<br />
Es bleibt viel zu tun<br />
Viele Ärztinnen und Ärzte haben verstanden,<br />
dass ihnen beim Umgang mit dem<br />
33<br />
30<br />
30<br />
42<br />
40<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 9
Politik<br />
Massnahmen zur Müllreduktion<br />
(z.B. Verpackungsmaterial, Einwegbesteck)<br />
Leitlinien zum ressourcenschonenden Einsatz<br />
von Medikamenten und Medizinprodukten<br />
Förderung der klimaschonenden Teilnahme an<br />
Weiter- und Fortbildungen (mit öV, virtuell, wohnortnah)<br />
Vermehrt rein vegetarisches Menü in der Mensa<br />
Leitlinien für Energiesparmassnahmen<br />
(z.B. Beheizung/Lüften, Gangbeleuchtung,<br />
Einsatz elektronischer Geräte)<br />
Förderung von öV-Angeboten auf dem Arbeitsweg<br />
(z.B. Bahnticket, PubliBike)<br />
Beratungsmöglichkeiten zur Umsetzung<br />
von Klimaschutzmassnahmen von meiner<br />
Fachgesellschaft / von meinem Berufsverband<br />
Einsatz von Nachhaltigkeitsbeauftragten<br />
Andere<br />
Keine<br />
Welche Massnahmen wünschen Sie sich zusätzlich<br />
zu den bereits genannten?<br />
2<br />
7<br />
0 20 40 60<br />
Anteil [%]<br />
Grafik 3: Trotz bereits bestehender Massnahmen ist der Wunsch nach einem zusätzlichen<br />
Engagement für den Klimaschutz gross: 70 Prozent der Teilnehmenden (n=351) wünschen sich<br />
zusätzliche Massnahmen zur Müllreduktion.<br />
35<br />
41<br />
48<br />
48<br />
50<br />
49<br />
59<br />
70<br />
Auswirkungen auf die Umwelt minimieren,<br />
um die Umwelt zu schonen. Das Bewusstsein<br />
ist da, doch noch fehlt es vielerorts<br />
an der konkreten Umsetzung.<br />
Der <strong>vsao</strong> und die FMH sind bestrebt,<br />
die Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu erfassen<br />
und umzusetzen. Der <strong>vsao</strong>-Leitfaden<br />
«Planetary Health» bietet konkrete Handlungsmöglichkeiten,<br />
um Planetary Health<br />
im Praxisalltag zu fördern. Die FMH hat<br />
für Arztpraxen ein Toolkit erarbeitet, das<br />
mit über 60 Massnahmen in 14 Kategorien<br />
die Praxen im Wandel zu mehr Nachhaltigkeit<br />
unterstützen kann. Dazu zeichnet<br />
die FMH mit dem «Planetary Health<br />
Award» in diesem Jahr erstmals Projekte<br />
aus, welche die Nachhaltigkeit im Schweizer<br />
Gesundheitssystem fördern. Die<br />
<strong>vsao</strong>-Arbeitsgruppe «Planetary Health»<br />
arbeitet an einer Informationsbroschüre,<br />
die Tipps zu Umwelt und Gesundheit enthält<br />
und in den Wartezimmern für Patientinnen,<br />
Patienten und deren Angehörige<br />
ausgelegt werden kann.<br />
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden der<br />
Umfrage herzlich für ihre Stimme und die<br />
konstruktiven Beiträge! Ebenfalls danken wir dem<br />
Centre for Planetary Health Policy (CPHP) Berlin<br />
herzlich für die Bereitstellung der dritten Umfrage<br />
zur Umsetzung der Beschlüsse des 125. Deutschen<br />
Ärztetags in Bezug auf Klimawandel und<br />
Gesundheit.<br />
Grafiken zu allen Fragen sowie demografische<br />
Details zu den Teilnehmenden sind auf der Seite<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch/planetary-health zu finden.<br />
Klimawandel und dessen Folgen eine<br />
wichtige Rolle zukommt: Durch die Förderung<br />
der Gesundheit mittels Co-Benefits<br />
können wir entscheidend zur Prävention<br />
vieler Krankheiten beitragen [1, 2]. Gegenüber<br />
unseren Patientinnen und Patienten<br />
kommt uns eine aufklärende Funktion zu,<br />
insbesondere in der Prävention und Gesundheitsförderung.<br />
Die gesundheitlichen<br />
Folgen der Klimaveränderungen müssen<br />
wir bestmöglich behandeln. Und auch in<br />
den Spitälern und Praxen müssen wir den<br />
Ressourcenverbrauch und die negativen<br />
Literatur<br />
@<strong>vsao</strong>asmac<br />
[1] Das Konzept der «Co-benefits»<br />
von Gesundheit und Umwelt<br />
(swisshealthweb.ch).<br />
[2 ] Co-Benefits: Gut fürs<br />
Klima – doppelt gut für den Menschen,<br />
KLUG (klimawandel-gesundheit.de).<br />
Missstände und Gesetzesverstösse online melden<br />
Seit dem 1. Mai 2022 betreibt der <strong>vsao</strong> eine Meldestelle. Über diese können (Nicht-)Mitglieder<br />
Verstösse gegen das Arbeitsgesetz, die Weiterbildungsordnung oder andere Missstände<br />
melden. Seit Inbetriebnahme wird die Meldestelle rege genutzt. Meldungen von zu langen<br />
Nachtdiensten, der Überschreitung der Höchstarbeitszeit und nicht gewährter strukturierter<br />
Weiterbildungszeit sind nur einige Beispiele. Für das Engagement des <strong>vsao</strong> gegen Missstände<br />
am Arbeitsplatz sind diese Meldungen überaus wertvoll: Melden Sie deshalb, wenn Sie<br />
Verstösse feststellen, diese unbedingt online via www.meldestelle-<strong>vsao</strong>.ch.<br />
Wir behandeln jede Meldung absolut vertraulich.<br />
10<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Andere Länder – andere Medizin?<br />
«Ich bin ein grosser Fan<br />
davon, verschiedene Kontexte<br />
kennenzulernen»<br />
Severin Pinilla zog es vor allem aus familiären Gründen nach München.<br />
Obwohl die Anfangsphase dort sehr anstrengend war,<br />
empfindet er es als grosses Privileg, dass der Wechsel zwischen<br />
zwei Ländern innerhalb Europas so einfach möglich ist.<br />
Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
Bild: zvg<br />
Severin Pinilla arbeitet seit Sommer 2023 in München. Nebst vielen Parallelen sieht er insbesondere bei der<br />
Grundversicherung, der Elternzeit und der Weiterbildungskultur auch einige Unterschiede zur Schweiz.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 11
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Severin Pinilla, wo arbeitest du<br />
zurzeit?<br />
Seit Juli 2023 arbeite ich als ärztlicher<br />
Leiter im Team des Psychotherapeutischen<br />
Gesundheitszentrums in München.<br />
Ich bin in einem Teilzeitpensum von<br />
60 Prozent angestellt. Gleichzeitig bin ich<br />
niederprozentig weiterhin für die Universitätsklinik<br />
für Alterspsychiatrie der Universität<br />
Bern wissenschaftlich tätig und<br />
habe zudem ein Mandat des Schweizerischen<br />
Instituts für ärztliche Weiter- und<br />
Fortbildung im Rahmen des Projekts der<br />
Einführung von Entrustable Professional<br />
Activities, kurz EPAs.<br />
Wie ist dieser Auslandsaufenthalt<br />
zustande gekommen, und was waren<br />
die Gründe dafür?<br />
Der Hauptgrund war familiärer Natur. Im<br />
vergangenen Jahr ist unser erstes Kind zur<br />
Welt gekommen. Meine Frau war zuvor in<br />
Konstanz tätig, ich selbst in Bern. Wir haben<br />
uns überlegt, welcher Ort für uns drei<br />
am besten passt, und sind auf München<br />
gekommen. Das hat in erster Linie mit dem<br />
dortigen Netzwerk meiner Frau zu tun und<br />
auch damit, dass ihre Eltern in München<br />
wohnen. Im Herbst werde ich in beruflicher<br />
Hinsicht aber wieder nach Bern zurückkehren,<br />
und dann stellt sich die Frage,<br />
wie lange ich hin- und herpendeln werde<br />
beziehungsweise ob sich mittelfristig die<br />
Möglichkeit einer kompletten Lebensmittelpunktverlagerung<br />
nach Bern ergibt.<br />
Kannst du den Aufenthalt an deine<br />
Weiterbildung anrechnen lassen?<br />
Ich hatte den Facharzttitel bereits, als ich<br />
nach München kam, konnte aber hier den<br />
Schwerpunkt Alterspsychiatrie klinisch<br />
vervollständigen.<br />
12<br />
Ein Blick über den Gartenzaun<br />
Welche Hürden musstest du<br />
über winden, um den Aufenthalt zu<br />
organisieren?<br />
Mit dem Facharzttitel ist es dank dem<br />
gegenseitigen Anerkennungsabkommen<br />
sehr einfach, in Deutschland zu arbeiten.<br />
Für Assistenzärztinnen und -ärzte in Weiterbildung,<br />
also noch ohne Facharzttitel,<br />
stellen sich schon mehr Fragen. Diese<br />
müssen mit der jeweiligen Landesärztekammer<br />
angeschaut und gelöst werden.<br />
Gibt es trotzdem etwas, das dich<br />
überrascht hat und das du vor deinem<br />
Aufenthalt anders oder falsch eingeschätzt<br />
hast?<br />
Was ich persönlich unterschätzt habe, war<br />
diese Übergangsphase, als ich zwischen<br />
Bern und München hin- und herpendelte.<br />
Es ist doch anstrengend, wenn man zwei<br />
Standorte bedient. Grundsätzlich empfinde<br />
ich es aber als ein unglaubliches Privileg,<br />
dass man hier im europäischen Raum<br />
so einfach zwischen den Ländern wechseln<br />
kann und dass es da relativ wenige<br />
formale Hürden gibt. Ich bin ein grosser<br />
Fan davon, verschiedene Kontexte kennenzulernen<br />
und Erfahrungen auszutauschen.<br />
Das habe ich im Studium schon<br />
geschätzt, später in der Weiterbildung und<br />
jetzt auch in der Phase der Fortbildung.<br />
Der Austausch zwischen den Systemen<br />
und Kulturen ist vor allem inspirierend,<br />
wenn auch oft herausfordernd und anstrengend<br />
– man muss sich bemühen.<br />
Was gefällt dir besonders gut<br />
in München?<br />
Vom Fachlichen her ist es vergleichbar mit<br />
der Schweiz. Ich könnte auch kaum sagen,<br />
was hier besser oder schlechter ist. Ein<br />
Unterschied ist jedoch, dass sich junge<br />
Eltern für die Elternschaft mehr Zeit nehmen<br />
können. Dies dank der Elternzeit, die<br />
es in der Schweiz in der Form nicht gibt.<br />
Diese sozialsystemischen Rahmenbedingungen<br />
sind hier sicher ein bisschen hilfreicher.<br />
Vom Lebensstandard her ist es in<br />
München sehr ähnlich wie in der Schweiz.<br />
Man hat ein riesiges kulturelles Angebot,<br />
wie in der Schweiz auch. Die Berge sind<br />
ein bisschen weiter weg, aber erreichbar<br />
und an guten Tagen auch sichtbar. Der<br />
Wechsel von der Schweiz nach München<br />
ist wahrscheinlich einer der sanftesten<br />
Wechsel, die man sich vorstellen kann.<br />
In der losen Serie «Andere Länder – andere Medizin?» sprechen wir mit Ärztinnen und<br />
Ärzten, die während einer gewissen Zeit im Ausland arbeite(te)n. Welche Erfahrungen haben<br />
sie dabei gemacht? Was läuft besser, was schlechter als in der Schweiz?<br />
Ärztinnen und Ärzte, die über ihre eigenen Erfahrungen berichten möchten, dürfen sich<br />
gerne bei der Redaktion melden: journal@<strong>vsao</strong>.ch<br />
Zur Person<br />
Severin Pinilla ist Facharzt für<br />
Psychiatrie und Psychotherapie und<br />
habilitiert im Fach Psychiatrie mit<br />
medizindidaktischem Schwerpunkt.<br />
Er arbeitet seit Juli 2023 als ärztlicher<br />
Leiter im Team des Psychotherapeutischen<br />
Gesundheitszentrums<br />
in München.<br />
Gibt es trotzdem etwas, das du<br />
vermisst?<br />
Was ich an der Schweiz sehr schön finde,<br />
ist die Sprachenvielfalt und dass sich die<br />
Menschen auch über diese Vielfalt definieren.<br />
Dass beispielsweise Sprachkompetenz<br />
in zwei Landessprachen gefühlt vorausgesetzt<br />
wird. Das fehlt mir ein bisschen<br />
an der Mentalität in Deutschland. In München<br />
selbst, mit seinen vielen internationalen<br />
Unternehmen und Forschungseinrichtungen,<br />
ist das aber auch wieder<br />
anders. Da kommt man im Berufsalltag<br />
auch mit anderen Sprachen und Kulturen<br />
in Berührung.<br />
Was sind die wichtigsten Unterschiede<br />
zwischen dem deutschen und dem<br />
schweizerischen Gesundheitssystem?<br />
In der Schweiz müssen sich Patientinnen<br />
und Patienten wie auch die Ärzteschaft<br />
besser informieren; es gibt mehr Wahlmöglichkeiten<br />
zwischen Versicherungsmodellen,<br />
und man muss wissen, welche<br />
Leistungen abgedeckt sind und welche<br />
nicht. In Deutschland hingegen hat man –<br />
wenn überhaupt – nur die Wahl zwischen<br />
gesetzlicher und privater Versicherung.<br />
Alle Leistungen, die bewilligt sind, werden<br />
vergütet; da muss man sich als Patientin<br />
oder Patient nicht gross überlegen, ob<br />
man zum Arzt geht oder nicht. Es gibt keinen<br />
signifikanten Selbstbehalt und keine<br />
Franchise wie in der Schweiz. Man kann<br />
sich auf sehr unkomplizierte Weise untersuchen<br />
lassen, wohingegen sich Patientinnen<br />
und Patienten in der Schweiz<br />
manchmal mehr Gedanken machen. Es ist<br />
also eine andere Art der Steuerung als in<br />
der Schweiz.<br />
In beiden Systemen kämpft man natürlich<br />
mit allgemeiner Ressourcenknappheit.<br />
Die Wartefristen im Bereich Psychiatrie<br />
und Psychotherapie sind in beiden Ländern<br />
ein Thema, in Deutschland ist das<br />
vielleicht noch akzentuierter, wobei es in<br />
beiden Ländern regional sehr unterschiedlich<br />
ist: Je ländlicher, desto schwieriger.<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Wie sieht es mit den Arbeitsbedingungen<br />
aus? Gibt es Unterschiede zwischen<br />
der Schweiz und Deutschland?<br />
In der Schweiz gilt ja für Weiterzubildende<br />
in der Regel die 50-Stunden-Woche. In<br />
Deutschland sind es 42 Stunden, aber in<br />
der Realität ist es in beiden Ländern so,<br />
dass man normalerweise eher mehr arbeitet<br />
als vereinbart. Ich glaube, da sind die<br />
Unterschiede zwischen den Fachrichtungen<br />
und den Einsatzorten – Unispital,<br />
Kantonsspital, Regionalspital oder Privatspital<br />
– wahrscheinlich wichtiger und grösser<br />
als der Systemunterschied Schweiz–<br />
Deutschland. Man kann in beiden Systemen<br />
sehr viel arbeiten und sehr viele<br />
Überstunden machen, aber man kann –<br />
wenn man die Fachrichtung und die Einsatzorte<br />
entsprechend wählt – auch mit<br />
weniger Arbeit und weniger Überstunden<br />
durch die Weiterbildungszeit kommen.<br />
Deutliche Unterschiede bestehen in<br />
der Weiterbildungskultur. In der Schweiz<br />
gibt es seit vielen Jahren eine regelmässige<br />
Weiterbildungsevaluation, die so in<br />
Deutschland nicht existiert. Diese Mentalität,<br />
die Weiterbildung ernst zu nehmen<br />
und auch entsprechende Investitionen zu<br />
tätigen, ist in der Schweiz besser verankert.<br />
Im deutschen Weiterbildungssystem<br />
gibt es einzelne Fächer, die gut unterwegs<br />
sind und sich weiterentwickeln wollen,<br />
aber dieser Wille besteht nicht so flächendeckend<br />
wie in der Schweiz. Dies zeigt<br />
sich auch bezüglich der Weiterbildungskosten,<br />
gerade im Bereich Psychiatrie und<br />
Psychotherapie. In der Schweiz ist zwar<br />
nicht alles abgedeckt, was an Kosten anfällt,<br />
und einiges muss selbst übernommen<br />
werden. Aber im Vergleich zu<br />
Deutschland oder anderen europäischen<br />
Ländern übernehmen die Arbeitgebenden<br />
in der Schweiz einen relativ grossen Anteil<br />
an den Weiterbildungskosten.<br />
Kommst du gerne wieder zurück, oder<br />
würdest du lieber noch länger bleiben?<br />
Ich freue mich auf jeden Fall, in Bern in<br />
meinem Schwerpunktgebiet, der Alterspsychiatrie,<br />
auch wissenschaftlich wieder<br />
mehr machen zu können. Es gibt viele<br />
spannende Projekte und Themen, auf die<br />
ich mich inhaltlich freue. Trotzdem wird<br />
es eine anstrengende Zeit, weil übergangsweise<br />
wieder Pendeln angesagt ist. Insofern<br />
ist meine Antwort auf deine Frage ein<br />
klares Jein.<br />
Anzeige<br />
Spezialbehandlung<br />
für Ärzte.<br />
Profitieren Sie von der innova Lohnausfallversicherung<br />
mit der Verbandslösung für Mitglieder von mediservice <strong>vsao</strong>-asmac.<br />
Exklusiv für Mitglieder von mediservice <strong>vsao</strong>-asmac: Die Lohnausfallversicherung von innova mit<br />
interessanten Prämien! Schützen Sie sich vor den wirtschaftlichen Folgen eines Lohnausfalls wegen<br />
Krankheit oder Unfall und verfügen Sie über ein gesichertes Einkommen. Mit der Verbands lösung<br />
sind Sie während Ihrer gesamten Berufslaufbahn Ihren Bedürfnissen entsprechend versichert – von<br />
der Ausbildungszeit bis zu einer möglichen Selbständigkeit.<br />
Interessiert? Verlangen Sie jetzt eine Beratung unter 031 350 44 22 oder info@mediservice-<strong>vsao</strong>.ch<br />
Inserat_VSAO_A5_quer_d_918330-gelöst.indd 1 18.05.22 15:44<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 13
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Der korrekte<br />
Umgang<br />
mit Wundfotos<br />
Bei ihrer Arbeit im Spital kommen Ärztinnen und Ärzte immer wieder<br />
in Kontakt mit sensiblen Gesundheitsdaten wie etwa Bildern von<br />
Verletzungen. Wann das Erstellen und Weitergeben solcher Bilder zulässig ist,<br />
hängt von verschiedenen Faktoren ab.<br />
Florim Loshi, BLaw, Masterstudent an der Universität Bern, Mitarbeiter Recht, <strong>vsao</strong><br />
Dürfen Ärztinnen und Ärzte ein solches Foto machen und weitergeben? Die Antwort ist nicht ganz einfach.<br />
Im ärztlichen Alltag hat sich die Praxis<br />
entwickelt, Fotos von Wunden<br />
oder Verletzungen anzufertigen<br />
und diese mit Kolleginnen und Kollegen<br />
zu teilen – sei es zum fachlichen<br />
Austausch oder aus reinem Interesse.<br />
Doch dürfen Ärztinnen und Ärzte solche<br />
Wundfotos aus datenschutzrechtlicher<br />
Sicht überhaupt erstellen und an Kolleginnen<br />
und Kollegen weiterversenden?<br />
Bundesrecht oder kantonales Recht?<br />
Nebst dem eidgenössischen Datenschutzgesetz<br />
(DSG; SR 235.1) kennen auch die<br />
Kantone eigene Datenschutzgesetze. Öffentlich-rechtliche<br />
Spitäler sowie Listenspitäler,<br />
die im Rahmen ihres Leistungsauftrages<br />
Leistungen erbringen, stellen<br />
kantonale Behörden dar und unterstehen<br />
in dieser Funktion dem kantonalen Datenschutzrecht.<br />
Private Leistungserbringer<br />
unterstehen dem Bundesrecht. Die folgenden<br />
Ausführungen beziehen sich auf<br />
das DSG, können aber mutatis mutandis<br />
auf die kantonalen Datenschutzgesetze<br />
übertragen werden.<br />
Was sind Personendaten?<br />
Damit Fotografien in den Anwendungsbereich<br />
des DSG fallen, müssen diese Personendaten<br />
darstellen. Gemäss Art. 5 lit. a<br />
Bild: Adobe Stock<br />
14<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
DSG sind Personendaten «alle Angaben, die<br />
sich auf eine bestimmte oder bestimmbare<br />
natürliche Person beziehen». Das heisst: Es<br />
muss sich (1) um eine Angabe mit (2) Personenbezug<br />
handeln, und die Person muss (3)<br />
mindestens bestimmbar sein. Der Begriff<br />
des Personendatums ist weit zu verstehen.<br />
Bestimmbarkeit hängt von<br />
Betrachtenden ab<br />
Eine Person ist bestimmbar, wenn sich ihre<br />
Identität entweder direkt oder aus dem<br />
Kontext der Daten ergibt, wobei die Identifizierung<br />
ohne unverhältnismässigen<br />
Aufwand möglich sein muss. Der Aufwand<br />
ist unverhältnismässig, wenn nach der allgemeinen<br />
Lebenserfahrung nicht damit<br />
gerechnet werden muss, dass eine Person<br />
diesen auf sich nehmen wird. Die Bestimmbarkeit<br />
hängt vom Blickwinkel der<br />
Datenbearbeitenden ab. Eine Person kann<br />
aufgrund des Zusatzwissens der Datenbearbeitenden<br />
bestimmbar sein, für andere<br />
ist sie es hingegen nicht.<br />
Wenn auf dem Bild eindeutig identifizierbare<br />
Merkmale wie etwa ein Tattoo ersichtlich<br />
sind, handelt es sich bei den Fotografien<br />
um Personendaten. Auch wenn<br />
keine solchen Merkmale vorliegen, hat es<br />
die behandelnde ärztliche Fachperson mit<br />
Personendaten zu tun, da sie von den Bildern<br />
auf die Identität der Person schliessen<br />
kann. Fertigt sie ein Bild an, wird sie<br />
sich daran erinnern, von wem das Bild<br />
stammt. Die Person bleibt bestimmbar.<br />
Selbst wenn sich eine Ärztin oder ein Arzt<br />
nicht mehr an die behandelte Person erinnert,<br />
dürfte es mit verhältnismässigem<br />
Aufwand möglich sein, diese mittels des<br />
spitalinternen Systems zu identifizieren.<br />
Bei Fotos von Wunden handelt es sich<br />
also in den meisten Fällen um sensible<br />
Personendaten, die besonders schützenswert<br />
sind. Daher kommt das DSG mit seinen<br />
Bestimmungen zur Datenbearbeitung<br />
zur Anwendung.<br />
Voraussetzungen für das Bearbeiten<br />
von Personendaten<br />
Gemäss Art. 5 lit. d DSG stellt «jeder Umgang<br />
mit Personendaten, […] insbesondere<br />
das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden,<br />
Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren<br />
oder Vernichten von Daten»,<br />
ein Bearbeiten von Daten dar. Es geht also<br />
um den Umgang mit Daten in irgendeiner<br />
Form. Bekanntgeben bedeutet, dass Personendaten<br />
einer Person zugänglich gemacht<br />
werden, die diese noch nicht bearbeitet<br />
hat. Auf die Art oder Form der<br />
Bekanntgabe kommt es nicht an.<br />
Patientendaten dürfen nur unter den<br />
folgenden Voraussetzungen bearbeitet<br />
werden:<br />
– Es liegt eine genügende gesetzliche<br />
Grundlage vor,<br />
– für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe<br />
ist die Bearbeitung erforderlich oder<br />
– die betroffene Person hat der Bearbeitung<br />
ausdrücklich zugestimmt.<br />
Zudem dürfen Personendaten nur für<br />
denjenigen Zweck verwendet werden, zu<br />
dem sie erhoben worden sind (Art. 6 Abs. 3<br />
DSG). Grundsätzlich ist dies die konkrete<br />
medizinische Behandlung.<br />
Ausdrückliche Einwilligung<br />
einholen<br />
Betreffend die Aufnahme von Fotos kann<br />
Folgendes festgehalten werden: Bereits<br />
für das Erstellen des Fotos braucht es also<br />
entweder eine gesetzliche Grundlage oder<br />
die Einwilligung der betroffenen Person.<br />
Ersteres ist nicht ersichtlich, weshalb in<br />
jedem Fall eine Einwilligung eingeholt<br />
werden muss. Da es sich bei solchen Bildern<br />
um besonders schützenswerte Personendaten<br />
handelt, muss die Einwilligung<br />
ausdrücklich erfolgen. Es ist zwar grundsätzlich<br />
möglich, dass diese Einwilligung<br />
bereits beim Spitaleintritt erfolgt, es ist<br />
aber zu empfehlen, im Einzelfall die ausdrückliche<br />
Einwilligung der betroffenen<br />
Person einzuholen.<br />
Ob die erstellten Fotos weiterversendet<br />
werden dürfen, hängt davon ab, an<br />
wen und zu welchem Zweck dies geschieht.<br />
Hilfspersonen unterstehen der<br />
gleichen Geheimhaltungspflicht wie die<br />
Ärztin oder der Arzt selbst, weshalb eine<br />
Weiterleitung der Bilder möglich ist. Als<br />
Hilfsperson gilt, wer die Geheimnistragenden<br />
bei ihrer Berufstätigkeit unterstützt<br />
und dabei von den vertraulichen<br />
Informationen Kenntnis erhält. Erfasst ist<br />
somit das gesamte Behandlungsteam. Die<br />
Verantwortung für die Datenbearbeitung<br />
verbleibt aber in jedem Fall bei den Geheimnistragenden,<br />
die verpflichtet sind,<br />
die nötigen Sorgfaltspflichten anzuwenden.<br />
Grundsätzlich sind Daten aber stets<br />
nur restriktiv herauszugeben.<br />
Zweck und Ziel sind entscheidend<br />
Die Weitergabe von Bildern an andere Ärztinnen<br />
und Ärzte ist grundsätzlich unzulässig,<br />
sofern nicht die Einwilligung der<br />
betroffenen Person vorliegt. Eine solche<br />
kann allerdings beim Beizug einer Konsiliarärztin<br />
bzw. eines Konsiliararztes stillschweigend<br />
angenommen werden. Gleiches<br />
gilt bei der Einlieferung von bewusstlosen<br />
Notfallpatientinnen und -patienten.<br />
Werden die Bilder zu anderen Zwecken<br />
als der medizinischen Behandlung<br />
versendet, etwa aus reiner Neugierde oder<br />
Interesse, so ist zu differenzieren. Ist der<br />
Empfänger beispielsweise ein Arzt, der im<br />
gleichen Spital arbeitet, so ist anzunehmen,<br />
dass auch ihm die Identifikation der<br />
behandelten Person ohne unverhältnismässigen<br />
Aufwand möglich ist. Die Fotos<br />
stellen auch für ihn Personendaten dar.<br />
Die zweckfremde Verwendung ist ohne<br />
entsprechende Einwilligung der behandelten<br />
Person daher nicht gestattet.<br />
Werden die Bilder hingegen an eine<br />
Person versendet, die die betroffene Person<br />
nicht identifizieren kann, zum Beispiel<br />
eine Ärztin in einem anderen Spital<br />
oder eine Drittperson, so fehlen den Fotos<br />
die Eigenschaft als Personendaten, und<br />
der Versand ist zulässig.<br />
Keine privaten Geräte<br />
Werden Personendaten weitergegeben, so<br />
ist stets die Datensicherheit gemäss Art. 8<br />
Abs. 1 DSG zu gewährleisten. Die Bilder<br />
sind daher nicht über Messenger-Dienste<br />
wie WhatsApp zu versenden. Es ist auf eine<br />
Verschlüsselung zurückzugreifen, die<br />
dem aktuellen Stand der Technik entspricht.<br />
Zudem ist sowohl für die Aufnahme<br />
als auch für den Versand des Fotos<br />
nicht ein privates Gerät, sondern eines des<br />
Arbeitgebers zu verwenden.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 15
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Forschen lernen<br />
Am Anfang steht<br />
die Frage<br />
Als ich zu Beginn meiner<br />
Karriere einen arrivierten<br />
Forscher nach einem Forschungsthema<br />
fragte, gab<br />
er mir den folgenden brillanten Rat:<br />
«Gehe einfach auf MEDLINE und suche,<br />
was es zum Thema noch nicht gibt.»<br />
Ich habe nichts gefunden.<br />
Erfolgreiche wissenschaftliche<br />
Projekte zeichnen sich durch eine gute<br />
Fragestellung aus. Diese muss innovativ<br />
und natürlich beantwortbar sein. Doch<br />
wie finden angehende Forschende eine<br />
passende Studienfrage? Vielleicht helfen<br />
die folgenden Tipps, die ich seit meiner<br />
ersten MEDLINE-Suche gesammelt habe.<br />
– Müssen oder wollen Sie forschen?<br />
Falls Sie lediglich für Ihren Facharzttitel<br />
eine wissenschaftliche Arbeit schreiben<br />
müssen, seien Sie beim Thema nicht<br />
zu wählerisch. Am besten fragen Sie in<br />
einem etablierten Forschungsinstitut<br />
nach, ob Sie sich an einem laufenden<br />
Projekt beteiligen können. Das garantiert<br />
in der Regel eine strukturierte<br />
Betreuung und zeitliche Verbindlichkeit,<br />
weil das führende Institut das<br />
Gesamtprojekt vorantreiben will.<br />
– Falls Sie hingegen forschen wollen, weil<br />
es Sie interessiert und Sie eine Forschungskarriere<br />
anstreben, haben Sie<br />
vermutlich bereits ein Interessengebiet<br />
eingegrenzt. Inspiration zu spannenden<br />
Fragen finden Sie in Ihrem Netzwerk,<br />
das Sie ohnehin bereits zu Beginn<br />
Ihrer Karriere aufbauen sollten.<br />
– Suchen Sie den Kontakt zu klinisch<br />
erfahrenen Kolleginnen und Kollegen,<br />
die vieles hinterfragen und gerne über<br />
ihre Forschung reden. Diskutieren Sie<br />
über die aktuellen Probleme und<br />
Herausforderungen in Ihrem Fachgebiet<br />
und darüber, welche Themen in<br />
der Zukunft wichtig sein werden. Und<br />
fragen Sie diese Personen direkt an, ob<br />
Sie gemeinsam eine Forschungsfrage<br />
entwickeln könnten.<br />
– Vermeiden Sie allgemeine Fragen.<br />
Suchen Sie ein klar eingegrenztes<br />
Problem, das eine ebenso klare Antwort<br />
verlangt.<br />
– Ein gutes Fundament für zukünftige<br />
Publikationen kann ein systematischer<br />
Review sein, in dem Sie die existierende<br />
Literatur zu einem Thema zusammenfassen<br />
und gleichzeitig das<br />
Forschungsgebiet gut kennenlernen.<br />
Solche Reviews lassen sich auch gut<br />
publizieren.<br />
Vergessen Sie nicht, dass Forschung<br />
immer eine Teamarbeit ist. Für ein<br />
erfolgreiches Gelingen ist ein guter Teamgeist<br />
mindestens ebenso wichtig wie die<br />
fachlichen Kompetenzen der Teammitglieder.<br />
Wenn das Zwischenmenschliche<br />
passt, kann aus jeder Studienfrage ein<br />
interessantes Projekt entstehen.<br />
Lukas Staub,<br />
klinischer Epidemiologe,<br />
Redaktionsmitglied des<br />
<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s<br />
Bild: zvg<br />
16<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Kommunikation:<br />
eine vernachlässigte<br />
Kompetenz<br />
«Ich komme später noch mal vorbei.» Dieser Satz,<br />
der insbesondere von uns Ärztinnen und Ärzten<br />
im Spitalalltag gebraucht wird, ist sowohl bei<br />
Visiten als auch Patientenaufnahmen absolut<br />
etabliert. Aber gehen wir später wirklich noch einmal vorbei?<br />
Häufig vergehen bis dahin Stunden, oder der nächste persönliche<br />
Kontakt ist erst die Visite am Folgetag.<br />
Dass wir Gespräche oft hinauszögern, kann verschiedene<br />
Gründe haben. Zum einen können<br />
Patientengespräche lang, herausfordernd<br />
und bisweilen auch anstrengend sein.<br />
Dazu fehlt in einem meist schon überfüllten<br />
Terminkalender oft die nötige<br />
Zeit. Zum anderen möchten wir uns<br />
vielleicht aus einer schwierigen Gesprächssituation<br />
befreien oder eine<br />
komplexe Entscheidung vertagen.<br />
Was liegt da näher, als die betroffene<br />
Person auf später zu vertrösten?<br />
Der nächste Dienst kommt<br />
gewiss, und das versprochene Folgegespräch<br />
sinkt in unserer Priorität<br />
immer weiter ab. Nicht selten endet die<br />
Situation damit, dass wir am Folgetag<br />
auf der Visite mit exakt derselben Situation<br />
konfrontiert werden.<br />
Während unseres sechsjährigen Medizinstudiums<br />
sezieren wir den menschlichen Körper bis ins<br />
kleinste Detail, lernen bemerkenswerte biochemische Stoffwechselprozesse<br />
kennen und beschäftigen uns mit seltensten<br />
Krankheitsbildern. Doch wie kommunizieren wir komplexe<br />
medizinische Zusammenhänge richtig und vor allem so, dass<br />
Laien sie verstehen und nach Möglichkeit auch selbst Entscheidungen<br />
treffen können? Dies ist eine Frage, die derzeit<br />
weder im Studium noch in der darauffolgenden, langjährigen<br />
Facharztausbildung adäquat behandelt wird.<br />
Auf den<br />
Punkt<br />
gebracht<br />
In einem Beruf, in dem der zwischenmenschlichen<br />
Kommunikation eine Hauptrolle zukommt, ist die Kommunikationsfähigkeit<br />
eine Kernkompetenz. Genau diese Kernkompetenz<br />
wird aber weder im Medizinstudium noch in der<br />
ärztlichen Weiterbildung ausreichend vermittelt. Da wir<br />
aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Bürokratisierung<br />
immer weniger Zeit mit Patientinnen und Patienten<br />
verbringen, 1 gewinnt diese wenige Zeit noch<br />
mehr an Bedeutung.<br />
Gute Gesprächsführung kann erlernt<br />
werden und ist wichtig, um das nötige<br />
Vertrauensverhältnis zu Patientinnen<br />
und Patienten aufzubauen. 2<br />
Die dazugehörigen Kompetenzen,<br />
zum Beispiel Verhandlungskompetenzen<br />
sowie Gesprächs- und<br />
Kommunikationstechniken,<br />
sollten möglichst frühzeitig in der<br />
medizinischen Ausbildung ein<br />
Thema sein, um auch in ethisch<br />
schwierigen Situationen angemessen<br />
auf die Patientinnen und<br />
Patienten eingehen zu können.<br />
Ebenso sollten in diesem Rahmen auch<br />
soziale und emotionale Kompetenzen<br />
vermittelt werden, wie dies in vielen Ländern<br />
bereits in der Schulzeit geschieht.<br />
Eine ganzheitliche Spitzenmedizin im Sinne<br />
unserer Patientinnen und Patienten ist nur mit Spitzenkommunikation<br />
möglich. Höchste Zeit, dass auch wir diese Kompetenzen<br />
stärker in unsere ärztliche Aus- und Weiterbildung integrieren.<br />
Die Erarbeitung und Einführung der EPA (Entrustable<br />
Professional Activities) in den kommenden Jahren bietet aus<br />
meiner Sicht eine hervorragende Möglichkeit, um der Kommunikationskompetenz<br />
die angemessene Bühne zu geben.<br />
1<br />
