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vsao Journal Nr. 2 - April 2024

System - Gesellschaft, Gesundheit, Gekrabbel Politik - Zwei Initiativen auf dem Prüfstand Psychoanaleptika - Off-Label-Einsatz in der Palliativmedizin Zecken - Die selteneren Infektionen

System - Gesellschaft, Gesundheit, Gekrabbel
Politik - Zwei Initiativen auf dem Prüfstand
Psychoanaleptika - Off-Label-Einsatz in der Palliativmedizin
Zecken - Die selteneren Infektionen

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<strong>vsao</strong><br />

<strong>Nr</strong>. 2, <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />

<strong>Journal</strong><br />

Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

System<br />

Gesellschaft, Gesundheit,<br />

Gekrabbel<br />

Seite 28<br />

Politik<br />

Zwei Initiativen auf<br />

dem Prüfstand<br />

Seite 6<br />

Psychoanaleptika<br />

Off-Label-Einsatz in der<br />

Palliativmedizin<br />

Seite 45<br />

Zecken<br />

Die selteneren<br />

Infektionen<br />

Seite 48


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Inhalt<br />

System<br />

Gesellschaft, Gesundheit, Gekrabbel<br />

Coverbild: Stephan Schmitz<br />

Editorial<br />

5 Kleine Insekten, grosse Fragen<br />

Politik<br />

6 Für eine solidarische, leistungsfähige<br />

Gesundheitsversorgung<br />

8 Klimabedingte Notfälle und<br />

Infektionen: Konkrete Massnahmen<br />

sind gefragt<br />

Weiterbildung /<br />

Arbeitsbedingungen<br />

11 Andere Länder – andere Medizin?<br />

«Ich bin ein grosser Fan davon, verschiedene<br />

Kontexte kennenzulernen»<br />

14 Der korrekte Umgang mit Wundfotos<br />

16 Forschen lernen<br />

17 Auf den Punkt gebracht<br />

18 Next Level<br />

Leadership im klinischen Alltag<br />

Perspektiven<br />

45 Aktuelles zu Stimulanzien:<br />

Was bewirken Psychoanaleptika<br />

in der Palliativ medizin?<br />

48 Aus der «Therapeutischen<br />

Umschau» – Übersichtsarbeit:<br />

Die anderen Zecken-übertragenen<br />

Infektionen in Mitteleuropa<br />

62 My Way<br />

mediservice<br />

63 Briefkasten<br />

64 Schützen Sie Ihre<br />

Lieblings gegenstände<br />

65 Bewusst in den<br />

Offlinemodus schalten<br />

66 Impressum<br />

<strong>vsao</strong><br />

22 Neues aus den Sektionen<br />

26 <strong>vsao</strong>-Inside<br />

27 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

Fokus: System<br />

28 Das hoch entwickelte Sozialsystem<br />

der Ameisen<br />

31 Augen auf: Hypnose als Gamechanger<br />

für Kinder und Jugendliche<br />

33 Die Basis unserer Gesundheit<br />

36 Wie die Viehzucht soziale Ungleichheit<br />

förderte<br />

39 Mit Glasfasernetzen Erdbeben<br />

beobachten<br />

42 Sind Autoimmun krankheiten<br />

somatoforme Störungen?<br />

<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>: neue Redaktionsmitglieder gesucht<br />

Sind Sie vielseitig interessiert und haben Lust, das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> mitzuprägen?<br />

Gewinnen Sie einen Einblick in unsere Arbeit, und nehmen Sie unverbindlich an einer<br />

Redaktionssitzung teil. Hauptaufgaben der Redaktion sind<br />

• die thematische Planung der Hefte,<br />

• die Suche nach Autorinnen und Autoren,<br />

• die regelmässige Teilnahme an den Sitzungen<br />

(sechs abendliche Sitzungen und eine Retraite).<br />

Interessiert? Dann melden Sie sich unter journal@<strong>vsao</strong>.ch.<br />

Wir freuen uns auf neue Gesichter.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 3


Allgemeine<br />

Innere Medizin<br />

11. – 15.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />

40 h<br />

Innere Medizin<br />

25. – 29.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />

40 h<br />

Hausarzt Fortbildungstage<br />

05. – 06.09.<strong>2024</strong> Basel<br />

12. – 13.09.<strong>2024</strong> Bern<br />

27. – 28.09.<strong>2024</strong> Luzern<br />

14 h<br />

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Anästhesiologie<br />

und Intensivmedizin<br />

04. – 05.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />

16 h<br />

EKG – Grundkurs<br />

10. – 11.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />

16 SSAPM | 14 SGK |<br />

14 SGAIM | 16 SGNOR<br />

Gynäkologie<br />

02. – 04.05.<strong>2024</strong> Zürich<br />

24 h<br />

Immunonkologika<br />

und gezielte Therapien<br />

05. – 06.07.<strong>2024</strong> Livestream<br />

16 h<br />

Ophthalmologie<br />

13. – 14.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />

16 h<br />

Pneumologie<br />

03. – 04.05.<strong>2024</strong> Zürich<br />

14 h<br />

Psychiatrie und<br />

Psychotherapie<br />

06. – 08.06.<strong>2024</strong> Zürich<br />

21 h<br />

Urologie<br />

24.05.<strong>2024</strong> Zürich<br />

8 SGU<br />

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Teilnahme vor Ort oder via Livestream<br />

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Editorial<br />

Kleine Insekten,<br />

grosse Fragen<br />

Regula Grünwald<br />

Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Augen zukneifen, Zähne zusammenbeissen und die Luft<br />

anhalten, bis der Puck die Verteidigungszone verlassen<br />

hat: Als Kind schien mir dies ein todsicheres System,<br />

um meiner Lieblingseishockeymannschaft zum Sieg zu<br />

verhelfen. Ob es genützt hat? Leider nein: Der erste Schweizer-<br />

Meister-Titel lässt noch immer auf sich warten.<br />

Mit einigen besser funktionierenden Systemen haben wir es im<br />

Fokus-Teil der aktuellen Ausgabe zu tun: Dank einer raffinierten<br />

sozialen Organisation und Aufgabenteilung stellt eine Ameisenkolonie<br />

sicher, dass stets genügend Individuen verfügbar sind, die<br />

sich um Nachwuchs und Nahrung kümmern. Beinahe zur Selbstverständlichkeit<br />

geworden ist für uns die Siedlungsentwässerung,<br />

die entscheidend dazu beigetragen hat, dass Seuchen wie Typhus<br />

und Cholera ebenso wie stinkende Algen- und Schaumteppiche in<br />

Flüssen und Seen längst der Vergangenheit angehören. Und warum<br />

das Glasfasernetz nicht nur der Datenübertragung dient, sondern<br />

auch für die Seismologie spannend ist, zeigt ein weiterer Artikel<br />

auf.<br />

Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen biologischen,<br />

psychologischen und sozialen Faktoren? Und wie beeinflussen sie<br />

die Gesundheit? Diesen Fragen sowie möglichen Ansätzen zum<br />

Umgang damit sind zwei Beiträge gewidmet. Und schliesslich<br />

gehen wir über das menschliche Individuum hinaus und werfen<br />

einen Blick auf die Entstehung der bestehenden gesellschaftlichen<br />

Strukturen.<br />

Dank unserem demokratischen System kann die Bevölkerung auf<br />

politischer Ebene mitbestimmen. Und dies wird genutzt: Gleich<br />

zwei gesundheitspolitische Volksinitiativen gelangen im Juni zur<br />

Abstimmung. Warum der <strong>vsao</strong> die eine unterstützt und die andere<br />

ablehnt, können Sie im Politik-Teil nachlesen. Und in der Serie<br />

«Next Level» erfahren Sie, was eine Führungspersönlichkeit ausmacht,<br />

was frischgebackenen Oberärztinnen und -ärzten hilft, in<br />

ihre neue Rolle hineinzuwachsen, und wie man sich bereits in der<br />

Assistenzzeit auf diesen Übergang vorbereiten kann.<br />

Apropos Übergang: Sie halten die voraussichtlich drittletzte Printausgabe<br />

des <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s in den Händen. Die Vorbereitungen<br />

für eine Ablösung des gedruckten Hefts laufen auf Hochtouren.<br />

Möchten Sie sichergehen, dass das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> künftig auch in<br />

Ihrem virtuellen Briefkasten landet? Dann melden Sie sich unter<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 5


Politik<br />

Für eine solidarische,<br />

leistungsfähige Gesundheitsversorgung<br />

Der <strong>vsao</strong> empfiehlt, am 9. Juni die Kostenbremse-Initiative<br />

abzulehnen und die Prämien-Entlastungs-Initiative anzunehmen.<br />

Damit werden die Weichen richtig gestellt für eine qualitativ hochstehende<br />

Gesundheitsversorgung, die für alle bezahlbar bleibt.<br />

Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Die Kampagne der Ärzteschaft und weiterer Gesundheitsorganisationen gegen die Kostenbremse-Initiative setzt auf Emotionen.<br />