Butler R., Monsalve M., Thomas G. W., Herman T., Segre A. M., Polgreen P. M.,<br />
Suneja M. Estimating Time Physicians and Other Health Care Workers Spend<br />
with Patients in an Intensive Care Unit Using a Sensor Network.<br />
Am J Med. 2018 Aug; 131(8): 972.e9-972.e15. doi: 10.1016/j.amjmed.2018.03.015.<br />
Epub 2018 Apr 9. PMID: 29649458.<br />
Bild: zvg<br />
2<br />
Gu L., Tian B., Xin Y., Zhang S., Li J., Sun Z. Patient perception of doctor<br />
communication skills and patient trust in rural primary health care: the<br />
mediating role of health service quality. BMC Prim Care. 2022 Sep 29; 23(1):<br />
255. doi: 10.1186/s12875-022-01826-4. PMID: 36175839; PMCID: PMC9520094.<br />
Richard Mansky,<br />
Leiter Ressort Weiter- und<br />
Fortbildung <strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 17
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Eine Führungspersönlichkeit weiss das Potenzial des Teams, seine Fähigkeiten und das vorhandene Wissen gezielt zu nutzen.<br />
Next Level<br />
Leadership<br />
im klinischen<br />
Alltag<br />
Stets den Überblick bewahren, transparent kommunizieren,<br />
Aufgaben zuweisen und deren Ausführung überwachen:<br />
Für junge Oberärztinnen und -ärzte ist die neue Rolle als Führungspersönlichkeit<br />
oft ungewohnt. Einige Tipps.<br />
Dr. med. Christine Roten, Spitalfachärztin I, und Dr. med. Martin Perrig, Chefarzt,<br />
Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital Bern<br />
Bilder: Adobe Stock, zvg<br />
18<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Erfolgreiche Führungspersonen<br />
zeichnen sich dadurch aus,<br />
dass sie Visionen haben, Ziele<br />
definieren und diese klar kommunizieren.<br />
Sie sind in der Lage, ihr Team<br />
für die Umsetzung dieser Ziele und Visionen<br />
zu begeistern, zu motivieren und so<br />
die nötige Unterstützung zu gewinnen.<br />
Herausforderungen und Widerstände<br />
meistern sie geschickt mit Kreativität und<br />
Klarheit [1, 2, 3].<br />
Erwartungen und Zielvorgaben an<br />
Oberärztinnen und Oberärzte finden sich<br />
in Stellenbeschreibungen, Guidelines und<br />
Richtlinien der Klinik und in den Visionen<br />
eines Spitals. Oberärztinnen und -ärzte<br />
können auch ihre Vorgesetzten direkt auf<br />
die an sie gestellten Erwartungen und die<br />
Ziele ansprechen. So können sie im Einklang<br />
mit diesen die eigene, individuelle<br />
«Richtung» und «Strategie» ihres Verantwortungsbereichs<br />
festlegen.<br />
Auch Personen ohne definierte Leadership-Rolle<br />
können für eine konkrete<br />
Aufgabe eine Führungsrolle übernehmen.<br />
Dadurch können alle zum Erfolg einer Klinik<br />
beitragen [2, 3].<br />
Leadership bedeutet auch, mit Veränderungen<br />
konstruktiv umzugehen. Oberärztinnen<br />
und -ärzte sind mitverantwortlich,<br />
dass Innovationen und Änderungen<br />
in einer ganzen Klinik erfolgreich implementiert<br />
werden. Es gehört zu ihren Aufgaben,<br />
regelmässig Prozesse (Eintritte,<br />
Austritte, Visiten, Besprechungen, Berichte<br />
usw.) auf Optimierung zu hinterfragen,<br />
anzupassen oder zu erneuern, damit die<br />
Abläufe durch die Verminderung von<br />
Leerläufen verbessert werden können. Mit<br />
zunehmender Erfahrung können sie Probleme<br />
besser antizipieren und dadurch<br />
frühzeitig eingreifen.<br />
Bei anstehenden Veränderungen besteht<br />
ein Risiko, auf Widerstand zu stossen<br />
– meist aus Angst vor Einbussen und<br />
mangelnder Information über die Gründe<br />
einer Veränderung. Deshalb ist es sehr<br />
wichtig, sich bei der Implementierung von<br />
neuen Prozessen die nötige Zeit zu nehmen,<br />
um gut zu planen, wer welche Informationen<br />
wie erhalten soll. So werden<br />
Mitarbeitende bestmöglich (schriftlich/<br />
mündlich) motiviert.<br />
Was sind die Merkmale einer<br />
Führungspersönlichkeit?<br />
Erfolgreiche Teamleader verfügen über<br />
verschiedene Führungsstile und können<br />
diese dem Kontext anpassen. Je nach Situation<br />
und Bedürfnissen ihres Teams können<br />
sie zwischen Anweisen, Coachen, Unterstützen<br />
und Delegieren flexibel hin und<br />
her wechseln [4]. Eine Führungspersönlichkeit<br />
zeichnet sich unter anderem<br />
durch folgende Merkmale aus [5]:<br />
Der notwendige Blick fürs Ganze:<br />
Teamleader haben die Fähigkeit, jede Situation<br />
und neu auftretende Probleme<br />
aus einer grösseren Distanz zu beurteilen:<br />
Balcony Perspective [6]. Bezogen auf<br />
Oberärztinnen und -ärzte bedeutet dies,<br />
neben der Perspektive der Arzt-Patienten-Beziehung<br />
auch stets die organisatorische,<br />
interprofessionelle Perspektive<br />
einzunehmen und die Herausforderungen<br />
auf der höheren Ebene (Klinik, Spitalebene)<br />
einzubeziehen.<br />
Beispiel<br />
Oberärztinnen und -ärzte besprechen Anfang<br />
Woche und jeweils morgens die Ziele<br />
und spezifischen Aufgaben des Tages und<br />
der Woche mit ihrem Team. Sie benutzen in<br />
der Formulierung bewusst «wir» statt<br />
«ich», wodurch die Assistenzärztinnen und<br />
-ärzte sich als Teil des Teams fühlen.<br />
Prioritäten setzen und delegieren:<br />
Bewusstes Trennen zwischen Wesentlichem<br />
und Unwesentlichem erleichtert es,<br />
die Komplexität des Alltags in den Griff zu<br />
kriegen. Führungspersönlichkeiten sind<br />
in der Lage, die Planung, die Entscheidung<br />
und das Erledigen von Arbeiten zu<br />
priorisieren und an die richtigen Personen<br />
zu delegieren. Oberärztinnen und<br />
-ärzte kennen ihr Team so gut, dass sie<br />
wissen, wem sie was delegieren können.<br />
Was sind meine Aufgaben<br />
als Oberärztin/<br />
Oberarzt?<br />
Eine grosse Herausforderung für junge<br />
Oberärztinnen und -ärzte ist die – für<br />
viele neue – Funktion der/des Vorgesetzten<br />
mit Übernahme von Verantwortung<br />
für ein ganzes Team. Dies<br />
bedeutet, zu lernen, Aufgaben zu<br />
delegieren und zu kontrollieren.<br />
Neben der Leader-Rolle übernehmen<br />
Oberärztinnen und -ärzte auch Verantwortung<br />
im Management einer Klinik<br />
sowie weitere Aufgaben wie etwa die<br />
Einsatzplanung. Weiter stellen sie in<br />
ihrem Bereich sicher, dass die Prozesse,<br />
die Ressourcen und auftauchende<br />
Probleme strukturiert evaluiert,<br />
optimiert und gelöst werden [1].<br />
Es braucht dabei klare Anweisungen, was<br />
wann wie zu erfolgen hat.<br />
Beispiele<br />
Die Oberärztin lässt dem Assistenten die<br />
Wahl und die Frequenz der Laborbestimmung.<br />
Der Assistent ist dadurch aufgefordert,<br />
mitzudenken, und lernt, selbst zu entscheiden.<br />
Dabei soll er seine Laboraufträge<br />
gegenüber der Oberärztin begründen. Die<br />
Entscheide werden besprochen und falls<br />
nötig korrigiert. Die Oberärztin nimmt keine<br />
eigenen Verordnungen vor, um so dem<br />
Assistenten klar seinen Verantwortungsbereich<br />
sichtbar zu machen.<br />
Ein Leitfaden zur oberärztlichen Tätigkeit<br />
Der Schritt von der Assistenzzeit hin zur oberärztlichen<br />
Tätigkeit ist mit vielen neuen Aufgaben verbunden. Neben<br />
den fachlichen Kompetenzen sind auch vermehrt überfachliche<br />
Kompetenzen wie eine gute Kommunikation<br />
sowie didaktische und Führungsqualitäten gefordert. Die<br />
Artikelserie «Next Level» zeigt entsprechende Herausforderungen<br />
auf und bietet praktische Tipps und Unterstützung<br />
für die tägliche Arbeit. Die leicht angepassten und<br />
teilweise stark gekürzten Texte stammen aus dem Leitfaden<br />
«Die oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausforderung»<br />
und wurden vom Verlag Hogrefe sowie den jeweiligen<br />
Autorinnen und Autoren freundlicherweise für einen Nachdruck<br />
zur Verfügung gestellt. Der gesamte Leitfaden mit<br />
den ungekürzten Texten und weiteren Themen ist beim Verlag Hogrefe oder bei der<br />
Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) erhältlich.<br />
Roten C, Perrig M (Hrsg.): Die oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausforderung.<br />
Ein praktischer Leitfaden. 1. Auflage, Bern: Hogrefe Verlag, 2021.<br />
www.hogrefe.com, www.sgaim.ch<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 19
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Unerfahrenen Assistenzärztinnen und<br />
-ärzten werden zu Beginn ihrer klinischen<br />
Tätigkeit die meisten Therapiekonzepte<br />
vorgeschrieben. Sie sollen alle Verordnungen<br />
mit ihren Vorgesetzten vorbesprechen.<br />
Mit zunehmender Erfahrung erhalten sie<br />
immer mehr Selbstständigkeit. Bei Zeitdruck<br />
oder in Notfallsituation ist es wichtig,<br />
dass die Aufgaben klar und explizit definiert,<br />
kommuniziert und delegiert werden.<br />
Ungenutztes Potenzial erkennen:<br />
Durch Zuhören, Beobachten und aktive<br />
Kommunikation erkennen Oberärztinnen<br />
und -ärzte das Potenzial des gesamten Betreuungsteams,<br />
seine Fähigkeiten, das<br />
vorhandene Wissen und die Erfahrung.<br />
Dies ist die Grundlage, um interdisziplinär<br />
und interprofessionell effizient arbeiten<br />
zu können.<br />
«Wir» statt «ich»: Die richtigen Botschaften und ein regelmässiger Austausch helfen, ein Team<br />
zusammenzuschweissen.<br />
Anzeige<br />
www.hogrefe.com<br />
Alexander Ghanem<br />
Die Anatomie der Zeit –<br />
Selbstmanagement<br />
für Ärzte<br />
Eine Anleitung, um Zeitfenster<br />
wirksam frei zu präparieren<br />
Das Buch interpretiert das Selbstmanagement<br />
für Mediziner * innen<br />
als ein ganzheitliches Modell. Mit einer<br />
Zeitplanung, die die besonderen<br />
Herausforderungen in medizinischen Berufen berücksichtigt,<br />
hat der Autor ein Jonglage-Modell entworfen, um das Leben<br />
wieder in Freude, Leichtigkeit und Sinnhaftigkeit zu bringen.<br />
2021. 152 S., 5 Abb., 2 Tab., Kt.<br />
€ 30,00 (DE) / € 30,80 (AT) / CHF 40.90<br />
ISBN 978-3-456-86148-7<br />
Auch als eBook erhältlich<br />
Beispiel<br />
Oberärztinnen und -ärzte holen die Beurteilung<br />
ihrer Mitarbeitenden aktiv ein und<br />
zeigen Interesse an der Meinung des Teams.<br />
Sie betonen die Stärken, nicht die Schwächen<br />
der Mitarbeitenden, loben und anerkennen<br />
gut gemachte Arbeiten und bedanken<br />
sich.<br />
Mut zur Klarheit: Oberärztinnen und<br />
-ärzte sind auch mit unangenehmen Situationen<br />
konfrontiert (z. B. mit unzufriedenen<br />
Patientinnen, Patienten und Angehörigen,<br />
schwierigen Assistentinnen und<br />
Assistenten, Konflikten mit der Pflege<br />
usw.). Sie tragen die Verantwortung für<br />
das Ansprechen und Lösen dieser Situationen.<br />
Um die Zusammenarbeit und die<br />
Qualität der Arbeit aufrechterhalten zu<br />
können, ist es nötig, Probleme und Konflikte<br />
frühzeitig zu erkennen und aktiv anzugehen,<br />
auch wenn damit unangenehme<br />
Forderungen oder Fragen verbunden sein<br />
können. Hier kann es nötig sein, Durchsetzungsstärke<br />
zu zeigen, unter Wahrung<br />
der notwendigen Distanz. Schwierige Situationen<br />
mit den notwendigen Konsequenzen<br />
und Entscheidungen können mit<br />
etwas Erfahrung auf respektvolle Art angesprochen<br />
werden. Dadurch gelingt es,<br />
tragfähige Lösungen zu erarbeiten und<br />
langfristig eine positive Entwicklung zu<br />
schaffen.<br />
Beispiele<br />
Klare Visionen führen manchmal dazu,<br />
Nein sagen zu müssen. Dadurch erzielt<br />
man Vertrauenswürdigkeit und wird als<br />
Führungspersönlichkeit besser respektiert,<br />
Bild: Adobe Stock<br />
20<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
als wenn man sich mit allem einverstanden<br />
erklärt.<br />
Als Oberärztin/Oberarzt ist es sehr unangenehm,<br />
unzureichenden Assistentinnen<br />
und Assistenten negatives Feedback geben<br />
zu müssen, längerfristig ist es aber für die<br />
weitere Zusammenarbeit unabdingbar.<br />
Wie kann ich Leadership-Skills<br />
entwickeln?<br />
Leadership zu entwickeln, ist ein Prozess.<br />
Der erste Schritt dazu ist, sich mit der Führungsrolle<br />
und den damit verbundenen<br />
Aufgaben auseinanderzusetzen. Wer sich<br />
selbst kritisch hinterfragt, sein Verhalten<br />
analysiert und sich mit seinen Entscheidungen<br />
befasst, kann seine Fähigkeit, ein<br />
Team für seine Ziele zu motivieren und<br />
zum Ziel zu führen, verbessern. Zudem<br />
profitiert man sehr, wenn man sich gezielt<br />
in seinem Netzwerk über Führungsaufgaben<br />
und -schwierigkeiten austauscht. Um<br />
Feedback über sein Führungsverhalten zu<br />
erhalten, kann man aktiv die Meinung des<br />
Teams einholen. Dies bedingt, dass man<br />
offen für Kritik ist.<br />
Das Lernen und das Ausführen von<br />
Führungsfunktionen gehören zusammen.<br />
So kann bereits in der Assistenzzeit vermehrt<br />
nach Gelegenheiten Ausschau gehalten<br />
werden, Leadership zu praktizieren.<br />
Solche Gelegenheiten wären z. B. das<br />
Führen einer Visite, der Unterricht von<br />
Studierenden, das Führen eines Rundtischgespräches<br />
usw. Denn Leader ship-<br />
Skills entwickelt man durch regelmässiges<br />
Praktizieren, Selbstreflexion und das Einholen<br />
von Feedback.<br />
Literatur<br />
[1] Blumenthal DM, Bernard K,<br />
Bohnen J, Bohmer R. Addressing the<br />
leadership gap in medicine: residents’ need<br />
for systematic leadership development<br />
training. Acad Med. 2012;87(4):513–22.<br />
https://doi.org/10.1097/<br />
ACM.0b013e31824a0c47.<br />
[2] Collins-Nakai R. Leadership in<br />
medicine. Mcgill J Med. 2006;9(1):68–73.<br />
[3] Hackman JR. Leading Teams.<br />
Boston: Harvard Business Review Press;<br />
2002.<br />
[4] Dent J, Harden RM, Hunt D, eds.<br />
A practical Guide for Medical Teachers. 5 th<br />
ed. Amsterdam: Elsevier; 2017.<br />
[5] Kälin K, Müri P. Sich und andere<br />
führen. 16. Aufl. Bad Hersfeld: Ott-Verlag;<br />
2015.<br />
[6] Heifetz RA. Leadership without<br />
easy answers. Cambridge, Massachusetts:<br />
Harvard University Press; 1998.<br />
Weiterführende<br />
Literatur<br />
Kim MM, Barnato AE, Angus DC,<br />
Fleisher LA, Kahn JM. The effect of<br />
multidisciplinary care teams on intensive<br />
care unit mortality. Arch Intern Med.<br />
2010;170(4):369–76. https://doi.org/10.1001/<br />
archinternmed.2009.521.<br />
Neily J, Mills PD, Young-Xu Y, Carney<br />
BT, West P, Berger DH, et al. Association<br />
between implementation of a medical team<br />
training program and surgical mortality.<br />
JAMA. 2010;304(15):1693–700. https://doi.<br />
org/10.1001/jama.2010.1506.<br />
Stoller JK, Rose M, Lee R, Dolgan C,<br />
Hoogwerf BJ. Teambuilding and Leadership<br />
Training in an Internal Medicine Residency<br />
Training Program. J Gen Intern Med.<br />
2004;19(6):692–7. https://doi.<br />
org/10.1111/j.1525-1497.2004.30247.x.<br />
Wheelan SA, Burchill CN, Tilin F.<br />
The link between teamwork and patients’<br />
outcomes in intensive care units. Am J Crit<br />
Care. 2003;12(6):527–34. https://doi.<br />
org/10.4037/ajcc2003.12.6.527.<br />
Anzeige<br />
Ihre Partneragentur im Herzen von Zürich<br />
persönlich | seriös | kompetent<br />
Löwenstrasse 25, 8001 Zürich<br />
T +41 44 534 19 50<br />
M +41 79 774 00 84<br />
Wir freuen uns auf Ihre<br />
Kontaktaufnahme<br />
Kathrin Grüneis<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 21
<strong>vsao</strong><br />
Neues aus<br />
den Sektionen<br />
Basel<br />
Mitgliederversammlung<br />
VSAO Basel – Save the Date<br />
Der VSAO Basel hält seine Mitgliederversammlung<br />
dieses Jahr im Rahmen einer<br />
sehr interessanten Ausstellung ab. Am<br />
Mittwoch, 29. Mai <strong>2024</strong>, besuchen wir gemeinsam<br />
die Ausstellung «The End of<br />
Aging». Kontrovers und kreativ beleuchtet<br />
Michael Schindhelm in der Kulturstiftung<br />
Basel H. Geiger (KBH.G) die Frage nach<br />
der möglichen Verlängerung des Lebens.<br />
Das Thema der Unsterblichkeit beschäftigt<br />
die Menschheit von jeher. Fortschritte<br />
in Medizin und Biotechnologie lassen die<br />
Lebenserwartung stetig steigen, doch was<br />
bedeutet dies für die Gesellschaft? Michael<br />
Schindhelm, studierter Quantenchemiker<br />
und renommierter Kulturmanager,<br />
Autor und Filmemacher, untersucht diese<br />
Fragen in einer interdisziplinären, multimedialen<br />
Ausstellung. Für «The End of<br />
Aging» verwandeln sich die Räume der<br />
KBH.G in ein verlassenes Spital. Video-<br />
und Audioarbeiten konfrontieren die Besucherinnen<br />
und Besucher mit fiktiven,<br />
alterslosen Personen, die ihren Zustand<br />
beschreiben. In den Kurzfilmen wirken<br />
unter anderem Tabitha Frehner, Urs Baur<br />
alias Black Tiger, Graham Valentine, Jürg<br />
Kienberger und die Kinderschauspielerin<br />
Hana Motokura mit. Bekannte Forscherinnen<br />
und Forscher wie der Nobelpreisträger<br />
Venki Ramakrishnan oder Fiona<br />
Marshall, President of Biomedical Research<br />
bei Novartis, berichten über den<br />
aktuellen Stand der Forschung zur Verlängerung<br />
des Lebens und beschreiben, wie<br />
die weitere Entwicklung aussehen könnte.<br />
Nach dem Besuch der Ausstellung findet<br />
die Mitgliederversammlung in den<br />
Räumlichkeiten des Biozentrums in Basel<br />
statt. Bei einem Apéro riche haben die<br />
Teilnehmenden die Möglichkeit, sich auszutauschen<br />
und den Abend in einem geselligen<br />
Rahmen ausklingen zu lassen.<br />
Jenny Settembrini, Leiterin Kommunikation<br />
VSAO Basel<br />
Bern<br />
Mitgliederversammlung<br />
<strong>2024</strong> des VSAO Bern<br />
Einladung zur ordentlichen<br />
Mitgliederversammlung <strong>2024</strong><br />
des VSAO Bern<br />
Donnerstag, 25. <strong>April</strong> <strong>2024</strong>, Progr Bern<br />
(Aula), Waisenhausplatz 30, 3011 Bern<br />
Programm<br />
Ab 18.30 Uhr: kleiner Apéro<br />
19.00 Uhr: Mitgliederversammlung mit<br />
Michael Frei, Spoken Word Artist<br />
20.30 Uhr: Nachtessen und Tombola<br />
Traktanden<br />
1. Protokoll der ordentlichen Mitgliederversammlung<br />
2023<br />
2. Jahresrückblick 2023 des Präsidiums*<br />
3. Jahresrechnung 2023<br />
4. Budget <strong>2024</strong><br />
5. Mitgliederbeiträge 2025<br />
6. Neustrukturierung VSAO Bern und<br />
Bildung von Ressorts<br />
7. Wahlen (Präsidium, Vorstand)<br />
8. Lohnverhandlungen <strong>2024</strong><br />
9. 42+4-Stunden-Woche im Kanton Bern<br />
10. Fragen und Diskussion<br />
Melden Sie sich bis zum 18. <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />
online auf www.<strong>vsao</strong>-bern.ch an.<br />
* Der Jahresbericht ist auf Deutsch und Französisch<br />
auf der Website aufgeschaltet.<br />
Bitte für die Tombola-Lose Bargeld<br />
mitnehmen.<br />
Der VSAO Basel veranstaltet seine Mitgliederversammlung in den Räumlichkeiten<br />
des Biozentrums in Basel.<br />
Wir werden an der Mitgliederversammlung<br />
über die Neustrukturierung des<br />
VSAO Bern und vor allem über die Bildung<br />
von thematischen Ressorts informieren.<br />
Im letzten Jahr haben wir uns<br />
intensiv mit unserer Arbeit und mit den<br />
Schwerpunkten, die wir setzen wollen,<br />
auseinandergesetzt. Wir möchten nun in<br />
Bild: © Daisuke-Hirabayashi<br />
22<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
<strong>vsao</strong><br />
Bild: zvg<br />
den folgenden Bereichen Ressorts bilden:<br />
Arbeitsbe dingungen (unter anderem Entlöhnung,<br />
Gesamtarbeitsvertrag, Dienstpla<br />
nung, 42+4- Stunden-Woche), Kommissionen/Fakultät,<br />
Gleichstellung, Politik,<br />
Kommunikation/Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Planetary Health, Spitalverantwortliche<br />
und Weiterbildung. Damit soll unser<br />
Engagement intensiviert werden und gezielter<br />
erfolgen. Wir freuen uns über<br />
Mitwirkende. Interessierte, die nicht an<br />
der Mitgliedversammlung teilnehmen<br />
können, dürfen sich sehr gerne vorgängig<br />
bei Janine Junker (junker@<strong>vsao</strong>-bern.ch)<br />
melden.<br />
Dienstplanworkshop VSAO Bern –<br />
erster Vertiefungsworkshop<br />
«Wie erstelle ich einen guten Dienstplan<br />
unter Berücksichtigung von Freiwünschen,<br />
Kontinuität und Weiterbildung?»<br />
2. Mai <strong>2024</strong>, 18.30–21 Uhr, Bollwerk 10,<br />
Bern, mit Verpflegung<br />
Mit Noëmi Allemann, Dienstplanberaterin<br />
<strong>vsao</strong> und Oberärztin an der Universitätsklinik<br />
für Frauenheilkunde am Inselspital<br />
in Bern, und Thierry Herrmann,<br />
Oberarzt auf der Inneren Medizin am Spital<br />
Emmental in Burgdorf sowie Planungsverantwortlicher<br />
für die Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte.<br />
Nach einer kurzen Zusammenfassung<br />
der wichtigsten Punkte im Arbeitsgesetz<br />
geht es um die konkrete Erstellung eines<br />
Dienstplans am Beispiel Burgdorf, ergänzt<br />
mit Erfahrungen aus der Universitätsklinik<br />
für Frauenheilkunde. Daneben werden<br />
Planungstools vorgestellt, und es gibt<br />
ein Zeitfenster für individuelle Fragen.<br />
Eine vorgängige Teilnahme am<br />
Grundlagenworkshop ist ideal, aber nicht<br />
zwingende Voraussetzung.<br />
Anmeldungen sind ab sofort unter<br />
www.<strong>vsao</strong>-bern.ch möglich.<br />
Lohnverhandlungen <strong>2024</strong><br />
Die Lohnverhandlungen <strong>2024</strong> im Rahmen<br />
des Gesamtarbeitsvertrages Berner Spitäler<br />
und Kliniken konnten nach intensiven<br />
und sehr herausfordernden Verhandlungen<br />
mit allen Betrieben abgeschlossen<br />
werden. Die Inselgruppe AG setzt Lohnanpassungen<br />
von 2 Prozent um, und die regionalen<br />
Spitalzentren und psychiatrischen<br />
Kliniken solche von 1,85 Prozent. Der generelle<br />
Anteil der Lohnanpassungen wurde<br />
mit beiden Verhandlungspartnern (Inselgruppe<br />
AG / Regionale Spitalzentren<br />
und Psychiatrische Kliniken) gleich festgelegt.<br />
Abschluss der<br />
Lohnverhandlungen<br />
Der VSAO Bern führte im Rahmen des<br />
Gesamtarbeitsvertrages Berner Spitäler und<br />
Kliniken intensive und herausfordernde<br />
Lohnverhandlungen, die nun abgeschlossen<br />
werden konnten.<br />
Ab dem 1. <strong>April</strong> <strong>2024</strong> erhalten Mitarbeitende<br />
mit einem Jahreslohn von bis zu<br />
CHF 80 000 pro Jahr (bei einem Beschäftigungsgrad<br />
von 100 Prozent) eine Lohnerhöhung<br />
von CHF 75.– pro Monat bzw.<br />
CHF 975.– pro Jahr. Mitarbeitende mit einem<br />
Jahreslohn von über CHF 80 000.–<br />
bis CHF 100 000.– (bei einem Beschäftigungsgrad<br />
100 Prozent) erhalten eine<br />
Lohnerhöhung von CHF 50.– pro Monat<br />
bzw. CHF 650.– pro Jahr. Mitarbeitende<br />
mit einem Jahreslohn von über<br />
CHF 100 000.– erhalten keine generelle<br />
Lohn anpassung.<br />
Die Verhandlungen wurden vor dem<br />
Hintergrund der aktuellen finanziellen<br />
Notlage im Spitalwesen hart geführt und<br />
waren für alle Beteiligten sehr schwierig.<br />
Weil die tieferen Einkommen durch die<br />
Teuerung stärker belastet sind, haben wir<br />
den genannten Einkommensgrenzen<br />
schliesslich so zugestimmt. Wir sind uns<br />
bewusst, dass das Ergebnis ohne generelle<br />
Lohnerhöhung für alle – unter anderem<br />
für unsere Mitglieder – eine Reallohnsenkung<br />
bedeutet und dass dies keine zufriedenstellende<br />
Situation darstellt.<br />
Die Herausforderungen im Gesundheitswesen,<br />
insbesondere die nicht kostendeckenden<br />
Tarife und die fehlende Unterstützung<br />
durch die Politik, schränken<br />
die Verhandlungsspielräume stark ein.<br />
Die negativen Jahresrechnungen 2023<br />
und die unausgeglichenen Budgets <strong>2024</strong><br />
der Betriebe sind besorgniserregend. Gerade<br />
in Anbetracht des zunehmenden<br />
Fachkräftemangels müssen von der Politik<br />
Lösungsansätze geschaffen werden,<br />
wie die Spitäler finanziell entlastet werden<br />
können. Wir als Personalverbände werden<br />
uns hierfür weiterhin starkmachen, sind<br />
dabei aber auch auf die Unterstützung des<br />
Personals angewiesen.<br />
Die detaillierten Ergebnisse der Verhandlungen<br />
sind auf unserer Website zu<br />
finden.<br />
Janine Junker, Geschäftsführerin VSAO Bern<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 23
<strong>vsao</strong><br />
St. Gallen /<br />
Appenzell<br />
Sparrunde am KSSG<br />
beschäftigt nach wie vor<br />
Das Jahr ist noch jung, und doch sind wir<br />
in der Sektion St. Gallen und Appenzell bereits<br />
mit hochgekrempelten Ärmeln am<br />
Werk. Nach unserem letzten Aufruf zur<br />
(anonymen) Meldung von Unstimmigkeiten<br />
in den Spitälern sind einige Berichte<br />
eingegangen. So ist beispielsweise unser<br />
Dienstplanberater im Spital Herisau, am<br />
Ostschweizer Kinderspital und in der Geriatrie<br />
aktiv. Des Weiteren beschäftigen<br />
wir uns noch immer sehr intensiv mit der<br />
letztjährigen Sparrunde am Kantonsspital<br />
St. Gallen (KSSG) und der anhaltenden<br />
Verunsicherung und Unzufriedenheit der<br />
Arbeitnehmenden. Es fanden bereits diverse<br />
Austausche zwischen den Arbeitnehmerorganisationen<br />
des KSSG statt,<br />
und weitere Sitzungen der Arbeitnehmerorganisationen<br />
mit der KSSG-Geschäftsführung<br />
werden angestrebt, da regelmässige<br />
und transparente Kommunikation –<br />
insbesondere zum Wohl der Mitarbeitenden<br />
– wichtiger ist denn je.<br />
Der Wahlkampf ist noch nicht vorbei<br />
Mit den Wahlergebnissen vom 3. März<br />
starten die St. Galler Ärzteschaft und unsere<br />
Sektion gestärkt in den Frühling. Bei<br />
den Kantonsratswahlen konnte Thomas<br />
Warzineck (Mitte) parteiübergreifend eine<br />
beachtliche Anzahl Stimmen abholen und<br />
wurde mit einem Glanzresultat wiedergewählt.<br />
Mit Friedrich von Toggenburg (Mitte)<br />
wird die Werdenberger Ärzteschaft<br />
ebenfalls gestärkt. Eva Lemmenmeier (SP)<br />
steht auf dem ersten Nachrückplatz und<br />
wird die Anliegen der Ärztinnen und Ärzte<br />
im Kantonsrat hoffentlich schon bald vertreten<br />
können. Severin Baerlocher (SP)<br />
liegt nur drei Plätze dahinter.<br />
Nicht minder spannend sind die Regierungsratswahlen,<br />
bei denen unsere Geschäftsführerin,<br />
langjährige SP-Kantonsrätin<br />
und Juristin Bettina Surber im ersten<br />
Wahlgang ein beachtliches Wahlresultat<br />
erreicht hat. Gelingt es den Ärztinnen und<br />
Ärzten, für Bettina Surber zu werben und<br />
wird sie im zweiten Wahlgang gewählt,<br />
rückt Eva Lemmenmeier automatisch in<br />
den Kantonsrat nach. Gesetzt den Fall, dass<br />
demnächst ein bisheriges Kantonsratsmitglied<br />
der SP zurückträte, würde Severin<br />
Baerlocher ebenfalls in den Kantonsrat einziehen.<br />
Wir hoffen, dass in der Zwischenzeit<br />
die Wahl von Bettina Surber geklappt hat,<br />
denn mit einem erneuten Wahlerfolg hätten<br />
wir im Kanton St. Gallen die Ärztevertretung<br />
im Kantonsparlament vervierfacht<br />
und mit Bettina Surber eine Person in der<br />
Regierung, die für das Gesundheitspersonal<br />
stets ein offenes Ohr hat!<br />
Neue Website ist online<br />
Unsere Website (www.<strong>vsao</strong>-sg.ch) erstrahlt<br />
seit ein paar Monaten in neuem Glanz. Wir<br />
sind stolz auf das neue Layout und wollen<br />
die Seite laufend anpassen und erweitern.<br />
Bitte meldet uns eure Inputs.<br />
Verstärktes Präsidium<br />
An seinem letzten Vorstandstreffen<br />
verstärkte der Vorstand das Präsidium.<br />
Als Vizepräsidentin wird neu Josephine<br />
Reichardt im Präsidium mitwirken und<br />
so für eine verbesserte Präsenz der Sektion<br />
sorgen. Wir gratulieren Josephine<br />
Reichardt zur einstimmigen Wahl und<br />
freuen uns über die Unterstützung.<br />
Geniesst den Frühling!<br />
Severin Baerlocher, Vorstandspräsident, Ivana<br />
Moor, Josephine Reichardt, Vorstandsmitglieder<br />
Sektion St. Gallen/Appenzell.<br />
Bilder: Screenshots Website www.<strong>vsao</strong>-sg.ch<br />
24<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
<strong>vsao</strong><br />
Zürich /<br />
Schaffhausen<br />
Erfolgreiche Premiere des<br />
Forschungsevents «Research<br />
UNight»<br />
Der VSAO Zürich hat vergangenes Jahr<br />
das neue Ressort «Forschung» gegründet<br />
und im Januar die erste VSAO-Zürich-«Research<br />
UNight» an der Universität Zürich<br />
durchgeführt. Dass die erfolgreiche Vereinigung<br />
von Medizin und Forschung von<br />
grossem Interesse ist, zeigte die hohe Anzahl<br />
der Teilnehmenden an der Premiere<br />
des Events, den das Ressort «Forschung»<br />
unter der Leitung von Tharshika Thavayogarajah<br />
ins Leben gerufen hat.<br />
Knapp 100 Assistenz- und Oberärztinnen<br />
und -ärzte sowie Medizinstudierende<br />
waren am ersten Forschungsevent anwesend.<br />
Dank den Inputreferaten und persönlichen<br />
Erfahrungsberichten unserer<br />
Expertinnen und Experten Prof. Bea<br />
Latal, Prof. Emanuela Keller, Prof. Sascha<br />
David und Prof. Miro Räber konnten sie<br />
erfahren, wie eine erfolgreiche Laufbahn<br />
in Medizin und Forschung möglich ist<br />
und worauf man bei der Planung der eigenen<br />
Forschungslaufbahn achten sollte.<br />
Das hohe Interesse widerspiegelte<br />
sich auch in den zahlreichen Fragen aus<br />
dem Publikum, und beim anschliessenden<br />
Networking-Apéro waren die Referentinnen<br />
und Referenten ebenfalls gefragte<br />
Ansprechpersonen.<br />
Mit dem neu gegründeten Ressort<br />
«Forschung» setzt sich der VSAO Zürich<br />
dafür ein, dass der Forschung in der Medizin<br />
ein höherer Stellenwert beigemessen<br />
wird. Die Forschung ist ein grosser und<br />
wichtiger Bestandteil der Medizin und<br />
dient als Grundlage aller medizinischen<br />
Massnahmen. Die Forschungstätigkeiten<br />
sollten unserer Meinung nach im Rahmen<br />
der akademischen Karriere als Arbeitszeit<br />
gefördert werden.<br />
Der nächste Forschungsevent findet<br />
am 26. September <strong>2024</strong> in Zürich statt. Reserviere<br />
dir das Datum schon heute. Weitere<br />
Informationen folgen.<br />
Mit Kreativität zu 42+4 Stunden:<br />
Flashmob der Zürcher Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte<br />
Mit einem selbstständig organisierten<br />
Flashmob haben Zürcher Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte ihrem Unmut Luft gemacht<br />
und im Februar ihre 42+4-Stunden-Forderung<br />
in einem Musikvideo begründet. Eine<br />
solche Eigeninitiative nebst der hohen<br />
Arbeitsbelastung ist absolut bewundernswert<br />
und wird vom VSAO Zürich vollumfänglich<br />
unterstützt. Auch wir als ihr Berufsverband<br />
setzen uns für diese Forderung<br />
ein und haben deshalb den Gesamtarbeitsvertrag<br />
(GAV) mit den kantonalen<br />
Spitälern per Ende 2023 gekündigt.<br />
Die in den meisten Kliniken übliche<br />
wöchentliche Sollarbeitszeit von 50 Stunden<br />
pro Woche ist schlicht nicht mehr<br />
zeitgemäss. Aktuell finden mit den kantonalen<br />
Kliniken Verhandlungen zur Reduktion<br />
der Sollarbeitszeit statt. Anvisiertes<br />
Ziel ist die 42+4-Stunden-Woche, allenfalls<br />
sind bis dahin noch einige Zwischenschritte<br />
nötig. Mit der Integrierten Psychiatrie<br />
Winterthur – Zürcher Unterland<br />
(ipw) konnten wir uns per Januar <strong>2024</strong><br />
Mit einem Musikvideo setzen sich Zürcher<br />
Assistenzärztinnen und -ärzte für eine kürzere<br />
Sollarbeitszeit ein.<br />
bereits auf eine Reduktion der Arbeitszeit<br />
für Assistenzärztinnen und -ärzte von 50<br />
auf neu 46 Stunden pro Woche einigen.<br />
Die Assistenzärzteschaft und auch<br />
der VSAO Zürich sind überzeugt, dass sich<br />
die Arbeitszeitreduktion mit Prozessoptimierungen<br />
erreichen lässt, dies aber den<br />
Willen und die Bemühungen aller braucht.<br />
Die auffälligen orangen Lanyards, die<br />
im Musikvideo zu sehen sind, hat übrigens<br />
der VSAO Zürich gesponsert. VSAO-Mitglieder,<br />
die sich ebenfalls für die Forderung<br />
der 42+4-Stunden-Woche stark machen<br />
wollen, können diese bei uns beziehen<br />
(bitte nur Sammelbestellungen).<br />
Das Musikvideo «Zweievierzg Stund»<br />
findest du auf unserer Website<br />
www.<strong>vsao</strong>-zh.ch.<br />
Save the Date: Mitgliederversammlung<br />
am 13. Juni <strong>2024</strong><br />
Die diesjährige Mitgliederversammlung<br />
findet am Donnerstag, 13. Juni <strong>2024</strong>, ab<br />
18.30 Uhr in Zürich statt. Tragt euch den<br />
Termin bereits jetzt in der Agenda ein.<br />
Weitere Informationen folgen!<br />
Dominique Iseppi, Kommunikationsassistentin,<br />
VSAO Zürich / Schaffhausen<br />
Bilder: zvg, Aktion 42+4 h: Screenshot, YouTube<br />
Podiumsdiskussion zum Thema «Wie können Forschung und Medizin erfolgreich vereint werden?»<br />
an der ersten VSAO-Zürich-«Research UNight».<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 25
<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong>-Inside<br />
Fabian Kraxner<br />
Wohnort: Hedingen<br />
GA-Mitglied beim <strong>vsao</strong> seit:<br />
November 2023<br />
Der <strong>vsao</strong> für dich in drei Worten:<br />
Verlässlich, engagiert, lösungsorientiert<br />
Schon seit längerer Zeit ist<br />
Fabian Kraxner im Vorstand<br />
des VSAO Zürich aktiv.<br />
Seit November 2023 setzt<br />
er sich als Mitglied des Geschäftsausschusses<br />
(GA) nun auch für den<br />
Dachverband ein.<br />
Als GA-Mitglied legt Fabian Kraxner<br />
besonderen Wert auf die stetige Weiterentwicklung<br />
der Organisationsstrukturen.<br />
In seiner Rolle als Co-Leiter des Ressorts<br />
Verbandsentwicklung ist er dafür genau<br />
am richtigen Ort. Speziell am Herzen liegt<br />
ihm die Basisarbeit, insbesondere die<br />
Aufnahme und Einbindung von neuen<br />
Mitgliedern in die Sektionen und Strukturen<br />
des Verbandes. Dabei möchte er die<br />
vielen Möglichkeiten für Mitglieder, sich<br />
zu engagieren und sich an der lebendigen<br />
Diskussions- und Partizipationskultur zu<br />
beteiligen, beibehalten und stärken.<br />
Aber nicht nur die internen Angelegenheiten<br />
des <strong>vsao</strong> sind ihm wichtig.<br />
So wünscht er sich, dass der <strong>vsao</strong> weiterhin<br />
und vermehrt als Stimme der jungen<br />
Ärztinnen und Ärzte deren Anliegen<br />
vertritt, den gesellschaftlichen Mehrwert<br />
des Arztberufes betont und somit einen<br />
wichtigen und nachhaltigen Beitrag zu<br />
einer qualitativ hochstehenden und<br />
bezahlbaren Gesundheitsversorgung<br />
leistet. Wenn er dabei hört, wie dankbar<br />
Berufskolleginnen und -kollegen aller<br />
Hierarchiestufen für das Engagement des<br />
<strong>vsao</strong> hinsichtlich der 42+4-Stunden-<br />
Woche sind, spornt ihn das noch mehr<br />
an, sich für moderne und zeitgemässe<br />
Arbeitsbedingungen einzusetzen und so<br />
die Attraktivität des Arztberufs auch<br />
langfristig zu sichern. Dafür wünscht er<br />
sich ein vollständig papierloses Gesundheitssystem<br />
sowie intelligente digitale<br />
und analoge Strukturen, welche die<br />
Bürokratie im Arztberuf reduzieren.<br />
Fabian schätzt innerhalb des <strong>vsao</strong><br />
den Austausch mit den Kolleginnen und<br />
Kollegen, die sich in den verschiedenen<br />
Gremien des Verbandes engagieren und<br />
ihm neue Perspektiven und neues Wissen<br />
erschliessen. Dieser Austausch fällt ihm<br />
dank seiner Zweisprachigkeit auch über<br />
die Sprachgrenzen hinweg leicht.<br />
Als praktizierender Oberarzt Psychiatrie<br />
im Spital Affoltern am Albis festigt<br />
Fabian im Moment seine klinische<br />
Fachexpertise. Anschliessend möchte<br />
er sich auf zukünftige Rollen vorbereiten<br />
und seine Kenntnisse in Leadership<br />
sowie im Wissenstransfer und im Teaching<br />
vertiefen.<br />
In seiner Freizeit hält er sich am<br />
liebsten draussen in der Natur auf, oft<br />
beim Velofahren oder Wandern. Besonders<br />
interessieren ihn dabei abgelegene<br />
und weniger gut besuchte Naturorte.<br />
Durch diese Ausflüge ist er ein Fan von<br />
Schweizer Kleinseilbahnen geworden, die<br />
er bevorzugt als Auf- oder Abstiegshilfe<br />
nutzt.<br />
Bild: zvg<br />
26<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Ferien und Überzeit:<br />
die wichtigsten Fragen<br />
Bilder: Adobe Stock, Julie Masson<br />
Darf der Arbeitgeber einen<br />
Feriensaldo streichen,<br />
wenn dieser nicht innerhalb<br />
einer von ihm festgelegten<br />
Frist bezogen wird?<br />
Nein. Die einzige Einschränkung in<br />
Sachen Ferienanspruch ist die Verjährungsfrist<br />
von fünf Jahren. Ist es beispielsweise<br />
nicht möglich, die Ferien<br />
aus dem Jahr 2023 bis Ende <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />
zu beziehen, sind diese nicht verloren.<br />
Der Anspruch darauf besteht während<br />
fünf Jahren, wobei jeder Ferienbezug<br />
jeweils vom ältesten Feriensaldo abgebucht<br />
wird. Falls also ein Feriensaldo<br />
aus dem Jahr 2023 übrig ist, werden alle<br />
Ferien, die <strong>2024</strong> bezogen werden, zuerst<br />
vom Anspruch 2023 und erst danach von<br />
demjenigen des Jahres <strong>2024</strong> in Abzug<br />
gebracht. Wenn bei Vertragsende noch<br />
ein Saldo übrig bleibt, muss dieser mit<br />
dem letzten Lohn und einem Zuschlag<br />
ausbezahlt werden.<br />
Darf der Arbeitgeber den Zeitpunkt<br />
der Ferien bestimmen?<br />
Grundsätzlich legt der Arbeitgeber den<br />
Zeitpunkt der Ferien fest, jedoch unter<br />
Berücksichtigung der Wünsche der<br />
Arbeitnehmenden. In der Praxis ist es<br />
häufig umgekehrt, es ist aber ein Recht<br />
des Arbeitgebers.<br />
Den Zeitpunkt der Ferien kann der<br />
Arbeitgeber jedoch nur unter Einhaltung<br />
einer Frist von drei Monaten vorschreiben.<br />
Auch wenn er einen hohen Feriensaldo<br />
feststellt, kann er also in aller Regel<br />
keinen sofortigen Ferienbezug anordnen.<br />
Darf während der Ferien ein Pikettdienst<br />
eingeplant werden?<br />
Nein. Die Arbeitnehmenden haben ein<br />
Recht auf ungestörte Ferien. Diese dienen<br />
dazu, sich zu erholen, auf andere Gedanken<br />
kommen, zu reisen, Familie und<br />
Freunde zu treffen usw. Die Arbeitnehmenden<br />
müssen die Ferien frei gestalten<br />
können, was im Falle eines Pikettdienstes<br />
unmöglich wäre.<br />
Darf der Arbeitgeber geplante Ferien<br />
ohne Einwilligung der Arbeitnehmenden<br />
in den Abzug von Überzeit umwandeln<br />
oder umgekehrt?<br />
Nein. Wie oben erläutert, dürfen Ferien<br />
nur unter Einhaltung einer Frist von<br />
mindestens drei Monaten angeordnet<br />
werden. Zudem darf die Kompensation<br />
von Überzeit nur mit dem Einverständnis<br />
der Arbeitnehmenden zu einem von den<br />
Parteien vereinbarten Zeitpunkt erfolgen.<br />
Kann eine Frist für die Kompensation<br />
von Überstunden oder Überzeit<br />
festgelegt werden?<br />
Ja. Sofern es die Planung ermöglicht und<br />
die Kompensationstage klar als solche auf<br />
der Abrechnung aufgeführt sind, ist es<br />
möglich, die Überstunden oder die<br />
Überzeit innert einer bestimmten Frist<br />
kompensieren zu lassen. Dies ergibt sogar<br />
Sinn, da das Arbeitsgesetz eine Frist von<br />
14 Wochen für die Kompensation der<br />
Überzeit vorsieht. Im Idealfall wird man<br />
eine Lösung suchen, die alle Beteiligten<br />
zufriedenstellt. Es sei hier noch einmal<br />
erwähnt, dass die Kompensation der<br />
Überzeit nur mit dem Einverständnis<br />
der Arbeitnehmenden erfolgen darf.<br />
Andernfalls müssen diese Stunden mit<br />
einem Zuschlag von 25 Prozent ausbezahlt<br />
werden.<br />
Patrick Mangold,<br />
Sektionsjurist VSAO Waadt<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 27
Fokus: System<br />
Bild 1: Wissenschaftler haben das Verhalten von fast 500 Ameisen aufgezeichnet, indem sie die Arbeiterinnen mit Strichcodes markierten.<br />
Um ihr Alter zu ermitteln, haben sie deren Rücken in verschiedenen, vom Geburtszeitpunkt abhängigen Farben angestrichen.<br />
Das hoch<br />
entwickelte Sozialsystem<br />
der Ameisen<br />
Dank ihrer ausgeklügelten sozialen Organisation haben die<br />
Ameisen ihre Herrschaft über den Planeten immer weiter ausgedehnt.<br />
Die Arbeiterinnen teilen sich die Aufgaben und sorgen für das<br />
Wohlergehen und die Entwicklung der Kolonien. Sie verteidigen nicht<br />
nur den Ameisenhaufen und ernähren ihre Mitglieder, sondern schützen<br />
sie auch vor der Ausbreitung von Krankheiten. Sie werden sogar zu<br />
Pflegerinnen, die sich um verletzte Kriegerinnen kümmern.<br />
Laurent Keller, ehemaliger Professor am Departement für Ökologie und Evolution der Universität Lausanne, und<br />
Elisabeth Gordon, wissenschaftlich-medizinische <strong>Journal</strong>istin<br />
Bild: Current Biology<br />
28<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: System<br />
Bild: Erik T. Frank<br />
Gemäss Definition im Wörterbuch<br />
Larousse ist ein System<br />
«eine Gesamtheit von Verfahren<br />
und organisierten Praktiken,<br />
die dazu bestimmt sind, eine definierte<br />
Funktion zu gewährleisten». Oder<br />
auch «eine Gesellschaft, die als strukturierte<br />
und starre Einheit betrachtet wird».<br />
Diese beiden Definitionen liefern eine<br />
passende Beschreibung der Welt der<br />
Ameisen, wenn man von der Starre absieht,<br />
die in diesem Fall nicht zutrifft.<br />
Diese Insekten leben nämlich in top<br />
organisierten, jedoch nicht zentralisierten<br />
Gesellschaften. In ihren Kolonien gibt es<br />
weder Herrscher – die Männchen überleben<br />
das Paarungsritual nicht – noch Herrscherinnen.<br />
Die Königin herrscht nicht.<br />
Sie gibt keine Befehle und hat keine Macht.<br />
Ihre einzige Aufgabe besteht darin, für<br />
den Nachwuchs und damit das Wachstum<br />
der Kolonie zu sorgen. Ihre weiblichen<br />
Nachkommen, die meisten unfruchtbare<br />
Arbeiterinnen, erledigen die täglichen<br />
Aufgaben durch eine entsprechende Arbeitsteilung.<br />
Die Ammen kümmern sich<br />
um die Brut (Eier, Larven und Nymphen),<br />
die Brutpflegerinnen sind für die Nahrungssuche<br />
zuständig, die Baumeisterinnen<br />
bauen den Ameisenhaufen und die<br />
Kriegerinnen verteidigen die Kolonie.<br />
Die Funktionen wechseln<br />
Lange Zeit ging man davon aus, dass diese<br />
Arbeitsteilung allein auf dem Alter beruht.<br />
Man nahm an, dass die jüngsten<br />
Arbeiterinnen sich zunächst um die Brut<br />
und dann um die Instandhaltung des Nestes<br />
kümmerten und sich lediglich die älteren<br />
Arbeiterinnen nach draussen wagten,<br />
um gefährlichere Aufgaben zu erledigen.<br />
Die Realität sieht aber anders aus, wie eine<br />
Studie zeigt, die wir am Departement<br />
für Ökologie und Evolution der Universität<br />
Lausanne durchgeführt haben [1]. Dabei<br />
haben wir ein Markierungssystem mit<br />
Strichcodes verwendet, um fünf Monate<br />
lang das Verhalten und die sozialen Interaktionen<br />
von über 500 Individuen zu beobachten<br />
(siehe Bild 1). So konnten wir<br />
feststellen, dass alle Arbeiterinnen zunächst<br />
Ammen sind, bevor sie zu Brutpflegerinnen<br />
werden, wobei der Übergang<br />
schnell, d. h. innerhalb von ein bis zwei<br />
Wochen, erfolgt. Gleichzeitig haben wir<br />
herausgefunden, dass die Arbeiterinnen<br />
nicht in einem vordefinierten Alter von<br />
einer Funktion in eine andere wechseln.<br />
Dieser Wechsel der Funktion erfolgt<br />
stochastisch und unabhängig vom Alter<br />
der Individuen, sodass die Kolonie nicht<br />
Bild 2: Eine Matabele-Ameise reinigt die Wunde einer Arbeiterin (grün markiert), die ein Bein<br />
verloren hat.<br />
von der Alterspyramide abhängig ist und<br />
somit stets über die für ihre Bedürfnisse<br />
nötige Anzahl Ammen und Brutpflegerinnen<br />
verfügt.<br />
Die Ausbreitung von Krankheiten<br />
verhindern<br />
Die Arbeiterinnen, die diesen verschiedenen<br />
Arbeitstrupps angehören, haben<br />
relativ wenig Kontakt untereinander. Sie<br />
besetzen unterschiedliche Bereiche des<br />
Nestes, was die Wahrscheinlichkeit einer<br />
Übertragung von Krankheitserregern reduziert.<br />
Wir haben uns gefragt, ob sie in der<br />
Lage sind, ihr soziales Netzwerk anzupassen,<br />
wenn sie mit Krankheiten konfrontiert<br />
werden. Um diese Frage zu<br />
beantworten, haben wir die Brutpflegerinnen<br />
den Sporen eines pathogenen<br />
Pilzes ausgesetzt, der durch einfachen<br />
Kontakt übertragen wird. Anschliessend<br />
haben wir sie mithilfe der weiter oben erwähnten<br />
Technik beobachtet [2]. Beim<br />
Vergleich der Organisation des Ameisenhaufens<br />
vor und nach der Einführung des<br />
Infektionserregers haben wir festgestellt,<br />
dass die Ameisen in der Lage sind, die<br />
Sporen an ihrem Organismus zu erkennen<br />
und dass sie versuchen, diese loszuwerden.<br />
Zudem passen sie ihr Verhalten<br />
schnell an, um die Ausbreitung der Infektion<br />
zu begrenzen. Die Brutpflegerinnen,<br />
die den Sporen ausgesetzt wurden,<br />
iso lierten sich und verbrachten mehr Zeit<br />
ausserhalb des Ameisenhaufens. Wenn<br />
sie sich im Nest befanden, schränkten sie<br />
ihre Interaktionen mit den Arbeiterinnen,<br />
die andere Aufgaben erledigten, ein.<br />
Auch die Ammen tragen dazu bei,<br />
die Ausbreitung des Krankheitserregers<br />
einzudämmen, indem sie die Königin und<br />
die Brut rasch in den tieferen Bereichen<br />
des Nests in Sicherheit bringen.<br />
Dies zeigt, dass die Ameisen schon<br />
seit Millionen Jahren «Abstandsregeln»<br />
anwenden, die wir erst im Rahmen der<br />
Covid-19-Pandemie bewusst angewendet<br />
haben.<br />
Die Verletzten pflegen<br />
Ameisen sind nicht nur in der Lage, präventive<br />
Massnahmen umzusetzen. Sie<br />
können sich auch um verletzte Artgenossinnen<br />
kümmern.<br />
Wir haben ihre Fähigkeiten in Sachen<br />
Pflege aufgezeigt, indem wir Matabele-Ameisen<br />
beobachtet haben, die normalerweise<br />
Termiten angreifen und fressen.<br />
Ihre Angriffe sind heftig, und oft verliert<br />
mehr als ein Viertel der Angreiferinnen<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 29
Fokus: System<br />
ein oder mehrere Beine, die von den<br />
Mundwerkzeugen der Termiten-Soldaten<br />
abgetrennt werden.<br />
Wie unsere Beobachtungen gezeigt<br />
haben [3], kommen Artgenossinnen den<br />
verletzten Kriegerinnen auf dem Schlachtfeld<br />
zu Hilfe. Nachdem sie diese ins Nest<br />
zurückgebracht haben, behandeln sie sie<br />
mit einem Cocktail aus Antibiotika, den<br />
sie aus ihrer metapleuralen Drüse absondern<br />
(siehe Bild 2). Dieses Organ, das man<br />
ausschliesslich bei Ameisen findet, enthält<br />
über 100 Proteine und organische<br />
Verbindungen, die das Bakterienwachstum<br />
auf der Wunde und im Körper der Individuen<br />
hemmen.<br />
Wir haben auch gezeigt, dass sich das<br />
kutikuläre Kohlenwasserstoffprofil (das<br />
die chemische Signatur eines jeden Insekts<br />
bildet) der verletzten Kriegerinnen<br />
von dem der nicht verkrüppelten Arbeiterinnen<br />
unterscheidet. Das bedeutet also,<br />
dass die Arbeiterinnen ihren Körpergeruch<br />
verändern können, um zu signalisieren,<br />
dass sie Hilfe brauchen.<br />
Ameisen bevölkern die Erde seit mehreren<br />
Millionen Jahren und sind auf der<br />
gesamten Erdoberfläche zu finden, mit<br />
Ausnahme der sehr kalten Regionen. Diesen<br />
grossen ökologischen Erfolg verdanken<br />
sie ihrer ausgeklügelten sozialen Organisation<br />
und ihrer aussergewöhnlichen<br />
Fähigkeit, sich an ihre Umwelt anzupassen,<br />
um das Wachstum ihrer Kolonien sicherzustellen.<br />
Ein höchst effizientes System<br />
also.<br />
Literatur<br />
[1] Richardson, T. O., Kay, T.,<br />
Braunschweig, R., Journeau, O. A., Rüegg,<br />
M., McGregor, S., De Los Rios, P. & Keller, L.<br />
(2021). Ant behavioral maturation is<br />
mediated by a stochastic transition between<br />
two fundamental states. Current Biology, 31,<br />
2253–2260. https://doi.org/10.1016/j.<br />
cub.2020.05.038.<br />
[2] Stroeymeyt, N., Grasse, A. V.,<br />
Crespi, A., Mersch, D. P., Cremer, S. & Keller,<br />
L. (2018). Social network plasticity<br />
decreases disease transmission in a eusocial<br />
insect. Science, 362, 941–945. https://doi.<br />
org/10.1126/science.aat4793.<br />
[3] Frank, E. T., Kesner, L., Liberti,<br />
J., Helleu, Q., LeBoeuf, A. C., Dascalu, A.,<br />
Sponsler, D. B., Azuma, F., Economo, E. P.,<br />
Waridel, P., Engel, P., Schmitt, T. & Keller, L.<br />
(2023). Targeted treatment of injured<br />
nestmates with antimicrobial compounds<br />
in an ant society. Nature Communication,<br />
14, 8446. https://doi.org/10.1038/s41467-023-<br />
43885-w.<br />
Anzeige<br />
ZERTIFIZIERT FÜR<br />
HOHE QUALITÄT:<br />
<strong>vsao</strong><br />
<strong>Journal</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 1, Februar <strong>2024</strong><br />
Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Leere<br />
Beklemmend<br />
und befreiend<br />
Seite 32<br />
Publikation<strong>2024</strong><br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Das Gütesiegel für Qualität<br />
• Etabliert und anerkannt mit fokussierter Leserschaft<br />
• Inhaltlich kompetent und publizistisch unabhängig<br />
• Werbung ohne Streuverlust<br />
Politik<br />
42+4 auf dem<br />
Vormarsch<br />
Seite 6<br />
Hypertonie<br />
Alles unter<br />
Kontrolle?<br />
Seite 52<br />
Rückenschmerzen<br />
Eine klinische<br />
Herausforderung<br />
Seite 55<br />
www.ihrepublikation.ch<br />
240190_<strong>vsao</strong>_1_#DE_(01-02)_UG.indd 1 05.02.24 08:29<br />
WWW.Q-PUBLIKATIONEN.CH<br />
30<br />
Q_Titel_Inserat_180x133mm.indd 1 07.02.18 14:48<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: System<br />
Eine begleitete Reise in eine Fantasiewelt mittels einer hypnosystemisch-imaginativen Intervention kann Kindern helfen,<br />
biopsychosoziale Erkrankungen zu therapieren.<br />
Augen auf:<br />
Hypnose als Gamechanger<br />
für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
Bild: Adobe Stock<br />
Hypnosystemisch-imaginative Interventionen bei Kindern<br />
und Jugendlichen mit biopsychosozialen Erkrankungen sind zielführend,<br />
kreativ und machen Spass.<br />
Camilla Ceppi Cozzio, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 31
Fokus: System<br />
Kinder sind in vielfältigen Lebenswelten<br />
und sozialen Systemen<br />
wie der Kernfamilie, Kita,<br />
Schule und Freizeitclubs unterwegs.<br />
Diese Systeme weisen unterschiedliche<br />
Regelwerke auf. Sie fordern von<br />
Kindern entsprechende Adaptationsleistungen.<br />
Kinder sind neugierig, wissbegierig,<br />
lieben Abenteuer und Spass. Sie haben<br />
individuelle psychomotorische und sprachliche<br />
Entwicklungspotenziale.<br />
Herausforderungen stärken<br />
Selbstwirksamkeit<br />
Grundvoraussetzungen für eine gesunde<br />
biopsychosoziale Entwicklung sind das Erfüllen<br />
der kindlichen Grundbedürfnisse<br />
und eine verbindliche Fürsorge. Als Säuglinge<br />
sind Kinder abhängig von verlässlichen,<br />
liebevollen Bezugspersonen, die ihre<br />
Selbstregulation unterstützen. Diese ist initial<br />
extern gesteuert. Im Verlauf der Entwicklung<br />
lernen Kinder, die Selbstregulationsfähigkeit<br />
zunehmend intern zu steuern.<br />
Damit können sie ein gesundes Mass an Unsicherheiten<br />
aushalten. Sie erleben so, dass<br />
sie sich in diversen sozialen Systemen situationsgerecht<br />
verhalten und sich selbstwirksam<br />
steuern können. Die Erfahrung positiv<br />
gemeisterter Herausforderungen stärkt die<br />
kindliche Selbstwirksamkeit.<br />
Disstress kann zu Erkrankungen<br />
führen<br />
Für Klein- und Schulkinder ist zunächst das<br />
System der Familie prägend. Später nimmt<br />
der Einfluss der Schule, anderer Systeme<br />
und von Peers zu. Wenn in einem oder mehreren<br />
Systemen Disstress auftritt, können<br />
biopsychosoziale Erkrankungen wie funktionelle<br />
Bauchschmerzen oder Schlafstörungen<br />
entstehen. Potenzielle Stressfaktoren<br />
können Paarkonflikte der Eltern, Prüfungsdruck,<br />
ein Verlusterlebnis usw. sein. Mit zunehmender<br />
kindlicher Überforderung<br />
nimmt die Selbstregulation ab. Betroffene<br />
Kinder können nicht mehr adäquate adaptive<br />
Bewältigungsstrategien entwickeln. Negative<br />
Narrative wie «immer nur Schmerzen»<br />
oder «Einschlafen geht nie» entstehen.<br />
Weil eine Fokussierung auf die Probleme<br />
vorherrscht, ist der Blick auf problemfreie<br />
Bereiche und individuelle Ressourcen verbaut.<br />
Es entstehen eigentliche Problemtrancen.<br />
Wird der Leidensdruck übermächtig,<br />
wenden sich Kinder und Eltern oft zuerst an<br />
Kinderärztinnen und -ärzte, weil zu ihnen<br />
ein langjähriges Vertrauensverhältnis besteht.<br />
Hier wird eine niederschwellige, nicht<br />
psychiatrische und zeitnahe Unterstützung<br />
erwartet. Biopsychosoziale Erkrankungen<br />
erfordern eine andere Vorgehensweise als<br />
akut-pädiatrische somatische Krankheiten.<br />
Primär müssen die ärztlichen Fachpersonen<br />
Stressfaktoren erkennen sowie verstehen,<br />
wie diese dysfunktionale Muster mit<br />
eingeschränkter Selbstregulation induzieren<br />
und unterhalten.<br />
Unerklärbare Leseschwierigkeiten<br />
Als Behandlungsmodalität bietet sich ein<br />
hypnosystemisches Vorgehen an. Darunter<br />
versteht man eine Kombination von Ericksonscher<br />
Hypnose und systemischen Therapieansätzen.<br />
Das Vorgehen analysiert systemische<br />
Selbstorganisationsprozesse und<br />
bewirkt einen Perspektivenwechsel weg<br />
vom Problem hin zur Neuentdeckung vorhandener<br />
Ressourcen. Diese Ressourcen<br />
werden in therapeutischer Trance imaginativ<br />
lösungsorientiert genutzt. Kinder sind<br />
Weltmeister im Imaginieren. So entstehen<br />
fantastische Spielwelten, in denen Kinder<br />
natürliche Tranceerfahrungen machen.<br />
Fantasie beflügelt, manchmal aber evoziert<br />
sie auch furchterregende Erfahrungen. Sie<br />
kann kindliche Ängste bis zur Unkontrollierbarkeit<br />
verstärken. Weder Kinder noch<br />
Eltern verstehen dann, was geschieht. Exemplarisch<br />
dazu die Fallvignette der 10-jährigen<br />
Mindy (Name geändert): Sie begann<br />
plötzlich über Leseschwierigkeiten mit Unscharfsehen<br />
und Diplopie zu klagen. Die augenärztliche<br />
Untersuchung ergab nach Tumorausschluss<br />
eine Hyperopie mit Astigmatismus<br />
und Nahexophorie. Obwohl Mindy<br />
während neun Monaten verschiedene<br />
Brillen testete, verbesserte sich ihre Lesefähigkeit<br />
nicht. Trotz bestehender Einschränkung<br />
erreichte sie die schulischen Ziele. Eine<br />
interessante Ausnahme bei der Sehschwierigkeit<br />
war, dass Mindy zu Hause<br />
Kleingedrucktes in Spielanleitungen leicht<br />
entziffern konnte. Eine Zweitmeinung ergab<br />
keine neuen Befunde. Mindy und die<br />
Eltern wurden zunehmend hoffnungslos,<br />
weil keine Besserung in Sicht war.<br />
Somatische Beschwerden als Hilferuf<br />
Der Schlüssel, um eine solch ungewöhnliche<br />
Geschichte einzuordnen, ist die Prämisse,<br />
dass das präsentierte Problem ein Lösungsversuch<br />
einer nicht lösbaren Herausforderung<br />
ist. Mittels beruhigender, Hoffnung<br />
vermittelnder Gesprächsführung<br />
versicherte die Ärztin Mindy, dass es sicher<br />
gute Gründe für die reduzierte Lesefähigkeit<br />
gibt, und wertschätzte sie als kluges<br />
Kind. Während der Anerkennung der «guten<br />
Gründe» nickte Mindy. Auf die Bemerkung<br />
der Ärztin, dass jede schwierige Situation<br />
auch Vorteile habe, erwiderte Mindy,<br />
dass sie sich beschützt fühle, wenn die Lehrerin<br />
neben ihr sitze und Texte vorlese. Damit<br />
war klar, dass Ängste zum ungünstigen<br />
Lösungsversuch der Leseschwierigkeiten<br />
geführt hatten und diesen unterhielten.<br />
Angstauslösend waren eine Morddrohung<br />
einer distanzlosen Mitschülerin im Klassen-Chat,<br />
eine elterliche Depression und<br />
das starke ADHS des Bruders.<br />
Ein Mutgetränk und ein<br />
ungezogener Wichtel<br />
Mindy und die Eltern wurden eingeladen,<br />
ein Team zu bilden, das bei der Lösung des<br />
Problems zusammenarbeitet. Die Eltern<br />
übernahmen die Kommunikation mit der<br />
Lehrperson und der Schulsozialarbeiterin.<br />
Damit gelang es, verbindliche Kommunikations-<br />
und Verhaltensstrukturen in Bezug<br />
auf die Mitschülerin zu etablieren. In der<br />
Folge fühlte sich Mindy in der Schule wieder<br />
sicher. Weiter suchten sowohl die Eltern als<br />
auch der Bruder therapeutische Hilfe auf.<br />
Mindy definierte als Interventionsziel<br />
selbstständiges Lesen. Um dieses zu erreichen,<br />
wurde eine Strategie der kleinen<br />
Schritte gewählt. Diese beinhaltete eine<br />
kindgerechte Psychoedukation und mehrere<br />
Trancesequenzen. Mindy reiste imaginativ<br />
an einen schönen Ort, mixte sich ihr<br />
Mutgetränk und trank davon, damit frischer<br />
Mut in ihrem Körper wachsen konnte. Sie<br />
reiste zum Wichtel in ihrem Kopf, der dort<br />
Unfug trieb und Mindy ungute Streiche<br />
spielte. Sie wies ihn in die Schranken.<br />
Selbstwirksam schaffte sie Ordnung in der<br />
chaotisch organisierten Steuerungszentrale<br />
und im Schatz der Erinnerungen. Sie wurde<br />
in ihrem Vorgehen durch wiederholte Suggestionen<br />
der Ich-Stärkung bestätigt. Die<br />
Kombination der gewählten Strategien<br />
war ein Gamechanger, weil sie Mindy und<br />
ihrer Familie die Augen für ihre Ressourcen<br />
öffnete. Mindy erreichte dadurch wieder<br />
ihre normale Sehkraft. Voraussetzungen<br />
für das Gelingen hypnosystemisch-imaginativer<br />
Methoden sind entwicklungspädiatrisches<br />
und -psychologisches Wissen,<br />
um präsentierte Fragestellungen vor dem<br />
Hintergrund der kindlichen Entwicklung<br />
einzuschätzen. Nur so gelingt es, zusammen<br />
mit dem Kind entwicklungsgerechte<br />
Ziele zu definieren sowie Aufbau und Ablauf<br />
der hypnosystemisch-imaginativen Interventionen<br />
passend zu gestalten.<br />
Lesenden, die mehr zu imaginativ-systemischen<br />
Interventionen lernen wollen, sei zum Beispiel<br />
der entsprechende CAS der Universität Basel<br />
empfohlen: www.wb-kjp.unibas.ch/studiengaenge/<br />
cas-isi/<br />
32<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: System<br />
Noch Ende des 19. Jahrhunderts werden Abwässer und Abfälle direkt in die Gewässer entsorgt.<br />
Das Foto zeigt den Birsig in Basel um 1880.<br />
Die Basis unserer<br />
Gesundheit<br />
Seit über 100 Jahren sorgt die Siedlungsentwässerung<br />
in der Schweiz dafür, dass in unseren Siedlungen und Häusern<br />
hygienische Verhältnisse herrschen. Damit ist sie eine<br />
mittlerweile fast selbstverständliche Grundlage unserer Gesundheit und<br />
unseres wirtschaftlichen Erfolges. Das Kanalisationssystem<br />
ist ein tragender Pfeiler davon.<br />
Stefan Hasler und Paul Sicher, Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA)<br />
Bilder: VSA<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 33
Fokus: System<br />
Im Römischen Reich und bis ins<br />
18. Jahrhundert war es üblich, die<br />
Notdurft auf der Strasse zu verrichten.<br />
Die Stadtbevölkerung lebte in<br />
ständigem Schmutz. Die fehlende Ableitung<br />
der Abwässer führte immer wieder<br />
zur Verseuchung von Trinkwasserbrunnen,<br />
die innerhalb der Siedlungen lagen.<br />
Verheerende Typhus- und Choleraepidemien<br />
waren die Folge. Dadurch war<br />
die Lebenserwartung in den Städten deutlich<br />
geringer als auf dem Land. Erst im<br />
19. Jahrhundert forderten Ärzte, Städteplaner<br />
und Architekten im Zuge der Kloakenreform<br />
eine kontrollierte Abfuhr des<br />
Abwassers. Dank den Anstrengungen zur<br />
Verbesserung der Siedlungshygiene verdoppelte<br />
sich die Lebenserwartung von<br />
40 auf 80 Jahre.<br />
Zunehmende Gewässerverschmutzung<br />
Der Gewinn an Lebensqualität ging mit<br />
einer Zunahme der Gewässerverschmutzung<br />
einher. Denn die aus den Siedlungen<br />
abgeleiteten Abwässer gelangten ungereinigt<br />
in Bäche, Flüsse und Seen. Dies führte<br />
in den Gewässern zu Schaumteppichen,<br />
ausgedehnten Algenblüten und stinkenden<br />
Algenteppichen mit Fischsterben.<br />
Aus gesundheitlichen Gründen verfügten<br />
die Behörden vielerorts Badeverbote bis in<br />
die 1970er-Jahre.<br />
34<br />
Bau von Abwasserreinigungsanlagen<br />
Ende der 1950er-Jahre waren weniger als<br />
zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung<br />
einer öffentlichen Abwasserreinigungsanlage<br />
(ARA) angeschlossen. Durch den zunehmenden<br />
Einsatz von synthetischen<br />
Tensiden in Wasch- und Reinigungsmitteln<br />
sowie die immer intensivere landwirtschaftliche<br />
Nutzung des Mittellandes<br />
verschärften sich die Gewässerschutzprobleme<br />
dramatisch.<br />
Das erste Gewässerschutzgesetz der<br />
Schweiz trat 1957 in Kraft. Ab 1962 unterstützte<br />
der Bund den Bau von Kläranlagen.<br />
Nur 20 Jahre später leiteten bereits<br />
etwa 80 Prozent der Bevölkerung und fast<br />
alle Betriebe ihr Abwasser in eine ARA.<br />
Praktisch parallel zum Bau der öffentlichen<br />
Kläranlagen wurde auch das Kanalnetz<br />
in Rekordzeit auf eine Gesamtlänge<br />
von derzeit 130 000 Kilometern erweitert.<br />
Dieses weitverzweigte und robuste Kanalisationssystem<br />
sorgt dafür, dass auch bei<br />
starkem Regen in Siedlungsgebieten keine<br />
Überschwemmungen auftreten.<br />
Schaumteppiche auf der Limmat unterhalb von Zürich Anfang der 1960er-Jahre.<br />
Nicht gerade attraktiv zum Baden.<br />
Von der mechanischen Reinigung<br />
bis zur Ozonierung<br />
Die Abwasserreinigung und die Siedlungsentwässerung<br />
entwickeln sich bis heute<br />
kontinuierlich weiter, inzwischen sind wir<br />
bei vier Reinigungsstufen angelangt:<br />
– Erste Stufe: In den 1950er-Jahren beschränkt<br />
sich die Abwasserreinigung<br />
vielfach auf die mechanische Reinigung,<br />
d. h. den Betrieb einer Vorklärung.<br />
Damit wird jedoch nur ein Teil der organischen<br />
Belastung aus dem Abwasser<br />
entfernt.<br />
– Zweite Stufe: In den 1960er-Jahren setzt<br />
sich die biologische Abwasserreinigung<br />
durch, insbesondere das Belebtschlammverfahren.<br />
Mikroorganismen bilden den<br />
Belebtschlamm und bauen die organischen<br />