Am kommenden 9. Juni stimmt<br />

die Schweizer Stimmbevölkerung<br />

über zwei gesundheitspolitische<br />

Vorlagen von grosser<br />

Tragweite ab. Bei beiden geht es um<br />

die Kosten des Gesundheitswesens, beide<br />

bieten deshalb auch die Chance, in der<br />

Diskussion die Leistungen und den Wert<br />

des Schweizer Gesundheitssystems vermehrt<br />

in den Vordergrund zu stellen.<br />

Doch was wollen die Initiativen genau?<br />

Die Prämien-Entlastungs-Initiative,<br />

die von der SP lanciert wurde, verlangt,<br />

dass niemand in der Schweiz mehr als<br />

zehn Prozent des Einkommens für die Prämien<br />

der obligatorischen Grundversicherung<br />

verwenden muss. Diese Forderung<br />

würde im Fall einer Annahme mit verbesserten<br />

Prämienverbilligungen umgesetzt.<br />

Auch der Bund müsste mit substanziellen<br />

Finanzmitteln dazu beitragen. Der Initiativtext<br />

hält fest, dass mindestens zwei<br />

Drittel der für die Prämienverbilligungen<br />

aufgewendeten Mittel vom Bund bereitzustellen<br />

sind. Heute zahlt der Bund dafür<br />

etwa gleich viel wie die Kantone.<br />

Belastende Gesundheitsausgaben<br />

Die Befürworterinnen und Befürworter<br />

argumentieren damit, dass die Prämien<br />

seit Jahren steigen und für einen immer<br />

grösseren Teil der Bevölkerung zu einer<br />

spürbaren und teilweise untragbaren Belastung<br />

werden. Gemäss Bundesamt für<br />

Statistik haben sich die Kosten der obligatorischen<br />

Grundversicherung seit 1999<br />

tatsächlich mehr als verdoppelt. Trotz<br />

gleichzeitig positiver Lohnentwicklung<br />

und auch mit Prämienverbilligungen hatte<br />

dieser Anstieg einen negativen Einfluss<br />

Bild: Kampagnensujet «Nein zur Kostenbremse»<br />

6<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Politik<br />

auf die verfügbaren Einkommen. 2023<br />

zum Beispiel resultierte ein Minus von<br />

0,4 Prozent. Tatsache ist, dass zahlreiche<br />

Kantone in den vergangenen Jahren ihre<br />

Ausgaben für Prämienverbilligungen gesenkt<br />

haben und dass die Prämien in weiten<br />

Teilen der Bevölkerung als Belastung<br />

empfunden werden.<br />

Die Gegnerschaft der Initiative kritisiert,<br />

dass die Initiative zu hohe Kosten<br />

nach sich ziehen würde und dass keinerlei<br />

Massnahmen für eine Senkung der Gesundheitskosten<br />

vorgesehen sind.<br />

Der Bundesrat anerkannte zwar im<br />

Grundsatz die Berechtigung des Anliegens,<br />

sein Gegenvorschlag wurde im Parlament<br />

aber derart verwässert, dass er für die Initiantinnen<br />

und Initianten keine valable<br />

Alternative war.<br />

Kostendeckel für die Grundversicherung<br />

…<br />

Die Kostenbremse-Initiative wurde von der<br />

Mitte-Partei lanciert und verlangt einen<br />

Kostendeckel für Leistungen der Grundversicherung.<br />

Das Total der von der Grundversicherung<br />

bezahlten Leistungen müsste<br />

sich bei einer Annahme gemäss Initiativtext<br />

an der «schweizerischen Gesamtwirtschaft<br />

und den durchschnittlichen Löhnen»<br />

orientieren. Wenn die Kosten um<br />

20 Prozent mehr steigen als die Löhne,<br />

müsste der Bund gemeinsam mit den Kantonen<br />

bei der Gesundheitsversorgung Kostensenkungsmassnahmen<br />

umsetzen.<br />

Die Pro-Seite argumentiert ebenfalls<br />

mit den steigenden Gesundheitskosten und<br />

der hohen Belastung der Haushalte. Sie vertritt<br />

die Meinung, dass es viel Sparpotenzial<br />

gibt, das aber nur ausgeschöpft werden<br />

kann, wenn der Druck einer Kostenbremse<br />

die Akteure dazu zwingt.<br />

… führt zu Rationierung und<br />

Wartezeiten<br />

Die Gegnerschaft hingegen befürchtet,<br />

dass die Kostenbremse zu einer Rationierung<br />

der Gesundheitsleistungen und zu<br />

langen Wartezeiten führen würde. Die Folge<br />

wäre eine Zweiklassenmedizin, unter<br />

der vor allem derjenige Teil der Gesellschaft<br />

leiden würde, der auf eine solidarische<br />

Finanzierung von Gesundheitsleistungen<br />

angewiesen ist.<br />

Wie steht der <strong>vsao</strong> zu den Initiativen?<br />

Der Geschäftsausschuss des <strong>vsao</strong> hat die<br />

Ja-Parole zur Prämien-Entlastungs-Initiative<br />

und die Nein-Parole zur Kostenbremse-Initiative<br />

beschlossen. Angelo<br />

Barrile, Präsident des <strong>vsao</strong> und als ehemaliger<br />

SP-Nationalrat auch Mitglied des<br />

Initiativkomitees, begründet das Ja des<br />

<strong>vsao</strong> zur Prämien-Entlastung folgendermassen:<br />

«Als Ärztinnen und Ärzte tragen<br />

wir eine Verantwortung für die Gesundheit<br />

der Patientinnen und Patienten. Wir<br />

müssen uns deshalb für ein qualitativ<br />

hochstehendes System einsetzen, das sich<br />

alle leisten können. Ich erlebe es in der<br />

Praxis oft: Patientinnen und Patienten<br />

entscheiden sich für eine hohe Franchise,<br />

weil sie damit Geld sparen können. Danach<br />

zögern sie den Arztbesuch zu lange<br />

hinaus, um das Haushaltsbudget nicht<br />

zusätzlich zu belasten. Das darf nicht<br />

sein – der Arztbesuch darf nicht zu einem<br />

Luxusgut werden.»<br />

Aus demselben Grund sei die Kostenbremse-<br />

Initiative abzulehnen, sagt Barrile:<br />

«Eine Kostendeckelung führt automatisch<br />

zu einer Rationierung, das ist überall so<br />

geschehen, wo es umgesetzt wurde. Die<br />

Leidtragenden sind die Schwächsten im<br />

System. Eine Annahme der Initiative würde<br />

zu einer Zweiklassenmedizin und langen<br />

Wartezeiten für notwendige Behandlungen<br />

führen.»<br />

Gute Argumente gegen die<br />

Kostenbremse<br />

Das Nein-Komitee der Gesundheitsorganisationen,<br />

das von der FMH angeführt wird<br />

und dem auch der <strong>vsao</strong> angehört, führt<br />

weitere Argumente gegen die Kostenbremse-Initiative<br />

ins Feld: Die Koppelung der<br />

Gesundheitskosten an die Konjunktur ist<br />

absurd, da Erkrankungen gerade dann<br />

häufiger auftreten, wenn die Wirtschaftslage<br />

schlecht ist. Die Gesundheitsversorgung<br />

wird also genau dann eingeschränkt,<br />

wenn sie am meisten benötigt wird. Zudem<br />

besteht die grosse Gefahr, dass auf<br />

dem Buckel des Personals gespart würde,<br />

dass also auch auf die Löhne und Arbeitsbedingungen<br />

von Ärzteschaft und Pflegepersonal<br />

in den Spitälern noch mehr Druck<br />

entstünde. Verzögerte oder nicht stattfindende<br />

Behandlungen führen zudem zu<br />

hohen Folgekosten. Das eigentliche Ziel<br />

der Initiative – Kosten senken – kann so<br />

gar nicht erreicht werden.<br />

Angelo Barrile betont, dass die Kosten<br />

der Gesundheitsversorgung durchaus im<br />

Auge behalten werden müssen. Die Kostenbremse<br />

sei aber das falsche Instrument.<br />

«Stattdessen sollten wir die Grundversorgung<br />

stärken und die digitale Transformation<br />

vorantreiben. Studien zeigen, dass allein<br />

durch die Digitalisierung die Kosten um<br />

zehn Prozent gesenkt werden können.<br />

Auch Krankenkassen können beim Sparen<br />

helfen, indem sie unnötige Nachfragen vermeiden,<br />

die auf ärztlicher Seite viel Aufwand<br />

verursachen.» Nicht zuletzt weist er<br />

darauf hin, dass auch die Arbeitsbedingungen<br />

des Spitalpersonals verbessert werden<br />

müssen, denn eine hohe Fluktuation verursacht<br />

ebenfalls Kosten. Die Ärzteschaft<br />

ihrerseits könne zu Kostenreduktionen beitragen,<br />

indem sie nach «Smarter Medicine»-<br />

Grundsätzen arbeite.<br />

Abstimmen und mobilisieren<br />

Erste Umfragen im März haben gezeigt,<br />

dass beide Initiativen gute Chancen haben,<br />

angenommen zu werden. Gerade eine<br />

Annahme der Kostenbremse-Initiative<br />

aber würde die Qualität der Gesundheitsversorgung<br />

gefährden, wie auch Angelo<br />

Barrile betont: «Als Ärztinnen und Ärzte<br />

wissen wir, wie das Gesundheitswesen<br />

funktioniert. Es ist an uns, Aufklärungsarbeit<br />

zu leisten und die vielen falschen<br />

Argumente zu entkräften, die im Umlauf<br />

sind. Es ist wichtig, möglichst viele für<br />

ein Nein zu mobilisieren. Eine deutliche<br />

Ablehnung der Initiative wäre ein wichtiges<br />

Signal zugunsten einer Gesundheitsversorgung<br />

mit Zukunft.»<br />

– Weitere Informationen und Kampagnenmaterial<br />

zum Download auf der Website<br />

des Komitees «Nein zur Kostenbremse»:<br />

www.nein-zur-kostenbremse.ch<br />

– Informationen und Argumente zur Prämien-Entlastungs-Initiative:<br />

www.bezahlbare-praemien.ch<br />

@<strong>vsao</strong>asmac<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 7


Politik<br />

Die Folgen klimatischer Veränderungen sind<br />

auch im medizinischen Alltag spürbar.<br />

Wie eine Umfrage zeigt, wünschen sich viele<br />

<strong>vsao</strong>-Mitglieder mehr konkrete Massnahmen,<br />

um besser damit umgehen zu können.<br />

Klimabedingte<br />

Notfälle und Infektionen:<br />

Konkrete Massnahmen<br />

sind gefragt<br />

Viele <strong>vsao</strong>-Mitglieder sind sensibilisiert für die Folgen des Klimawandels.<br />

Jedoch hapert es bei der Umsetzung griffiger Massnahmen für<br />

einen besseren Umgang damit. Dies zeigt eine Umfrage des <strong>vsao</strong>.<br />

Dr. med. Nora Höger, Co-Leiterin <strong>vsao</strong>-Arbeitsgruppe Planetary Health, und<br />

Robin Rieser, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Abteilung Public Health FMH<br />

Die Folgen der Klimaveränderungen<br />

sind im medizinischen<br />

Alltag angekommen:<br />

Insbesondere ältere Menschen,<br />

Kinder und vulnerable Bevölkerungsgruppen<br />

mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

und Ähnlichem sind durch vermehrte<br />

Hitzewellen, Dauerregen und<br />

neue Infektionskrankheiten zunehmend<br />

gefährdet. Doch wie nehmen Ärztinnen<br />

und Ärzte die gesundheitlichen Auswirkungen<br />

des Klimawandels wahr? Welche<br />

Massnahmen gibt es an ihrem Arbeitsplatz,<br />

um mit den Folgen des Klimawandels<br />

umzugehen? Und was wird an ihrem<br />

Arbeitsplatz zur Verringerung des ökologischen<br />

Fussabdrucks getan?<br />

Um das Stimmungsbild in der Ärzteschaft<br />

und die Situation in den Spitälern<br />

bezüglich dieser drei Kernthemen zu erheben,<br />

führte der <strong>vsao</strong> in Kooperation mit<br />

der Abteilung Public Health der FMH im<br />

vergangenen Herbst eine Umfrage durch.<br />

Neben vorgegebenen Antwortmöglichkeiten<br />

konnten die Teilnehmenden sich in<br />

Freitextantworten äussern. Die 351 Teilnehmenden<br />

sind hinsichtlich Gender, Arbeitsort,<br />

Fachgebieten und Alter repräsentativ<br />

für <strong>vsao</strong>-Mitglieder.<br />

Bild: Adobe Stock, generiert mit KI<br />

8<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Politik<br />

Mehr Notfälle, kaum Anpassungen<br />

der Medikation<br />

Die Ergebnisse zeigen ein hohes Bewusstsein<br />

für die gesundheitlichen Auswirkungen<br />

des Klimawandels bei den <strong>vsao</strong>-Mitgliedern<br />

(Grafik 1). 42 Prozent der Befragten<br />

geben an, mehr hitzebedingte Notfälle bei<br />

ihren Patientinnen und Patienten zu beobachten,<br />

und immerhin ein Drittel berät<br />

Patientinnen und Patienten hinsichtlich<br />

der Folgen klimatischer Veränderungen.<br />

Gleichzeitig passen weniger als 20 Prozent<br />

die Medikation ihrer Patientinnen und Patienten,<br />

z. B. aufgrund von Hitzeperioden,<br />

an. Angesichts der konkreten Gesundheitsgefährdung<br />

– insbesondere für Risikopatientinnen<br />

und -patienten – besteht dringender<br />

Handlungs- und Weiterbildungsbedarf.<br />

Konkrete Massnahmen fehlen<br />

weitgehend<br />

Ein erschreckendes Bild zeigt sich bei den<br />

Massnahmen für einen besseren Umgang<br />

mit den Folgen des Klimawandels. Über<br />

ein Drittel der Teilnehmenden gibt an,<br />

dass ihres Wissens von ihrem Arbeitgeber<br />

bislang keine solchen Massnahmen ergriffen<br />

wurden. Nur gut ein Fünftel nennt Anpassungen<br />

in der Einrichtung, insbesondere<br />

zum Hitzeschutz. Im Kontrast dazu<br />

besteht ein klarer Wunsch nach konkreten<br />

Massnahmen wie Informations- und Weiterbildungsangeboten<br />

zu den medizinischen<br />

Folgen des Klimawandels und den<br />

Behandlungsmöglichkeiten. Für die Ärzteschaft<br />

relevant sind insbesondere Weiterbildungen<br />

zu klimasensiblen Erkrankungen<br />

und zu Präventionsmassnahmen wie<br />

einem gesunden und klimafreundlichen<br />

Lebensstil. Wiederholt wird hier auch der<br />

Umgang mit der psychischen Belastung<br />

durch «Klimaangst» genannt.<br />

Wunsch nach weniger Müll<br />

Wichtig sind auch strukturelle Massnahmen,<br />

die Klimaschutz in der Einrichtung<br />

ermöglichen. So geben 40 Prozent der Befragten<br />

an, dass es in ihrer Einrichtung bereits<br />

Leitlinien für Energiesparmassnahmen,<br />

die Förderung von öV-Angeboten<br />

und veränderte Menüpläne in den Mensen<br />

gibt (Grafik 2). Gleichzeitig ist der Bedarf<br />

an zusätzlichen Massnahmen in allen abgefragten<br />

Bereichen sehr hoch (Grafik 3).<br />

Dies zeigt sich insbesondere bei der Reduktion<br />

des Ressourcenverbrauchs, z. B.<br />

bei Verpackungsmaterial oder Medikamenten,<br />

die in der Herstellung und in der<br />

Lieferkette enorme Emissionen verursachen.<br />

Gut ein Drittel der Befragten gibt an,<br />

Nachhaltigkeitsbeauftragte für die Einrichtung<br />

zu benötigen.<br />

Mehr hitzebedingte Notfälle<br />

(z.B. Herz-Kreislauf-Symptome wie<br />

Exsikkose, Nierenversagen,<br />

Blutdruckkrisen; Migräneattacken u.a.)<br />

Patientenaufklärung bezüglich<br />

klimatischer Veränderungen<br />

(Hitze, Infektionen, Medikamentenwirkung,<br />

Alltagsverhalten usw.)<br />

Veränderter Einsatz von Medikamenten<br />

keine<br />

andere<br />

Bereitstellen von<br />

Informationsbroschüren zu<br />

hitzebedingten Ereignissen<br />

Auch der Wunsch nach Beratungsmöglichkeiten<br />

zur Verminderung von<br />

Treibhausgasemissionen seitens der<br />

Fachgesellschaften sowie nach politischen<br />

Massnahmen wurde in den Freitextantworten<br />

deutlich: Über 80 Prozent der<br />

Befragten unterstützen ein weiteres Engagement<br />

ihrer Berufsverbände. Ein klarer<br />

Auftrag!<br />

Teilnahme über Onlinefragebogen<br />

Die Teilnahme an der Umfrage wurde<br />

über die gängigen sozialen Medien (Facebook,<br />

Instagram, LinkedIn) und via <strong>vsao</strong>-<br />

Newsletter beworben. Als Erhebungsinstrument<br />

wurde ein Onlinefragebogen in<br />

Inwiefern spielt die Klimakrise in Ihrem Umgang mit Patientinnen<br />

und Patienten eine Rolle?<br />

8<br />

11<br />

15<br />

18<br />

0 10 20 30 40<br />

Anteil [%]<br />

Grafik 1: 42 Prozent der Teilnehmenden (n=351) haben in den letzten Jahren einen Anstieg der<br />

hitzebedingten Notfälle erlebt.<br />

Förderung von öV-Angeboten auf dem Arbeitsweg<br />

(z.B. Bahnticket, PubliBike)<br />

Vermehrt rein vegetarisches Menü in der Mensa<br />

Leitlinien für Energiesparmassnahmen<br />

(z.B. Beheizung/Lüften, Gangbeleuchtung,<br />

Einsatz elektronischer Geräte)<br />

Massnahmen zur Müllreduktion<br />

(z.B. Verpackungsmaterial, Einwegbesteck)<br />

Förderung der klimaschonenden Teilnahme an<br />

Weiter- und Fortbildungen (mit öV, virtuell, wohnortnah)<br />

Nein/Keine<br />

Einsatz von Nachhaltigkeitsbeauftragten<br />

Leitlinien zum ressourcenschonenden Einsatz<br />

von Medikamenten und Medizinprodukten<br />

Andere<br />

Weiss nicht<br />

Beratungsmöglichkeiten zur Umsetzung<br />

von Klimaschutzmassnahmen von meiner<br />

Fachgesellschaft / von meinem Berufsverband<br />

Gibt es an Ihrer Arbeitsstätte bereits Massnahmen, um den<br />

Ressourcenverbrauch und die negativen Auswirkungen<br />

auf das Klima zu reduzieren?<br />

1<br />

1<br />

2<br />

5<br />

6<br />

11<br />

18<br />

0 10 20 30 40<br />

Anteil [%]<br />

Grafik 2: Viele Einrichtungen haben bereits Massnahmen zum Klimaschutz ergriffen, indem sie<br />

öV-Angebote fördern, in der Mensa vermehrt vegetarische Menüs anbieten und Leitlinien für<br />

Energiesparmassnahmen verfasst haben.<br />

23<br />

Anlehnung an die Umfrage der Stiftung<br />

Gesundheit im Auftrag des Centre for<br />

Planetary Health Policy (CPHP) aus dem<br />

Frühjahr 2023 konzipiert. Die Umfrage<br />

erfolgte vom 21. September 2023 bis zum<br />

30. Oktober 2023. Einschränkend muss<br />

bemerkt werden, dass die Grösse der Stichprobe<br />

nur einen Bruchteil der Mitgliederzahl<br />

ausmacht und sicherlich vor allem<br />

Mitglieder erreicht wurden, die sich bereits<br />

für das Thema interessieren. Dennoch zeigen<br />

die Ergebnisse in eine klare Richtung.<br />

Es bleibt viel zu tun<br />

Viele Ärztinnen und Ärzte haben verstanden,<br />

dass ihnen beim Umgang mit dem<br />

33<br />

30<br />

30<br />

42<br />

40<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 9


Politik<br />

Massnahmen zur Müllreduktion<br />

(z.B. Verpackungsmaterial, Einwegbesteck)<br />

Leitlinien zum ressourcenschonenden Einsatz<br />

von Medikamenten und Medizinprodukten<br />

Förderung der klimaschonenden Teilnahme an<br />

Weiter- und Fortbildungen (mit öV, virtuell, wohnortnah)<br />

Vermehrt rein vegetarisches Menü in der Mensa<br />

Leitlinien für Energiesparmassnahmen<br />

(z.B. Beheizung/Lüften, Gangbeleuchtung,<br />

Einsatz elektronischer Geräte)<br />

Förderung von öV-Angeboten auf dem Arbeitsweg<br />

(z.B. Bahnticket, PubliBike)<br />

Beratungsmöglichkeiten zur Umsetzung<br />

von Klimaschutzmassnahmen von meiner<br />

Fachgesellschaft / von meinem Berufsverband<br />

Einsatz von Nachhaltigkeitsbeauftragten<br />

Andere<br />

Keine<br />

Welche Massnahmen wünschen Sie sich zusätzlich<br />

zu den bereits genannten?<br />

2<br />

7<br />

0 20 40 60<br />

Anteil [%]<br />

Grafik 3: Trotz bereits bestehender Massnahmen ist der Wunsch nach einem zusätzlichen<br />

Engagement für den Klimaschutz gross: 70 Prozent der Teilnehmenden (n=351) wünschen sich<br />

zusätzliche Massnahmen zur Müllreduktion.<br />

35<br />

41<br />

48<br />

48<br />

50<br />

49<br />

59<br />

70<br />

Auswirkungen auf die Umwelt minimieren,<br />

um die Umwelt zu schonen. Das Bewusstsein<br />

ist da, doch noch fehlt es vielerorts<br />

an der konkreten Umsetzung.<br />

Der <strong>vsao</strong> und die FMH sind bestrebt,<br />

die Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu erfassen<br />

und umzusetzen. Der <strong>vsao</strong>-Leitfaden<br />

«Planetary Health» bietet konkrete Handlungsmöglichkeiten,<br />

um Planetary Health<br />

im Praxisalltag zu fördern. Die FMH hat<br />

für Arztpraxen ein Toolkit erarbeitet, das<br />

mit über 60 Massnahmen in 14 Kategorien<br />

die Praxen im Wandel zu mehr Nachhaltigkeit<br />

unterstützen kann. Dazu zeichnet<br />

die FMH mit dem «Planetary Health<br />

Award» in diesem Jahr erstmals Projekte<br />

aus, welche die Nachhaltigkeit im Schweizer<br />

Gesundheitssystem fördern. Die<br />

<strong>vsao</strong>-Arbeitsgruppe «Planetary Health»<br />

arbeitet an einer Informationsbroschüre,<br />

die Tipps zu Umwelt und Gesundheit enthält<br />

und in den Wartezimmern für Patientinnen,<br />

Patienten und deren Angehörige<br />

ausgelegt werden kann.<br />

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden der<br />

Umfrage herzlich für ihre Stimme und die<br />

konstruktiven Beiträge! Ebenfalls danken wir dem<br />

Centre for Planetary Health Policy (CPHP) Berlin<br />

herzlich für die Bereitstellung der dritten Umfrage<br />

zur Umsetzung der Beschlüsse des 125. Deutschen<br />

Ärztetags in Bezug auf Klimawandel und<br />

Gesundheit.<br />

Grafiken zu allen Fragen sowie demografische<br />

Details zu den Teilnehmenden sind auf der Seite<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch/planetary-health zu finden.<br />