Schmutzstoffe mithilfe von Sauerstoff<br />
ab. Damit werden rund 90 Prozent<br />
der biologisch abbaubaren Stoffe aus<br />
dem Abwasser entfernt.<br />
– Dritte Stufe: In den 1970er-Jahren werden<br />
die grossen Kläranlagen mit einer<br />
chemischen Reinigungsstufe in Form<br />
einer Phosphatfällung ausgerüstet. Damit<br />
wird zusätzlich zu den biologisch<br />
abbaubaren Stoffen auch der algenfördernde<br />
Phosphor aus den Abwässern eliminiert.<br />
Phosphat wird schliesslich 1986<br />
als Bestandteil von Textilwaschmitteln<br />
verboten.<br />
– Stickstoffelimination: Um das fischtoxische<br />
Ammonium respektive Nitrit sowie<br />
das düngewirksame Nitrat aus dem Abwasser<br />
zu entfernen, werden die ARA in<br />
den 1980er- und 1990er-Jahren vergrössert<br />
und ausgebaut (sogenannte Nitrifikation<br />
respektive Denitrifikation).<br />
– Die Gewässerschutzverordnung schreibt<br />
seit 1998 die Erstellung von generellen<br />
Entwässerungsplänen für Gemeinden<br />
vor. Dadurch wird die systematische Planung<br />
und Umsetzung eines funktionstüchtigen<br />
Abwasserentsorgungssystems<br />
gefestigt.<br />
– Seit 2002 gibt es ein Umdenken beim Regenwasser.<br />
Siedlungsentwässerung bedeutete<br />
während Jahrzehnten das möglichst<br />
rasche Ableiten sämtlicher Abwässer<br />
aus den Siedlungen. Erst mit dem<br />
Gewässerschutzgesetz 2002 kommt der<br />
Grundsatz auf, dass «nicht verschmutztes<br />
Abwasser» in erster Priorität versickern<br />
soll.<br />
– Vierte Stufe: Ab den 2010er-Jahren geraten<br />
die sogenannten Mikroverunreinigungen<br />
durch Medikamente, Hormone oder<br />
Biozide in den Fokus. Ab 2014 werden ausgewählte<br />
ARA durch den Bund verpflichtet,<br />
diese aus dem Abwasser zu entfernen.<br />
Dabei kommen vorwiegend Verfahren mit<br />
Aktivkohle oder mit Ozon, die sognannte<br />
Ozonierung, zur Anwendung.<br />
– Neue Ansätze erweitern die traditionelle<br />
Siedlungsentwässerung und ermöglichen<br />
ein nachhaltiges und klimaangepasstes<br />
Wassermanagement in den<br />
Siedlungen. Mit dem in den 2020er-Jahren<br />
entwickelten Schwammstadt-Prinzip<br />
wird Wasser in die Gestaltung von<br />
Siedlungen und deren Infrastrukturen<br />
integriert, zurückgehalten, verdunstet,<br />
gefahrlos abgeleitet und als Gestaltungselement<br />
genutzt. Dieses klimaangepasste<br />
Wassermanagement bietet<br />
Chancen für Mensch und Natur gleichermassen<br />
und mindert die Auswirkungen<br />
des Klimawandels.<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: System<br />
Was gehört nicht in die Kanalisation?<br />
Schaum auf der Aare bei Aarburg im Jahr 1962.<br />
Das ist heute zum Glück unvorstellbar.<br />
Situation heute<br />
Mittlerweile sind 98 Prozent aller Haushalte<br />
einer ARA angeschlossen, womit das<br />
Ausbaupotenzial praktisch ausgeschöpft<br />
ist. Grundstücke werden entwässert, das<br />
verschmutzte Abwasser aus Haushalten,<br />
Industrie und Landwirtschaft wird zu den<br />
ARA geleitet. Rund 750 öffentliche Kläranlagen<br />
reinigen schweizweit das Abwasser<br />
während 24 Stunden und an 365 Tagen im<br />
Jahr. Dadurch wurden die natürlichen Gewässer<br />
markant von Nährstoffen, Schwermetallen<br />
und weiteren problematischen<br />
Substanzen entlastet. Sie haben damit<br />
nicht nur eine Aufwertung der Lebensraumqualität<br />
für Wasserorganismen erfahren,<br />
sondern laden inzwischen auch<br />
wieder zum sorglosen Baden ein. Seuchen<br />
und Krankheiten aufgrund mangelnder<br />
Siedlungshygiene gehören längst der Vergangenheit<br />
an. Die Siedlungsentwässerung<br />
ist damit die Basis für unsere Gesundheit<br />
und den Gewässerschutz.<br />
In der Kanalisation lässt sich allerhand finden, was dort gar nicht hingehört:<br />
– Besonders häufig in der Toilette landen Feststoffe wie Katzensand, Feuchttücher,<br />
Hygieneartikel, Kaugummi, Kondome oder Textilien. Diese gehören jedoch in den<br />
Kehricht und nicht in die Kanalisation, da sie die Leitungen verstopfen. Das kann im<br />
schlimmsten Fall zu einer Überflutung des Raums führen. Aber auch wenn die Gegenstände<br />
aus dem Haus abfliessen, verstopfen sie später die Pumpen der Kläranlage und<br />
müssen kostspielig und in mühsamer Handarbeit entfernt werden.<br />
– Küchenabfälle sind biologisch abbaubar und gehören auf den Kompost; Gekochtes,<br />
Gebratenes und tierische Reste in den Müll. Essensreste können die Rohrleitungen<br />
verstopfen und locken im schlimmsten Fall Ratten und Ungeziefer an.<br />
– Öl, Medikamente, Chemikalien, Dünger, Farben und Lacke enthalten Schadstoffe, die<br />
keinesfalls ins Grundwasser gelangen sollten. Stoffe sowie Medikamente und Gift sind<br />
bei den Verkaufsstellen zurückzugeben; sie können auf der ARA nur ungenügend gereinigt<br />
werden.<br />
Mehr Informationen: www.wasser-wissen.ch<br />
Feuchttücher können die Pumpen in der Kanalisation verstopfen und gehören in den Kehricht.<br />
Anzeige<br />
ErstE HilfE<br />
für MEnscHEn Mit<br />
lEtztEr Hoffnung<br />
© Ron Haviv / VII<br />
www.msf.ch Pc 12-100-2<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 35
Wie die<br />
Viehzucht soziale<br />
Ungleichheit<br />
förderte<br />
Geld, Bildung, Einfluss: Die Ressourcen in unserem<br />
Gesellschaftssystem sind ungleich verteilt. Wie und warum haben sich<br />
die bestehenden Strukturen entwickelt? Ein Überblick.<br />
Jörg Rössel, Professor für Soziologie, Universität Zürich<br />
Die Klassenzugehörigkeit ist<br />
nicht fix: Über die Hälfte der<br />
Menschen in Ländern wie der<br />
Schweiz gehören einer<br />
anderen Klasse an als ihre<br />
Eltern.<br />
36<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: System<br />
Fragen nach sozialer Ungleichheit,<br />
Ausbeutung und Diskriminierung<br />
sind im öffentlichen Diskurs<br />
der Gegenwart von grosser<br />
Bedeutung. Doch was wissen wir eigentlich<br />
über diese Themen in den Sozialwissenschaften?<br />
Dieser Beitrag versucht, mit breitem<br />
Pinselstrich einen systematischen<br />
Überblick über die grundlegenden Entwicklungen,<br />
Strukturen und Erklärungen<br />
von sozialer Ungleichheit zu geben. Darunter<br />
wird die sozial bedingte Verteilung von<br />
gesellschaftlich positiv bewerteten Ressourcen<br />
in der Bevölkerung verstanden [1].<br />
Wie sich im weiteren Verlauf des Textes<br />
zeigen wird, ist soziale Ungleichheit ein<br />
vielgestaltiges Phänomen, das sich nicht<br />
ohne Weiteres auf einen Nenner bringen<br />
lässt und zudem durch menschliches Handeln<br />
immer wieder veränderlich ist. Daher<br />
versuchen Soziologen zwar, soziale Ungleichheit<br />
systematisch zu beschreiben<br />
und zu analysieren, zögern aber in der Regel,<br />
sie als stabiles System zu bezeichnen.<br />
Vermögen durch Ackerbau und<br />
Viehzucht<br />
Den grössten Teil seiner Geschichte verbrachte<br />
der Homo Sapiens in relativ egalitären<br />
Jäger-und-Sammler-Gesellschaften.<br />
Erst mit dem Übergang zu Gartenbau,<br />
Ackerbau und Viehzucht wurde es möglich,<br />
Vermögen zu akkumulieren und an nachfolgende<br />
Generationen weiterzugeben, sodass<br />
das Ausmass von Ungleichheit zunehmen<br />
konnte [2, 3, 4]. Die grössten Ungleichheiten<br />
finden sich in Ackerbaugesellschaften am<br />
Vorabend der Industrialisierung. Mit deren<br />
Höhepunkt begann auch die Ungleichheit<br />
zu sinken, um seit den 1970er-Jahren in<br />
zahlreichen Ländern, allerdings nicht in der<br />
Schweiz, wieder anzusteigen.<br />
Industrialisierung als Treiber<br />
Betrachtet man die Ungleichheit zwischen<br />
den verschiedenen Staaten weltweit, so ist<br />
diese seit Beginn des 19. Jahrhunderts aufgrund<br />
des unterschiedlichen Fortschritts<br />
der Industrialisierung dramatisch angestiegen,<br />
vor allem zwischen dem sogenannten<br />
globalen Norden und dem Süden. Seit den<br />
1970er-Jahren geht aufgrund der nachholenden<br />
Industrialisierung vor allem in den<br />
ost- und südasiatischen Ländern die Ungleichheit<br />
zwischen den Staaten zurück,<br />
und die Armut im globalen Süden sinkt<br />
drastisch [5]. Ein Beispiel dafür ist Bangladesch;<br />
dort führte die Verbreitung der Textilindustrie<br />
zwischen 2000 und 2016 – trotz<br />
der aus unserer Sicht verheerenden Arbeitsbedingungen<br />
– zu einer Halbierung<br />
der Armutsquote.<br />
Strukturen sozialer Ungleichheit<br />
In allen menschlichen Gesellschaften existieren<br />
soziale Hierarchien, die aber meist<br />
nur situativen Charakter haben, zum Beispiel:<br />
X ist die erfolgreichste Jägerin des<br />
Anzeige<br />
Tages. Erst mit der Möglichkeit, Ressourcen<br />
zu akkumulieren und zu vererben, ergeben<br />
sich stabile, sozioökonomisch fundierte<br />
Rangordnungen, die das «Oben» und<br />
das «Unten» in Gesellschaften abbilden. In<br />
der Soziologie spricht man hier von sozialen<br />
Klassen, die konstituiert werden, indem<br />
Menschen über unterschiedliche Typen<br />
von Ressourcen wie ökonomischem Kapital,<br />
kulturellem Kapital und Beruf verfügen.<br />
Daneben können auch Ungleichheiten zwischen<br />
den Geschlechtern oder ethnischen<br />
Gruppen festgestellt werden (im Englischen<br />
spricht man hier häufig von «class,<br />
gender and race»).<br />
Klassenzugehörigkeit ist<br />
nicht sichtbar<br />
Der weitaus grösste Teil der sozialen Ungleichheit<br />
in Ländern wie der Schweiz entfällt<br />
allerdings auf die vertikale Dimension<br />
des «Oben» und «Unten», das durch die<br />
Zugehörigkeit zu sozialen Klassen bedingt<br />
ist [1]. Dennoch ist die Sichtbarkeit und<br />
Prägekraft der Klassenstruktur in Gegen-<br />
Bild: Adobe Stock<br />
Bildung statt Vermögen vererben<br />
Was sind die Ursachen für diese Entwicklung?<br />
Mit der Industrialisierung hat sich<br />
einerseits die Möglichkeit der politischen<br />
Mobilisierung der Arbeiter- und Mittelklassen<br />
vergrössert. Andererseits funktioniert<br />
Vererbung immer weniger über die Weitergabe<br />
von ökonomischem Kapital über die<br />
Generationen, sondern über die Vererbung<br />
von Bildung [4]. Dies hat zu einer Abschwächung<br />
von Ungleichheit geführt. Durch die<br />
seit den 1970er-Jahren zunehmende ökonomische<br />
Globalisierung greift allerdings<br />
der erste der beiden Mechanismen immer<br />
weniger, sodass das Pendel wieder in Richtung<br />
zunehmender Ungleichheit ausschlägt<br />
[5]. Dies gilt aber nur für die Ungleichheit<br />
innerhalb von Ländern.<br />
Wir können Ärztinnen und Ärzten einiges bieten, weil wir sie gut verstehen.<br />
Als mediservice <strong>vsao</strong>-Mitglied gehören Sie zu einer privilegierten Gruppe:<br />
Sie haben exklusiven Zugang zu einem Online-Stellenvermittlungsportal und<br />
auf eine Online-Agenda mit Seminarangeboten. Als angehender Arzt können<br />
Sie zudem exklusiv an Laufbahn-Kongressen auf höchstem Niveau teilnehmen.<br />
www.mediservice-<strong>vsao</strong>.ch<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 37
Fokus: System<br />
wartsgesellschaften weniger gross, als<br />
man auf dieser Grundlage erwarten könnte.<br />
Denn erstens haben wir zwar alle eine<br />
Vorstellung vom «Oben» und vom «Unten»<br />
in einer Gesellschaft, die in der Soziologie<br />
verwendeten Klassenbegrifflichkeiten<br />
sind aber den meisten Menschen unbekannt.<br />
Zweitens ist Klassenzugehörigkeit<br />
kein festgeschriebenes Merkmal; über<br />
die Hälfte der Menschen weist eine andere<br />
Klassenzugehörigkeit auf als die Eltern,<br />
hier spricht man von sozialer Mobilität [6].<br />
Und drittens setzt sich Klassenzugehörigkeit<br />
nicht unmittelbar in bestimmte Erscheinungs-<br />
und Verhaltensweisen um,<br />
die sie nach aussen eindeutig sichtbar machen.<br />
Damit ist Klasse zwar ein zentrales<br />
Strukturprinzip moderner Ungleichheit,<br />
das aber gleichwohl im Alltag weniger<br />
sichtbar ist als beispielsweise die Geschlechtszugehörigkeit<br />
[7, 8].<br />
Wie entstehen Ungleichheiten?<br />
Eine erste zentrale Erklärung von sozialer<br />
Ungleichheit in meritokratischen Gesellschaften<br />
sind unterschiedlich verteilte Talente<br />
und Leistungen. Um ein hochbezahlter<br />
Tennisprofi zu werden, ist sowohl das<br />
eine als auch das andere nötig. Aber: Welche<br />
Leistungen und Talente in einer Gesellschaft<br />
hochbezahlt werden, hängt wiederum<br />
von sozialen Bedingungen ab. Der Vergleich<br />
der mässig erfolgreichen, aber gut<br />
bezahlten Schweizer Fussballer und der<br />
sehr erfolgreichen, aber praktisch unbezahlten<br />
Schweizer Mountainbikerinnen<br />
legt davon beredt Zeugnis ab. Eine zweite<br />
zentrale Erklärung von sozialer Ungleichheit<br />
ist weiterhin die Vererbung von verschiedenen<br />
Arten von Kapital von den Elterngenerationen<br />
auf ihre Kinder, die bis<br />
heute auch den Bildungserwerb in Gegenwartsgesellschaften<br />
prägt. Die gegenwärtigen<br />
Digitalisierungsprozesse befördern<br />
aufgrund ihrer monopolitischen Tendenzen<br />
zudem die Möglichkeiten zur Akkumulation<br />
von Reichtum, der dann wiederum<br />
vererbt werden kann.<br />
Diskriminierung auf dem<br />
Arbeitsmarkt<br />
Stark diskutiert wird gegenwärtig auch die<br />
Rolle von Diskriminierung, das heisst der<br />
Ungleichbehandlung von Personen aufgrund<br />
ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten<br />
Gruppen. Während im Bildungssystem<br />
wenig Evidenz für eine solche Diskriminierung<br />
vorliegt, kann diese auf dem Arbeitsmarkt<br />
deutlich nachgewiesen werden,<br />
wobei, um das Beispiel der ethnischen<br />
Dis kriminierung aufzugreifen, eine klare<br />
Hierarchie entlang der soziokulturellen<br />
Distanz zwischen dem Herkunftsland und<br />
der Schweiz festgestellt werden kann. Insgesamt<br />
bleibt die Erklärungsrelevanz von<br />
Diskriminierung deutlich hinter den beiden<br />
anderen ursächlichen Mechanismen<br />
Leistung und Vererbung zurück, gleichzeitig<br />
verstösst sie aber in eklatanter Weise<br />
gegen das meritokratische Prinzip der Leistungsgerechtigkeit<br />
[1].<br />
Literatur<br />
[1] Rössel, Jörg, 2009: Sozialstrukturanalyse.<br />
Eine kompakte Einführung.<br />
Wiesbaden: Springer.<br />
[2] Kohler, Timothy, Smith, Michael,<br />
Bogaard, Amy et al., 2017: Greater<br />
post-Neolithic wealth disparities in Eurasia<br />
than in North America and Mesoamerica.<br />
Nature 551: 619–622.<br />
[3] Milanovic, Branko, Lindert,<br />
Peter H., Williamson, Jeffrey G., 2011:<br />
Pre-Industrial Inequality. The Economic<br />
<strong>Journal</strong> 121: 255–272.<br />
[4] Lenski, Gerhart, 1966: Macht<br />
und Privileg. Eine Theorie der sozialen<br />
Schichtung. Frankfurt: Suhrkamp.<br />
[5] Firebaugh, Glenn, 2015:<br />
Global Income Inequality. Emerging Trends<br />
in the Social and Behavioral Sciences.<br />
Herausgegeben von Robert Scott, Stephen<br />
M. Kosslyn und Marlis Buchmann:<br />
John Wiley.<br />
[6] Falcon, Julie, 2016: Soziale<br />
Mobilität in der Schweiz im 20. Jahrhundert:<br />
zwischen Demokratisierung der<br />
Bildung und Fortbestand der Klassenungleichheiten.<br />
Social Change in Switzerland,<br />
N°5. doi:10.22019/SC-2016-00004.<br />
[7] Pape, Simone, Rössel, Jörg,<br />
Solga, Heike, 2012: Do We See Class<br />
Membership and How? Poetics 40: 317–336.<br />
[8] Rössel, Jörg, 2012: Gibt es in der<br />
Schweiz soziale Schichten?, Schweizerische<br />
Zeitschrift für Soziologie 38: 99–124.<br />
Anzeige<br />
Engagiert, motiviert, kompetent.<br />
So sind wir beim Rotkreuzdienst SRK.<br />
Wollen auch Sie Ihre fachlichen Qualifikationen und Ihr Engagement<br />
beim Rotkreuzdienst einbringen?<br />
Informieren Sie sich beim Schweizerischen Roten Kreuz:<br />
Rotkreuzdienst SRK, 058 400 41 70<br />
info@rkd-scr.ch, www.rkd-scr.ch<br />
38<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: System<br />
Mit<br />
Glasfasernetzen<br />
Erdbeben<br />
beobachten<br />
Rauschunterdrückungssysteme in Glasfaserkabeln können<br />
Bodenbewegungen messen. Dies haben Forschende der ETH Zürich<br />
und des Eidgenössischen Instituts für Metrologie herausgefunden.<br />
In Zukunft können mit dieser Technologie kostengünstige Netzwerke für<br />
Erdbeben- und Tsunami-Frühwarnsysteme eingerichtet werden.<br />
Sebastian Noe, Doktorand Seismologie und Wellenphysik, ETH Zürich<br />
Bild: Adobe Stock<br />
Glasfaserkabel dienen primär der<br />
Übertragung von Signalen. Wie Forschende<br />
gezeigt haben, können sie jedoch auch<br />
genutzt werden, um Boden bewegungen<br />
zu messen.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 39
Fokus: System<br />
Erdbeben können verheerende<br />
Auswirkungen auf Menschen,<br />
Infrastruktur und Umwelt haben,<br />
und eine genaue Vorhersage<br />
ist nach wie vor unmöglich. Jedoch<br />
können Seismologinnen und Seismologen<br />
durch die Erforschung von Erdbeben,<br />
beispielsweise durch die Messung der Bodenbewegungen,<br />
Frühwarnsysteme entwickeln.<br />
Diese ermöglichen es, weiter vom<br />
Erdbebenherd entfernte Gebiete zu warnen,<br />
damit Menschen rechtzeitig Schutz<br />
suchen und etwa Züge vorsorglich gebremst<br />
werden können. In einem hochentwickelten<br />
Land wie der Schweiz ist es<br />
selbstverständlich, ein dichtes Netzwerk<br />
von seismischen Stationen zu unterhalten.<br />
Allerdings ist der teure Unterhalt solcher<br />
Infrastrukturen in weniger wohlhabenden<br />
Ländern oftmals nicht möglich. Auch die<br />
Datenerhebung an den Ozeanböden, deren<br />
Fläche über zwei Drittel der Erdoberfläche<br />
ausmacht, ist aufgrund der Installation, Instandhaltung<br />
und Datenübermittlung herausfordernd<br />
und kostspielig.<br />
Erdbebenmessungen als<br />
Nebenprodukt<br />
Forschende der ETH Zürich haben in enger<br />
Kooperation mit dem Eidgenössischen<br />
Institut für Metrologie (METAS) eine neue<br />
Methode entdeckt, die überraschende Erkenntnisse<br />
zutage fördert: Bei der Anwendung<br />
eines Verfahrens, dessen Hauptziel<br />
die präzise Übermittlung von Zeitstempeln<br />
zwischen zwei Laboren durch ein Glasfaserkabel<br />
ist [1], zeigte sich als unbeabsichtigtes<br />
Nebenresultat, dass sich mit dem<br />
Glasfasernetz auch Bodenbewegungen erfassen<br />
lassen. Für die exakte Transferierung<br />
des optischen Datensignals wird eine<br />
Technologie angewendet, die Hintergrundrauschen<br />
unterdrückt. Rauschen im Signal<br />
kann aus verschiedenen Quellen stammen:<br />
Neben menschlicher Aktivität (Autos, Züge<br />
oder Baustellen) kann es auch auf natürliche<br />
Weise auftreten, beispielsweise durch<br />
Erdbeben. Die Information, wann und wie<br />
stark das Hintergrundrauschen automatisch<br />
unterdrückt wird, enthält somit Hinweise<br />
auf mikroskopische Längenänderungen<br />
der Glasfaser, die lediglich gespeichert<br />
und ausgewertet werden müssen. Dies ist<br />
mit den bereits vorhandenen Vorrichtungen<br />
vom METAS und ohne zusätzliche Anschaffungen<br />
möglich.<br />
Wie können Glasfasern Bodenbewegungen<br />
erfassen?<br />
Die Technologie des Systems «Active Phase<br />
Noise Cancellation» (PNC) in Glasfasernetzen<br />
ist vergleichbar mit der Rauschunterdrückung<br />
in modernen Noise-Can -<br />
celling- Kopfhörern. Hierbei werden mit<br />
Mikrofonen unerwünschte Hintergrundgeräusche<br />
aufgezeichnet und in Echtzeit<br />
ein Gegen signal erzeugt, das diese Geräusche<br />
gegensätzlich überlagert und dadurch<br />
auslöscht. Das Resultat ist ungetrübter<br />
Musikgenuss.<br />
Die Messung des Rauschens im Glasfaserkabel<br />
nutzt natürlich kein Mikrofon,<br />
sondern basiert auf dem Vergleich mit<br />
einem vom Empfänger reflektierten Teilsignal<br />
[2]. Ist kein Rauschen vorhanden, so<br />
sind das am Anfang der Faser emittierte<br />
und das am Ende der Faser reflektierte<br />
Signal identisch. Unterschiede zwischen<br />
den beiden Signalen sind das Resultat<br />
kleiner Deformationen der Faser, die das<br />
Lasersignal auf seinem Weg «gespürt» hat.<br />
Die Messung ermöglicht es, ein Rauschen<br />
mit einem entgegengesetzten Signal<br />
in Echtzeit zu überlagern, ähnlich zum<br />
Noise-Cancelling in Kopfhörern.<br />
Kein zusätzliches Gerät nötig<br />
Seit einigen Jahren ist der Einfluss von Bodenbewegungen<br />
auf Laserpulse in einem<br />
Glasfaserkabel bekannt. Mit speziell dafür<br />
entwickelten Laserinterferometern können<br />
Deformationen entlang einer Glasfaser<br />
gemessen werden. Diese Technologie wurde<br />
erfolgreich für Erdbebenmessungen in<br />
verschiedenen Umgebungen angewandt;<br />
in Städten [3], auf Gletschern [4] und auf<br />
Vulkanen [5]. In der Rauschunterdrückung<br />
der Glasfaserkommunikation für die<br />
Schweizer Atomuhreninfrastruktur, welche<br />
die Forschenden der ETH und des<br />
METAS untersucht haben, ist kein solches<br />
Messinstrument erforderlich. Die durch<br />
ein Erdbeben ausgelösten Bodenbewegungen<br />
entlang des 123 Kilometer langen Glasfaserkabels<br />
lassen sich aus dem Rauschen<br />
der Datenübertragung ablesen.<br />
Numerische Modelle bestätigen<br />
Beobachtungen<br />
Obwohl die Längenänderungen der Glasfasern<br />
oft nur wenige Mikrometer betragen,<br />
sind Erdbebensignale im PNC-System<br />
erstaunlich deutlich erkennbar. Ein<br />
Telekommunikationskabel zwischen Laboren<br />
in Bern und Basel erfasste die seismischen<br />
Wellen eines Erbebens der Magnitude<br />
3,9 bei Mulhouse im Elsass. Die<br />
PNC-Messungen stimmen mit numerischen<br />
Modellierungen des Bebens überein,<br />
ebenso mit den Messungen der seismischen<br />
Stationen des Schweizerischen<br />
Erdbebendienstes [1].<br />
Da die Messungen in numerischen<br />
Modellen reproduzierbar sind, können die<br />
PNC-Daten für die Charakterisierung von<br />
Erdbeben, einschliesslich von Tiefe und<br />
Stärke, herangezogen werden. Diese und<br />
andere Parameter sind essenziell für die<br />
Frühwarnung. Potenziell können PNC-<br />
Daten zukünftig insbesondere in weniger<br />
entwickelten Ländern und auf dem<br />
Meeres grund gesammelt werden, um<br />
Frühwarnsysteme für Erdbeben und Tsunamis<br />
zu unterstützen.<br />
Tomografie der Erde<br />
Die Methode ist auch für andere Zwecke<br />
vielversprechend. Die Auswertung von<br />
PNC-Daten kann dafür verwendet werden,<br />
die Erde zu «durchleuchten», ähnlich der<br />
Computertomografie (CT) in der Medizin.<br />
Dies ist besonders nützlich, da Proben aus<br />
Bohrprojekten oft nur aus wenigen Kilometern<br />
Tiefe stammen und daher im Vergleich<br />
Bild: Adobe Stock<br />
40<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: System<br />
Eine genaue Vorhersage, wann und wo ein Erdbeben auftritt, ist nach wie vor unmöglich. Seismische Stationen und möglicherweise auch bald das<br />
Glasfaserkabelnetz können jedoch helfen, Bodenbewegungen zu erkennen und Menschen zu warnen.<br />
zum Erdradius von 6371 Kilometern wenig<br />
aussagekräftig sind und kaum herangezogen<br />
werden können, um mehr über das Innere<br />
unseres Planeten zu erfahren. Eine<br />
Tomografie der Erde mit seismischen Wellen<br />
beruht auf denselben physikalischen<br />
Prinzipien wie ein CT-Scan, nur auf einer<br />
anderen Grössenskala [6]. Insbesondere<br />
die Nutzung von PNC-Daten in den Tiefen<br />
der Ozeanböden birgt das Potenzial, unser<br />
Verständnis vom Erdinneren zu vertiefen,<br />
da Bodenbewegungsdaten aus bisher unzugänglichen<br />
Gebieten in eine Erweiterung<br />
des Bildes einfliessen können.<br />
Schnell erklärt: Ein kurzes Video zur Messung von<br />
Bodenbewegungen mit dem Glasfasernetz finden<br />
Sie unter: www.youtube.com/watch?v=vFkPJ-SBe9s<br />
Literatur<br />
[1] Noe, S., Husmann, D., Müller, N.,<br />
Morel, J., and Fichtner, A. (2023). Long-range<br />
fiber-optic earthquake sensing by active phase<br />
noise cancellation. Sci Rep 13, 13983. https://doi.<br />
org/10.1038/s41598-023-41161-x.<br />
[2] Ma, L. S., Jungner, P., Ye, J., and<br />
Hall, J. L. (1994). Delivering the same optical<br />
frequency at two places: accurate cancellation<br />
of phase noise introduced by an optical fiber or<br />
other time-varying path. Optics letters, 19(21),<br />
1777–1779.<br />
[3] Smolinski, K., Paitz, P., Bowden, D.,<br />
Edme, P., Kugler, F., and Fichtner, A.: Urban<br />
Distributed Acoustic Sensing Using In-Situ<br />
Fibre Beneath Bern, Switzerland, EGU General<br />
Assembly 2020, Online, 4–8 May 2020,<br />
EGU2020-8225, https://doi.org/10.5194/<br />
egusphere-egu2020-8225.<br />
[4] Klaasen, S., Paitz, P., Lindner, N.,<br />
Dettmer, J., and Fichtner, A. (2021). Distributed<br />
acoustic sensing in volcano- glacial environments<br />
– Mount Meager, British Columbia.<br />
<strong>Journal</strong> of Geophysical Research: Solid Earth,<br />
126(11), e2021JB022358.<br />
[5] Klaasen, S., Thrastarson, S.,<br />
Çubuk-Sabuncu, Y., Jónsdóttir, K., Gebraad, L.,<br />
Paitz, P., and Fichtner, A. (2023). Subglacial<br />
volcano monitoring with fibre-optic sensing:<br />
Grímsvötn, Iceland. Volcanica, 6(2), 301–311.<br />
[6] Marty, P., Boehm, C., and Fichtner,<br />
A. (2021, February). Acoustoelastic full-waveform<br />
inversion for transcranial ultrasound<br />
computed tomography. In Medical Imaging<br />
2021: Ultrasonic Imaging and Tomography<br />
(Vol. 11602, pp. 210–229). SPIE.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 41
Fokus: System<br />
Sind Autoimmunkrankheiten<br />
somatoforme<br />
Störungen?<br />
Die empirische Auseinandersetzung mit der Theorie komplexer Systeme,<br />
der Biosemiotik, der Tiefenpsychologie sowie der Psychoanalyse<br />
könnte ein wirksames Mittel sein, um in der medizinischen Forschung und<br />
Therapie – insbesondere bei chronischen Erkrankungen – zukünftig<br />
wirkliche Fortschritte zu erzielen. Darauf deuten integrative<br />
Einzelfallstudien hin.<br />
Christian Schubert, Psychoneuroimmunologe und Universitätsprofessor an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie,<br />
Psychosomatik und Medizinische Psychologie der Medizinischen Universität Innsbruck<br />
Die konfliktbehaftete Abreise des Sohnes triggerte bei einer 40-Jährigen mit systemischem Lupus Erythematodes einen leichten Schub.<br />
Diese Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper erforscht die Medizinische Universität Innsbruck mittels integrativer Einzelfallstudien.<br />
Aktuell lässt sich der systemische<br />
Gedanke einer erweiterten<br />
medizinischen Sichtweise<br />
auf den Menschen am deutlichsten<br />
in der biopsychosozialen Medizinkonzeption<br />
George Engel erkennen [1].<br />
Das biopsychosoziale Modell basiert auf<br />
der Annahme einer schichtenhierarchischen<br />
Anordnung der verschiedenen Lebensentitäten<br />
(u. a. biologisch, psychologisch,<br />
sozial), die im Sinne der Theorie<br />
komplexer Systeme durch Emergenzbildungen<br />
auseinander hervorgehen und in<br />
Top-down-Bottom-up-Kreiskausalitäten<br />
miteinander vernetzt sind. Körperliche<br />
Erkrankungen und damit verbundene<br />
biochemische Veränderungen sind so gesehen<br />
das Resultat von Anpassungsstörungen<br />
an überfordernde, komplexe Umweltreize.<br />
Empirische Untersuchung durch<br />
integrative Einzelfallstudien<br />
Um diese komplexen Zusammenhänge<br />
unter gelebten Alltagsbedingungen («Life<br />
as it is lived») und unter Einbezug biosemiotischer<br />
und psychodynamischer Annahmen<br />
empirisch zu untersuchen, wurde<br />
an der Medizinischen Universität Innsbruck<br />
das Design der integrativen Einzelfallstudie<br />
entwickelt [2, 3]. Dieses basiert<br />
auf der hochfrequenten Sammlung von<br />
biochemischen, psychologischen und sozialen<br />
Zeitreihendaten und deren integrativer<br />
Auswertung mittels quantitativer<br />
(Zeitreihenanalyse) und qualitativer (Interviewanalysen)<br />
Methoden. Mithilfe dieses<br />
Designs konnte wiederholt sowohl an<br />
gesunden Probandinnen [3] als auch an<br />
Bild: Adobe Stock<br />
42<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: System<br />
Patientinnen mit systemischem Lupus<br />
Erythematodes (SLE) [4] und Tumorerkrankungen<br />
(z.B. Brustkrebs) [5] gezeigt<br />
werden, dass die Stresssystemreaktion auf<br />
emotional bedeutsame Alltagsereignisse<br />
zyklisch und mit tagelangen Verzögerungszeiten<br />
verläuft. Funktional gesehen<br />
dürfte es sich bei diesen langen, zyklischen<br />
Stresssystemreaktionen um regulatorische<br />
Phänomene (Feedback, Feedforward)<br />
handeln, die im Rahmen von<br />
bewussten und unbewussten Bedeutungszuschreibungen<br />
auftreten.<br />
Fall mit SLE: Psychischer Stress<br />
triggerte Schub<br />
Vor dem Hintergrund der Theorie komplexer<br />
Systeme [6] wird nun angenommen,<br />
dass zyklische Stresssystemreaktionen<br />
auf Regulationsphänomene verweisen<br />
und dass der Mensch bei emotional fordernden<br />
Umgebungsbedingungen und<br />
damit verbundenen Störungen zu Ordnungs-<br />
bzw. Phasenübergangen von gesund<br />
nach krank oder – im Fall von chronischen<br />
Erkrankungen wie dem SLE – von<br />
remittiertem Zustand nach Krankheitsschub<br />
tendiert. Dies lässt sich mit dem integrativen<br />
Einzelfalldesign ebenfalls empirisch<br />
untersuchen, wie der Fall einer<br />
40-jährigen Patientin mit SLE exemplarisch<br />
zeigt. Diese Patientin sammelte über<br />
63 Tage ihren gesamten Harn (von 20 Uhr<br />
abends bis 8 Uhr in der Früh), beantwortete<br />
um 20 Uhr abends Fragebögen über die<br />
vergangenen 24 Stunden und wurde einmal<br />
wöchentlich zu den Alltagsbelastungen<br />
der vergangenen Woche interviewt [2].<br />
Mithilfe der dynamischen Komplexität,<br />
eines Masses zur Bestimmung der Komplexität<br />
in einer Datenreihe [7], und der<br />
Interviews konnten wir in den psychoneuroimmunologischen<br />
Zeitreihen der Patientin<br />
einen solchen Phasenübergang in<br />
Form eines Krankheitsschubes identifizieren<br />
[8]. Ihr leichter SLE-Krankheitsschub<br />
(Kreuzschmerzen mit Taubheitsempfinden<br />
in den Füssen, Schwellung der<br />
kleinen Fingergelenke, Fieber, Schüttelfrost,<br />
Leistungsabfall, Müdigkeit) wurde<br />
durch ein von der Patientin als emotional<br />
stark belastend empfundenes Alltagsereignis,<br />
die Abreise ihres Sohnes am Tag 25<br />
der Studie, getriggert. Dabei kam es in unmittelbarem<br />
Zusammenhang mit dem<br />
Auftreten des Stressors zu kritischen<br />
Komplexitätsanstiegen in den Entzündungswerten<br />
(Urin-Neopterin) und bei<br />
der Stimmung der Patientin. Synchron dazu<br />
gab es kritische Komplexitätsabnahmen<br />
in der von der Patientin erlebten Ge-<br />
reiztheit und der subjektiv eingeschätzten<br />
Intensität der autoimmunen Krankheitsaktivität<br />
(Abbildung 1).<br />
Diese synchronisierten, kritischen<br />
Zu- und Abnahmen der Komplexität in<br />
krankheitsassoziierten, psychoneuroimmunologischen<br />
Variablen der Patientin<br />
liessen uns nun weitere für die Pathogenese<br />
des SLE relevante Überlegungen anstellen.<br />