Klimawandel und dessen Folgen eine<br />

wichtige Rolle zukommt: Durch die Förderung<br />

der Gesundheit mittels Co-Benefits<br />

können wir entscheidend zur Prävention<br />

vieler Krankheiten beitragen [1, 2]. Gegenüber<br />

unseren Patientinnen und Patienten<br />

kommt uns eine aufklärende Funktion zu,<br />

insbesondere in der Prävention und Gesundheitsförderung.<br />

Die gesundheitlichen<br />

Folgen der Klimaveränderungen müssen<br />

wir bestmöglich behandeln. Und auch in<br />

den Spitälern und Praxen müssen wir den<br />

Ressourcenverbrauch und die negativen<br />

Literatur<br />

@<strong>vsao</strong>asmac<br />

[1] Das Konzept der «Co-benefits»<br />

von Gesundheit und Umwelt<br />

(swisshealthweb.ch).<br />

[2 ] Co-Benefits: Gut fürs<br />

Klima – doppelt gut für den Menschen,<br />

KLUG (klimawandel-gesundheit.de).<br />

Missstände und Gesetzesverstösse online melden<br />

Seit dem 1. Mai 2022 betreibt der <strong>vsao</strong> eine Meldestelle. Über diese können (Nicht-)Mitglieder<br />

Verstösse gegen das Arbeitsgesetz, die Weiterbildungsordnung oder andere Missstände<br />

melden. Seit Inbetriebnahme wird die Meldestelle rege genutzt. Meldungen von zu langen<br />

Nachtdiensten, der Überschreitung der Höchstarbeitszeit und nicht gewährter strukturierter<br />

Weiterbildungszeit sind nur einige Beispiele. Für das Engagement des <strong>vsao</strong> gegen Missstände<br />

am Arbeitsplatz sind diese Meldungen überaus wertvoll: Melden Sie deshalb, wenn Sie<br />

Verstösse feststellen, diese unbedingt online via www.meldestelle-<strong>vsao</strong>.ch.<br />

Wir behandeln jede Meldung absolut vertraulich.<br />

10<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Andere Länder – andere Medizin?<br />

«Ich bin ein grosser Fan<br />

davon, verschiedene Kontexte<br />

kennenzulernen»<br />

Severin Pinilla zog es vor allem aus familiären Gründen nach München.<br />

Obwohl die Anfangsphase dort sehr anstrengend war,<br />

empfindet er es als grosses Privileg, dass der Wechsel zwischen<br />

zwei Ländern innerhalb Europas so einfach möglich ist.<br />

Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Bild: zvg<br />

Severin Pinilla arbeitet seit Sommer 2023 in München. Nebst vielen Parallelen sieht er insbesondere bei der<br />

Grundversicherung, der Elternzeit und der Weiterbildungskultur auch einige Unterschiede zur Schweiz.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 11


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Severin Pinilla, wo arbeitest du<br />

zurzeit?<br />

Seit Juli 2023 arbeite ich als ärztlicher<br />

Leiter im Team des Psychotherapeutischen<br />

Gesundheitszentrums in München.<br />

Ich bin in einem Teilzeitpensum von<br />

60 Prozent angestellt. Gleichzeitig bin ich<br />

niederprozentig weiterhin für die Universitätsklinik<br />

für Alterspsychiatrie der Universität<br />

Bern wissenschaftlich tätig und<br />

habe zudem ein Mandat des Schweizerischen<br />

Instituts für ärztliche Weiter- und<br />

Fortbildung im Rahmen des Projekts der<br />

Einführung von Entrustable Professional<br />

Activities, kurz EPAs.<br />

Wie ist dieser Auslandsaufenthalt<br />

zustande gekommen, und was waren<br />

die Gründe dafür?<br />

Der Hauptgrund war familiärer Natur. Im<br />

vergangenen Jahr ist unser erstes Kind zur<br />

Welt gekommen. Meine Frau war zuvor in<br />

Konstanz tätig, ich selbst in Bern. Wir haben<br />

uns überlegt, welcher Ort für uns drei<br />

am besten passt, und sind auf München<br />

gekommen. Das hat in erster Linie mit dem<br />

dortigen Netzwerk meiner Frau zu tun und<br />

auch damit, dass ihre Eltern in München<br />

wohnen. Im Herbst werde ich in beruflicher<br />

Hinsicht aber wieder nach Bern zurückkehren,<br />

und dann stellt sich die Frage,<br />

wie lange ich hin- und herpendeln werde<br />

beziehungsweise ob sich mittelfristig die<br />

Möglichkeit einer kompletten Lebensmittelpunktverlagerung<br />

nach Bern ergibt.<br />

Kannst du den Aufenthalt an deine<br />

Weiterbildung anrechnen lassen?<br />

Ich hatte den Facharzttitel bereits, als ich<br />

nach München kam, konnte aber hier den<br />

Schwerpunkt Alterspsychiatrie klinisch<br />

vervollständigen.<br />

12<br />

Ein Blick über den Gartenzaun<br />

Welche Hürden musstest du<br />

über winden, um den Aufenthalt zu<br />

organisieren?<br />

Mit dem Facharzttitel ist es dank dem<br />

gegenseitigen Anerkennungsabkommen<br />

sehr einfach, in Deutschland zu arbeiten.<br />

Für Assistenzärztinnen und -ärzte in Weiterbildung,<br />

also noch ohne Facharzttitel,<br />

stellen sich schon mehr Fragen. Diese<br />

müssen mit der jeweiligen Landesärztekammer<br />

angeschaut und gelöst werden.<br />

Gibt es trotzdem etwas, das dich<br />

überrascht hat und das du vor deinem<br />

Aufenthalt anders oder falsch eingeschätzt<br />

hast?<br />

Was ich persönlich unterschätzt habe, war<br />

diese Übergangsphase, als ich zwischen<br />

Bern und München hin- und herpendelte.<br />

Es ist doch anstrengend, wenn man zwei<br />

Standorte bedient. Grundsätzlich empfinde<br />

ich es aber als ein unglaubliches Privileg,<br />

dass man hier im europäischen Raum<br />

so einfach zwischen den Ländern wechseln<br />

kann und dass es da relativ wenige<br />

formale Hürden gibt. Ich bin ein grosser<br />

Fan davon, verschiedene Kontexte kennenzulernen<br />

und Erfahrungen auszutauschen.<br />

Das habe ich im Studium schon<br />

geschätzt, später in der Weiterbildung und<br />

jetzt auch in der Phase der Fortbildung.<br />

Der Austausch zwischen den Systemen<br />

und Kulturen ist vor allem inspirierend,<br />

wenn auch oft herausfordernd und anstrengend<br />

– man muss sich bemühen.<br />

Was gefällt dir besonders gut<br />

in München?<br />

Vom Fachlichen her ist es vergleichbar mit<br />

der Schweiz. Ich könnte auch kaum sagen,<br />

was hier besser oder schlechter ist. Ein<br />

Unterschied ist jedoch, dass sich junge<br />

Eltern für die Elternschaft mehr Zeit nehmen<br />

können. Dies dank der Elternzeit, die<br />

es in der Schweiz in der Form nicht gibt.<br />

Diese sozialsystemischen Rahmenbedingungen<br />

sind hier sicher ein bisschen hilfreicher.<br />

Vom Lebensstandard her ist es in<br />

München sehr ähnlich wie in der Schweiz.<br />

Man hat ein riesiges kulturelles Angebot,<br />

wie in der Schweiz auch. Die Berge sind<br />

ein bisschen weiter weg, aber erreichbar<br />

und an guten Tagen auch sichtbar. Der<br />

Wechsel von der Schweiz nach München<br />

ist wahrscheinlich einer der sanftesten<br />

Wechsel, die man sich vorstellen kann.<br />

In der losen Serie «Andere Länder – andere Medizin?» sprechen wir mit Ärztinnen und<br />

Ärzten, die während einer gewissen Zeit im Ausland arbeite(te)n. Welche Erfahrungen haben<br />

sie dabei gemacht? Was läuft besser, was schlechter als in der Schweiz?<br />

Ärztinnen und Ärzte, die über ihre eigenen Erfahrungen berichten möchten, dürfen sich<br />

gerne bei der Redaktion melden: journal@<strong>vsao</strong>.ch<br />

Zur Person<br />

Severin Pinilla ist Facharzt für<br />

Psychiatrie und Psychotherapie und<br />

habilitiert im Fach Psychiatrie mit<br />

medizindidaktischem Schwerpunkt.<br />

Er arbeitet seit Juli 2023 als ärztlicher<br />

Leiter im Team des Psychotherapeutischen<br />

Gesundheitszentrums<br />

in München.<br />

Gibt es trotzdem etwas, das du<br />

vermisst?<br />

Was ich an der Schweiz sehr schön finde,<br />

ist die Sprachenvielfalt und dass sich die<br />

Menschen auch über diese Vielfalt definieren.<br />

Dass beispielsweise Sprachkompetenz<br />

in zwei Landessprachen gefühlt vorausgesetzt<br />

wird. Das fehlt mir ein bisschen<br />

an der Mentalität in Deutschland. In München<br />

selbst, mit seinen vielen internationalen<br />

Unternehmen und Forschungseinrichtungen,<br />

ist das aber auch wieder<br />

anders. Da kommt man im Berufsalltag<br />

auch mit anderen Sprachen und Kulturen<br />

in Berührung.<br />

Was sind die wichtigsten Unterschiede<br />

zwischen dem deutschen und dem<br />

schweizerischen Gesundheitssystem?<br />

In der Schweiz müssen sich Patientinnen<br />

und Patienten wie auch die Ärzteschaft<br />

besser informieren; es gibt mehr Wahlmöglichkeiten<br />

zwischen Versicherungsmodellen,<br />

und man muss wissen, welche<br />

Leistungen abgedeckt sind und welche<br />

nicht. In Deutschland hingegen hat man –<br />

wenn überhaupt – nur die Wahl zwischen<br />

gesetzlicher und privater Versicherung.<br />

Alle Leistungen, die bewilligt sind, werden<br />

vergütet; da muss man sich als Patientin<br />

oder Patient nicht gross überlegen, ob<br />

man zum Arzt geht oder nicht. Es gibt keinen<br />

signifikanten Selbstbehalt und keine<br />

Franchise wie in der Schweiz. Man kann<br />

sich auf sehr unkomplizierte Weise untersuchen<br />

lassen, wohingegen sich Patientinnen<br />

und Patienten in der Schweiz<br />

manchmal mehr Gedanken machen. Es ist<br />

also eine andere Art der Steuerung als in<br />

der Schweiz.<br />

In beiden Systemen kämpft man natürlich<br />

mit allgemeiner Ressourcenknappheit.<br />

Die Wartefristen im Bereich Psychiatrie<br />

und Psychotherapie sind in beiden Ländern<br />

ein Thema, in Deutschland ist das<br />

vielleicht noch akzentuierter, wobei es in<br />

beiden Ländern regional sehr unterschiedlich<br />

ist: Je ländlicher, desto schwieriger.<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Wie sieht es mit den Arbeitsbedingungen<br />