Dabei verbanden wir, wie in der Folge<br />
dargestellt, die Theorie komplexer Systeme<br />
mit psychoanalytischen Überlegungen<br />
C. G. Jungs, der einmal meinte: «Die<br />
Synchronizitätsphänomene weisen, wie<br />
mir scheint, in diese Richtung, indem ohne<br />
kausale Verbindung sich Nicht-Psychisches<br />
wie Psychisches et vice versa verhalten<br />
kann.» [9]<br />
Während des Studienintervalls von<br />
zwei Monaten identifizierte die Patientin<br />
gemeinsam mit einer Interviewerin in<br />
wöchentlichen Abständen emotional bedeutsame<br />
Aspekte ihres Lebensalltags.<br />
Insbesondere beim Ereignis der Abreise<br />
des Sohnes kam bei der Interviewerin in<br />
der Gegenübertragung immer wieder<br />
Ärger auf, der begleitet wurde von einer<br />
sichtbaren inneren Unruhe der Patientin.<br />
Da die moderne Psychoanalyse die Gefühle<br />
der therapierenden Person gegenüber<br />
der Patientin bzw. dem Patienten als<br />
«Resonanzboden» ansieht, durch den sie<br />
Informationen über die Patientin bzw.<br />
den Patienten gewinnt, lässt sich dieser<br />
Ärger neben den Auffälligkeiten in den<br />
psycho neuroimmunologischen Kom plexitäts<br />
verläufen als weiterer diagnostischer<br />
Baustein werten, der zum Krankheitsverständnis<br />
der Pa tientin beitrug.<br />
Autoimmunreaktionen als Folge<br />
verdrängter Wut?<br />
Wir interpretieren unsere Ergebnisse so,<br />
dass die SLE-Patientin im Zusammenhang<br />
mit der konfliktdynamisch relevanten Abreise<br />
des Sohnes (zentraler Beziehungskonflikt<br />
nach der Operationalisierten Psychodynamischen<br />
Diagnostik [OPD] [10]:<br />
ödipal-sexuell, passiver Modus) ihre Wut<br />
und ihren Ärger nicht mehr flexibel wahrnehmen<br />
konnte oder durfte (Komplexitätsabfall<br />
der Gereiztheit und der subjektiv<br />
wahrgenommenen Krankheitsaktivität)<br />
und im Sinne der Affektisolierung aus<br />
ihrem Bewusstsein ausschliessen musste.<br />
Weiterhin nehmen wir an, dass die Patientin<br />
ihre psychischen Probleme auf den<br />
Körper verlagerte (Somatisierung) oder<br />
präziser, ihre verdrängte Wut in einer Autoimmunreaktion<br />
(Komplexitätsanstieg<br />
der Stimmung und des Neopterins) gegen<br />
Komplexität des Urin-Neopterins<br />
Komplexität der Stimmung<br />
Komplexität der Gereiztheit<br />
Komplexität der subjektiven<br />
SLE Krankheitsaktivität<br />
Komplexität der mentalen Aktiviertheit<br />
,3<br />
,25<br />
,2<br />
,15<br />
,1<br />
,05<br />
0<br />
1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />
,3<br />
,25<br />
,2<br />
,15<br />
,1<br />
,05<br />
,3<br />
,25<br />
,2<br />
,15<br />
,1<br />
,05<br />
7-Tage-Einheiten<br />
0<br />
1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />
7-Tage-Einheiten<br />
,3<br />
,25<br />
,2<br />
,15<br />
,1<br />
,05<br />
7-Tage-Einheiten<br />
0<br />
1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />
,3<br />
,25<br />
,2<br />
,15<br />
,1<br />
,05<br />
Abreise des Sohnes<br />
7-Tage-Einheiten<br />
0<br />
1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />
0<br />
1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />
7-Tage-Einheiten<br />
Abbildung 1: Zeitreihen der dynamischen<br />
Komplexität der Urin-Neopterin-Konzentration<br />
und der emotionalen Befindlichkeiten<br />
Stimmung, Gereiztheit und mentale Aktiviertheit<br />
sowie der subjektiven Krankheitsaktivität<br />
von Fall 1 mit SLE innerhalb des Studienzeitraums<br />
von 63 Tagen.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 43
Fokus: System<br />
sich wendete (Wendung gegen das Selbst).<br />
Die Autoaggression der Patientin dürfte<br />
also mit einer Autoimmunreaktion einhergegangen<br />
sein; d. h. die mit dem psychischen<br />
Konflikt verbundene, jedoch verdrängte<br />
Wut dürfte symbolisch auf den<br />
Körper umgelagert worden sein (Konversion)<br />
[11, 12]. Das zentrale Nervensystem ist<br />
mit dem Immunsystem vernetzt [13], und<br />
so ist durchaus denkbar, dass eine Entzündungsaktivität<br />
im obigen Sinne unbewusst<br />
und symbolisierend von einer<br />
seelischen Aktivität «instrumentalisiert»<br />
werden kann.<br />
Neue Therapieansätze bei chronischen<br />
Krankheiten?<br />
Wenn sich unsere Beobachtungen zur<br />
Synchronisierung zwischen emotionalen<br />
(autoaggressiven) und immunologischen<br />
(autoimmunen) Parametern in weiteren<br />
Studien bestätigen liessen, würde dies bedeuten,<br />
dass wir in Zukunft Patientinnen<br />
und Patienten mit SLE therapeutisch völlig<br />
anders behandeln müssten, als das derzeit<br />
in der Medizin der Fall ist (u. a. medikamentöse<br />
Therapie). Zum Beispiel, indem<br />
man psychotherapeutisch auf der<br />
seelischen Ebene (heilsame) Phasenübergänge<br />
ermöglicht, die dann top-down<br />
Neustrukturierungen auch auf körperlicher<br />
Ebene mitbedingen.<br />
Die Integration theoretischer Annahmen<br />
aus der Psychoanalyse (z. B. unbewusste<br />
Prozesse, Abwehr) und den Systemwissenschaften<br />
(z. B. Phasenübergang,<br />
Emergenz) zeigt sich also insbesondere für<br />
die von der Biomedizin oftmals als «rein<br />
körperlich» bezeichneten chronischen Erkrankungen<br />
von fundamentaler Relevanz<br />
[14, 15]. Es mag zwar noch eine Weile dauern,<br />
bis die biosemiotisch-systemische<br />
Sichtweise in der Medizin das reduktiv-materialistische<br />
Paradigma abgelöst<br />
hat, doch erleben wir bereits heute eine<br />
zum Positiven veränderte Akzeptanz ganzheitlicher,<br />
fächerübergreifender wissenschaftlicher<br />
Ansätze in der Gesellschaft.<br />
Und das ist nicht zuletzt für die Erkrankten<br />
von essenzieller Bedeutung.<br />
Literatur<br />
[1] Engel GL (1980): The<br />
clinical application of the<br />
biopsychosocial model. Am. J.<br />
Psychiatry 137, 535–544.<br />
[2] Schubert C, Lampe A,<br />
Rumpold G, Fuchs D, König P,<br />
Chamson E, Schüssler G (1999):<br />
Daily psychosocial stressors<br />
interfere with the dynamics of<br />
urine neopterin in a patient with<br />
systemic lupus erythematosus: an<br />
integrative single-case study.<br />
Psychosom. Med. 61, 876–882.<br />
[3] Schubert C, Geser W,<br />
Noisternig B, Fuchs D, Welzenbach<br />
N, König P, Schüssler G, Ocaña-<br />
Peinado FM, Lampe A (2012):<br />
Stress system dynamics during<br />
“life as it is lived”: an integrative<br />
single-case study on a healthy<br />
woman. PLoS One 7, e29415. doi:<br />
10.1371/journal.pone.0029415.<br />
[4] Schubert C, Geser W,<br />
Noisternig B, König P, Rumpold G,<br />
Lampe A (2002): Stressful life<br />
events and skin diseases: an<br />
additional perspective from<br />
research on psychosomatic<br />
dynamics in systemic lupus<br />
erythematosus. Psychother.<br />
Psychosom. 71, 123–124.<br />
[5] Schubert C, Ott M,<br />
Hannemann J, Singer M, Bliem<br />
HR, Fritzsche K, Burbaum C,<br />
Chamson E, Fuchs D (2021):<br />
Dynamic Effects of CAM<br />
Techniques on Inflammation and<br />
Emotional States: An Integrative<br />
Single-Case Study on a Breast<br />
Cancer Survivor. Integr. Cancer<br />
Ther. 20:1534735420977697. doi:<br />
10.1177/1534735420977697.<br />
[6] Haken H (1982):<br />
Synergetik. Berlin, Heidelberg,<br />
New York: Springer.<br />
[7] Schiepek G, Strunk G<br />
(2010): The identification of<br />
critical fluctuations and phase<br />
transitions in short term and<br />
coarse-grained time series-a<br />
method for the real-time<br />
monitoring of human change<br />
processes. Biol. Cybern. 102,<br />
197–207. doi: 10.1007/s00422-009-<br />
0362-1.<br />
[8] Schubert C, Schiepek G<br />
(2003): Psychoneuroimmunologie<br />
und Psychotherapie: Psychosozial<br />
induzierte Veränderungen der<br />
dynamischen Komplexität von<br />
Immunprozessen bei einer<br />
Patientin mit systemischem Lupus<br />
erythematodes. In: Schiepek G<br />
(Hrsg.), Neurobiologie der<br />
Psychotherapie. Stuttgart:<br />
Schattauer. S. 485–508.<br />
[9] Ribi A (2011):<br />
Neurose – an der Grenze zwischen<br />
krank und gesund. Berlin,<br />
Heidelberg: Springer. S. 415.<br />
[10] Arbeitskreis OPD<br />
(1998): Operationalisierte<br />
Psychodynamische Diagnostik:<br />
Grundlagen und Manual.<br />
2. korrigierte Auflage Bern: Huber.<br />
[11] Freud A (1980): Die<br />
Schriften der Anna Freud. Band I.<br />
München: Kindler Verlag.<br />
S. 233–243.<br />
[12] Otto R, Mackay IR.<br />
Psycho-social and emotional<br />
disturbance in systemic lupus<br />
erythematosus. Med J Aust 1967;<br />
2: 488–493.<br />
[13] Schubert C (2015):<br />
Psychoneuroimmunologie<br />
körperlicher Erkrankungen. In:<br />
Schubert C (Hrsg.), Psychoneuroimmunologie<br />
und Psychotherapie.<br />
2. Auflage. Stuttgart:<br />
Schattauer. S. 68–116.<br />
[14] Reiber H (2008): Von<br />
Lichtenbergs «Gespenst» zur<br />
Emergenz der Qualität. Die<br />
neurobiologische Hirn-Geist-Diskussion<br />
im Licht der Komplexitätswissenschaft.<br />
In: Joost U,<br />
Neumann A, Achenbach B, Tuitje<br />
H (Hrsg.), Lichtenberg-Jahrbuch<br />
2008. Heidelberg: Universitätsverlag<br />
Winter. S. 42–65.<br />
[15] Schubert C (2023): Die<br />
Geometrie der Seele. Wie<br />
unbewusste Muster das Drehbuch<br />
unseres Lebens bestimmen.<br />
München: Gräfe & Unzer.<br />
44<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Die lang ersehnte Familienfeier trotz Fatigue oder Konzentrationsstörungen<br />
geniessen? Verschiedene, meist off-label verschriebene Psychoanaleptika<br />
können palliativ versorgten Menschen dabei helfen.<br />
Aktuelles zu Stimulanzien: Off-Label-Use im palliativen Setting<br />
Was bewirken<br />
Psychoanaleptika<br />
in der Palliativmedizin?<br />
Bild: Adobe Stock<br />
Psychoanaleptika kommen bei unheilbar<br />
erkrankten Menschen oft zum Einsatz, jedoch meist ausserhalb<br />
des zugelassenen Gebrauchs. Manche Nebenwirkungen<br />
sind dabei sogar erwünscht. Ein Überblick.<br />
Sandra Curschellas und Eva Voser, Oberärztinnen am Zentrum für Altersmedizin / Palliative Care, Spital Affoltern<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 45
Perspektiven<br />
Anlässlich eines Symposiums<br />
der WHO 1969 wurde beschlossen,<br />
die Arzneimittel<br />
nach einem internationalen<br />
Standard zu klassifizieren. Dies führte<br />
1976 zur Veröffentlichung des WHO-Klassifikationssystems<br />
«Anatomical Therapeutic<br />
Chemical (ATC)». In der Gruppe N,<br />
die für das zentrale Nervensystem (ZNS)<br />
steht, sind die Psychoanaleptika aufgeführt.<br />
Diese Substanzen wirken grundsätzlich<br />
stimulierend und erhöhen, beschleunigen<br />
oder verbessern die Aktivität<br />
der Nerven. Dazu gehören Antidepressiva,<br />
Psychostimulanzien, Mittel zur Behandlung<br />
von AD(H)S, Nootropika, Kombinationspräparate<br />
von Psychoanaleptika<br />
und Psycholeptika sowie die Antidementiva.<br />
Es ist etwas widersprüchlich, dass<br />
auch sedierende Antidepressiva den Psychoanaleptika<br />
zugeordnet werden. In der<br />
Gruppe der Psycholeptika hingegen finden<br />
sich zentral dämpfende Substanzen,<br />
zu denen Antipsychotika, Anxiolytika,<br />
Hypnotika und Sedativa gehören [1].<br />
Wirkung von Psychoanaleptika<br />
Klinisch gesehen verbessern Psychoanaleptika<br />
die Aufmerksamkeit, fördern die<br />
Konzentration und reduzieren Müdigkeit.<br />
In der Medizin werden sie vor allem in der<br />
Behandlung von AD(H)S, bei bestimmten<br />
Schlafstörungen wie übermässiger Tagesschläfrigkeit,<br />
obstruktiver Schlafapnoe<br />
und Narkolepsie oder aufgrund der appetithemmenden<br />
Wirkung zur Gewichtsreduktion<br />
bei Adipositas eingesetzt. Auch<br />
Substanzen wie Koffein und Nikotin gehören<br />
in diese Gruppe, wobei Koffein das<br />
weltweit am häufigsten verwendete Psychoanaleptikum<br />
ist.<br />
Im Allgemeinen wirken die Psychoanaleptika<br />
über erhöhte Konzentrationen<br />
von Serotonin, Katecholaminen sowie<br />
durch den Antagonismus am Adenosinrezeptor.<br />
Im Folgenden möchten wir einen<br />
Überblick über die am häufigsten in der<br />
Palliativmedizin verwendeten Psychoanaleptika<br />
geben. Es sei jedoch angemerkt,<br />
dass diese Substanzgruppe meist off-label<br />
verwendet wird und es nur wenige Studien<br />
mit meist kleiner Studienpopulation<br />
gibt, wodurch die Evidenz schwach ist.<br />
Antidepressiva bei Schlafstörungen<br />
und neuropathischen Schmerzen<br />
Trazodon ist ein Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer<br />
sowie ein Antagonist der<br />
5-HT 2 -Rezeptoren. Trazodon wird als Antidepressivum<br />
mit anxiolytischer Komponente<br />
verwendet. Klinisch bedeutsame<br />
Nebenwirkungen sind Alpträume, sexuelle<br />
Dysfunktion und das Syndrom der inadäquaten<br />
ADH-Sekretion (SIADH) [2]. In<br />
der Palliativmedizin wird Trazodon off-label<br />
zur Schlafinduktion in Dosierungen<br />
von 25–150 mg/d verwendet, gelegentlich<br />
auch in retardierter Form, wenn eine zusätzliche<br />
Anxiolyse gewünscht wird [3].<br />
Mirtazapin ist ein zentral aktiver<br />
α 2 -Antagonist, der die noradrenerge und<br />
serotonerge Übertragung erhöht. Mirtazapin<br />
hat sedative Eigenschaften aufgrund<br />
seiner Histamin H 1 -antagonistischen Wirkung.<br />
Mirtazapin hat wenig anticholinerge<br />
Aktivität und in therapeutischer Dosierung<br />
nur begrenzte Auswirkungen auf das<br />
kardiovaskuläre System (z. B. orthostatische<br />
Hypotonie). Die wichtigsten Nebenwirkungen<br />
sind Alpträume und das Restless<br />
Leg Syndrom [2]. Die häufig beobachtete<br />
appetitsteigernde Wirkung mit Gewichtszunahme<br />
(keine Verbesserung der<br />
Sarkopenie, kein anaboler Effekt) ist in der<br />
Palliativmedizin oft eine gewünschte Nebenwirkung,<br />
da fehlender Appetit ein<br />
häufiges Symptom ist. Als schlafanstossende<br />
Medikation sind im Off-Label-Gebrauch<br />
Dosierungen bis 15 mg/d am effektivsten,<br />
bei höheren Dosierungen bis max.<br />
45 mg/d kommt die antidepressive Wirkung<br />
zum Tragen [3].<br />
Escitalopram ist ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.<br />
Escitalopram<br />
wird zur Behandlung von Depressionen,<br />
Angst-/Zwangsstörungen und sozialen<br />
Phobien eingesetzt [2]. Zu den wichtigsten<br />
Nebenwirkungen zählen Nausea<br />
zu Beginn der Therapie, SIADH, Schlaflosigkeit,<br />
erhöhte Blutungsneigung, vor allem<br />
in Kombination mit Aspirin, NSAR<br />
und Antikoagulantien. Inwiefern Antidepressiva<br />
in der Palliativmedizin zur Therapie<br />
von Trauer und Belastung im Rahmen<br />
der Grunderkrankung sinnvoll sind, bleibt<br />
umstritten. Allenfalls kann der antriebssteigernde<br />
und anxiolytische Effekt genutzt<br />
werden [3]. Die Startdosis beträgt<br />
5–10 mg/d und kann im Verlauf auf maximal<br />
20 mg/d gesteigert werden.<br />
Venlafaxin gehört zu den Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern<br />
(SNRI) und unterscheidet sich chemisch<br />
von den anderen Antidepressiva.<br />
Venlafaxin hemmt die Wiederaufnahme<br />
von Serotonin und Noradrenalin und<br />
schwach von Dopamin. Die Nebenwirkungen<br />
ähneln denen von Escitalopram, zudem<br />
kann es zu einem leichten Anstieg<br />
des Blutdrucks kommen. Venlafaxin wird<br />
zur Behandlung von Depressionen eingesetzt.<br />
In der Palliativmedizin wird vorwiegend<br />
die schmerzmodulierende Wirkung<br />
bei neuropathischen Schmerzen im Off-<br />
Label-Use genutzt. Im Vergleich zur Depressionsbehandlung,<br />
wo 75–150 mg üblich<br />
sind, werden dabei höhere Dosen von<br />
150–225 mg/d eingesetzt [4].<br />
Duloxetin ist ebenfalls ein SNRI und<br />
ähnelt Venlafaxin in Bezug auf den Wirkmechanismus<br />
und das Nebenwirkungsprofil.<br />
Es wird zur Behandlung von Depressionen,<br />
Angststörungen und der diabetischen<br />
Polyneuropathie eingesetzt, wobei<br />
Dosierungen von 60–120 mg/d üblich sind.<br />
Auch bei Duloxetin wird in der Palliativmedizin<br />
häufig die schmerzmodulierende<br />
Wirkung im Off-Label-Use genutzt [4].<br />
Psychostimulanzien bei Schläfrigkeit<br />
und Konzentrationsstörungen<br />
Methylphenidat ist ein ZNS-Stimulans,<br />
aber kein Amphetamin im eigentlichen<br />
Sinne. Es wird hauptsächlich in der Behandlung<br />
von AD(H)S im Kindes- und Erwachsenenalter<br />
eingesetzt. Die Wirkung<br />
beruht auf der Hemmung der Wiederaufnahme<br />
von Dopamin und Noradrenalin in<br />
den präsynaptischen Neuronen. Dadurch<br />
erhöhen sich diese Botenstoffe im präsynaptischen<br />
Spalt, was zu einer verstärkten<br />
dopaminergen und noradrenergen Signalübertragung<br />
führt. Das Ziel ist die Steigerung<br />
der Aufmerksamkeit, Wachheit und<br />
kognitiven Leistungsfähigkeit. In der Palliativmedizin<br />
wird Methylphenidat oft bei<br />
Fatigue, zur Verminderung von Konzentrationsstörungen<br />
sowie zur Steigerung der<br />
kognitiven Leistungsfähigkeit verschrieben.<br />
Zum Beispiel als Unterstützung bei<br />
wichtigen bevorstehenden Aufgaben («unfinished<br />
business»). Die Startdosis beträgt<br />
5 mg/d und kann auf maximal 40 mg/d erhöht<br />
werden. In der Regel erfolgt die Gabe<br />
aufgrund der kurzen Halbwertszeit von<br />
ein bis vier Stunden in zwei Dosen am<br />
Morgen und Mittag. Die häufigsten Nebenwirkungen<br />
sind Appetitverlust, Schlaflosigkeit,<br />
Kopfschmerzen, Nausea, Schwitzen,<br />
erhöhter Blutdruck, Tachykardie und<br />
Tremor. Es können Verhaltensauffälligkeiten<br />
mit erhöhter Reizbarkeit und emotionaler<br />
Labilität sowie depressive Symptome<br />
auftreten [3, 5].<br />
Modafinil erhöht die Wachheit, Aufmerksamkeit<br />
und motorische Aktivität.<br />
Der genaue Mechanismus der psychotro-<br />
46<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
pen Wirkung ist noch nicht vollständig<br />
geklärt. Modafinil hemmt die Wiederaufnahme<br />
von Dopamin, während die Wiederaufnahme<br />
von Noradrenalin und Serotonin<br />
kaum beeinflusst wird. Modafinil<br />
wird hauptsächlich zur Behandlung der<br />
Schläfrigkeit bei obstruktiver Schlafapnoe,<br />
bei Narkolepsie oder bei Personen,<br />
die Schicht arbeiten, eingesetzt. Die Nebenwirkungen<br />
umfassen Nervosität,<br />
Kopfschmerzen, Palpitationen, Nausea,<br />
Mundtrockenheit und verschwommenes<br />
Sehen. In der Palliativmedizin gibt es Hinweise<br />
auf eine Verbesserung der Fatigue,<br />
jedoch erlauben die vorliegenden Daten<br />
keine abschliessende Beurteilung [3].<br />
Andere Substanzklassen: Kortikosteroide<br />
für die Familienfeier<br />
Gemäss der erweiterten S3-Leitlinie Palliativmedizin<br />
sollten bei Patientinnen und<br />
Patienten mit Fatigue zunächst sekundäre<br />
Ursachen wie Anämie, Depression, Infektionen,<br />
Dehydratation, Malnutrition, Hyperkalziämie,<br />
Hypomagnesiämie oder die<br />
sedierende Nebenwirkung von Opioiden<br />
gesucht und behandelt werden [6]. Bei<br />
Persistenz der Fatigue kann nebst Methylphenidat<br />
bzw. Modafinil auch mit Kortikosteroiden<br />
gearbeitet werden. Obwohl sie<br />
nicht zu den Psychoanaleptika zählen,<br />
konnten Kortikosteroide eine signifikante<br />
Verbesserung der Fatigue erzielen. In den<br />
vorliegenden Studien wurden Dosierungen<br />
von Methylprednisolon bis 500 mg/d,<br />
Prednison und Prednisolon bis 20 mg/d<br />
sowie Dexamethason bis 20 mg/d eingesetzt.<br />
Bei längerer Anwendung können<br />
unerwünschte Nebenwirkungen wie Insulinresistenz,<br />
proximale Myopathie und<br />
erhöhtes Infektionsrisiko aufgrund der<br />
Immunsuppression auftreten. Steroide<br />
können Schlafstörungen verursachen,<br />
ins besondere wenn sie abends eingenommen<br />
werden, daher sollte die Einnahme<br />
am Morgen erfolgen. Steroide werden<br />
häufig in Situationen eingesetzt, in denen<br />
die Fatigue über einen begrenzten Zeitraum<br />
verbessert werden soll, zum Beispiel,<br />
um ein konkretes Ziel wie das Besuchen<br />
einer Familienfeier zu erreichen. Im<br />
klinischen Alltag wird Prednisolon in Dosierungen<br />
von 20 bis 50 mg/d und Dexamethason<br />
in Dosierungen von 4 bis 8 mg/d<br />
verwendet [7].<br />
Literatur<br />
[1] Markus Antonius Wirtz (2021).<br />
Dorsch – Lexikon der Psychologie. Hogrefe.<br />
Psychopharmakologie – Dorsch – Lexikon<br />
der Psychologie (hogrefe.com).<br />
[2] HCI Solutions AG. (21.4 2023).<br />
Compendium.ch. www.compendium.ch.<br />
[3] Martin Mücke, M. M. (2015).<br />
Pharmacological treatments for fatigue<br />
associated with palliative care. Cochrane<br />
Database of Systematic Reviews 2015,<br />
Issue 5. Art. No.: CD006788. https://doi.org/<br />
DOI: 10.1002/14651858.CD006788.pub3.<br />
[4] Ian Gilron, R. B. (<strong>April</strong> 2015).<br />
Neuropathic Pain: Principles of Diagnosis<br />
and Treatment. Mayo Clinic Proceedings.<br />
https://doi.org/10.1016/j.mayocp.2015.01.018.<br />
[5] Shun Gong, P. S. (2014). Effect<br />
of Methylphenidate in Patients with<br />
Cancer-Related Fatigue: A Systematic<br />
Review and Meta-Analysis. PLoS ONE 9(1):<br />
e84391. https://doi.org/ doi:10.1371/journal.<br />
pone.0084391.<br />
[6] Deutsche Krebsgesellschaft,<br />
Deutsche Krebshilfe, AWMF. (2020).<br />
Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin<br />
für Patienten mit einer nicht heilbaren<br />
Krebserkrankung (Langversion 2.2).<br />
[7] Hans Neuenschwander, C. C.<br />
(2015). Handbuch Palliativmedizin. In:<br />
Hans Neuenschwander, C. C., Handbuch<br />
Palliativmedizin (S. 101 ff). Hans Huber.<br />
Weiterführende<br />
Literatur<br />
Otto Benkert, H. H. (2011). Kompendium<br />
der Psychiatrischen Pharmakotherapie.<br />
Heidelberg: Springer Medizin Verlag.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 47
Perspektiven<br />
Aus der «Therapeutischen Umschau»* – Übersichtsarbeit<br />
Die anderen<br />
Zecken-übertragenen<br />
Infektionen in<br />
Mitteleuropa<br />
Rainer Weber, mediX Praxis Altstetten, Schweiz, sowie Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene,<br />
Universitätsspital Zürich, Schweiz<br />
Einleitung<br />
Zunehmend werden in Europa – neben<br />
der Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis<br />
(FSME) – auch<br />
andere, seltenere, durch Zecken übertragene<br />
Infektionen erkannt, welche in dieser<br />
Übersichtsarbeit dis kutiert werden.<br />
Weiterhin sind aufgrund der Reisetätigkeit<br />
und der Migration auch Zecken-assoziierte<br />
Infektionen aus anderen geografischen<br />
Regionen differenzialdiagnostisch<br />
zu erwägen.<br />
Zecken-übertragene Infektionen<br />
in Europa<br />
Zecken-übertragene Infektionen kommen<br />
entsprechend der Ausbreitungsgebiete<br />
der Vektoren und der Pathogene in geografisch<br />
lokalisierten Gebieten vor (Tabelle<br />
1) [1, 2]. Dazu gehören:<br />
– Lyme-Borreliose<br />
– Zeckenenzephalitis: europäische und<br />
russische FSME<br />
– andere Virusinfektionen, die Enzephalitis<br />
und hämorrhagische Fieber verursachen<br />
– Rickettsiosen<br />
– Anaplasmose und Ehrlichiose<br />
– Babesiose<br />
* Der Artikel wurde erstmalig in der «Therapeutischen<br />
Umschau» (2022), 79(9), 426–440 publiziert<br />
und erscheint hier in einer aktualisierten Fassung.<br />
– Zecken-assoziierte Rückfallfieber und<br />
die neu entdeckte Borrelia miyamotoi-Infektion<br />
– seltene Infektionen, die vor allem immunsupprimierte<br />
betreffen: Neoehrlichiose,<br />
Spiroplasmose<br />
– Infektionen, die üblicherweise andere<br />
Transmissionswege haben, aber auch<br />
durch Zecken übertragen werden können:<br />
Tularämie, Q-Fieber, möglicherweise<br />
Bartonellosen.<br />
Zecken<br />
Zecken kommen weltweit vor. Die Verbreitung<br />
der verschiedenen Arten hängt vom<br />
Vorkommen ihrer jeweiligen Wirte und<br />
von Umweltfaktoren wie Temperatur und<br />
Luftfeuchtigkeit ab. Viele Zeckenarten haben<br />
bevorzugte Wirtstiere, andere haben<br />
eine geringe Wirtsspezifität, wie die Ixodes<br />
ricinus-Zecke, die auf über 300 Wirbeltierarten<br />
(darunter Säugetieren, Reptilien und<br />
Vögeln) nachgewiesen wurde.<br />
Zecken sind Arthropoden mit mehrjährigem<br />
Entwicklungszyklus, die ab einer<br />
Temperatur von etwa 7 bis 8 Grad Celsius<br />
aktiv werden. Sie durchlaufen nach<br />
dem Schlüpfen drei Entwicklungsstadien<br />
und zwei Häutungsprozesse: Larve (sechs<br />
Beine, Ixodes: 0.5 × 0.4 mm gross), Nymphe<br />
(acht Beine, 1.2 × 0.8 mm) und Adulte (acht<br />
Beine, 3.8 × 2.6 mm; vollgesogen bis 13 ×<br />
10 mm).<br />
Unterschiedliche Zeckenarten übertragen<br />
unterschiedliche Mikroorganismen<br />
(Tabelle 2). Eine Zeckenart kann mit mehreren<br />
Pathogenen infiziert sein und somit<br />
einen oder gleichzeitig mehrere Erreger<br />
übertragen. Zecken sind meist infektiös<br />
via Saliva, selten via Fäzes (Q-Fieber).<br />
Die Verbreitungsgebiete der Zeckenarten<br />
in Europa sind in Tabelle 2 zusammengestellt<br />
(siehe auch Landkarten der European<br />
Centres for Disease Control [3]). Am<br />
häufigsten kommt in Europa die Schildzecke<br />
(Ixodes sp.) vor, welche verschiedene Bakterien,<br />
Viren und Protozoen übertragen kann.<br />
Die Schildzecken kommen praktisch<br />
überall vor, wo es Pflanzen gibt (bis auf eine<br />
Höhe von zirka 2000 Metern über<br />
Meer), somit auch in Gärten sowie in städtischen<br />
und vorstädtischen Gebieten. Die<br />
Zecken klettern auf Grashalme, Gebüsche<br />
oder herumliegendes Holz und halten sich<br />
meist in einer Höhe von weniger als einem<br />
Meter, häufig sogar nur zwischen 10 und<br />
50 cm über dem Boden auf. Zecken fallen<br />
nicht von Bäumen und können nicht<br />
springen. Ixodes-Zecken warten auf den<br />
Pflanzen und halten sich an Tieren oder<br />
Menschen fest, sobald sie durch Kontakt<br />
von den Pflanzen abgestreift werden.<br />
Demgegenüber krabbeln Dermacentor-,<br />
Haemaphysalis- und Hyalomma-Zecken,<br />
die auch in Europa heimisch sind, aktiv<br />
auf den Menschen zu.<br />
48<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Der Gemeine Holzbock aus der Familie der Schildzecken ist die häufigste Zeckenart in der Schweiz. Neben Lyme-Borreliose und der Frühsommer-<br />
Meningo enzephalitis (FSME) kann er – ebenso wie andere Zeckenarten – auch seltenere Krankheiten übertragen.<br />
Bild: Adobe Stock<br />
Determinanten von Zeckenübertragenen<br />
Infektionen<br />
Zecken-übertragene Infektionen werden<br />
in den letzten Jahren häufiger [4]. Die Ursachen<br />
für die Zunahme sind vielfältig und<br />
aufgrund multipler und komplexer Interaktionen<br />
zwischen Pathogenen, deren<br />
Tierreservoire, der Vektoren, Mensch und<br />
Umwelt schwierig zu erforschen. Faktoren<br />
wie Landnutzung, Fragmentierung und<br />
andere Veränderungen von Ökosystemen,<br />
Klimaänderungen, Veränderungen der<br />
Epidemiologie der Tierreservoire oder der<br />
Zecken sowie menschliche Verhaltensweisen<br />
können zur erhöhten Wahrscheinlichkeit<br />
einer Exposition der Menschen gegenüber<br />
infizierten Zecken beitragen [5].<br />
Infektionsrisiko<br />
Ixodes sp. ist in 30 – 50 % mit Borrelia burgdorferi,<br />
in Endemiegebieten in 0.1 – 5 % mit<br />
FSME-Viren und in wenigen Prozent auch<br />
mit weiteren Pathogenen infiziert. Das Risiko<br />
für eine Antikörperbildung (Serokonversion)<br />
gegenüber B. burgdorferi nach einem<br />
Zeckenstich beträgt 2.6 – 5.6 %, aber<br />
nur ein kleiner Teil der Infizierten erkrankt.<br />
Insgesamt ist bei 0.3 – 1.4 % der Zeckenstiche<br />
mit einer Lyme-Borreliose zu<br />
rechnen [6 – 8]. Das Risiko für eine Infektion<br />
mit dem FSME-Virus nach Zeckenstich<br />
ist nicht zu beziffern, da viele Infektionen<br />
asymptomatisch oder wenig symptomatisch<br />
verlaufen, ist es aber aufgrund der<br />
tiefen Rate infizierter Zecken in den Endemiegebieten<br />
klein.<br />
Prävention<br />
Eine vollständige Expositionsprophylaxe<br />
ist keine lebens- oder realitätsnahe Strategie.<br />
Verschiedene Massnahmen können<br />
aber das Risiko von Zeckenstichen reduzieren:<br />
Das Tragen geschlossener Kleidung<br />
(feste Schuhe, lange Hosen, lange Ärmel)<br />
erschwert es einer Zecke, eine geeignete<br />
Hautstelle für eine Blutmahlzeit zu finden.<br />
Nach einem Aufenthalt im Freien sollte<br />
der Körper nach Zecken abgesucht und<br />
diese sollten sofort entfernt werden.<br />
Zecken stechen nicht sofort, wenn sie<br />
auf einen Wirt gelangt sind, sondern suchen<br />
zuerst nach einer geeigneten für sie<br />
«geschützten» Stichstelle und saugen in<br />
der Folge über mehrere Tage (Larven: 2 – 4,<br />
Nymphen: 3 – 5, Adulte: 6 – 8 Tage). Häufige<br />
«bevorzugte» Stichstellen umfassen<br />
Haaransatz, Ohren, Hals, Achseln, Ellenbeuge,<br />
Bauchnabel, Genitalbereich, Kniekehle<br />
oder Stellen unter enganliegender<br />
Kleidung. Es dauert ein bis zwei Tage, bis<br />
Borrelien nach dem Stich übertragen werden.<br />
Somit kann durch Absuchen nach<br />
umherlaufenden oder saugenden Zecken<br />
und durch eine möglichst rasche Entfernung<br />
eine mög liche Infektion verhindert<br />
werden. Die Übertragung von FSME-Viren<br />
kann demgegenüber innert Stunden nach<br />
einem Stich erfolgen.<br />
Zur Entfernung von Zecken werden<br />
diese mit einer Pinzette oder einem Zecken<br />
entfernungsinstrument – und falls<br />
nicht vorhanden mit dem Fingernagel –<br />
nahe der Hautoberfläche gefasst und gerade<br />
herausgezogen. Die Haut wird in der<br />
Folge desinfiziert. Falls Teile der Zecken<br />
nicht entfernt werden können, können<br />
diese belassen werden und sollen nicht<br />
chirurgisch entfernt werden.<br />
Die Anwendung von Repellentien (Akarizide)<br />
auf der Haut oder der Kleidung kann<br />
ebenfalls schützen, z. B. Diethyltoluamid<br />
(DEET), welches von schwangeren Frauen,<br />
in der Stillzeit und bei Kindern unter zwei<br />
Jahren nicht angewendet werden soll und<br />
selten auch Allergien hervorrufen kann.<br />
Die aktive Immunisierung gegen FSME<br />
ist erfolgreich. Impfungen gegen die Borreliose<br />
oder andere Zecken-übertragene Infektionen<br />
sind bisher nicht verfügbar.<br />
Eine Untersuchung von entfernten<br />
Zecken auf Infek tionserreger, um Prophylaxe-<br />
oder Therapieempfehlungen abzuleiten,<br />
wird nicht als sinnvoll angesehen.<br />
Ein positiver Nachweis von Pathogenen<br />
in der Zecke lässt nicht darauf schliessen,<br />
dass es zu einer Infektion gekommen<br />
ist und umgekehrt schliesst ein negatives<br />
Ergebnis aufgrund der limitierten Testsensitivität<br />
eine Infektion nicht aus.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 49
Perspektiven<br />
Tabelle 1. Zecken-übertragene Infektionen<br />
Erkrankung Mikroorganismus Vektoren * Endemiegebiete<br />
BAKTERIEN<br />
Borrelia<br />
Lyme-Borreliose Borrelia burgdorferi I. scapularis, I. pacificus, I. ricinus,<br />
I. hexagonus, I. trianguliceps<br />
CH**, Eurasien, Nordamerika<br />
B. afzelii I. ricinus, I. persulcatus CH, Eurasien<br />
B. garinii I. ricinus, I. persulcatus, I. uriae CH, Eurasien<br />
B. valaisiana, B. bavariensis,<br />
B. spielmanii, B. lusitaniae<br />
I. ricinus CH, Eurasien<br />
B. mayonii I. scapularis Nordamerika<br />
Zecken-Rückfallfieber B. miyamotoi I. scapularis, I. pacificus, I. ricinus,<br />
I. persulcatus<br />
CH, Eurasien, Japan, Nordamerika<br />
B. hispanica O. erraticus Spanien, Nordafrika<br />
B. duttonii Ornithodoros sp. Afrika<br />
Anaplasmataceae<br />
Humane granulozytäre<br />
Anaplasmose (HGA)<br />
Anaplasma phagocytophilum<br />
I. ricinus, I. scapularis, I. pacificus,<br />
I. trianguliceps, R. sanguineus<br />
CH, Eurasien, China, Nordamerika<br />
Humane monozytäre<br />
Ehrlichiose (HME)<br />
Ehrlichia chaffeensis A. americanum, D. variabilis Nordamerika<br />
Neoehrlichiose Candidatus Neoehrlichia mikurensis Ixodes sp. CH, Europa, China, Japan<br />
Rickettsia<br />
Mittelmeer-Fleckfieber<br />
( Boutonneuse Fieber)<br />
Rickettsia conorii<br />
(R. conorii subsp. conorii, subsp.<br />
israelensis, subsp. caspia, subsp.<br />
indica)<br />
R. sanguineus Mittelmeerländer<br />
Zeckenbissfieber R. helvetica I. ricinus CH, Europa<br />
Zeckenbissfieber R. massiliae Rhipicephalus sp. Europa, Afrika, Amerika<br />
Zeckenbissfieber R. monacensis Ixodes sp. Europa, Afrika<br />
Afrikanisches<br />
Zeckenbissfieber<br />
R. africae Amblyomma sp. Afrika<br />
Diverse Zeckenbissfieber<br />
(global)<br />
R. japonica, R. australis,<br />
R. sibirica, etc.<br />
Diverse<br />
Asien, Australien, Südamerika,<br />
Nordamerika<br />
Rocky-Mountain-Fleckfieber<br />
(Spotted Fever)<br />
TIBOLA, DEBONEL,<br />
SENLAT ***<br />
Mollicutes<br />
R. rickettsii D. variabilis, D. andersoni,<br />
R. sanguineus)<br />
R. slovaca, R. raoulti I. ricinus, D. marginatus,<br />
D. reticulatus, H. inermis<br />
Nordamerika<br />
CH, Europa<br />
Spiroplasmose Spiroplasma sp. I. ricinus und andere CH, Eurasien, weltweit?<br />
Andere Bakterien<br />
Bartonellose Bartonella henselae Unklar, ob auch durch Zecken übertragen<br />
Q-Fieber Coxiella burnetii Übertragung durch Zecken nicht<br />
bewiesen, aber möglich<br />
Tularämie Francisella tularensis I. ricinus, D. marginatus,<br />
D. reticulatus<br />
CH, weltweit<br />
CH, weltweit<br />
CH, Nordhalbkugel<br />
50<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Tabelle 1. Zecken-übertragene Infektionen (Fortsetzung)<br />
Erkrankung Mikroorganismus Vektoren * Endemiegebiete<br />
PROTOZOEN<br />
Borrelia<br />
Babesiose Babesia microti I. scapularis, I. pacificus, H. inermis CH, Europa, Nordamerika<br />
B. divergens I. ricinus CH, Europa, Nordamerika<br />
B. venatorum (früher: Babesia sp.<br />
EU1)<br />
I. ricinus CH, Europa, China<br />
VIREN<br />
Virale Zecken-Enzephalitis<br />
Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus<br />
(FSME)<br />
FSME Virus (Tick-Borne<br />
Encephalitis Virus; Flaviviridae)<br />
I. ricinus, I. persulcatus CH, Eurasien<br />
Louping-ill Louping-ill-Virus (Flaviviridae) I. ricinus Schottland, Irland<br />
Zecken-Enzephalitis Deer Tick Virus (Flaviviridae) I. scapularis Nordamerika<br />
Powassan Virus (Flaviviridae) I. scapularis, I. cookei Ost-Russland, Nordamerika<br />
Bhanjavirus (und Subtyp<br />
« Palma Virus») (Bunyaviridae)<br />
Thogotovirus (Orthomyxoviridae)<br />
Haemaphysalis sp., Dermacentor sp.,<br />
Rhipicephalus sp., Boophilus sp.,<br />
Amblyomma sp.<br />
Amblyomma sp., Ixodes sp.,<br />
Boophilus sp., Hyalomma sp.,<br />
Rhipicephalus sp.<br />
Osteuropa, Italien, Portugal<br />
Portugal, Sizilien, Iran,<br />
Zentralafrika<br />
Tribec Virus (Synonym:<br />
Lipovnikvirus) (Reoviridae)<br />
I. ricinus Osteuropa, Russland, Italien<br />
Virale hämorrhagische Zeckenbissfieber<br />
Eyachvirus (Reoviridae) I. ricinus, I. ventalloi Deutschland, Frankreich,<br />
Niederlande, Tschechien<br />
Alkhurma Hämorrhagisches<br />
Fieber<br />
Alkhurma Hämorrhagisches Fieber<br />
Virus (Flaviviridae)<br />
Ornithodoros sp.<br />
Saudi-Arabien<br />
Kyasanur Forest<br />
Hämorrhagisches Fieber<br />
Kyasanur Forest Virus (Flaviviridae) Haemaphysalis sp. Indien<br />
Omsker Hämorrhagisches<br />
Fieber<br />
Heartland Hämorrhagisches<br />
Fieber<br />
Omsker Hämorrhagisches Fieber<br />
Virus (Flaviviridae)<br />
Heartland Virus<br />
(Bunyaviridae, Phlebovirus)<br />
D. reticulatus Russland<br />
A. americanum Nordamerika<br />
Krim-Kongo-<br />
Hämorrhagisches- Fieber<br />
Krim-Kongo Hämorrhagisches<br />
Fieber Nairovirus (Bunyaviridae)<br />
Hyalomma sp., R. sanguineus, und<br />
andere<br />
Ost-, Südeuropa, Mittelmeerländer,<br />
Mittlerer Osten, Afrika, Asien<br />
Severe Fever with<br />
Thrombocytopenia<br />
Severe Fever with Thrombocytopenia<br />
Syndrome Virus (SFTSV)<br />
(Hualyangshan Virus, Bunyaviridae,<br />
Phlebovirus)<br />
H. longicornis China, Japan, Südkorea<br />
Bourbon Hämorrhagisches<br />
Fieber<br />
Bourbon Virus (Orthomyxoviridae) A. americanum Nordamerika<br />
Virale Zeckenbissfieber<br />
Colorado Zeckenbissfieber<br />
Colorado Tick Fever Virus<br />
( Reoviridae)<br />
D. andersoni Nordamerika<br />
Alongshan Zeckenbissfieber<br />
Alongshan Virus (ALSV)<br />
(Flaviviridae)<br />
Ixodes sp.<br />
CH, Nordchina, Finnland, Russland,<br />
Frankreich, Deutschland<br />
Anmerkungen: * A. (Amblyomma), D. (Dermacentor), H. (Haemaphysalis), I. (Ixodes), O. (Ornithodoros oder Ornithodorus), R. (Rhipizephalus);<br />
** CH, Schweiz; *** Syndrome mit Eschar und Lymphadenopathie wurden unter folgenden Akronymen beschrieben: TIBOLA (TIck-BOrne<br />
LymphAdenopathy); DEBONEL (DErmacentor-BOrne Necrosis Erythema and Lymphadenopathy); SENLAT (Scalp Eschar and Neck LymphAdenopathy<br />
after Tick bite»).<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 51
Perspektiven<br />
In den USA wird in Hochendemiegebieten<br />
von B. burgdorferi nach einem<br />
Zeckenbiss eine Sekundärprophylaxe mit<br />
200 mg Doxycyclin als Einzeldosis empfohlen.<br />
In Europa wird keine derartige<br />
Antibiotikaprophylaxe durchgeführt, weil<br />
der mögliche Nutzen die Nachteile (Schädigung<br />
des Mikrobioms, Resistenzentwicklung,<br />
Toxizität) nicht aufwiegt.<br />
Zecken-assoziierte<br />
Krankheitsbilder<br />
Die Lyme-Borreliose und die FSME werden<br />
in anderen Artikeln besprochen.<br />
Anaplasmose und Ehrlichiose<br />
Anaplasma phagocytophilum sind Zecken-übertragene<br />
Bakterien, die Granulozyten<br />
infizieren und die humane granulozytäre<br />
Anaplasmose (HGA) verursachen<br />
(früher humane granulozytäre Ehrlichiose<br />
[HGE] genannt); Ehr lichia chaffeensis infiziert<br />
Monozyten und ist Ursache der humanen<br />
monozytären Ehrlichiose (HME).<br />
Epidemiologie<br />
A. phagocytophilum kommt in Nordamerika<br />
und Eurasien vor und wurde in<br />
1.4 – 11.9 % von Ixodes-Zecken in der<br />
Schweiz [9, 10] sowie in zahlreichen<br />
Wirtstieren nachgewiesen. Koinfektionen<br />
mit mehr als einem potentiell humanpathogenen<br />
Erreger finden sich in rund 5 %<br />
der untersuchten Zecken [11]. Seroepidemiologische<br />
Studien in Europa und der<br />
Schweiz zeigen eine durchschnittliche<br />
Prävalenz von rund 8 % seropositiven Personen<br />
[12, 13]. Trotz dieses ubiquitären<br />
Vorkommens des Erregers in Zecken und<br />
Tierreservoiren wurden demgegenüber<br />
erst ein paar hundert Fälle von klinisch<br />
manifester HGA in Europa publiziert. Es<br />
bleibt unklar, ob die Erkrankung nicht erfasst<br />
oder unterdiagnostiziert wird, ob die<br />
Europäischen Anaplasmen weniger pathogen<br />
sind oder ob die Infektion fast immer<br />
so milde verläuft, dass sie diagnostisch<br />
nicht gesucht wird. Falls die Erkrankung<br />
zusammen mit einer Lyme-Borreliose auftritt,<br />
wird sie möglicherweise nicht entdeckt,<br />
da sie auf Tetrazykline anspricht,<br />
die für die Behandlung der Lyme-Borreliose<br />
eingesetzt werden. In einer Studie in der<br />
Schweiz, die 75 Personen mit Fieber nach<br />
einem dokumentierten Zeckenstich untersuchte,<br />
wurde eine HGA bei 7 (10 %) Patienten<br />
diagnostiziert [14]. E. chaffeensis ist nur<br />
in Nordamerika prävalent.<br />
Klinik<br />
Die HGA-Infektion verläuft oftmals asymptomatisch<br />
oder wenig symptomatisch.<br />
Die HGA manifestiert sich – nach einer<br />
Inkubationszeit von 5 – 14 Tagen – als<br />
unspezifische fieberhafte Erkrankung mit<br />
Allgemeinsymptomen (Kopfschmerzen,<br />
Myalgien, Arthralgien, Übelkeit), seltener<br />
mit einem makulopapulösen oder petechialen<br />
Exanthem und sehr selten mit<br />
Meningitis. Infektionen mit Toxic- Shockähnlichen<br />
Verläufen und Todesfälle (in<br />
USA 0.6 %) sind vor allem bei immundefizienten<br />
Personen beschrieben. Klassischerweise<br />
zeigt sich im Labor eine transiente<br />
Leukozytopenie, Thrombozytopenie<br />
und eine leichte Transaminasenerhöhung.<br />
Bisher sind keine chronischen Verläufe<br />
oder Spätmanifestationen bekannt.<br />
Koinfektionen mit anderen gleichzeitig<br />
Zecken-übertragenen Erregern wurden<br />
beschrieben [15].<br />
Diagnostik<br />
Mittels Mikroskopie eines nach Wright-<br />
Giemsa gefärbten Blutausstrichs können<br />
in der akuten Phase einer HGA sogenannte<br />
Morulae im Zytoplasma von Granulozyten<br />
visualisiert werden (Sensitivität 25 – 75 %).<br />
In Vollblut kann Erreger-DNA mittels Polymerasekettenreaktion<br />
(PCR; Sensitivität<br />
60 – 90 %) nachgewiesen werden. Die Kultivierung<br />
gelingt nicht in Routinekulturen,<br />
sondern nur in speziellen Zellkultursystemen.<br />
Im Verlauf einer Infektion kann mittels<br />
Serologie (Immunfluoreszenz, Sensitivität<br />
90 %, ab 2. Krankheitswoche) eine<br />
Serokonversion oder ein vierfacher Antikörpertiteranstieg<br />
diagnostisch sein.<br />
Therapie<br />
Therapie der Wahl ist Doxycyclin 2 ×<br />
100 mg peroral für 10 – 14 Tage; bei Kindern<br />
fünf bis sieben Tage. Bei schwerer Erkrankung<br />
von Kindern ist Doxycyclin die<br />
Therapie der Wahl. Schwangere und Kinder<br />
wurden vereinzelt erfolgreich mit Rifampicin<br />
behandelt (20 mg / kg / Tag, maximal<br />
600 mg in zwei Dosen; Erwachsene 2 ×<br />
300 mg peroral für fünf bis sieben Tage).<br />
Rickettsiosen<br />
Rickettsien sind gramnegative Bakterien<br />
mit einem ausschliesslich intrazellulären<br />
Vermehrungszyklus, welche vor allem die<br />
vaskulären Endothelzellen von verschiedenen<br />
Zielorganen infizieren. Rund 30 humanpathogene<br />
Arten kommen weltweit in<br />
je unterschiedlichen geogra fischen Gebieten<br />
vor, entsprechend den Verbreitungsgebieten<br />
der Vektoren. Die Klassifizierung<br />
der Rickettsiosen umfasst vier Biogruppen:<br />
«Spotted Fever Biogroup» (Zeckenbissfieber-Gruppe;<br />
Transmission durch<br />
verschiedenste Zeckenarten), «Typhus<br />
Group» (Fleckfiebergruppe, Transmission<br />
durch Läuse und Flöhe), «Transitional<br />
Group» und «Scrub Typhus Biogroup»<br />
(Tsutsugamushi-Fiebergruppe).<br />
Epidemiologie<br />
Autochthone Zecken-assoziierte Infektionen<br />
durch Rickettsien sind in Mitteleuropa<br />
selten. Die überwiegende Anzahl<br />
von Rickettsiosen betrifft Reisende in den<br />
Mittelmeerraum (R. conorii, «Mittelmeer-<br />
Fleckfieber», «Mittelmeer-Zeckenbissfieber»,<br />
«Boutonneuse-Fieber») oder in andere<br />
Kontinente (R. africae und zahlreiche<br />
andere Arten in verschiedenen geografischen<br />
Orten). R. helvetica wird in Mitteleuropa<br />
sehr häufig in Ixodes-Zecken nachgewiesen;<br />
in der Schweiz in bis zu 25 % [10,<br />
11]. Die klinische Relevanz einer Infektion<br />
mit R. helvetica ist nicht geklärt, dürfte<br />
aber möglicherweise zum Teil für fieberhafte<br />
Erkrankungen nach Zeckenstich ursächlich<br />
sein [14]. Im Kanton Tessin<br />
(Schweiz) wurden mit R. slovaca infizierte<br />
Dermacentor marginatus-Zecken identifiziert<br />
[16]; R. monacensis wurde in Ixodes-Nymphen<br />
[11, 17] und R. massiliae<br />
in Rhipicephalus-Zecken entdeckt [2, 16],<br />
wobei in der Schweiz bisher nie über<br />
solche Infektionen berichtet wurde. R. rickettsii<br />
als Ursache des Rocky-Mountain-<br />
Fleckfiebers (engl. Rocky Mountain Spotted<br />
Fever) ist in Nordamerika endemisch.<br />
Klinik<br />
Rickettsiosen manifestieren sich häufig<br />
mit Fieber und unterschiedlichen Exanthemen.<br />
Folgende Symptomenkomplexe<br />
werden beobachtet [2]:<br />
– asymptomatische oder sehr milde Infektionen<br />
– Fieber mit Kopfschmerzen und zum<br />
Teil starken Myalgien plus meist ein<br />
Exanthem, aber nicht immer<br />
– Fieber mit Allgemeinbeschwerden plus<br />
Primärläsion nach Stich der Zecke<br />
(Eschar, Tâche noire) plus makulopapulöses<br />
Exanthem (z. B. Mittelmeer-Fleckfieber<br />
/Boutonneuse-Fieber, Afrikanisches<br />
Zeckenbissfieber)<br />
– Fieber mit petechialem Exanthem (z. B.<br />
Rocky Mountain Spotted Fever)<br />
– Syndrome mit Eschar und Lymphadenopathie,<br />
welche «Tick-borne Lymphadenopathy»<br />
(TIBOLA), «Dermacentorborne<br />
Necrosis Erythema and Lymphadenopathy»<br />
(DEBONEL) oder «Scalp<br />
52<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Eschar and Neck LymphAdenopathy after<br />
Tick bite» (SENLAT) genannt und<br />
durch R. slovaca oder R. raoultii verursacht<br />
werden [18].<br />
Das Mittelmeer-Fleckfieber (R. conorii)<br />
manifestiert sich nach einer Inkubationszeit<br />
von ungefähr sechs Tagen mit abrupt<br />
beginnendem hohem Fieber und Allgemeinsymptomen<br />
wie Müdigkeit, Muskelund<br />
Gelenkschmerzen. An der Stichstelle<br />
der Zecke entsteht ein Eschar (sichtbar in<br />
bis zu 70 % der Erkrankten), der zusammen<br />
mit der Reiseanamnese und dem<br />
Exanthem auf die Diagnose hinweist. Das<br />
generalisierte makulopapulöse Exanthem<br />
tritt etwa vier Tage nach Fieberbeginn<br />
auf, kann seltenerweise auch petechial erscheinen,<br />
wird bei über 95 % der Erkrankten<br />
manifest und kann auch Handflächen<br />
und Fusssohlen involvieren, spart aber<br />
das Gesicht aus. Die meisten Erkrankten<br />
bessern sich ohne Therapie nach etwa<br />
zehn Tagen, während aber das Exanthem<br />
dann oft noch 10 – 20 Tage sichtbar bleiben<br />
kann. Schwere Formen – vor allem bei<br />
Vorliegen von Grunderkrankungen wie<br />
Glucose- 6-Phosphat-Dehydro ge nase-<br />
Mangel, Alkoholismus, Immunsuppression,<br />
Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankungen<br />
– kommen etwa bei<br />
5 – 6 % der Erkrankten vor und die Mortalität<br />
beträgt 2 %.<br />
Die Ansteckung mit dem Afrikanischen<br />
Zeckenbissfieber (R. africae) geschieht oft<br />
in verschiedenen Nationalparks Südafrikas.<br />
Reisende streifen die aggressiv nach<br />
Wirten suchenden Amblyomma-Zecken<br />
von Gräsern ab und es sind zum Teil<br />
mehrere Eschar gleichzeitig zu sehen,<br />
da es oft zu mehreren Zeckenstichen<br />
(durch mehrere Zecken) kommt. Regional<br />
tritt eine Lymphadenopathie auf. Die<br />
Er krankung verläuft ansonsten ähnlich<br />
wie das Mittelmeer-Fleckfieber, meist jedoch<br />
etwas milder.<br />
Die Symptomatik des Rocky Mountain<br />
Spotted Fever umfasst Fieber, Kopfweh,<br />
Myalgien, Nausea, Erbrechen und Abdominalschmerzen.<br />
Ein petechiales Exanthem<br />
ist häufig, kann aber oft erst verzögert<br />
sichtbar werden. Das Exanthem<br />
beginnt an Handgelenken und Sprunggelenken<br />
bevor es zu einer proximalen<br />
Ausbreitung kommt; Hand- und Fussflächen<br />
können im späteren Verlauf involviert<br />
werden. Hautnekrosen, Fingergangrän,<br />
neurologische Komplikationen<br />
und Lungenödem mit ARDS (Acute Respiratory<br />
Distress Syndrome) sind Zeichen einer<br />
schweren Infektion.<br />
Bei den auch in Mitteleuropa vorkommenden<br />
Syndromen mit Eschar und<br />
Lymphadenopathie befindet sich der<br />
Eschar oft im Haarboden und zervikal tritt<br />
eine Lymphadenopatie auf.<br />
Diagnostik<br />
Der direkte molekulare Erregernachweis<br />
aus EDTA-Blut oder Hautbiopsien kann<br />
mittels gattungsspezifischer oder speziesspezifischer<br />
PCR-Verfahren in der akuten<br />
Phase in rund 70 % gelingen. Bei den serologischen<br />
Untersuchungsverfahren ab der<br />
zweiten Erkrankungswoche ist die Immunfluoreszenz<br />
sensitiv und spezifisch,<br />
währenddem die ELISA-Systeme weniger<br />
verlässlich sind. Zur Differenzierung der<br />
Antikörper zwischen einzelnen Mitgliedern<br />
innerhalb einer Fleckfieber-Gruppe<br />
müssen spezielle Westernblot-Verfahren<br />
angewandt werden, die nur in wenigen<br />
Laboratorien verfügbar sind. Rickettsien<br />
können in verschiedenen Zellkulturen angezüchtet<br />
werden; die Kultur ist jedoch<br />
schwierig und spezialisierten Laboratorien<br />
vorbehalten.<br />
Therapie<br />
Die Therapie aller Formen der Rickettsiosen<br />
erfolgt mit Doxycyclin 2 × 100 mg täglich<br />
für 3 bis 14 Tage, je nach Schweregrad<br />
der Erkrankung. Das Antibiotikum kann<br />
drei Tage nach klinischer Besserung gestoppt<br />
werden. Bei Kontraindikationen,<br />
Schwangeren oder bei Kindern kann bei<br />
leichten Verlaufsformen auch Azithromycin<br />
500 mg für fünf bis sieben Tage eingesetzt<br />
werden. Bei schweren Formen soll<br />
auch bei Schwangeren und Kindern Doxycyclin<br />
vorgezogen werden, das zunehmend<br />
bei diesen Patientengruppen als sicher<br />
angesehen wird [19]. Chinolone sollen<br />
nicht eingesetzt werden, da Therapieversagen<br />
häufig sind und Resistenzen<br />
gegen die Substanzklasse vorkommen.<br />
Zecken-Rückfallfieber und<br />
B. miyamotoi-Infektion<br />
Es werden zwei Formen des Rückfallfiebers<br />
unterschieden: 1) das Läuse-Rückfallfieber<br />
(epidemisches Rück fallfieber) und<br />
2) das Zecken-übertragene (endemische)<br />
Rückfallfieber, welches durch über 20 bekannte<br />
humanpathogene Spirochäten<br />
(Borrelia sp.) verursacht wird, die in Mitteleuropa<br />
aber nicht vorkommen. Kürzlich<br />
wurde die vorher unbekannte B. miyamotoi-Infektion<br />
beschrieben, welche in den<br />
Verbreitungsgebieten der Lyme-Borreliose<br />
endemisch ist.<br />
Epidemiologie<br />
Die durch Ornithodoros-Lederzecken («Soft<br />
Ticks») übertragenen Rückfallfieber-Borrelia<br />
sp. werden in «Alte Welt»- (B. hispanica,<br />
B. duttonii, B. crocidurae u. a.) und «Neue<br />
Welt»-Arten (B. hermsii, B. turicatae u. a.)<br />
eingeteilt. B. hispanica ist auf der Iberischen<br />
Halbinsel und in Marokko endemisch.<br />
Infektionen durch B. miyamotoi, die<br />
phylogenetisch mit den Rückfallfieber-Borrelien<br />
verwandt ist und durch Ixodes-Zecken<br />
übertragen wird, wurden erstmals<br />
2011 in Russland und in der Folge in<br />
Nordamerika, Europa und Japan beschrieben<br />
[20]. In der Schweiz wurde der Erreger<br />
in 2.5 % (städtische Gebiet und Agglomerationen)<br />
und in 4.2 % (Westschweiz) von gesammelten<br />
Zecken nachgewiesen [10, 11].<br />
Klinik<br />
Abhängig von der Borrelien-Art und Komorbiditäten<br />
verläuft das Lederzecken-assoziierte<br />
Rückfallfieber mild bis schwer<br />
und das Spektrum klinischer Manifestationen<br />
ist breit. Das Rückfallfieber manifestiert<br />
sich nach einer Inkubationszeit von<br />
4 – 18 Tagen mit einem plötzlichen Krankheitsbeginn<br />
und schwerem Krankheitsgefühl.<br />
Mit den wiederkehrenden Fieberschüben<br />
mit Schüttelfrost und starken<br />
Kopfschmerzen werden häufig Arthralgien,<br />
Myalgien, trockener Husten und<br />
abdominelle Schmerzen beobachtet. Die<br />
Fieberattacken dauern drei bis sieben<br />
Tage und werden gefolgt von fieberfreien<br />
Intervallen von einigen Tagen bis Wochen,<br />
durchschnittlich 4 – 14 Tage. Beim Läuse-<br />
Rückfallfieber ist das Krankheitsbild in<br />
der Regel schwerer als beim Zecken-Rückfallfieber;<br />
bei Letzterem kommen auch<br />
weniger Organmanifestationen wie Splenomegalie,<br />
Hepatomegalie, respiratorische<br />
Symptome oder eine Beteiligung des<br />
Zentralnervensystems vor [21].<br />
Die häufigsten Symptome bei der B.<br />
miyamotoi-Infek tion («Hard Tick-borne Relapsing<br />
Fever») – nach einer Inkubationsperiode<br />
von 12 – 16 Tagen – sind Fieber, Fatigue,<br />
Kopfschmerzen, Frösteln, Myalgien,<br />
Arthralgien und Nausea. Schwere Verläufe<br />
einschliesslich Meningoenzephalitis wurden<br />
beobachtet. Das Krankheitsbild manifestiert<br />
sich unspezifisch und soll differenzialdiagnostisch<br />
bei fieberhaften Erkrankungen<br />
in geografischen Gebieten erwogen<br />
werden, wo auch die Lyme-Borreliose endemisch<br />
ist [22]. Ein Rückfallfiebermuster<br />
wurde in den USA bei 4 % [23] und in der<br />
initialen Publikation aus Russland bei 11 %<br />
[24] der Erkrankten beobachtet; möglicherweise<br />
wäre ein wiederkehrendes Fieber<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 53
Perspektiven<br />
häufiger, wenn bei den beschriebenen Fallserien<br />
nicht (frühzeitig) antibiotisch behandelt<br />
worden wäre. Leukozytopenie,<br />
Thrombozytopenie und erhöhte Transaminasen<br />
wurden beschrieben.<br />
Diagnostik<br />
Der mikroskopische Direktnachweis von<br />
Borrelien im Blutausstrich ist die verfügbare<br />
Diagnostik der Wahl, bedingt aber<br />
erfahrene Mikroskopierende. Serologische<br />
Tests sind nicht verfügbar. Molekulare<br />
Methoden oder die Kultur in Spezialmedien<br />
werden nur in wenigen Labors durchgeführt.<br />
Therapie<br />
Bei schwerem Rückfallfieber sind intravenöses<br />
Penicillin G oder Ceftriaxon die<br />
Therapie der Wahl. Amoxicillin ist weniger<br />
wirksam. Im Verlauf oder bei milderen<br />
Erkrankungen wird Doxycyclin, bei Kontraindikationen<br />
Azith romycin, eingesetzt.<br />
Innerhalb von Stunden nach Beginn einer<br />
antibiotischen Therapie kann eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion<br />
mit Fieber<br />
und mit akuter schwerer Exazerbation der<br />
Symptomatik auftreten [21].<br />
Bei der B. miyamotoi-Infektion scheinen<br />
Doxycyclin, Amoxicillin und Ceftriaxon<br />
effektive Therapieoptionen [22].<br />
Babesiose<br />
Die Babesiose wird durch die Protozoen<br />
Babesia microti, B. divergens und andere<br />
Babesienarten verursacht, welche die Erythrozyten<br />
infizieren und meist durch Zecken,<br />
aber selten auch durch Bluttransfusionen<br />
oder transplazentar übertragen<br />
werden. In den Oststaaten der USA ist das<br />
Risiko relevant, dass eine mit B. microti<br />
infizierte Person Blut spendet, da diese Infektion<br />
über Monate im Blut persistieren<br />
und asymptomatisch verlaufen kann.<br />
Epidemiologie<br />
Die häufigste humanpathogene Art, B. microti,<br />
kommt vor allem in den nordöstlichen<br />
und mittelwestlichen Staaten der<br />
USA und sporadisch in anderen Ländern<br />
der nördlichen Hemisphäre vor. Obwohl<br />
der Erreger auch in Zecken und Tierreservoire<br />
in Europa und der Schweiz nachgewiesen<br />
wurde [25, 26], wurden in Europa<br />
erst anekdotische Fallbeschreibungen von<br />
humanen B. microti-Infektionen publiziert<br />
[27]. In Europa wurden bisher weniger als<br />
100 Kasuistiken von Babesiosen publiziert,<br />
die vor allem durch B. divergens, Babesia<br />
venatorum (auch Babesia sp. EU1 genannt)<br />
sowie vereinzelt durch eine neuartige Babesia<br />
crassa-like Babesienart verursacht<br />
wurden [28 – 30].<br />
Klinik<br />
Die Infektion verläuft bei Immungesunden<br />
oft asymptomatisch, kann aber auch<br />
zu schweren Erkrankungen und zum Tod<br />
führen. Die klinische Präsentation ist –<br />
nach einer Inkubationszeit von einer bis<br />
vier Wochen – meist ein unspezifisches<br />
febriles Krankheitsbild [31]. Die Erkrankung<br />
beginnt mit Prodromi wie Müdigkeit<br />
und Malaise, gefolgt von Fieber mit unterschiedlichen<br />
Allgemein beschwerden<br />
wie Frösteln, Schwitzen, Kopfschmerzen,<br />
Myalgien und Arthralgien, Nausea, trockener<br />
Husten und zum Teil Abdominalbeschwerden.<br />
Labormässig steht eine hämolytische<br />
Anämie im Vordergrund; die<br />
Leberenzyme sind oft etwas erhöht und<br />
zum Teil wird eine Thrombozytopenie beobachtet.<br />
Bei splenektomierten, immundefizienten<br />
oder älteren Personen kann es<br />
zu schwersten Infektionen mit pulmonalen<br />
Komplikationen, disseminierter intravasaler<br />
Gerinnung, Herzinsuffizienz, Milzruptur<br />
und Koma kommen, die zum Tod<br />
führen können. Koinfektionen mit gleichzeitig<br />
anderen Zecken-übertragenen Infektionen<br />
wurden beobachtet.<br />
Diagnostik<br />
Die Diagnose erfolgt mittels Mikroskopie<br />
eines nach Wright- Giemsa gefärbten<br />
Blutausstrichs. Die Parasiten finden sich<br />
intraerythrozytär und können mit Malariaparasiten<br />
verwechselt werden. Der molekulare<br />
DNA- Nachweis oder Serologien<br />
(Immunfluoreszenz) werden in Speziallabors<br />
angeboten. Eine Serokonversion oder<br />
ein vierfacher Titeranstieg sind diagnostisch,<br />
was aber erst im Verlaufe der Infektion<br />
nach Antikörperbildung beobachtet<br />
werden kann. Bei schweren Krankheitsbildern<br />
ist somit die schnelle Mikroskopie<br />
des Blutbildes entscheidend.<br />
Therapie<br />
Bei leichten bis mittelschweren Infektionen<br />
werden Atovaquon 2 × 750 mg plus<br />
Azithromycin 500 bis 1000 mg peroral für<br />
sieben bis zehn Tage oder Clindamycin<br />
plus Chinin eingesetzt. Bei schweren Erkrankungen<br />
werden intensivmedizinische<br />
Massnahmen, Austauschtransfusionen<br />
und verschiedene Medikamentenkombinationen<br />
eingesetzt [32].<br />
Zecken-übertragene virale Infektionen<br />
Die virologische Taxonomie der Zeckenübertragenen<br />
Viren umfasst ein diverses<br />
Spektrum von Viren aus sechs Familien:<br />
Flaviviridae, Bunyaviridae, Orthomyxoviridae,<br />
Rhabdoviridae, Reoviridae und Asfarviridae<br />
(kein humanpathogener Vertreter:<br />
Afrikanisches Schweinepestvirus). Klinisch<br />
verursachen die Viren fieberhafte Erkrankungen,<br />
Meningoenzephalitis oder hämorrhagische<br />
Fieber [33 – 36].<br />
Virale Zecken-Enzephalitis<br />
Epidemiologie<br />
In Tabelle 1 sind eine Auswahl von Zeckenenzephalitis-Viren,<br />
deren Vektoren und<br />
ihre Verbreitungsgebiete dargestellt. Abgesehen<br />
von der in Europa häufigen FSME<br />
treten die anderen viralen Infektionen<br />
sporadisch in lokalisierten Endemiegebieten<br />
auf und werden wohl aufgrund einer<br />
nicht zugänglichen Erreger-spezifischen<br />
Diagnostik oft nicht virologisch klassifiziert.<br />
Klinik<br />
Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch<br />
oder mild oder klingen nach einer<br />
Fieberphase ab; andere verlaufen zweiphasig,<br />
mit einer initialen Fieberphase, gefolgt<br />
– nach einer afebrilen Periode – von<br />
einer meningoenzephalitischen Phase.<br />
Akute meningitische oder enzephalitische<br />
Erkrankungen sind ebenfalls möglich.<br />
Die meningoenzephalitischen Erkrankungen<br />
manifestieren sich als lymphozytäre<br />
Meningitis oder Enzephalitis<br />
mit Bewusstseinseinschränkungen und<br />
manchmal neurologischen Ausfällen. Zur<br />
Differenzialdiagnostik gehört eine exakte<br />
Reiseanamnese.<br />
Die Klinik einer menschlichen Louping-ill-Infektion<br />
ähnelt der zentraleuropäischen<br />
FSME, verläuft ebenfalls in zwei<br />
Phasen, aber milder. Die Eyach-Virus-Infektion<br />
manifestiert sich mit Fieber, Kopfund<br />
Gliederschmerzen. Bei etwa der Hälfte<br />
der Erkrankten kommt es zu einer zweiten<br />
Phase mit Meningitis, Orchitis, Myokarditis<br />
und Magen-Darmblutungen. Die<br />
Bhanjavirus-Infektion ist eine fieberhafte<br />
Erkrankung mit Meningoenzephalitis und<br />
Paresen. Tribecvirus und Lipovnikvirus<br />
verursachen eine fieberhafte Erkrankung<br />
mit aseptischer Meningoenzephalitis. Das<br />
Alongshan-Virus als Ursache einer fieberhaften<br />
Erkrankung wurde kürzlich erstmals<br />
in China beschrieben [37]. Inzwischen<br />
wurde das Virus auch in der Schweiz<br />
[38, 39] und anderen europäischen Ländern<br />
in Ixodes-Zecken gefunden. Ob und<br />
wie häufig das Virus auch in Europa zu febrilen<br />
Erkrankungen führt, ist zurzeit unbekannt.<br />
54<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Diagnostik<br />
Eine Erreger-spezifische molekulare Diagnostik<br />
erfolgt aus Blut oder Liquor, die aber<br />
meist nur in Speziallabors durchgeführt<br />
wird. In der Phase der Enzephalitis oder<br />
Meningitis sind die molekularen Tests<br />
zum Teil negativ, da es sich um eine immunologische<br />
Reaktion handelt und die Viren<br />
nicht mehr nachweisbar sind. Verschiedene<br />
Viren können in Zellkultursystemen<br />
isoliert werden. Spezifische serologische<br />
Tests sind – ausser zum Nachweis einer<br />
FSME – nicht breit verfügbar.<br />
Therapie<br />
Eine kausale antivirale Therapie ist nicht<br />
bekannt.<br />
Krim-Kongo und andere virale<br />
hämorrhagische Zeckenbissfieber<br />
Die Zecken-übertragenen hämorrhagischen<br />
Fieber werden in Tabelle 1 aufgelistet.<br />
Die Differenzialdiagnose erfordert eine<br />
präzise Reise- und Berufsanamnese.<br />
Das Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fiebervirus<br />
(KKHFV) wird durch Zecken, nosokomial<br />
durch Sekrete von Erkrankten oder<br />
kontaminierte Gegenstände sowie durch<br />
Blut und Sekrete von Tieren (nicht aber<br />
Fleisch) übertragen. Ziel zellen des Virus<br />
sind mononukleäre Phagozyten, Endothelzellen<br />
und Hepatozyten.<br />
Epidemiologie<br />
Das im Mittelmeerraum, in Osteuropa, Afrika<br />
und Asien endemische KKHFV ist zwar<br />
in Europa selten, aber differenzialdiagnostisch<br />
relevant, da es eine erhebliche Sterblichkeit<br />
verursacht und auch von erkrankten<br />
Personen oder infizierten Tieren auf<br />
andere Menschen übertragen werden kann.<br />
Der Zecken-Vektor ist Hyalomma sp. [40,<br />
41]. Beruflich exponierte Personen arbeiten<br />
in der Tierzucht, im Schlachthof oder der<br />
Veterinärmedizin. Folgende Länder Eurasiens<br />
haben KKHF gemeldet: Albanien, Armenien,<br />
Bulgarien, Griechenland, Kazakhstan,<br />
Kosovo, Russland, Serbien, Spanien,<br />
Tajikistan, Türkei, Turkmenistan, Ukraine,<br />
Usbekistan. Zwischen 2008 und 2020 wurden<br />
von den Europäischen Centres for Disease<br />
Control in Europa jährlich zwischen<br />
2 und 14 Erkrankungen erfasst [42].<br />
Klinik<br />
Die KKHFV-Infektion kann asymptomatisch<br />
oder subklinisch verlaufen. Nach einer<br />
Inkubationsperiode von ein bis neun<br />
Tagen (bis über 50 Tage sind berichtet)<br />
präsen tieren sich symptomatische Personen<br />
vorerst mit einer unspezifischen fieberhaften<br />
Erkrankung mit Myalgien,<br />
Schwindel, Lichtempfindlichkeit, Nausea<br />
und Abdominalschmerzen. Nach dieser<br />
prähämorrhagischen Phase können Petechien,<br />
Ekchymosen, Schleimhautblutungen,<br />
Nasenbluten, Blutungen im Gastrointestinaltrakt,<br />
in den Harnwegen, Atemwegen<br />
und dem Zentralnervensystem, eine<br />
nekrotisierende Hepatitis und konsekutiv<br />
ein Multiorganversagen auftreten, mit einer<br />