aus? Gibt es Unterschiede zwischen<br />

der Schweiz und Deutschland?<br />

In der Schweiz gilt ja für Weiterzubildende<br />

in der Regel die 50-Stunden-Woche. In<br />

Deutschland sind es 42 Stunden, aber in<br />

der Realität ist es in beiden Ländern so,<br />

dass man normalerweise eher mehr arbeitet<br />

als vereinbart. Ich glaube, da sind die<br />

Unterschiede zwischen den Fachrichtungen<br />

und den Einsatzorten – Unispital,<br />

Kantonsspital, Regionalspital oder Privatspital<br />

– wahrscheinlich wichtiger und grösser<br />

als der Systemunterschied Schweiz–<br />

Deutschland. Man kann in beiden Systemen<br />

sehr viel arbeiten und sehr viele<br />

Überstunden machen, aber man kann –<br />

wenn man die Fachrichtung und die Einsatzorte<br />

entsprechend wählt – auch mit<br />

weniger Arbeit und weniger Überstunden<br />

durch die Weiterbildungszeit kommen.<br />

Deutliche Unterschiede bestehen in<br />

der Weiterbildungskultur. In der Schweiz<br />

gibt es seit vielen Jahren eine regelmässige<br />

Weiterbildungsevaluation, die so in<br />

Deutschland nicht existiert. Diese Mentalität,<br />

die Weiterbildung ernst zu nehmen<br />

und auch entsprechende Investitionen zu<br />

tätigen, ist in der Schweiz besser verankert.<br />

Im deutschen Weiterbildungssystem<br />

gibt es einzelne Fächer, die gut unterwegs<br />

sind und sich weiterentwickeln wollen,<br />

aber dieser Wille besteht nicht so flächendeckend<br />

wie in der Schweiz. Dies zeigt<br />

sich auch bezüglich der Weiterbildungskosten,<br />

gerade im Bereich Psychiatrie und<br />

Psychotherapie. In der Schweiz ist zwar<br />

nicht alles abgedeckt, was an Kosten anfällt,<br />

und einiges muss selbst übernommen<br />

werden. Aber im Vergleich zu<br />

Deutschland oder anderen europäischen<br />

Ländern übernehmen die Arbeitgebenden<br />

in der Schweiz einen relativ grossen Anteil<br />

an den Weiterbildungskosten.<br />

Kommst du gerne wieder zurück, oder<br />

würdest du lieber noch länger bleiben?<br />

Ich freue mich auf jeden Fall, in Bern in<br />

meinem Schwerpunktgebiet, der Alterspsychiatrie,<br />

auch wissenschaftlich wieder<br />

mehr machen zu können. Es gibt viele<br />

spannende Projekte und Themen, auf die<br />

ich mich inhaltlich freue. Trotzdem wird<br />

es eine anstrengende Zeit, weil übergangsweise<br />

wieder Pendeln angesagt ist. Insofern<br />

ist meine Antwort auf deine Frage ein<br />

klares Jein.<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 13


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Der korrekte<br />

Umgang<br />

mit Wundfotos<br />

Bei ihrer Arbeit im Spital kommen Ärztinnen und Ärzte immer wieder<br />

in Kontakt mit sensiblen Gesundheitsdaten wie etwa Bildern von<br />

Verletzungen. Wann das Erstellen und Weitergeben solcher Bilder zulässig ist,<br />

hängt von verschiedenen Faktoren ab.<br />

Florim Loshi, BLaw, Masterstudent an der Universität Bern, Mitarbeiter Recht, <strong>vsao</strong><br />

Dürfen Ärztinnen und Ärzte ein solches Foto machen und weitergeben? Die Antwort ist nicht ganz einfach.<br />