Sterblichkeit von 5 % (und höher). Die<br />
lange Genesungsphase ist charakterisiert<br />
durch Leistungsintoleranz, Kopfschmerzen,<br />
Schwindel, Gemütsschwankungen,<br />
zum Teil Aggressivität, Tachykardie, Polyneuropathie,<br />
Hör- und Visusverminderung<br />
oder kognitiven Funktionseinbussen.<br />
Diagnostik<br />
Das Virus kann bis 10 – 15 Tage nach Infektion<br />
mittels molekularer Methoden direkt<br />
nachgewiesen werden. Eine spezifische<br />
IgM-Antikörperantwort beginnt ab Tag<br />
fünf. Die Serokonversion oder ein vierfacher<br />
IgG-Titeranstieg unterstützen die Diagnose,<br />
kommen aber für die zeitnahe Patientenbetreuung<br />
zu spät. Probenmaterial<br />
muss unter Biosicherheitsmassnahmen<br />
entnommen und verarbeitet werden.<br />
Therapie<br />
Die Therapie ist primär eine supportive.<br />
Oral oder intravenös verabreichtes Ribavirin<br />
wurde als antivirale Behandlung verwendet,<br />
aber ohne klare Evidenz. Der Stellenwert<br />
von Rekonvaleszentenserum wird<br />
reevaluiert.<br />
Tularämie<br />
Die im Volksmund «Hasenpest» genannte<br />
bakterielle Infektion durch Francisella tularensis<br />
ist eine Zoonose, die verschiedene<br />
Übertragungswege hat: Zecken- oder Insektenstich;<br />
direkter Kontakt mit infizierten<br />
Tieren oder Kadavern; oder Inhalation<br />
oder Kontakt mit kontaminiertem Staub<br />
oder Wasser.<br />
Epidemiologie<br />
In der Schweiz untersteht die Tularämie<br />
der Meldepflicht. Bei rund 45 % der gemeldeten<br />
Fälle wird ein Zecken- oder «Insektenstich»<br />
als Übertragungsweg gemeldet;<br />
bei einem Drittel eine Exposition gegenüber<br />
Tieren, einer Quelle mit nicht trinkbarem<br />
Wasser oder dem Einatmen von<br />
Staub oder Aerosolen in landwirtschaftlicher<br />
Umgebung. In rund 20 % bleibt die<br />
Exposition unbekannt. Währenddem vor<br />
20 Jahren nur wenige Infektionen gemeldet<br />
wurden, beträgt die durchschnittliche<br />
Zahl von in der Schweiz Zecken-übertragener<br />
Tularämie in den letzten Jahren<br />
rund 60 pro Jahr (2018: 71 Fälle) [43]. F.<br />
tularensis wurde in der Schweiz in 0.12 %<br />
und in Süddeutschland in 8 % von untersuchten<br />
Zecken nachgewiesen [44, 45].<br />
Klinik<br />
Generell kann die Tularämie klinisch<br />
sechs Verlaufsformen zeigen: die (1) ulzeroglanduläre,<br />
(2) glanduläre, (3) okuloglanduläre,<br />
(4) oropharyngeale, (5) pneumonische<br />
und (6) typhoidale Form. Abhängig<br />
vom Ansteckungsweg entwickeln<br />
sich unterschiedliche Krankheitsbilder,<br />
die von Allgemeinsymptomen wie Fieber,<br />
Muskel- und Gelenkschmerzen begleitet<br />
werden. Nach einem Zeckenstich kommt<br />
es an der Stichstelle meist zu einem kleinen<br />
Ulkus (Eschar) und in der Folge zu einer<br />
Anschwellung der regionalen Lymphknoten<br />
(glanduläre Tularämie).<br />
Diagnostik<br />
Die Bakterien können aus Blut oder Biopsiematerial<br />
unter Biosicherheitsmassnahmen<br />
kultiviert werden. Kulturen nach Beginn<br />
von Antibiotika sind oft negativ. Im<br />
Verlauf der Erkrankung können serologisch<br />
spezifische Antikörper nachgewiesen<br />
werden, was aber für die Diagnostik in<br />
der Akutphase zu Verzögerungen führt.<br />
Der molekulare Nachweis von F. tularensis<br />
DNA kann aus Biopsiematerial (Eschar,<br />
Lymphknoten) gelingen.<br />
Therapie<br />
Bei mildem bis moderatem Verlauf (ambulant)<br />
ist die Therapie der Wahl Ciprofloxacin<br />
2 × 500 mg für 10 – 14 Tage. Mit<br />
einer erhöhten Rezidivrate ist beim Einsatz<br />
von Doxycyclin 2 × 100 mg für<br />
14 – 21 Tage zu rechnen. Bei schwerem Verlauf<br />
ist eine intravenöse Therapie mit<br />
Gentamicin 5 mg / kg Körpergewicht 1×<br />
täglich nötig plus Ciprofloxacin 2 × 500 mg<br />
peroral oder 2 × 400 mg intravenös für<br />
10 – 14 Tage.<br />
Seltene Zecken-übertragene<br />
Infektionen<br />
Weitere Pathogene wurden in Zecken<br />
nachgewiesen: Candidatus Neoehrlichia<br />
mikurensis wurde in der Schweiz in<br />
6.2 – 6.4 % von untersuchten Zecken gefunden<br />
[10, 11]; Coxiella als Erreger des Q-Fiebers<br />
in Europa durchschnittlich in 4.8 %<br />
[46] (in der Schweiz in 0 % [9]), wobei unklar<br />
bleibt, ob es tatsächlich zu Zeckenübertragenen<br />
Infek tionen durch C. burnetii<br />
beim Menschen kommen kann. Die<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 55
Perspektiven<br />
Tabelle 2. Verbreitung von Zecken in Europa und in der Schweiz<br />
Zecke Geografische Verbreitung* Zecken-übertragene Mikroorganismen<br />
Amblyomma sp. • Nicht vorkommend in Europa<br />
• Diverse Amblyomma sp. in Nord-, Südamerika,<br />
Afrika, Asien<br />
Dermacentor marginatus<br />
(«Schafzecke», oder «Frühjahrswaldzecke»):<br />
sonnige<br />
Waldränder, Trockenwiesen<br />
Dermacentor reticulatus<br />
(«Auwaldzecke»): Feuchtgebiete<br />
(Moore, Auwälder),<br />
Laubwälder<br />
Haemaphysalis inermis<br />
(«Winterzecke»)<br />
Hyalomma lusitanicum<br />
(«Hyalomma- Zecke»):<br />
Trocken- und Halbtrockengebiete<br />
Hyalomma marginatum<br />
(«Hyalomma- Zecke»):<br />
Trocken- und Halbtrockengebiete<br />
Ixodes persulcatus<br />
(«Taigazecke»)<br />
Ixodes ricinus («Gemeiner<br />
Holzbock»): dichtes Unterholz,<br />
Wälder, angrenzende<br />
Lichtungen, Gärten, Stadtpärke<br />
Ornithodorus (oder Carios)<br />
erraticus (« Lederzecke»)<br />
Rhipicephalus sanguineus<br />
(« Braune Hundezecke»):<br />
trockene Gebiete<br />
• Mittelmeergebiete<br />
• Verschiedene Orte in Deutschland<br />
• Asien<br />
• Schweiz<br />
• Nordspanien, Frankreich, Mitteleuropa, Osteuropa<br />
• Südeuropa, Frankreich, Balkan, Osteuropa, Türkei<br />
• Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Naher Osten,<br />
Iran<br />
• Iberische Halbinsel, Sardinien, Sizilien<br />
• Nordafrika<br />
• Schweiz: Tessin<br />
• Mittelmeerraum, Osteuropa<br />
• z. T. neu auch in Zentral-, Nordeuropa<br />
• Nordafrika<br />
• Asien, Süden Russlands, Pakistan, Turkmenistan<br />
• Finnland, baltische Staaten, Polen<br />
• Asien<br />
• Schweiz<br />
• ganz Europa inkl. Süden und Norden<br />
• Anaplasma sp., Ehrlichia sp.<br />
• Borrelia sp.<br />
• Coxiella burnetii<br />
• Francisella tularensis<br />
• KKHFV**<br />
• Rickettsia sp.<br />
• Omsker Hämorrhagisches Fiebervirus<br />
• R. conorii<br />
• R. slovaca<br />
• Babesia sp.<br />
• C. burnetii<br />
• F. tularensis<br />
• FSME Virus**<br />
• Omsker Hämorrhagisches Fiebervirus<br />
• Rickettsia slovaca<br />
• FSME Virus**<br />
• R. slovaca<br />
• Babesia bovis<br />
• KKHFV**<br />
• Dhorivirus<br />
• FSME Virus**<br />
• KKHFV**<br />
• R. aeschlimanni<br />
• Rickettia sp.<br />
• Spanien • Borrelia hispanica<br />
• Schweiz: Süden, Ostschweiz<br />
• Norddeutschland<br />
• Südeuropa, Frankreich, Balkan, Türkei<br />
• Nordafrika<br />
• A. phagocytophilum<br />
• B. afzelii<br />
• B. garinii<br />
• FSME Virus**<br />
• R. helvetica<br />
• Viren, diverse (Negishivirus, Uukuniemivirus)<br />
• A. phagocytophilum<br />
• B. afzelii<br />
• B. burgdorferi sensu stricto<br />
• B. garinii<br />
• B. valaisianaa<br />
• Babesia divergens<br />
• C. burnetii<br />
• F. tularensis<br />
• FSME Virus**<br />
• KKHFV**<br />
• R. helvetica<br />
• R. slovaca<br />
• Viren, diverse (Louping-ill-Virus, Negishivirus,<br />
Uukuniemivirus, Ervevirus, Eyachvirus, Tribecvirus,<br />
Lipovnikvirus, Bhanjavirus)<br />
• A. phagocytophilum<br />
• B. burgdorferi sensu lato<br />
• C. burnetii<br />
• KKHFV**<br />
• R. conorii<br />
• R. massiliae<br />
• Viren, diverse (Liponvnikvirus)<br />
Anmerkungen: * Landkarten: https://www.ecdc.europa.eu/en/disease-vectors/surveillance-and-disease-data/tick-maps; ** FSME, Frühsommer-<br />
Meningoenzephalitis Virus; KKHFV, Krim-Kongo-hämorrhagisches Fieber Virus.<br />
56<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Transmission der Katzenkratzkrankheit<br />
via Zecken wird kontrovers beurteilt und<br />
ist nicht etabliert [47, 48]. Weitere potentiell<br />
humanpathogene Erreger wie Spiroplasma<br />
sp. wurden in Europa in Zecken<br />
entdeckt [49].<br />
Kasuistiken von Infektionen mit Candidatus<br />
N. mikurensis werden zunehmend<br />
in der Schweiz, Europa und Asien beschrieben.<br />
Das intrazelluläre Bakterium<br />
wird durch Ixodes übertragen, wobei bei<br />
vielen Fallbeschreibungen ein Zeckenstich<br />
nicht eruierbar war. Die Neoehrlichiose<br />
scheint vor allem bei immundefizienten<br />
Personen zu langandauernden<br />
fieberhaften Erkrankungen mit zum Teil<br />
vaskulären und thromboembolischen<br />
Komplikationen zu führen. Da das Bakterium<br />
in Blutkulturen nicht wächst, wird die<br />
Infektion wohl oft verpasst. Der Nachweis<br />
erfolgt mit molekularen Methoden aus<br />
Blutproben, zum Beispiel mittels der bakteriellen<br />
breitspektrum-16S-rRNA-Gen-<br />
PCR. Mit Doxycyclin kann eine Heilung<br />
erzielt werden [50, 51].<br />
Infektionen durch Spiroplasma sp.<br />
wurden vereinzelt bei immundefizienten<br />
Personen (mit Agammaglobulinämie oder<br />
nach Organtransplantation) diagnostiziert,<br />
wobei der Übertragungsweg der Infektion<br />
meist unklar blieb [52]. Die klinischen Manifestationen<br />
waren fieberhafte Zustände,<br />
zum Teil mit Hepatitis. Die Therapie mit<br />
Doxycyclin und Azithromycin scheint erfolgreich.<br />
S. ixodetis wurde in okulären Proben<br />
von Neugeborenen mit kongenitalem<br />
Katarakt und Uveitis nachgewiesen [49],<br />
wobei hier eine direkte Transmission via<br />
Zecken unwahrscheinlich erscheint.<br />
Differenzialdiagnostische<br />
Überlegungen<br />
Daran denken …<br />
Die Differenzialdiagnose, ob die klinische<br />
Präsentation auf eine Zecken-übertragene<br />
Infektion hinweisen könnte, beginnt mit<br />
dem Darandenken, einer gezielten Anamnese<br />
und einer sorgfältigen körperlichen<br />
Untersuchung, da – abgesehen vom<br />
Erythema migrans – die einzelnen Leitsymptome<br />
von Zecken-assoziierten Infektionen<br />
unspezifisch sind (Tabelle 3). Die<br />
Patienten selber berichten oftmals nicht<br />
über eine mögliche Exposition gegenüber<br />
Zecken; weniger als 50 % der Infizierten haben<br />
einen Zeckenstich wahrgenommen.<br />
Die folgenden Hinweise initiieren die<br />
differenzialdiagnostischen Überlegungen:<br />
1. Eine Zecken-übertragene Infektion<br />
überhaupt in Betracht ziehen!<br />
2. Aufenthalt in Endemiegebieten von<br />
Vektoren und Pathogenen (inkl. präzise<br />
Reiseanamnese)?<br />
3. Mögliche Exposition gegenüber Zecken?<br />
– Anamnestische Fragen zu Beruf,<br />
Sport, Freizeitaktivitäten, Mobilität<br />
und Reisen können auf eine Exposition<br />
hindeuten.<br />
4. Leitsymptome, insbesondere Symptomenkomplexe<br />
beziehungsweise «Muster»<br />
von Leitsymptomen und Befunden?<br />
– zum Beispiel Fieber plus Hautbefunde<br />
(Rickettsiosen); Fieber plus<br />
Konstellationen von Laborbefunden<br />
(Transaminasenerhöhung und Thrombozytopenie<br />
bei Anaplasmose und Ehrlichiose);<br />
siehe Tabelle 3.<br />
5. Dynamik von klinischen Manifestationen<br />
im Krankheitsverlauf? – zum Beispiel<br />
«zweigipfliger» Verlauf der FMSE;<br />
Fiebermuster bei Zecken-Rückfallfieber.<br />
6. Befunde einer sorgfältigen klinischen<br />
Untersuchung, inklusive vollständiges<br />
Absuchen der Haut (Suche nach Eschar,<br />
Exanthemen, Lymphadenopathie etc.).<br />
7. Immundefizienz oder Grundkrankheit?<br />
– Wachsamkeit betreffend atypischen<br />
oder schweren, gegebenenfalls foudroyanten<br />
und lebensbedrohlichen klinischen<br />
Verläufen.<br />
8. Impfstatus? – Impfung gegen FSME.<br />
Immundefizienz?<br />
Wie bei jeder Differenzialdiagose muss<br />
rasch erfasst werden, ob eine Immunsuppression,<br />
eine Splenektomie oder eine<br />
Grundkrankheit vorliegt, da Zecken-übertragene<br />
Infektionen in solchen Situationen<br />
schwerer und gar (akut) lebensbedrohlich<br />
verlaufen können. In solchen Situationen<br />
ist eine schnelle Diagnostik besonders<br />
wichtig.<br />
Leitsymptome und Krankheitsverläufe<br />
im Kontext<br />
Die verschiedenen Leitsymptome wie<br />
Fieber, Allgemeinsymptome, Haut- oder<br />
Organsymptome (Arthritis, Me ningo enzephalitis<br />
etc.) und Laborbefunde sind isoliert<br />
betrachtet meist unspezifisch. Der<br />
Kontext mit der Anamnese, das Auftreten<br />
von Symptom- oder Laborkonstellationen<br />
oder die Dynamik von Symptomen und<br />
Befunden im Krankheitsverlauf ergeben<br />
aber oftmals deutliche Hinweise auf eine<br />
mögliche Ursache (Tabelle 1).<br />
Kenntnisse unterschiedlicher Krankheitsverläufe<br />
und klinischer Manifestationen<br />
entlang der Zeitachse unterstützen<br />
die differenzialdiagnostischen Überlegungen:<br />
– Zecken-übertragene Infektionen verlaufen<br />
oft wenig symptomatisch oder<br />
unspezifisch, zum Beispiel mit Fieber<br />
und Allgemeinsymptomen ohne organbezogene<br />
Beschwerden oder Befunde<br />
(Anaplasmose, Babesiose, Rickettsiosen,<br />
virale Infektionen)<br />
– Leitsymptome treten aufgrund des<br />
zeitlichen Verlaufs einer Erkrankung<br />
oftmals nicht in der Saison der Zeckenaktivität<br />
auf, wie zum Beispiel die<br />
Lyme-Arthritis, die durchschnittlich<br />
sechs Monate nach Infektion und somit<br />
auch im Winter auftreten kann<br />
– der Verlauf ist oft nicht «lehrbuchmässig»:<br />
die FSME verläuft nicht immer<br />
«zweigipflig», das heisst die meningitische<br />
Phase bei FSME kann fehlen oder<br />
sie kann unmittelbar – ohne asymptomatische<br />
Periode – unmittelbar nach<br />
einer initialen Fieberphase auftreten<br />
– Manifestationen eines Stadium II oder<br />
III der Lyme-Borreliose können ohne<br />
vorherige Wahrnehmung früherer Stadien<br />
auftreten<br />
– zum Zeitpunkt eines Erythema migrans<br />
können Fieber und Allgemeinsymptome<br />
auftreten: dies kann allein durch<br />
eine akute Lyme-Borreliose verursacht<br />
sein, aber auch differenzialdiagnostisch<br />
auf Zecken-übertragene Koinfektionen<br />
hinweisen<br />
– Leitsymptome können zum Zeitpunkt<br />
der Erstunter suchung bereits wieder<br />
verschwunden sein und sollen erfragt<br />
werden, wie zum Beispiel flüchtige Exantheme.<br />
Der Leitbefund eines Eschar<br />
(Rickettsiosen, Tularämie) wird möglicherweise<br />
von Patienten nicht berichtet<br />
(oder nicht wahrgenommen) und<br />
kann nur durch eine sorgfältige und<br />
vollständige klinische Untersuchung<br />
erfasst werden<br />
– Fieber bei Reiserückkehrenden kann<br />
auf Zecken-übertragene Rickettsiosen<br />
oder Spirochäten-Rückfallfieber hinweisen,<br />
welche sich zum Teil als langdauerndes<br />
Fieber oder als «fever of<br />
unknown origin» präsentieren können<br />
– Erkrankungen, die üblicherweise via<br />
andere Transmissionswege zur Infektion<br />
führen, sollen differenzialdiagnostisch<br />
in Betracht gezogen werden:<br />
Tularämie, möglicherweise Q-Fieber<br />
– hämorrhagische Fieber verursachende<br />
Virusinfektionen können mild und ohne<br />
Petechien oder Blutungskomplikationen<br />
verlaufen.<br />
Krankheitsverläufe und klinische Manifestationen<br />
von spezifischen Infektionen<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 57
Perspektiven<br />
Tabelle 3. Klinische Präsentation und Differenzialdiagnose der Zecken-übertragenen Infektionen (modifiziert nach [59])<br />
Leitsymptome oder Symptomenkomplex<br />
Differenzialdiagnosen<br />
Arthritis • Lyme-Borreliose<br />
Fazialislähmung oder andere kraniale Neuritis • Lyme-Borreliose<br />
Fieber • Anaplasmose, Ehrlichiose<br />
• Babesiose<br />
• FSME*<br />
• Neoehrlichiose<br />
• Rickettsiosen<br />
• Zecken-Rückfallfieber<br />
• Zecken-übertragene Viren, andere<br />
Fieber + /- Erythema migrans • Lyme-Borreliose<br />
Fieber + Allgemeinsymptome (Kopfschmerzen, Myalgie, gastointestinale<br />
Symptome) + ein / mehrere pathologische Laborbefunde (Leukozytopenia,<br />
Thrombozytopenie, Hyponatriämie, erhöhte Transaminsaen)<br />
Fieber + Allgemeinsymptome (Malaise, Frösteln, gastrointestinale<br />
Symptome) + Anämie und Thrombozytopenie<br />
• Anaplasmose, Ehrlichiose<br />
• Rickettsiosen, RMSF*<br />
• Babesiose<br />
Fieber + Exanthem (makulopapulös, petechial oder hämorrhagisch)<br />
+ /- Kopfschmerzen oder neurologische Befunde<br />
• Anaplasmose, Ehrlichiose<br />
• Rickettsiosen, RMSF*<br />
• Zecken-Rückfallfieber<br />
Fieber + Exanthem + Eschar • Rickettsiosen<br />
• Tularämie<br />
Fieber + hämorrhagische Hautveränderungen + /- hämorrhagische<br />
Organmanifestationen<br />
• KKHF*<br />
• Diverse Zecken-übertragene hämorrhagische Fieber<br />
Fieber + Sepsis Syndrom oder Hypotension + /- Exanthem • Anaplasmose, Ehrlichiose<br />
• Rickettsiosen, RMSF*<br />
• Tularämie<br />
Fieber, rezidivierend + Allgemeinsymptome • Zecken-Rückfallfieber<br />
Hauteffloreszenz: Erythem, Dermatitis, Hautatrophie, (tumoröse)<br />
Infiltration<br />
Hautulkus (Eschar) + Lymphadenopathie • Tularämie<br />
• Rickettsia-africae-Infektion<br />
• Rickettsia-slovaca-Infektion<br />
Kardiale Überleitungsstörungen • Lyme-Borreliose<br />
• Lyme-Borreliose (Erythema migrans, Acrodermatitis chronica<br />
atrophicans, Borrelien Lymphozytom)<br />
Meningitis oder Meningoenzephalitis • Anaplasmose<br />
• Borrelia-miyamotoi-Infektion<br />
• Ehrlichiose<br />
• FSME*<br />
• RMSF*<br />
• Zecken-Rückfallfieber<br />
• Zecken-übertragene Virusinfektionen, andere<br />
Radikulitis • Lyme-Borreliose<br />
Anmerkungen: * FSME, Frühsommer-Meningoenzephalitis; KKHF, Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber; RMSF, Rocky Mountain Spotted Fever.<br />
können in verschiedenen geografischen<br />
Gebieten unterschiedlich verlaufen. So<br />
sind die klinischen Manifestationen von B.<br />
burgdorferi sensu stricto in Nordamerika<br />
unterschiedlich im Vergleich mit B. afzeliiund<br />
B. garinii-Infektionen in Europa [53].<br />
Laborbefunde<br />
Anamnestische und klinische Informationen<br />
führen zur Verordnung von gezielten<br />
mikrobiologischen Untersuch ungen: Anzustreben<br />
ist der direkte mikroskopische,<br />
kulturelle oder molekulare Erregernachweis,<br />
der aber für wichtige Erkrankungen<br />
(Lyme-Borreliose, Q-Fieber) meist nicht<br />
möglich ist. Hier werden klinische Symptomenkomplexe<br />
zusammen mit der Serologie<br />
interpretiert, die aber erst im Verlaufe<br />
der Infektion – frühestens nach 10 – 14 Tagen<br />
– positiv wird.<br />
Serologische Resultate ohne klinisches<br />
Korrelat sind nicht diagnostisch. Die<br />
Symptomatik von Zecken-assoziierten Erkrankungen<br />
ist zwar oftmals unspezifisch,<br />
zeigt aber im Verlauf und in der Gesamtschau<br />
mit Laborresul taten doch oftmals<br />
klare und bekannte Muster.<br />
Aufgrund von Müdigkeit als alleiniges<br />
Symptom und ohne klinische Befunde sollen<br />
keine serologischen oder andere mikrobiologische<br />
Untersuchungen durchgeführt<br />
werden.<br />
Koinfektionen<br />
Bei bis zu 20 % von untersuchten Zecken<br />
finden sich in der Schweiz mindestens<br />
zwei oder mehr Pathogene [10, 11]. Somit<br />
ist auch mit klinischen Doppel- oder<br />
Mehrfachinfektionen zu rechnen. An<br />
Koinfektionen ist vor allem bei fieberhaften<br />
Erkrankungen nach Zeckenstich oder<br />
bei einem Erythema migrans und gleichzeitigem<br />
Fieber zu denken [14]. Bei einer<br />
Lyme-Borreliose plus einer zweiten Infektion<br />
verläuft letztere, wie zum Beispiel eine<br />
Anaplasmose oder Rickettsiose, allerdings<br />
oftmals unentdeckt oder heilt spontan.<br />
Diese Infektionen verlaufen bekanntermassen<br />
häufig asymptomatisch oder<br />
58<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
wenig symptomatisch und heilen bei immungesunden<br />
Personen ohne Antibiotika.<br />
Es ist noch unklar, ob die häufig in Zecken<br />
nachgewiesenen R. helvetica von<br />
klinischer Relevanz sind.<br />
Bild: Adobe Stock<br />
Chronische Beschwerden<br />
und Postinfektionssyndrome<br />
Das Post-Treatment-Lyme-Disease-Syndrom<br />
wird anderswo dargestellt [54]. Bekannt<br />
sind mögliche neurologische Folgeerkrankungen<br />
sowie lange Rekonvaleszenzphasen<br />
nach Infektionen mit FSME und<br />
KKHFV. Nach anderen Zecken-übertragene<br />
viralen Erkrankungen des Zentralnervensystems<br />
können wohl ähnliche verzögerte<br />
Heilungsphasen und neurologische Folgen<br />
vorkommen. Die Anaplasmose, Ehrlichiose<br />
oder Babesiose führen – nach Behandlung –<br />
nicht zu chronischer Fatigue, Leistungsintoleranz<br />
oder Erschöpfung, auch nicht bei<br />
einer Koinfektion mit B. burgdorferi [55].<br />
Schwangerschaft und Stillen<br />
Ein Screening auf Zecken-übertragene Infektionen<br />
in der Schwangerschaft ist nicht<br />
sinnvoll. Demgegenüber soll bei symptomatischen<br />
Schwangeren die Differenzialdiagnose<br />
von Zecken-übertragenen Infektionen<br />
erwogen und gegebenenfalls lege<br />
artis behandelt werden.<br />
Aufgrund der Analogie mit Treponema<br />
pallidum-Infektionen wurde befürchtet,<br />
dass B. burgdorferi-Spirochäten fötale Erkrankungen<br />
zur Folge haben könnten. Bisher<br />
gibt es keine fundierte und klare Evidenz<br />
auf vertikale Transmissionen, kongenitale<br />
Infektionen oder Schwangerschaftskomplikationen<br />
durch B. burdorferi. Da<br />
Komplikationen einer Lyme-Borreliose<br />
aber nicht vollständig ausgeschlossen werden<br />
können, ist es wichtig, eine Infektion<br />
bei der Mutter rechtzeitig zu diagnostizieren<br />
und zu behandeln [56, 57]. B. burgdorferi<br />
wird weder sexuell noch über die Brustmilch<br />
übertragen.<br />
Eine Lyme-Borreliose wird in der<br />
Schwangerschaft mit Penicillinen oder<br />
Cephalosporinen behandelt. Bei anderen<br />
schweren Zecken-assoziierten Infektionen,<br />
die üb licherweise mit Tetrazyklinen behandelt<br />
werden, wird Doxycyclin zunehmend<br />
als mögliche Option erwogen [19].<br />
Eine FSME scheint den Föten nicht zu<br />
schädigen. Obwohl Flaviviren gelegentlich<br />
in der Brustmilch ausgeschieden werden,<br />
scheint das Risiko einer Übertragung auf<br />
das gestillte Neugeborene vernachlässigbar<br />
zu sein [58]. Möglicherweise kann das<br />
KKHFV sexuell, intrauterin und perinatal<br />
übertragen werden [40].<br />
Die auch in Europa heimischen Dermacentor-Zecken krabbeln – im Gegensatz zu den häufigeren<br />
Ixodes-Zecken – aktiv auf Menschen zu.<br />
Über kongenitale Infektion durch Babesien<br />
wurde berichtet. Da die Babesiose<br />
über lange Zeit im Blut von asymptomatischen<br />
Infizierten persistieren kann, wird<br />
die Gefahr einer kongenitalen Infektion in<br />
Endemiegebieten möglicherweise unterschätzt.<br />
Neugeborene entwickeln 2.5 – 7<br />
Wochen nach der Geburt eine hämolytische<br />
Anämie.<br />
Iatrogene und nosokomiale Zeckenübertragene<br />
Infektionen<br />
Einige Zecken-assoziierte Infektionen wie<br />
die Babesiose oder Rückfallfieber verursachende<br />
Spirochäten können auch durch<br />
Bluttransfusionen übertragen werden<br />
und zu Infektionen führen.<br />
Zusammenfassung<br />
Das KKHFV kann durch Sekrete von<br />
Erkrankten oder durch kontaminierte Gegenstände<br />
übertragen werden und zu nosokomialen<br />
Infektionen – auch Infektionen<br />
bei Medizinalpersonen – führen [40].<br />
Konklusionen und Ausblick<br />
Die Häufigkeit verschiedener Zecken-übertragener<br />
Infektionen hat in den letzten<br />
Jahren zugenommen und neue Zecken-assoziierte<br />
Infektionen wurden entdeckt [1].<br />
Neben der Lyme-Borreliose und FSME<br />
sind in Europa auch andere Zecken-übertragene<br />
Infektionen differenzialdiagnostisch<br />
zu erwägen, wie die Anaplasmose,<br />
Ehrlichiose, Babesiose, Rickettsiosen, Zecken-Rückfallfieber<br />
sowie zahlreiche vira-<br />
Die Häufigkeit Zecken-übertragener Infektionen nimmt zu, die Verbreitungsgebiete von<br />
Zecken dehnen sich aus, bisher unbekannte Pathogene werden neu entdeckt und anderswo<br />
bekannte Pathogene treten an neuen geografischen Orten auf. Mit Fokus auf die Epidemiologie<br />
in Mitteleuropa, aber auch unter Berücksichtigung reisemedizinischer Aspekte,<br />
werden in der vorliegenden Übersichtsarbeit die selteneren Zecken-assoziierten Mikroorganismen<br />
diskutiert: Anaplasmen, Babesien, Borrelia miyamotoi, Candidatus Neoehrlichia<br />
mikurensis, Ehrlichien, Francisella tularensis, Rickettsien, Rückfallfieber-Spirochäten<br />
sowie Zecken-assoziierte Viren. Neben den häufigen Schildzecken (Ixodes sp.) kommen in<br />
Europa zahlreiche anderen Zeckenarten vor, die Pathogene übertragen können. Zeckenübertragene<br />
Infektionen sollten bei fieberhaften Erkrankungen unklarer Ätiologie,<br />
bei neu aufgetretenen Exanthemen oder bei fieberhaften neurologischen Manifestationen<br />
differenzialdiagnostisch erwogen werden. Die Differenzialdiagnose beginnt mit dem<br />
«daran denken», da – abgesehen vom Erythema migrans – die einzelnen Leitsymptome<br />
von Zecken-assoziierten Infektionen unspezifisch sind. Die Patienten selbst berichten<br />
oftmals nicht über eine mögliche Exposition gegenüber Zecken und weniger als 50 % der<br />
Infizierten haben einen Zeckenstich wahrgenommen. Die Anamnese soll Beruf, Freizeitaktivitäten,<br />
Reisen und Immunstatus umfassen. Bei splenektomierten und immundefizienten<br />
Personen können Zecken-übertragene Infektionen schwer und lebensbedrohlich<br />
verlaufen.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 59
Perspektiven<br />
le Fiebererkrankungen, die zu Enzephalitis<br />
oder hämorrhagischen Fiebern führen<br />
können. Zudem können Infektionskrankheiten,<br />
die üblicherweise andere Transmissionswege<br />
haben, auch durch Zecken<br />
übertragen werden, wie die Tularämie und<br />
wahrscheinlich das Q-Fieber. Diese «Anderen»<br />
sind zwar seltener und verlaufen<br />
oftmals wenig symptomatisch oder gutartig,<br />
können aber bei immunsupprimierten<br />
oder splenektomierten Personen zu foudroyant<br />
verlaufenden und lebensbedrohlichen<br />
Krankheiten führen. Zecken-assoziierte<br />
Infektionen sind auch bei Reiserückkehrenden<br />
zu erwägen. Bei zahlreichen<br />
nach Zeckenstich Erkrankten kann keine<br />
Diagnose gestellt werden [14]. Somit ist zu<br />
vermuten, dass künftig weitere und neuartige<br />
Zecken-assoziierte Infektionserreger<br />
entdeckt werden. Zudem verändern sich<br />
die Ausbreitungsgebiete von Wirtstieren,<br />
Vektoren und Pathogenen, sodass andernorts<br />
bekannte Infektionskrankheiten<br />
plötzlich in bisher nicht als Endemiegebiete<br />
bekannten geografischen Gebieten neu<br />
auftreten können.<br />
Prof. em. Dr. med. Rainer Weber<br />
mediX Praxis Altstetten<br />
Hohlstrasse 556<br />
8048 Zürich<br />
Schweiz<br />
rainer.weber@uzh.ch<br />
Literatur<br />
[1] Madison-Antenucci S,<br />
Kramer LD, Gebhardt LL, Kauffman<br />
E. Emerging Tick-Borne<br />
Diseases. Clin Microbiol Rev.<br />
2020;33(2)e00083 – 18.<br />
[2] Parola P, Paddock CD,<br />
Socolovschi C, Labruna MB, Mediannikov<br />
O, Kernif T, et al. Update<br />
on tick-borne rickettsioses around<br />
the world: a geographic approach.<br />
Clin Microbiol Rev. 2013;<br />
26(4):657 – 702.<br />
[3] European Centres for<br />
Disease Control. Tick Maps. October<br />
2021. Available from: https://<br />
www.ecdc.europa.eu/en/diseasevectors/surveillance-and-disease-data/tick-maps<br />
[4] Vandekerckhove O, De<br />
Buck E, Van Wijngaerden E. Lyme<br />
disease in Western Europe: an<br />
emerging problem? A systematic<br />
review. Acta Clin Belg.<br />
2021;76(3):244 – 52.<br />
[5] Diuk-Wasser MA, Van<br />
Acker MC, Fernandez MP. Impact<br />
of Land Use Changes and Habitat<br />
Fragmentation on the Eco-epidemiology<br />
of Tick-Borne Diseases. J<br />
Med Entomol. 2021;58(4):1546 – 64.<br />
[6] Paul H, Gerth HJ, Ackermann<br />
R. Infectiousness for humans<br />
of Ixodes ricinus containing<br />
Borrelia burgdorferi. Zentralbl<br />
Bakteriol Mikrobiol Hyg A.<br />
1987;263(3):473 – 6.<br />
[7] Maiwald M, Oehme R,<br />
March O, Petney TN, Kimmig P,<br />
Naser K, et al. Transmission risk of<br />
Borrelia burgdorferi sensu lato<br />
from Ixodes ricinus ticks to humans<br />
in southwest Germany. Epidemiol<br />
Infect. 1998;121(1):103 – 8.<br />
[8] Nahimana I, Gern L,<br />
Blanc DS, Praz G, Francioli P, Peter<br />
O. Risk of Borrelia burgdorferi<br />
infection in western Switzerland<br />
following a tick bite. Eur J Clin<br />
Microbiol Infect Dis. 2004;23(8):<br />
603 – 8.<br />
[9] Pilloux L, Baumgartner<br />
A, Jaton K, Lienhard R, Ackermann-Gaumann<br />
R, Beuret C, et al.<br />
Prevalence of Anaplasma phagocytophilum<br />
and Coxiella burnetii in<br />
Ixodes ricinus ticks in Switzerland:<br />
an underestimated epidemiologic<br />
risk. New Microbes New Infect.<br />
2019;27:22 – 6.<br />
[10] Oechslin CP, Heutschi<br />
D, Lenz N, Tischhauser W, Peter O,<br />
Rais O, et al. Prevalence of tickborne<br />
pathogens in questing Ixodes<br />
ricinus ticks in urban and<br />
suburban areas of Switzerland.<br />
Parasit Vectors. 2017;10(1):558.<br />
[11] Lommano E, Bertaiola<br />
L, Dupasquier C, Gern L. Infections<br />
and coinfections of questing<br />
Ixodes ricinus ticks by emerging<br />
zoonotic pathogens in Western<br />
Switzerland. Appl Environ Microbiol.<br />
2012;78(13):4606 – 12.<br />
[12] Matei IA, Estrada-Pena<br />
A, Cutler SJ, Vayssier-Taussat M,<br />
Varela-Castro L, Potkonjak A, et al.<br />
A review on the eco-epidemiology<br />
and clinical management of human<br />
granulocytic anaplasmosis<br />
and its agent in Europe. Parasit<br />
Vectors. 2019;12(1):599.<br />
[13] Pusterla N, Weber R,<br />
Wolfensberger C, Schar G, Zbinden<br />
R, Fierz W, et al. Serological evidence<br />
of human granulocytic ehrlichiosis<br />
in Switzerland. Eur J Clin<br />
Microbiol Infect Dis. 1998;<br />
17(3):207 – 9.<br />
[14] Baumann D, Pusterla N,<br />
Peter O, Grimm F, Fournier PE,<br />
Schar G, et al. [Fever after a tick<br />
bite: clinical manifestations and<br />
diagnosis of acute tick bite-associated<br />
infections in northeastern<br />
Switzerland]. Dtsch Med Wochenschr.<br />
2003;128(19):1042 – 7.<br />
[15] Bakken JS, Dumler JS.<br />
Human granulocytic anaplasmosis.<br />
Infect Dis Clin North Am.<br />
2015;29(2):341 – 55.<br />
[16] Bernasconi MV, Casati<br />
S, Peter O, Piffaretti JC. Rhipicephalus<br />
ticks infected with Rickettsia<br />
and Coxiella in Southern<br />
Switzerland (Canton Ticino). Infect<br />
Genet Evol. 2002;2(2):111 – 20.<br />
[17] Simser JA, Palmer AT,<br />
Fingerle V, Wilske B, Kurtti TJ,<br />
Munderloh UG. Rickettsia monacensis<br />
sp. nov., a spotted fever<br />
group Rickettsia, from ticks (Ixodes<br />
ricinus) collected in a European<br />
city park. Appl Environ Microbiol.<br />
2002;68(9):4559 – 66.<br />
[18] Foissac M, Socolovschi<br />
C, Raoult D. [Update on SENLAT<br />
syndrome: scalp eschar and neck<br />
lymph adenopathy after a tick<br />
bite]. Ann Dermatol Venereol.<br />