Im ärztlichen Alltag hat sich die Praxis<br />

entwickelt, Fotos von Wunden<br />

oder Verletzungen anzufertigen<br />

und diese mit Kolleginnen und Kollegen<br />

zu teilen – sei es zum fachlichen<br />

Austausch oder aus reinem Interesse.<br />

Doch dürfen Ärztinnen und Ärzte solche<br />

Wundfotos aus datenschutzrechtlicher<br />

Sicht überhaupt erstellen und an Kolleginnen<br />

und Kollegen weiterversenden?<br />

Bundesrecht oder kantonales Recht?<br />

Nebst dem eidgenössischen Datenschutzgesetz<br />

(DSG; SR 235.1) kennen auch die<br />

Kantone eigene Datenschutzgesetze. Öffentlich-rechtliche<br />

Spitäler sowie Listenspitäler,<br />

die im Rahmen ihres Leistungsauftrages<br />

Leistungen erbringen, stellen<br />

kantonale Behörden dar und unterstehen<br />

in dieser Funktion dem kantonalen Datenschutzrecht.<br />

Private Leistungserbringer<br />

unterstehen dem Bundesrecht. Die folgenden<br />

Ausführungen beziehen sich auf<br />

das DSG, können aber mutatis mutandis<br />

auf die kantonalen Datenschutzgesetze<br />

übertragen werden.<br />

Was sind Personendaten?<br />

Damit Fotografien in den Anwendungsbereich<br />

des DSG fallen, müssen diese Personendaten<br />

darstellen. Gemäss Art. 5 lit. a<br />

Bild: Adobe Stock<br />

14<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

DSG sind Personendaten «alle Angaben, die<br />

sich auf eine bestimmte oder bestimmbare<br />

natürliche Person beziehen». Das heisst: Es<br />

muss sich (1) um eine Angabe mit (2) Personenbezug<br />

handeln, und die Person muss (3)<br />

mindestens bestimmbar sein. Der Begriff<br />

des Personendatums ist weit zu verstehen.<br />

Bestimmbarkeit hängt von<br />

Betrachtenden ab<br />

Eine Person ist bestimmbar, wenn sich ihre<br />

Identität entweder direkt oder aus dem<br />

Kontext der Daten ergibt, wobei die Identifizierung<br />

ohne unverhältnismässigen<br />

Aufwand möglich sein muss. Der Aufwand<br />

ist unverhältnismässig, wenn nach der allgemeinen<br />

Lebenserfahrung nicht damit<br />

gerechnet werden muss, dass eine Person<br />

diesen auf sich nehmen wird. Die Bestimmbarkeit<br />

hängt vom Blickwinkel der<br />

Datenbearbeitenden ab. Eine Person kann<br />

aufgrund des Zusatzwissens der Datenbearbeitenden<br />

bestimmbar sein, für andere<br />

ist sie es hingegen nicht.<br />

Wenn auf dem Bild eindeutig identifizierbare<br />

Merkmale wie etwa ein Tattoo ersichtlich<br />

sind, handelt es sich bei den Fotografien<br />

um Personendaten. Auch wenn<br />

keine solchen Merkmale vorliegen, hat es<br />

die behandelnde ärztliche Fachperson mit<br />

Personendaten zu tun, da sie von den Bildern<br />

auf die Identität der Person schliessen<br />

kann. Fertigt sie ein Bild an, wird sie<br />

sich daran erinnern, von wem das Bild<br />

stammt. Die Person bleibt bestimmbar.<br />

Selbst wenn sich eine Ärztin oder ein Arzt<br />

nicht mehr an die behandelte Person erinnert,<br />

dürfte es mit verhältnismässigem<br />

Aufwand möglich sein, diese mittels des<br />

spitalinternen Systems zu identifizieren.<br />

Bei Fotos von Wunden handelt es sich<br />

also in den meisten Fällen um sensible<br />

Personendaten, die besonders schützenswert<br />

sind. Daher kommt das DSG mit seinen<br />

Bestimmungen zur Datenbearbeitung<br />

zur Anwendung.<br />

Voraussetzungen für das Bearbeiten<br />

von Personendaten<br />

Gemäss Art. 5 lit. d DSG stellt «jeder Umgang<br />

mit Personendaten, […] insbesondere<br />

das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden,<br />

Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren<br />

oder Vernichten von Daten»,<br />

ein Bearbeiten von Daten dar. Es geht also<br />

um den Umgang mit Daten in irgendeiner<br />

Form. Bekanntgeben bedeutet, dass Personendaten<br />

einer Person zugänglich gemacht<br />

werden, die diese noch nicht bearbeitet<br />

hat. Auf die Art oder Form der<br />

Bekanntgabe kommt es nicht an.<br />

Patientendaten dürfen nur unter den<br />

folgenden Voraussetzungen bearbeitet<br />

werden:<br />

– Es liegt eine genügende gesetzliche<br />

Grundlage vor,<br />

– für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe<br />

ist die Bearbeitung erforderlich oder<br />

– die betroffene Person hat der Bearbeitung<br />

ausdrücklich zugestimmt.<br />

Zudem dürfen Personendaten nur für<br />

denjenigen Zweck verwendet werden, zu<br />

dem sie erhoben worden sind (Art. 6 Abs. 3<br />

DSG). Grundsätzlich ist dies die konkrete<br />

medizinische Behandlung.<br />

Ausdrückliche Einwilligung<br />

einholen<br />

Betreffend die Aufnahme von Fotos kann<br />

Folgendes festgehalten werden: Bereits<br />

für das Erstellen des Fotos braucht es also<br />

entweder eine gesetzliche Grundlage oder<br />

die Einwilligung der betroffenen Person.<br />

Ersteres ist nicht ersichtlich, weshalb in<br />

jedem Fall eine Einwilligung eingeholt<br />

werden muss. Da es sich bei solchen Bildern<br />

um besonders schützenswerte Personendaten<br />

handelt, muss die Einwilligung<br />

ausdrücklich erfolgen. Es ist zwar grundsätzlich<br />

möglich, dass diese Einwilligung<br />

bereits beim Spitaleintritt erfolgt, es ist<br />

aber zu empfehlen, im Einzelfall die ausdrückliche<br />

Einwilligung der betroffenen<br />

Person einzuholen.<br />

Ob die erstellten Fotos weiterversendet<br />

werden dürfen, hängt davon ab, an<br />

wen und zu welchem Zweck dies geschieht.<br />

Hilfspersonen unterstehen der<br />

gleichen Geheimhaltungspflicht wie die<br />

Ärztin oder der Arzt selbst, weshalb eine<br />

Weiterleitung der Bilder möglich ist. Als<br />

Hilfsperson gilt, wer die Geheimnistragenden<br />

bei ihrer Berufstätigkeit unterstützt<br />

und dabei von den vertraulichen<br />

Informationen Kenntnis erhält. Erfasst ist<br />

somit das gesamte Behandlungsteam. Die<br />

Verantwortung für die Datenbearbeitung<br />

verbleibt aber in jedem Fall bei den Geheimnistragenden,<br />

die verpflichtet sind,<br />

die nötigen Sorgfaltspflichten anzuwenden.<br />

Grundsätzlich sind Daten aber stets<br />

nur restriktiv herauszugeben.<br />

Zweck und Ziel sind entscheidend<br />

Die Weitergabe von Bildern an andere Ärztinnen<br />

und Ärzte ist grundsätzlich unzulässig,<br />

sofern nicht die Einwilligung der<br />

betroffenen Person vorliegt. Eine solche<br />

kann allerdings beim Beizug einer Konsiliarärztin<br />

bzw. eines Konsiliararztes stillschweigend<br />

angenommen werden. Gleiches<br />

gilt bei der Einlieferung von bewusstlosen<br />

Notfallpatientinnen und -patienten.<br />

Werden die Bilder zu anderen Zwecken<br />

als der medizinischen Behandlung<br />

versendet, etwa aus reiner Neugierde oder<br />

Interesse, so ist zu differenzieren. Ist der<br />

Empfänger beispielsweise ein Arzt, der im<br />

gleichen Spital arbeitet, so ist anzunehmen,<br />

dass auch ihm die Identifikation der<br />

behandelten Person ohne unverhältnismässigen<br />

Aufwand möglich ist. Die Fotos<br />

stellen auch für ihn Personendaten dar.<br />

Die zweckfremde Verwendung ist ohne<br />

entsprechende Einwilligung der behandelten<br />

Person daher nicht gestattet.<br />

Werden die Bilder hingegen an eine<br />

Person versendet, die die betroffene Person<br />

nicht identifizieren kann, zum Beispiel<br />

eine Ärztin in einem anderen Spital<br />

oder eine Drittperson, so fehlen den Fotos<br />

die Eigenschaft als Personendaten, und<br />

der Versand ist zulässig.<br />

Keine privaten Geräte<br />

Werden Personendaten weitergegeben, so<br />

ist stets die Datensicherheit gemäss Art. 8<br />

Abs. 1 DSG zu gewährleisten. Die Bilder<br />

sind daher nicht über Messenger-Dienste<br />

wie WhatsApp zu versenden. Es ist auf eine<br />

Verschlüsselung zurückzugreifen, die<br />

dem aktuellen Stand der Technik entspricht.<br />

Zudem ist sowohl für die Aufnahme<br />

als auch für den Versand des Fotos<br />

nicht ein privates Gerät, sondern eines des<br />

Arbeitgebers zu verwenden.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 15


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Forschen lernen<br />

Am Anfang steht<br />

die Frage<br />

Als ich zu Beginn meiner<br />

Karriere einen arrivierten<br />

Forscher nach einem Forschungsthema<br />

fragte, gab<br />

er mir den folgenden brillanten Rat:<br />

«Gehe einfach auf MEDLINE und suche,<br />

was es zum Thema noch nicht gibt.»<br />

Ich habe nichts gefunden.<br />

Erfolgreiche wissenschaftliche<br />

Projekte zeichnen sich durch eine gute<br />

Fragestellung aus. Diese muss innovativ<br />

und natürlich beantwortbar sein. Doch<br />

wie finden angehende Forschende eine<br />

passende Studienfrage? Vielleicht helfen<br />

die folgenden Tipps, die ich seit meiner<br />

ersten MEDLINE-Suche gesammelt habe.<br />

– Müssen oder wollen Sie forschen?<br />

Falls Sie lediglich für Ihren Facharzttitel<br />

eine wissenschaftliche Arbeit schreiben<br />

müssen, seien Sie beim Thema nicht<br />

zu wählerisch. Am besten fragen Sie in<br />

einem etablierten Forschungsinstitut<br />

nach, ob Sie sich an einem laufenden<br />

Projekt beteiligen können. Das garantiert<br />

in der Regel eine strukturierte<br />

Betreuung und zeitliche Verbindlichkeit,<br />

weil das führende Institut das<br />

Gesamtprojekt vorantreiben will.<br />

– Falls Sie hingegen forschen wollen, weil<br />

es Sie interessiert und Sie eine Forschungskarriere<br />

anstreben, haben Sie<br />

vermutlich bereits ein Interessengebiet<br />

eingegrenzt. Inspiration zu spannenden<br />

Fragen finden Sie in Ihrem Netzwerk,<br />

das Sie ohnehin bereits zu Beginn<br />

Ihrer Karriere aufbauen sollten.<br />

– Suchen Sie den Kontakt zu klinisch<br />

erfahrenen Kolleginnen und Kollegen,<br />

die vieles hinterfragen und gerne über<br />

ihre Forschung reden. Diskutieren Sie<br />

über die aktuellen Probleme und<br />

Herausforderungen in Ihrem Fachgebiet<br />

und darüber, welche Themen in<br />

der Zukunft wichtig sein werden. Und<br />

fragen Sie diese Personen direkt an, ob<br />

Sie gemeinsam eine Forschungsfrage<br />

entwickeln könnten.<br />

– Vermeiden Sie allgemeine Fragen.<br />

Suchen Sie ein klar eingegrenztes<br />

Problem, das eine ebenso klare Antwort<br />

verlangt.<br />

– Ein gutes Fundament für zukünftige<br />

Publikationen kann ein systematischer<br />

Review sein, in dem Sie die existierende<br />

Literatur zu einem Thema zusammenfassen<br />

und gleichzeitig das<br />

Forschungsgebiet gut kennenlernen.<br />

Solche Reviews lassen sich auch gut<br />

publizieren.<br />

Vergessen Sie nicht, dass Forschung<br />

immer eine Teamarbeit ist. Für ein<br />

erfolgreiches Gelingen ist ein guter Teamgeist<br />

mindestens ebenso wichtig wie die<br />

fachlichen Kompetenzen der Teammitglieder.<br />

Wenn das Zwischenmenschliche<br />

passt, kann aus jeder Studienfrage ein<br />

interessantes Projekt entstehen.<br />

Lukas Staub,<br />

klinischer Epidemiologe,<br />

Redaktionsmitglied des<br />

<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s<br />

Bild: zvg<br />

16<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Kommunikation:<br />

eine vernachlässigte<br />

Kompetenz<br />

«Ich komme später noch mal vorbei.» Dieser Satz,<br />

der insbesondere von uns Ärztinnen und Ärzten<br />

im Spitalalltag gebraucht wird, ist sowohl bei<br />

Visiten als auch Patientenaufnahmen absolut<br />

etabliert. Aber gehen wir später wirklich noch einmal vorbei?<br />

Häufig vergehen bis dahin Stunden, oder der nächste persönliche<br />

Kontakt ist erst die Visite am Folgetag.<br />

Dass wir Gespräche oft hinauszögern, kann verschiedene<br />

Gründe haben. Zum einen können<br />

Patientengespräche lang, herausfordernd<br />

und bisweilen auch anstrengend sein.<br />

Dazu fehlt in einem meist schon überfüllten<br />

Terminkalender oft die nötige<br />

Zeit. Zum anderen möchten wir uns<br />

vielleicht aus einer schwierigen Gesprächssituation<br />

befreien oder eine<br />

komplexe Entscheidung vertagen.<br />

Was liegt da näher, als die betroffene<br />

Person auf später zu vertrösten?<br />

Der nächste Dienst kommt<br />

gewiss, und das versprochene Folgegespräch<br />

sinkt in unserer Priorität<br />

immer weiter ab. Nicht selten endet die<br />

Situation damit, dass wir am Folgetag<br />

auf der Visite mit exakt derselben Situation<br />

konfrontiert werden.<br />

Während unseres sechsjährigen Medizinstudiums<br />

sezieren wir den menschlichen Körper bis ins<br />

kleinste Detail, lernen bemerkenswerte biochemische Stoffwechselprozesse<br />

kennen und beschäftigen uns mit seltensten<br />

Krankheitsbildern. Doch wie kommunizieren wir komplexe<br />

medizinische Zusammenhänge richtig und vor allem so, dass<br />

Laien sie verstehen und nach Möglichkeit auch selbst Entscheidungen<br />

treffen können? Dies ist eine Frage, die derzeit<br />

weder im Studium noch in der darauffolgenden, langjährigen<br />

Facharztausbildung adäquat behandelt wird.<br />

Auf den<br />

Punkt<br />

gebracht<br />

In einem Beruf, in dem der zwischenmenschlichen<br />

Kommunikation eine Hauptrolle zukommt, ist die Kommunikationsfähigkeit<br />

eine Kernkompetenz. Genau diese Kernkompetenz<br />

wird aber weder im Medizinstudium noch in der<br />

ärztlichen Weiterbildung ausreichend vermittelt. Da wir<br />

aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Bürokratisierung<br />

immer weniger Zeit mit Patientinnen und Patienten<br />

verbringen, 1 gewinnt diese wenige Zeit noch<br />

mehr an Bedeutung.<br />

Gute Gesprächsführung kann erlernt<br />

werden und ist wichtig, um das nötige<br />

Vertrauensverhältnis zu Patientinnen<br />

und Patienten aufzubauen. 2<br />

Die dazugehörigen Kompetenzen,<br />

zum Beispiel Verhandlungskompetenzen<br />

sowie Gesprächs- und<br />

Kommunikationstechniken,<br />

sollten möglichst frühzeitig in der<br />

medizinischen Ausbildung ein<br />

Thema sein, um auch in ethisch<br />

schwierigen Situationen angemessen<br />

auf die Patientinnen und<br />

Patienten eingehen zu können.<br />

Ebenso sollten in diesem Rahmen auch<br />

soziale und emotionale Kompetenzen<br />

vermittelt werden, wie dies in vielen Ländern<br />

bereits in der Schulzeit geschieht.<br />

Eine ganzheitliche Spitzenmedizin im Sinne<br />

unserer Patientinnen und Patienten ist nur mit Spitzenkommunikation<br />

möglich. Höchste Zeit, dass auch wir diese Kompetenzen<br />

stärker in unsere ärztliche Aus- und Weiterbildung integrieren.<br />

Die Erarbeitung und Einführung der EPA (Entrustable<br />

Professional Activities) in den kommenden Jahren bietet aus<br />

meiner Sicht eine hervorragende Möglichkeit, um der Kommunikationskompetenz<br />

die angemessene Bühne zu geben.<br />

1<br />

Butler R., Monsalve M., Thomas G. W., Herman T., Segre A. M., Polgreen P. M.,<br />

Suneja M. Estimating Time Physicians and Other Health Care Workers Spend<br />

with Patients in an Intensive Care Unit Using a Sensor Network.<br />

Am J Med. 2018 Aug; 131(8): 972.e9-972.e15. doi: 10.1016/j.amjmed.2018.03.015.<br />

Epub 2018 Apr 9. PMID: 29649458.<br />

Bild: zvg<br />

2<br />

Gu L., Tian B., Xin Y., Zhang S., Li J., Sun Z. Patient perception of doctor<br />

communication skills and patient trust in rural primary health care: the<br />

mediating role of health service quality. BMC Prim Care. 2022 Sep 29; 23(1):<br />

255. doi: 10.1186/s12875-022-01826-4. PMID: 36175839; PMCID: PMC9520094.<br />

Richard Mansky,<br />

Leiter Ressort Weiter- und<br />

Fortbildung <strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 17


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Eine Führungspersönlichkeit weiss das Potenzial des Teams, seine Fähigkeiten und das vorhandene Wissen gezielt zu nutzen.<br />

Next Level<br />

Leadership<br />

im klinischen<br />

Alltag<br />

Stets den Überblick bewahren, transparent kommunizieren,<br />

Aufgaben zuweisen und deren Ausführung überwachen:<br />

Für junge Oberärztinnen und -ärzte ist die neue Rolle als Führungspersönlichkeit<br />

oft ungewohnt. Einige Tipps.<br />

Dr. med. Christine Roten, Spitalfachärztin I, und Dr. med. Martin Perrig, Chefarzt,<br />

Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital Bern<br />

Bilder: Adobe Stock, zvg<br />

18<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Erfolgreiche Führungspersonen<br />

zeichnen sich dadurch aus,<br />

dass sie Visionen haben, Ziele<br />

definieren und diese klar kommunizieren.<br />

Sie sind in der Lage, ihr Team<br />

für die Umsetzung dieser Ziele und Visionen<br />

zu begeistern, zu motivieren und so<br />

die nötige Unterstützung zu gewinnen.<br />

Herausforderungen und Widerstände<br />

meistern sie geschickt mit Kreativität und<br />

Klarheit [1, 2, 3].<br />

Erwartungen und Zielvorgaben an<br />

Oberärztinnen und Oberärzte finden sich<br />

in Stellenbeschreibungen, Guidelines und<br />

Richtlinien der Klinik und in den Visionen<br />

eines Spitals. Oberärztinnen und -ärzte<br />

können auch ihre Vorgesetzten direkt auf<br />

die an sie gestellten Erwartungen und die<br />

Ziele ansprechen. So können sie im Einklang<br />

mit diesen die eigene, individuelle<br />

«Richtung» und «Strategie» ihres Verantwortungsbereichs<br />

festlegen.<br />

Auch Personen ohne definierte Leadership-Rolle<br />

können für eine konkrete<br />

Aufgabe eine Führungsrolle übernehmen.<br />

Dadurch können alle zum Erfolg einer Klinik<br />

beitragen [2, 3].<br />

Leadership bedeutet auch, mit Veränderungen<br />

konstruktiv umzugehen. Oberärztinnen<br />

und -ärzte sind mitverantwortlich,<br />

dass Innovationen und Änderungen<br />

in einer ganzen Klinik erfolgreich implementiert<br />

werden. Es gehört zu ihren Aufgaben,<br />

regelmässig Prozesse (Eintritte,<br />

Austritte, Visiten, Besprechungen, Berichte<br />

usw.) auf Optimierung zu hinterfragen,<br />

anzupassen oder zu erneuern, damit die<br />

Abläufe durch die Verminderung von<br />

Leerläufen verbessert werden können. Mit<br />

zunehmender Erfahrung können sie Probleme<br />

besser antizipieren und dadurch<br />

frühzeitig eingreifen.<br />

Bei anstehenden Veränderungen besteht<br />

ein Risiko, auf Widerstand zu stossen<br />

– meist aus Angst vor Einbussen und<br />

mangelnder Information über die Gründe<br />

einer Veränderung. Deshalb ist es sehr<br />

wichtig, sich bei der Implementierung von<br />

neuen Prozessen die nötige Zeit zu nehmen,<br />

um gut zu planen, wer welche Informationen<br />

wie erhalten soll. So werden<br />

Mitarbeitende bestmöglich (schriftlich/<br />

mündlich) motiviert.<br />

Was sind die Merkmale einer<br />

Führungspersönlichkeit?<br />

Erfolgreiche Teamleader verfügen über<br />

verschiedene Führungsstile und können<br />

diese dem Kontext anpassen. Je nach Situation<br />

und Bedürfnissen ihres Teams können<br />

sie zwischen Anweisen, Coachen, Unterstützen<br />

und Delegieren flexibel hin und<br />

her wechseln [4]. Eine Führungspersönlichkeit<br />

zeichnet sich unter anderem<br />

durch folgende Merkmale aus [5]:<br />

Der notwendige Blick fürs Ganze:<br />

Teamleader haben die Fähigkeit, jede Situation<br />

und neu auftretende Probleme<br />

aus einer grösseren Distanz zu beurteilen:<br />

Balcony Perspective [6]. Bezogen auf<br />

Oberärztinnen und -ärzte bedeutet dies,<br />

neben der Perspektive der Arzt-Patienten-Beziehung<br />

auch stets die organisatorische,<br />

interprofessionelle Perspektive<br />

einzunehmen und die Herausforderungen<br />

auf der höheren Ebene (Klinik, Spitalebene)<br />

einzubeziehen.<br />

Beispiel<br />

Oberärztinnen und -ärzte besprechen Anfang<br />

Woche und jeweils morgens die Ziele<br />

und spezifischen Aufgaben des Tages und<br />

der Woche mit ihrem Team. Sie benutzen in<br />

der Formulierung bewusst «wir» statt<br />

«ich», wodurch die Assistenzärztinnen und<br />

-ärzte sich als Teil des Teams fühlen.<br />

Prioritäten setzen und delegieren:<br />

Bewusstes Trennen zwischen Wesentlichem<br />

und Unwesentlichem erleichtert es,<br />

die Komplexität des Alltags in den Griff zu<br />

kriegen. Führungspersönlichkeiten sind<br />

in der Lage, die Planung, die Entscheidung<br />

und das Erledigen von Arbeiten zu<br />

priorisieren und an die richtigen Personen<br />

zu delegieren. Oberärztinnen und<br />

-ärzte kennen ihr Team so gut, dass sie<br />

wissen, wem sie was delegieren können.<br />

Was sind meine Aufgaben<br />

als Oberärztin/<br />

Oberarzt?<br />

Eine grosse Herausforderung für junge<br />

Oberärztinnen und -ärzte ist die – für<br />

viele neue – Funktion der/des Vorgesetzten<br />

mit Übernahme von Verantwortung<br />

für ein ganzes Team. Dies<br />

bedeutet, zu lernen, Aufgaben zu<br />

delegieren und zu kontrollieren.<br />

Neben der Leader-Rolle übernehmen<br />

Oberärztinnen und -ärzte auch Verantwortung<br />

im Management einer Klinik<br />

sowie weitere Aufgaben wie etwa die<br />

Einsatzplanung. Weiter stellen sie in<br />

ihrem Bereich sicher, dass die Prozesse,<br />

die Ressourcen und auftauchende<br />

Probleme strukturiert evaluiert,<br />

optimiert und gelöst werden [1].<br />

Es braucht dabei klare Anweisungen, was<br />

wann wie zu erfolgen hat.<br />

Beispiele<br />

Die Oberärztin lässt dem Assistenten die<br />

Wahl und die Frequenz der Laborbestimmung.<br />

Der Assistent ist dadurch aufgefordert,<br />

mitzudenken, und lernt, selbst zu entscheiden.<br />

Dabei soll er seine Laboraufträge<br />

gegenüber der Oberärztin begründen. Die<br />

Entscheide werden besprochen und falls<br />

nötig korrigiert. Die Oberärztin nimmt keine<br />

eigenen Verordnungen vor, um so dem<br />

Assistenten klar seinen Verantwortungsbereich<br />

sichtbar zu machen.<br />

Ein Leitfaden zur oberärztlichen Tätigkeit<br />

Der Schritt von der Assistenzzeit hin zur oberärztlichen<br />

Tätigkeit ist mit vielen neuen Aufgaben verbunden. Neben<br />

den fachlichen Kompetenzen sind auch vermehrt überfachliche<br />

Kompetenzen wie eine gute Kommunikation<br />

sowie didaktische und Führungsqualitäten gefordert. Die<br />

Artikelserie «Next Level» zeigt entsprechende Herausforderungen<br />

auf und bietet praktische Tipps und Unterstützung<br />

für die tägliche Arbeit. Die leicht angepassten und<br />

teilweise stark gekürzten Texte stammen aus dem Leitfaden<br />

«Die oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausforderung»<br />

und wurden vom Verlag Hogrefe sowie den jeweiligen<br />

Autorinnen und Autoren freundlicherweise für einen Nachdruck<br />

zur Verfügung gestellt. Der gesamte Leitfaden mit<br />

den ungekürzten Texten und weiteren Themen ist beim Verlag Hogrefe oder bei der<br />

Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) erhältlich.<br />

Roten C, Perrig M (Hrsg.): Die oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausforderung.<br />

Ein praktischer Leitfaden. 1. Auflage, Bern: Hogrefe Verlag, 2021.<br />

www.hogrefe.com, www.sgaim.ch<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 19


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Unerfahrenen Assistenzärztinnen und<br />