2013;140(10):598 – 609.<br />
[19] Cross R, Ling C, Day NP,<br />
McGready R, Paris DH. Revisiting<br />
doxycycline in pregnancy and<br />
early childhood--time to rebuild its<br />
reputation? Expert Opin Drug Saf.<br />
2016;15(3):367 – 82.<br />
[20] Krause PJ, Barbour AG.<br />
Borrelia miyamotoi: The Newest<br />
Infection Brought to Us by Deer<br />
Ticks. Ann Intern Med. 2015;163(2):<br />
141 – 2.<br />
[21] Dominguez MC, Vergara<br />
S, Gomez MC, Roldan ME.<br />
Epidemio logy of Tick-Borne Relapsing<br />
Fever in Endemic Area, Spain.<br />
Emerg Infect Dis.<br />
2020;26(5):849 – 56.<br />
[22] Krause PJ, Fish D, Narasimhan<br />
S, Barbour AG. Borrelia<br />
miyamotoi infection in nature and<br />
in humans. Clin Microbiol Infect.<br />
2015;21(7):631 – 9.<br />
[23] Molloy PJ, Telford SR,<br />
3rd, Chowdri HR, Lepore TJ, Gugliotta<br />
JL, Weeks KE, et al. Borrelia<br />
miyamotoi Disease in the Northeastern<br />
United States: A Case Series.<br />
Ann Intern Med. 2015;<br />
163(2):91 – 8.<br />
[24] Platonov AE, Karan LS,<br />
Kolyasnikova NM, Makhneva NA,<br />
Toporkova MG, Maleev VV, et al.<br />
Humans infected with relapsing<br />
fever spirochete Borrelia miyamotoi,<br />
Russia. Emerg Infect Dis.<br />
2011;17(10):1816 – 23.<br />
[25] Foppa IM, Krause PJ,<br />
Spielman A, Goethert H, Gern L,<br />
Brand B, et al. Entomologic and serologic<br />
evidence of zoonotic transmission<br />
of Babesia microti, eastern<br />
Switzerland. Emerg Infect Dis.<br />
2002;8(7):722 – 6.<br />
[26] Casati S, Sager H, Gern<br />
L, Piffaretti JC. Presence of potentially<br />
pathogenic Babesia sp.<br />
for human in Ixodes ricinus in<br />
Switzerland. Ann Agric Environ<br />
Med. 2006;13(1):65 – 70.<br />
[27] Hildebrandt A, Hunfeld<br />
KP, Baier M, Krumbholz A, Sachse<br />
S, Lorenzen T, et al. First confirmed<br />
autochthonous case of human<br />
Babesia microti infection in<br />
Europe. Eur J Clin Microbiol Infect<br />
Dis. 2007;26(8):595 – 601.<br />
60<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Literatur (Fortsetzung)<br />
[28] Strasek-Smrdel K, Korva<br />
M, Pal E, Rajter M, Skvarc M,<br />
Avsic-Zupanc T. Case of Babesia<br />
crassa-Like Infection, Slovenia,<br />
2014. Emerg Infect Dis.<br />
2020;26(5):1038 – 40.<br />
[29] Hildebrandt A, Zintl A,<br />
Montero E, Hunfeld KP, Gray J.<br />
Human Babesiosis in Europe.<br />
Pathogens. 2021;10(9):1165.<br />
[30] Doderer-Lang C, Filisetti<br />
D, Badin J, Delale C, Clavier V,<br />
Brunet J, et al. Babesia crassa-Like<br />
Human Infection Indicating Need<br />
for Adapted PCR Diagnosis of<br />
Babesiosis, France. Emerg Infect<br />
Dis. 2022;28(2):449 – 52.<br />
[31] Vannier EG, Diuk-Wasser<br />
MA, Ben Mamoun C, Krause PJ.<br />
Babesiosis. Infect Dis Clin North<br />
Am. 2015;29(2):357 – 70.<br />
[32] Vannier E, Krause PJ.<br />
Human babesiosis. N Engl J Med.<br />
2012; 366(25):2397 – 407.<br />
[33] Brackney DE, Armstrong<br />
PM. Transmission and<br />
evolution of tick-borne viruses.<br />
Curr Opin Virol. 2016;21:67 – 74.<br />
[34] Shi J, Hu Z, Deng F,<br />
Shen S. Tick-Borne Viruses. Virol<br />
Sin. 2018; 33(1):21 – 43.<br />
[35] Bartikova P, Holikova V,<br />
Kazimirova M, Stibraniova I. Tickborne<br />
viruses. Acta Virol.<br />
2017;61(4):413 – 27.<br />
[36] Hubalek Z, Rudolf I.<br />
Tick-borne viruses in Europe. Parasitol<br />
Res. 2012;111(1):9 – 36.<br />
[37] Wang ZD, Wang B, Wei<br />
F, Han SZ, Zhang L, Yang ZT, et al.<br />
A New Segmented Virus Associated<br />
with Human Febrile Illness<br />
in China. N Engl J Med.<br />
2019;380(22):2116-25.<br />
[38] Stegmuller S, Fraefel C,<br />
Kubacki J. Genome Sequence of<br />
Alongshan Virus from Ixodes ricinus<br />
Ticks Collected in Switzerland.<br />
Microbiol Resour Announc.<br />
2023;12(3):e0128722.<br />
[39] Stegmuller S, Qi W,<br />
Torgerson PR, Fraefel C, Kubacki J.<br />
Hazard potential of Swiss Ixodes<br />
ricinus ticks: Virome composition<br />
and presence of selected bacterial<br />
and protozoan pathogens. PLoS<br />
One. 2023;18(11):e0290942.<br />
[40] Serretiello E, Astorri R,<br />
Chianese A, Stelitano D, Zannella<br />
C, Folliero V, et al. The emerging<br />
tick-borne Crimean-Congo haemorrhagic<br />
fever virus: A narrative review.<br />
Travel Med Infect Dis.<br />
2020;37:101871.<br />
[41] Spengler JR, Bergeron<br />
E, Spiropoulou CF. Crimean-Congo<br />
hemorrhagic fever and expansion<br />
from endemic regions. Curr Opin<br />
Virol. 2019;34:70 – 8.<br />
[42] European Centres for<br />
Disease Control. Cases of Crimean<br />
– Congo haemorrhagic fever in the<br />
EU / EEA, 2013 – present. Available<br />
from: https://www.ecdc.europa.eu/<br />
en/crimean-con<br />
go-haemorrhagic-fever/surveillance/cases-eu-since-2013<br />
[43] BAG. Tularämie: Eine<br />
seltene zeckenübertragene Krankheit<br />
breitet sich aus. In: BAG-Bulletin.<br />
Übertragbare Krankheiten.<br />
2018;18(18):19 – 24.<br />
[44] Wicki R, Sauter P, Mettler<br />
C, Natsch A, Enzler T, Pusterla<br />
N, et al. Swiss Army Survey in<br />
Switzerland to determine the prevalence<br />
of Francisella tularensis,<br />
members of the Ehrlichia phagocytophila<br />
genogroup, Borrelia burgdorferi<br />
sensu lato, and tick-borne<br />
encephalitis virus in ticks. Eur J<br />
Clin Microbiol Infect Dis.<br />
2000;19(6):427 – 32.<br />
[45] Gehringer H, Schacht E,<br />
Maylaender N, Zeman E, Kaysser P,<br />
Oehme R, et al. Presence of an<br />
emerging subclone of Francisella<br />
tularensis holarctica in Ixodes ricinus<br />
ticks from south-western Germany.<br />
Ticks Tick Borne Dis.<br />
2013;4(1 – 2):93 – 100.<br />
[46] Korner S, Makert GR,<br />
Ulbert S, Pfeffer M, Mertens-Scholz<br />
K. The Prevalence of Coxiella burnetii<br />
in Hard Ticks in Europe and<br />
Their Role in Q Fever Transmission<br />
Revisited-A Systematic Review.<br />
Front Vet Sci. 2021;8:655715.<br />
[47] Wormser GP, Pritt B.<br />
Update and Commentary on Four<br />
Emerging Tick-Borne Infections:<br />
Ehrlichia muris-like Agent, Borrelia<br />
miyamotoi, Deer Tick Virus,<br />
Heartland Virus, and Whether<br />
Ticks Play a Role in Transmission<br />
of Bartonella henselae. Infect Dis<br />
Clin North Am. 2015;29(2):371 – 81.<br />
[48] Telford SR, 3rd, Wormser<br />
GP. Bartonella spp. transmission<br />
by ticks not established.<br />
Emerg Infect Dis.<br />
2010;16(3):379 – 84.<br />
[49] Palomar AM, Premchand-Branker<br />
S, Alberdi P, Belova<br />
OA, Moniuszko-Malinowska A,<br />
Kahl O, et al. Isolation of known<br />
and potentially pathogenic tickborne<br />
microorganisms from European<br />
ixodid ticks using tick cell<br />
lines. Ticks Tick Borne Dis.<br />
2019;10(3):628 – 38.<br />
[50] Fehr JS, Bloemberg GV,<br />
Ritter C, Hombach M, Luscher TF,<br />
Weber R, et al. Septicemia caused<br />
by tick-borne bacterial pathogen<br />
Candidatus Neoehrlichia mikurensis.<br />
Emerg Infect Dis.<br />
2010;16(7):1127 – 9.<br />
[51] Wenneras C. Infections<br />
with the tick-borne bacterium Candidatus<br />
Neoehrlichia mikurensis.<br />
Clin Microbiol Infect. 2015;<br />
21(7):621 – 30.<br />
[52] Mueller NJ, Tini GM,<br />
Weber A, Gaspert A, Husmann L,<br />
Bloemberg G, et al. Hepatitis From<br />
Spiroplasma sp. in an Immunocompromised<br />
Patient. Am J Transplant.<br />
2015;15(9):2511 – 6.<br />
[53] Marques AR, Strle F,<br />
Wormser GP. Comparison of Lyme<br />
Disease in the United States and<br />
Europe. Emerg Infect Dis.<br />
2021;27(8): 2017 – 24.<br />
[54] Nemeth J, Bernasconi E,<br />
Heininger U, Abbas M, Nadal D,<br />
Strahm C, et al. Update of the Swiss<br />
guidelines on post-treatment Lyme<br />
disease syndrome. Swiss Med Wkly.<br />
2016;146:w14353.<br />
[55] Lantos PM, Wormser<br />
GP. Chronic coinfections in patients<br />
diagnosed with chronic lyme<br />
disease: a systematic review. Am J<br />
Med. 2014;127(11):1105 – 10.<br />
[56] Lantos PM, Rumbaugh<br />
J, Bockenstedt LK, Falck-Ytter YT,<br />
Aguero-Rosenfeld ME, Auwaerter<br />
PG, et al. Clinical Practice Guidelines<br />
by the Infectious Diseases<br />
Society of America (IDSA), American<br />
Academy of Neurology (AAN),<br />
and American College of Rheumatology<br />
(ACR): 2020 Guidelines for<br />
the Prevention, Diagnosis and<br />
Treatment of Lyme Disease. Clin<br />
Infect Dis. 2021;72(1):1 – 8.<br />
[57] Smith GN, Moore KM,<br />
Hatchette TF, Nicholson J, Bowie<br />
W, Langley JM. Committee Opinion<br />
No. 399: Management of Tick<br />
Bites and Lyme Disease During<br />
Pregnancy. J Obstet Gynaecol Can.<br />
2020;42(5):644 – 53.<br />
[58] Mann TZ, Haddad LB,<br />
Williams TR, Hills SL, Read JS, Dee<br />
DL, et al. Breast milk transmission<br />
of flaviviruses in the context of<br />
Zika virus: A systematic review.<br />
Paediatr Perinat Epidemiol.<br />
2018;32(4):358 – 68.<br />
[59] Shah RG, Sood SK.<br />
Clinical approach to known and<br />
emerging tick-borne infections<br />
other than Lyme disease. Curr<br />
Opin Pediatr. 2013;25(3):407 – 18.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 61
Perspektiven<br />
My Way<br />
Assistenzzeit:<br />
ein fremdes Land und<br />
eine wichtige Lektion<br />
Im letzten Semester vor dem Staatsexamen<br />
war es um mich geschehen:<br />
In einem praktischen Ophthalmologie-Kurs<br />
hatte ich mich in die<br />
Augenheilkunde verliebt. Mir wurde klar,<br />
dass ich Augenärztin werden will, und so<br />
bewarb ich mich in Zürich für eine Stelle.<br />
Da eine solche Stelle sehr begehrt war,<br />
sammelte ich während der Wartezeit<br />
Erfahrungen in Anästhesie, Gerichtsmedizin<br />
und Neurochirurgie. In diesen<br />
dreieinhalb Jahren war ich regelmässiger<br />
Gast im Vorzimmer des damaligen Direktors<br />
Prof. Rudolf Witmer, um mein fortwährendes<br />
Interesse an der Stelle an<br />
seiner Augenklinik zu bekunden. Hätte<br />
mir jemand prophezeit, dass ich zwanzig<br />
Jahre später selbst Direktorin dieser<br />
Augenklinik werden sollte, ich hätte die<br />
Person für verrückt gehalten …<br />
Meine Ausdauer zahlte sich aus:<br />
Ich erhielt eine Zusage und startete<br />
meine ophthalmologische Weiterbildung<br />
am 1. Mai 1982. Dass ich nach nur vier<br />
Monaten kündigte, lag daran, dass mein<br />
Mann und ich – frisch verheiratet –<br />
in seine Heimat Israel auswanderten.<br />
Prof. Witmer war etwas überrascht, gab<br />
mir aber einen schönen Empfehlungsbrief<br />
mit auf den Weg.<br />
Im September folgte der Umzug in<br />
ein mir fremdes Land, dessen Sprache ich<br />
Klara Landau<br />
ist emeritierte Professorin<br />
für Ophthalmologie<br />
und war<br />
die erste Frau an der<br />
Spitze einer Klinik<br />
des Universitäts spitals<br />
Zürich. Sie erzählt<br />
ihren Werdegang in<br />
sechs Stationen.<br />
nicht kannte und in dem es genügend<br />
andere Anwärterinnen und Anwärter für<br />
eine Weiterbildung in Ophthalmologie<br />
gab. Zudem war ich schwanger, weshalb<br />
ich zum einzigen Mal in meinem Berufsleben<br />
ein ganzes Jahr aussetzte, um mich<br />
am neuen Ort zurechtzufinden, Neuhebräisch,<br />
genannt Ivrit, zu lernen und Zeit<br />
mit meinem kleinen Sohn zu verbringen.<br />
Im Kaplan-Spital in der Stadt Rehovot,<br />
wo ich schliesslich eine Stelle als<br />
Assistenzärztin in der Augenklinik<br />
antreten konnte, war es völlig normal,<br />
dass man als junge Mutter weiterarbeitet,<br />
operieren lernt und eine hervorragende<br />
Weiterbildung absolviert. Auch war es<br />
unter Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich,<br />
sich gegenseitig zu vertreten,<br />
damit wir die Geburtstagsfeste der<br />
eigenen Kinder in deren Kindergarten<br />
besuchen konnten. Eine echte Herausforderung<br />
waren in dieser Zeit die beiden<br />
anspruchsvollen Facharztprüfungen und<br />
das amerikanische Examen «Foreign<br />
Medical Graduate Examination in the<br />
Medical Sciences» (FMGEMS) – und dies<br />
sowohl auf fachlicher als auch auf<br />
organisatorischer Ebene. Denn die<br />
Bedürfnisse unserer inzwischen vierköpfigen<br />
Familie waren nach der Geburt<br />
unserer Tochter im Sommer 1985 nicht<br />
weniger geworden.<br />
Während meiner fünfjährigen<br />
Tätigkeit an der Augenklinik in Israel<br />
fielen mir wichtige Unterschiede zur<br />
früher erlebten Kultur in den Schweizer<br />
Spitälern auf: Es gab flachere Hierarchien,<br />
und das Engagement für die medizinische<br />
Weiterbildung war sehr hoch.<br />
Als ich als unerfahrene Anfängerin kurz<br />
nach Stellenantritt vom Chefarzt im<br />
Plenum gefragt wurde, wie man ein<br />
komplexes augenärztliches Krankheitsbild<br />
in Zürich behandeln würde, war ich<br />
sprachlos. Einerseits, weil ich es schlicht<br />
Klara Landau (rechts) im Jahr 1987 mit ihrer<br />
Familie in Israel, wo sie ihre Weiterbildung zur<br />
Augenärztin absolvierte.<br />
nicht wusste, andererseits, weil ich eine<br />
solche Frage nicht erwartet hatte. Diese<br />
Episode lehrte mich, dass meine Meinung<br />
zählt – und das war sehr motivierend.<br />
Als nächsten Karriereschritt nach<br />
meinem Abschluss als Augenärztin und<br />
dem bestandenen Doktorat meines<br />
Mannes in Chemie strebten wir eine<br />
weitere Spezialisierung in den USA an.<br />
Damals konnte man sich nur mittels<br />
Briefen bewerben, und als Duo war das<br />
alles andere als einfach. Ich kann mich<br />
noch heute an die Aufregung erinnern,<br />
als ein Brief ankam mit dem Logo der<br />
UCSF Medical School: Ich war so gespannt,<br />
ob mich der weltbekannte<br />
Prof. William F. Hoyt als Fellow in<br />
Neuro-Ophthalmologie akzeptiert hatte.<br />
Aber darüber können Sie in der nächsten<br />
Ausgabe mehr erfahren.<br />
Bilder: zvg<br />
62<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
mediservice<br />
Briefkasten<br />
Zusammenstoss mit<br />
einem Reh – wie ist das<br />
versichert?<br />
Rehe sind frei lebende Wildtiere. Bei einer Kollision kann daher niemand für einen Schaden verantwortlich gemacht werden.<br />
Bild: Adobe Stock<br />
Beim Durchqueren eines<br />
Waldabschnittes sprang mir<br />
von der Seite ein Reh direkt<br />
vors Auto. Obschon ich<br />
schnell bremste, war die Kollision<br />
nicht zu verhindern. Am Auto entstand<br />
ein erheblicher Schaden. Wer kommt<br />
für die Reparatur auf?<br />
Die Gefahr einer Kollision mit einem Reh,<br />
einem Hirsch, einem Wildschwein oder<br />
sonst einem Tier ist auf öffentlichen<br />
Strassen, besonders bei Waldabschnitten,<br />
sehr gross. Ein Reh lebt frei als Wildtier,<br />
und daher kann niemand für den Schaden<br />
an Ihrem Auto verantwortlich<br />
gemacht werden. Auch der Staat oder die<br />
Jägerschaft haften nicht. Bei gehaltenen<br />
Tieren ist hingegen jeweils die Haftung<br />
der Tierhalterin oder des Tierhalters –<br />
sofern bekannt – zu prüfen. Die einfachste<br />
und beste Möglichkeit, sich vor<br />
den finanziellen Folgen einer Kollision<br />
mit Tieren zu schützen, ist der Abschluss<br />
einer Teil- oder Vollkasko-Versicherung.<br />
Die Teilkasko-Versicherung deckt<br />
grundsätzlich unmittelbare Kollisionen<br />
mit Tieren auf öffentlichen Strassen ohne<br />
Selbstbehalt.<br />
Protokoll für die Versicherung<br />
Bei allen Unfällen mit Tieren – also nicht<br />
nur mit Wildtieren – ist es wichtig, dass<br />
die Polizei oder die Wildhut den Unfall<br />
protokolliert bzw. die Tierhalterin / der<br />
Tierhalter oder eine Zeugin / ein Zeuge<br />
diesen schriftlich bestätigt. Es besteht<br />
eine gesetzliche Meldepflicht bei der<br />
Polizei oder der Wildhut. Das von einer<br />
zuständigen Stelle ausgefüllte Protokoll<br />
oder die Bestätigung dient Ihnen als<br />
Beweis für den Schadenfall gegenüber<br />
der Versicherung. Fehlt dieses Dokument,<br />
so riskieren Sie, dass der Versicherer<br />
jede Deckung durch die Teilkasko-<br />
Versicherung ablehnt. Ohne Protokoll<br />
oder Bestätigung sowie bei Schäden<br />
wegen Ausweichmanövern, die durch die<br />
Teilkasko-Versicherung nicht gedeckt<br />
sind, besteht Versicherungsschutz nur<br />
über eine Vollkasko-Versicherung<br />
(Kollisionsereignis), wobei die versicherte<br />
Person den vereinbarten Kollisions-<br />
Selbstbehalt und eine allfällige Rückstufung<br />
im Bonussystem tragen muss.<br />
Schweizerischer Versicherungsverband (SVV)<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 63
mediservice<br />
Schützen Sie<br />
Ihre Lieblingsgegenstände<br />
Manche Objekte sind für ihre Besitzerinnen und Besitzer<br />
persönlich wertvoll und einzigartig. Oft haben sie auch einen finanziellen Wert.<br />
Deshalb lohnt es sich, diese Gegenstände speziell zu schützen.<br />
Einige Antworten auf die wichtigsten Fragen.<br />
Philipp Heer, Product Manager Haushaltversicherung, Zurich<br />
Gelten nur Luxusgüter als Wertsachen?<br />
Nein! Auch die neue Filmausrüstung, ein<br />
Musikinstrument, ein wertvolles Bike<br />
oder die geerbte Halskette haben einen besonderen<br />
Schutz verdient. Prinzipiell lässt<br />
sich alles absichern, was Ihnen lieb und<br />
teuer ist.<br />
Welche Versicherung muss ich abschliessen,<br />
und welche Schäden sind<br />
versichert?<br />
Eine Wertsachenversicherung bietet einen<br />
All-Risk-Schutz. Das heisst: Alle Ereignisse<br />
sind versichert, die nicht explizit ausgeschlossen<br />
sind. Dazu gehören zum Beispiel<br />
das Fallenlassen, der Diebstahl wie auch das<br />
Verlieren von versicherten Gegenständen.<br />
Was ist, wenn ich selbst etwas kaputt<br />
mache?<br />
Auch in diesen Fällen greift eine All- Risk-<br />
Versicherung: Wenn also zum Beispiel ein<br />
Getränk im Rucksack ausläuft und Ihre<br />
Filma usrüstung beschädigt, Ihnen beim<br />
Tanzen die Hornbrille von der Nase rutscht<br />
und zu Boden fällt oder Sie beim Staubsaugen<br />
ein Kunstobjekt umwerfen und<br />
beschädigen, erhalten Sie eine entsprechende<br />
Entschädigung.<br />
Manche Gegenstände wie<br />
etwa eine Kamera haben<br />
für ihren Besitzer oft einen<br />
besonderen Wert. Eine<br />
Wertsachenversicherung<br />
bietet einen umfassenden<br />
Schutz.<br />
mediservice-Mitgliedschaft<br />
Dank Ihrer Mitgliedschaft bei mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />
geniessen Sie bei Zurich erstklassige Vorzüge.<br />
Besuchen Sie einfach online den Mitgliederbereich und<br />
entdecken Sie die Möglichkeiten:<br />
zurich.ch/de/partner/login<br />
Ihr Zugangscode: TqYy4Ucx<br />
Bei Fragen erreichen Sie uns telefonisch montags bis<br />
freitags von 8 bis 18 Uhr unter 0800 33 88 33<br />
Bitte erwähnen Sie bei Ihrer Kontaktaufnahme mit<br />
Zurich immer Ihre mediservice-Mitgliedschaft.<br />
Wenn ich eine Hausratversicherung<br />
habe, brauche ich doch keine Wertsachenversicherung<br />
– oder?<br />
Doch, sie lohnt sich trotzdem. Denn mit<br />
einer All-Risk-Deckung ist der Versicherungsschutz<br />
viel umfassender als bei der<br />
klassischen Hausratversicherung. Übrigens<br />
können Sie in der Hausratversicherung<br />
Prämien sparen, wenn Sie eine Wertsachenversicherung<br />
abschliessen. Denn<br />
Sie können dort die Versicherungssumme<br />
um den Wert der individuell versicherten<br />
Gegenstände verringern.<br />
Wertsachenversicherung<br />
bei Zurich – das sind die Leistungen<br />
– Mit der Wertsachenversicherung von Zurich können spezifische Wertgegenstände<br />
versichert werden. Die Versicherung zahlt, wenn der versicherte Gegenstand verloren<br />
geht, beschädigt oder zerstört wird. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer<br />
den Schaden durch ein Missgeschick selbst verursacht hat.<br />
– Nicht nur klassische Wertgegenstände wie Uhren, Schmuck oder Designerstücke<br />
können abgesichert werden, sondern zum Beispiel auch Sportgeräte, medizinische<br />
Hilfsmittel, Waffen, Kunstobjekte oder Filmausrüstungen.<br />
– Die Wertgegenstände sind nicht nur bei der versicherten Person zu Hause geschützt,<br />
sondern weltweit, also auch auf Reisen.<br />
Bild: zvg<br />
64<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
mediservice<br />
Bewusst in<br />
den Offlinemodus schalten<br />
Der erste Blick am Morgen und der letzte am Abend:<br />
Bei vielen gilt er dem Handy. Ab wann wird das Nutzungsverhalten<br />
problematisch, und wie kann digitale Balance erreicht werden?<br />
Daniela Gerber, Senior Spezialistin Unternehmenskommunikation SWICA<br />
Bild: zvg<br />
Ob Tablet, Laptop oder Handy –<br />
mobile Geräte sind fester Bestandteil<br />
unseres Alltags. Vor<br />
allem das Smartphone hat unser<br />
Leben unbestreitbar vereinfacht und<br />
ist für viele unverzichtbar geworden. Die<br />
Schattenseite: Ein hohes Suchtpotenzial,<br />
besonders bei Menschen, die in den sozialen<br />
Medien unterwegs sind.<br />
Immer verbunden, trotzdem allein<br />
Untersuchungen zur Handynutzung gehen<br />
davon aus, dass ein übermässiger Smartphone-Konsum<br />
mit Depressionen oder<br />
Angstgefühlen in Verbindung gebracht<br />
werden kann und das Gefühl von Einsamkeit<br />
verstärkt. Grund dafür ist der Vergleich<br />
mit anderen in den sozialen Medien, der zu<br />
einem negativen Selbstwertgefühl führen<br />
kann. Denn in der Social-Media-Bubble<br />
überwiegen Posts zu den schönen und aufregenden<br />
Seiten des Lebens.<br />
Wenn also unzählige tolle Erlebnisse<br />
auf den kleinen Bildschirm des Handys<br />
komprimiert und zu einer nie endenden<br />
Scroll-Schlaufe aneinandergereiht werden,<br />
kann man schnell das Gefühl bekommen,<br />
dass das eigene Leben weniger aufregend<br />
und nichtssagend ist. Ein wichtiges<br />
Stichwort hier ist FOMO («Fear of missing<br />
out») – also die Angst, etwas zu verpassen.<br />
Sie weckt Minderwertigkeitsgefühle und<br />
sorgt für zusätzlichen Stress – nicht nur<br />
bei Jugendlichen, die bereits unter immensem<br />
Anpassungsdruck stehen.<br />
Ab wann ist das Nutzungsverhalten<br />
problematisch?<br />
Ab wann die Smartphone-Nutzung als problematisch<br />
angesehen wird, lässt sich nicht<br />
anhand eines Richtwerts festmachen. Dies,<br />
weil das Nutzungsverhalten und das Verarbeiten<br />
der Inhalte in den sozialen Medien<br />
Lesen macht Spass. Deshalb lohnt es sich, das<br />
Handy manchmal bewusst wegzulegen, damit<br />
Zeit für solche Offlineaktivitäten bleibt.<br />
von Mensch zu Mensch unterschiedlich<br />
sind. Was aber klar ist: Je häufiger die<br />
Smartphone-Nutzung, desto weniger Zeit<br />
bleibt für Offlineaktivitäten wie sozialen<br />
Austausch, ausreichend Schlaf und Bewegung.<br />
Die Alarmglocken sollten läuten,<br />
wenn Anerkennung, Erfolgserlebnisse<br />
oder soziale Kontakte hauptsächlich digital<br />
bezogen werden. Auch Schlafstörungen,<br />
Konzentrationsprobleme, verminderte<br />
körperliche Fitness oder Migräne sind<br />
mögliche Warnzeichen.<br />
Digital Balance anstatt Digital Detox<br />
Wer sich immer wieder beim unbewussten<br />
Scrollen ertappt, sollte aktiv Gegensteuer<br />
geben. Eine einfache Möglichkeit ist, das<br />
Smartphone weniger attraktiv zu machen.<br />
Push-Benachrichtigungen können beispielsweise<br />
komplett oder für einzelne<br />
Apps ausgeschaltet werden. Auch zeitliche<br />
Limits für Apps verhindern, dass man<br />
zu lange am Smartphone sitzt. Wer einen<br />
Schritt weitergehen möchte, kann es auch<br />
Von mehrfachen<br />
Prämienrabatten und<br />
SWICA-Gesundheitsangeboten<br />
profitieren<br />
Für Ausgleich sorgen und die Batterien<br />
wieder aufladen ist wichtig. SWICA<br />
unterstützt deshalb ein regelmässiges<br />
Engagement zur Stärkung der Gesundheit<br />
und des Wohlbefindens mit grosszügigen<br />
Beiträgen an über 100 Kurse<br />
und Behandlungen.<br />
www.swica.ch/wohlbefinden<br />
Als Mitglied von mediservice<br />
<strong>vsao</strong>- asmac profitieren Sie zudem<br />
dank Kollektivvertrag und BENEVITA<br />
Bonusprogramm von bis zu 30 Prozent<br />
Prämienrabatt auf Spital- und Zusatzversicherungen<br />
von SWICA.<br />
Zu den SWICA-Vorteilen:<br />
www.swica.ch/de/mediservice<br />
mit «Digital Detox», also der digitalen Entgiftung,<br />
versuchen. Der Trend aus den<br />
USA beschreibt einen Zeitraum, in dem<br />
das Smartphone gar nicht oder nur für das<br />
absolut Nötigste benutzt wird.<br />
Auf Dauer ist es unrealistisch, komplett<br />
auf Smartphone, Tablet usw. zu verzichten.<br />
Deshalb lautet das langfristige Ziel<br />
nicht Digital Detox, sondern Digital Balance.<br />
Es ergibt in der heutigen Zeit wenig<br />
Sinn, das Smartphone generell zu verteufeln,<br />
denn nicht das Gerät ist das Übel, sondern<br />
der Umgang damit – und den haben<br />
wir selbst in der Hand. Mit einem gesunden<br />
Ausgleich zwischen On- und Offlinezeiten<br />
bleiben die Vorteile des Smartphones erhalten,<br />
die Nutzung bleibt aber selbstbestimmt<br />
und reflektiert.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 65
Impressum<br />
Kontaktadressen der Sektionen<br />
<strong>Nr</strong>. 2 • 43. Jahrgang • <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />
Herausgeber/Verlag<br />
AG<br />
VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />
Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 88<br />
journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />
Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />
Redaktion<br />
Regula Grünwald (Chefredaktorin),<br />
Patrick Cernoch, Maya Cosentino, Kerstin Jost,<br />
Fabian Kraxner, Bianca Molnar, Patricia<br />
Palten, Léo Pavlopoulos, Lukas Staub,<br />
Tharshika Thavayogarajah, Anna Wang,<br />
Marc Schällebaum (Vertreter mediservice<br />
<strong>vsao</strong>-asmac), Philipp Thüler (Vertreter <strong>vsao</strong>)<br />
Druck, Herstellung und Versand<br />
Stämpfli Kommunikation,<br />
Wölflistrasse 1, 3001 Bern<br />
Tel. 031 300 66 66<br />
info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />
Layout<br />
Oliver Graf<br />
Übersetzungen<br />
Translation Management, François Egli,<br />
3073 Gümligen<br />
Titelillustration<br />
Stephan Schmitz<br />
Inserate<br />
Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />
Markus Haas, Tiefenaustrasse 2,<br />
8640 Rapperswil, Tel. 044 928 56 53<br />
<strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />
Auflagen<br />
Druckauflage: 22 700 Expl.<br />
WEMF/KS-Beglaubigung 2023: 21 648 Expl.<br />
Erscheinungshäufigkeit: 6 Ausgaben pro Jahr.<br />
Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />
inbegriffen.<br />
ISSN 1422-2086<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 3/<strong>2024</strong> erscheint im<br />
Juni <strong>2024</strong>. Thema: Plan<br />
© <strong>2024</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />
Printed in Switzerland<br />
BL/BS<br />
VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />
lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />
4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />
sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />
BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />
info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />
FR<br />
ASMAC Sektion Freiburg, Rue du Marché 36, 1630 Bulle,<br />
presidence@asmaf.ch<br />
GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, info@amig.ch, www.amig.ch<br />
GR<br />
JU<br />
NE<br />
VSAO Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig,<br />
lic. iur. HSG, RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 081 256 55 55,<br />
info@<strong>vsao</strong>-gr.ch, www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />
ASMAC Sektion Jura, Bollwerk 10, 3001 Bern, sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch<br />
Tel. 031 350 44 88<br />
ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />
Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />
Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />
SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />
9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />
surber@anwaelte44.ch<br />
SO<br />
TI<br />
TG<br />
VD<br />
VS<br />
VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />
segretariato@asmact.ch<br />
VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />
asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />
ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />
Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />
Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />
VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Schwanenplatz 7, 6004 Luzern, sekretariat@<strong>vsao</strong>-zentralschweiz.ch,<br />
vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23<br />
ZH/SH<br />
VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />
Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />
susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />
Publikation<strong>2024</strong><br />
FOKUSSIERT<br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Gütesiegel Q-Publikation<br />
des Verbandes Schweizer Medien<br />
66<br />
2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
BIS ZU 30 %<br />
PRÄMIENRABATT* FÜR<br />
VERBANDSMITGLIEDER.<br />
Wie mediservice <strong>vsao</strong>-asmac vertrauen zahlreiche Verbände und Versicherte auf unsere<br />
erstklassigen Versicherungslösungen und profitieren dabei von attraktiven Kollektivvorteilen.<br />
Finden Sie jetzt heraus, was SWICA für Ihre Gesundheit tun kann.<br />
FÜR SIE DA.<br />
Telefon 0800 80 90 80 oder *mehr erfahren: swica.ch/mediservice<br />
AndreaMag ®<br />
300 mg Magnesium (12.3 mmol)<br />
• Brausetabletten mit angenehmem Geschmack<br />
• Erhältlich als Orangen- oder Himbeeraroma<br />
• Vegan<br />
Kassenpflichtig<br />
Mehr<br />
Informationen:<br />
Andreabal AG, 4123 Allschwil<br />
www.andreabal.ch<br />
Andreamag®, Z: Magnesium 300 mg (12.3 mmol). I: Magnesiummangel, zur Deckung eines erhöhten Bedarfs während der Schwangerschaft und Stillzeit, im<br />
Hochleistungssport, Neigung zu Wadenkrämpfen, bei muskulären Krampfzuständen, bei Eklampsie und Präeklampsie, tachykarden Herzrhythmusstörungen.<br />
D: Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren: 1x täglich 1 Brausetablette oral. KI: Niereninsuffizienz, AV-Block, Exsikkose. IA: Tetracycline, Eisensalze, Cholecalciferol.<br />
UW: Gelegentlich Durchfall. P: 20 und 60 Brausetabletten. VK: Liste D. 04/2020. Kassenpflichtig. Ausführliche Informationen unter www.swissmedicinfo.ch.<br />
Andreabal AG, Binningerstrasse 95, 4123 Allschwil, Tel. 061 271 95 87, Fax 061 271 95 88 www.andreabal.ch
Wertvolles wirksam schützen<br />
Welcher Gegenstand liegt Ihnen besonders am Herzen?<br />
Ihre Lieblingsstücke sind für Sie persönlich wertvoll und<br />
einzigartig. Oft haben sie auch einen finanziellen Wert.<br />
Deshalb lohnt sich ein besonderer Schutz.<br />
Prämie berechnen:<br />
Ihr Zugangscode<br />
TqYy4Ucx<br />
Telefonisch unter 0848 89 01 90<br />
Mo–Fr von 8.00–18.00 Uhr<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac-Mitglieder<br />
profitieren von attraktiven Sonderkonditionen.<br />
Bitte erwähnenSie<br />
Ihre Mitgliedschaft.