-ärzten werden zu Beginn ihrer klinischen<br />

Tätigkeit die meisten Therapiekonzepte<br />

vorgeschrieben. Sie sollen alle Verordnungen<br />

mit ihren Vorgesetzten vorbesprechen.<br />

Mit zunehmender Erfahrung erhalten sie<br />

immer mehr Selbstständigkeit. Bei Zeitdruck<br />

oder in Notfallsituation ist es wichtig,<br />

dass die Aufgaben klar und explizit definiert,<br />

kommuniziert und delegiert werden.<br />

Ungenutztes Potenzial erkennen:<br />

Durch Zuhören, Beobachten und aktive<br />

Kommunikation erkennen Oberärztinnen<br />

und -ärzte das Potenzial des gesamten Betreuungsteams,<br />

seine Fähigkeiten, das<br />

vorhandene Wissen und die Erfahrung.<br />

Dies ist die Grundlage, um interdisziplinär<br />

und interprofessionell effizient arbeiten<br />

zu können.<br />

«Wir» statt «ich»: Die richtigen Botschaften und ein regelmässiger Austausch helfen, ein Team<br />

zusammenzuschweissen.<br />

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Alexander Ghanem<br />

Die Anatomie der Zeit –<br />

Selbstmanagement<br />

für Ärzte<br />

Eine Anleitung, um Zeitfenster<br />

wirksam frei zu präparieren<br />

Das Buch interpretiert das Selbstmanagement<br />

für Mediziner * innen<br />

als ein ganzheitliches Modell. Mit einer<br />

Zeitplanung, die die besonderen<br />

Herausforderungen in medizinischen Berufen berücksichtigt,<br />

hat der Autor ein Jonglage-Modell entworfen, um das Leben<br />

wieder in Freude, Leichtigkeit und Sinnhaftigkeit zu bringen.<br />

2021. 152 S., 5 Abb., 2 Tab., Kt.<br />

€ 30,00 (DE) / € 30,80 (AT) / CHF 40.90<br />

ISBN 978-3-456-86148-7<br />

Auch als eBook erhältlich<br />

Beispiel<br />

Oberärztinnen und -ärzte holen die Beurteilung<br />

ihrer Mitarbeitenden aktiv ein und<br />

zeigen Interesse an der Meinung des Teams.<br />

Sie betonen die Stärken, nicht die Schwächen<br />

der Mitarbeitenden, loben und anerkennen<br />

gut gemachte Arbeiten und bedanken<br />

sich.<br />

Mut zur Klarheit: Oberärztinnen und<br />

-ärzte sind auch mit unangenehmen Situationen<br />

konfrontiert (z. B. mit unzufriedenen<br />

Patientinnen, Patienten und Angehörigen,<br />

schwierigen Assistentinnen und<br />

Assistenten, Konflikten mit der Pflege<br />

usw.). Sie tragen die Verantwortung für<br />

das Ansprechen und Lösen dieser Situationen.<br />

Um die Zusammenarbeit und die<br />

Qualität der Arbeit aufrechterhalten zu<br />

können, ist es nötig, Probleme und Konflikte<br />

frühzeitig zu erkennen und aktiv anzugehen,<br />

auch wenn damit unangenehme<br />

Forderungen oder Fragen verbunden sein<br />

können. Hier kann es nötig sein, Durchsetzungsstärke<br />

zu zeigen, unter Wahrung<br />

der notwendigen Distanz. Schwierige Situationen<br />

mit den notwendigen Konsequenzen<br />

und Entscheidungen können mit<br />

etwas Erfahrung auf respektvolle Art angesprochen<br />

werden. Dadurch gelingt es,<br />

tragfähige Lösungen zu erarbeiten und<br />

langfristig eine positive Entwicklung zu<br />

schaffen.<br />

Beispiele<br />

Klare Visionen führen manchmal dazu,<br />

Nein sagen zu müssen. Dadurch erzielt<br />

man Vertrauenswürdigkeit und wird als<br />

Führungspersönlichkeit besser respektiert,<br />

Bild: Adobe Stock<br />

20<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

als wenn man sich mit allem einverstanden<br />

erklärt.<br />

Als Oberärztin/Oberarzt ist es sehr unangenehm,<br />

unzureichenden Assistentinnen<br />

und Assistenten negatives Feedback geben<br />

zu müssen, längerfristig ist es aber für die<br />

weitere Zusammenarbeit unabdingbar.<br />

Wie kann ich Leadership-Skills<br />

entwickeln?<br />

Leadership zu entwickeln, ist ein Prozess.<br />

Der erste Schritt dazu ist, sich mit der Führungsrolle<br />

und den damit verbundenen<br />

Aufgaben auseinanderzusetzen. Wer sich<br />

selbst kritisch hinterfragt, sein Verhalten<br />

analysiert und sich mit seinen Entscheidungen<br />

befasst, kann seine Fähigkeit, ein<br />

Team für seine Ziele zu motivieren und<br />

zum Ziel zu führen, verbessern. Zudem<br />

profitiert man sehr, wenn man sich gezielt<br />

in seinem Netzwerk über Führungsaufgaben<br />

und -schwierigkeiten austauscht. Um<br />

Feedback über sein Führungsverhalten zu<br />

erhalten, kann man aktiv die Meinung des<br />

Teams einholen. Dies bedingt, dass man<br />

offen für Kritik ist.<br />

Das Lernen und das Ausführen von<br />

Führungsfunktionen gehören zusammen.<br />

So kann bereits in der Assistenzzeit vermehrt<br />

nach Gelegenheiten Ausschau gehalten<br />

werden, Leadership zu praktizieren.<br />

Solche Gelegenheiten wären z. B. das<br />

Führen einer Visite, der Unterricht von<br />

Studierenden, das Führen eines Rundtischgespräches<br />

usw. Denn Leader ship-<br />

Skills entwickelt man durch regelmässiges<br />

Praktizieren, Selbstreflexion und das Einholen<br />

von Feedback.<br />

Literatur<br />

[1] Blumenthal DM, Bernard K,<br />

Bohnen J, Bohmer R. Addressing the<br />

leadership gap in medicine: residents’ need<br />

for systematic leadership development<br />

training. Acad Med. 2012;87(4):513–22.<br />

https://doi.org/10.1097/<br />

ACM.0b013e31824a0c47.<br />

[2] Collins-Nakai R. Leadership in<br />

medicine. Mcgill J Med. 2006;9(1):68–73.<br />

[3] Hackman JR. Leading Teams.<br />

Boston: Harvard Business Review Press;<br />

2002.<br />

[4] Dent J, Harden RM, Hunt D, eds.<br />

A practical Guide for Medical Teachers. 5 th<br />

ed. Amsterdam: Elsevier; 2017.<br />

[5] Kälin K, Müri P. Sich und andere<br />

führen. 16. Aufl. Bad Hersfeld: Ott-Verlag;<br />

2015.<br />

[6] Heifetz RA. Leadership without<br />

easy answers. Cambridge, Massachusetts:<br />

Harvard University Press; 1998.<br />

Weiterführende<br />

Literatur<br />

Kim MM, Barnato AE, Angus DC,<br />

Fleisher LA, Kahn JM. The effect of<br />

multidisciplinary care teams on intensive<br />

care unit mortality. Arch Intern Med.<br />

2010;170(4):369–76. https://doi.org/10.1001/<br />

archinternmed.2009.521.<br />

Neily J, Mills PD, Young-Xu Y, Carney<br />

BT, West P, Berger DH, et al. Association<br />

between implementation of a medical team<br />

training program and surgical mortality.<br />

JAMA. 2010;304(15):1693–700. https://doi.<br />

org/10.1001/jama.2010.1506.<br />

Stoller JK, Rose M, Lee R, Dolgan C,<br />

Hoogwerf BJ. Teambuilding and Leadership<br />

Training in an Internal Medicine Residency<br />

Training Program. J Gen Intern Med.<br />

2004;19(6):692–7. https://doi.<br />

org/10.1111/j.1525-1497.2004.30247.x.<br />

Wheelan SA, Burchill CN, Tilin F.<br />

The link between teamwork and patients’<br />

outcomes in intensive care units. Am J Crit<br />

Care. 2003;12(6):527–34. https://doi.<br />

org/10.4037/ajcc2003.12.6.527.<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 21


<strong>vsao</strong><br />

Neues aus<br />

den Sektionen<br />

Basel<br />

Mitgliederversammlung<br />

VSAO Basel – Save the Date<br />

Der VSAO Basel hält seine Mitgliederversammlung<br />

dieses Jahr im Rahmen einer<br />

sehr interessanten Ausstellung ab. Am<br />

Mittwoch, 29. Mai <strong>2024</strong>, besuchen wir gemeinsam<br />

die Ausstellung «The End of<br />

Aging». Kontrovers und kreativ beleuchtet<br />

Michael Schindhelm in der Kulturstiftung<br />

Basel H. Geiger (KBH.G) die Frage nach<br />

der möglichen Verlängerung des Lebens.<br />

Das Thema der Unsterblichkeit beschäftigt<br />

die Menschheit von jeher. Fortschritte<br />

in Medizin und Biotechnologie lassen die<br />

Lebenserwartung stetig steigen, doch was<br />

bedeutet dies für die Gesellschaft? Michael<br />

Schindhelm, studierter Quantenchemiker<br />

und renommierter Kulturmanager,<br />

Autor und Filmemacher, untersucht diese<br />

Fragen in einer interdisziplinären, multimedialen<br />

Ausstellung. Für «The End of<br />

Aging» verwandeln sich die Räume der<br />

KBH.G in ein verlassenes Spital. Video-<br />

und Audioarbeiten konfrontieren die Besucherinnen<br />

und Besucher mit fiktiven,<br />

alterslosen Personen, die ihren Zustand<br />

beschreiben. In den Kurzfilmen wirken<br />

unter anderem Tabitha Frehner, Urs Baur<br />

alias Black Tiger, Graham Valentine, Jürg<br />

Kienberger und die Kinderschauspielerin<br />

Hana Motokura mit. Bekannte Forscherinnen<br />

und Forscher wie der Nobelpreisträger<br />

Venki Ramakrishnan oder Fiona<br />

Marshall, President of Biomedical Research<br />

bei Novartis, berichten über den<br />

aktuellen Stand der Forschung zur Verlängerung<br />

des Lebens und beschreiben, wie<br />

die weitere Entwicklung aussehen könnte.<br />

Nach dem Besuch der Ausstellung findet<br />

die Mitgliederversammlung in den<br />

Räumlichkeiten des Biozentrums in Basel<br />

statt. Bei einem Apéro riche haben die<br />

Teilnehmenden die Möglichkeit, sich auszutauschen<br />

und den Abend in einem geselligen<br />

Rahmen ausklingen zu lassen.<br />

Jenny Settembrini, Leiterin Kommunikation<br />

VSAO Basel<br />

Bern<br />

Mitgliederversammlung<br />

<strong>2024</strong> des VSAO Bern<br />

Einladung zur ordentlichen<br />

Mitgliederversammlung <strong>2024</strong><br />

des VSAO Bern<br />

Donnerstag, 25. <strong>April</strong> <strong>2024</strong>, Progr Bern<br />

(Aula), Waisenhausplatz 30, 3011 Bern<br />

Programm<br />

Ab 18.30 Uhr: kleiner Apéro<br />

19.00 Uhr: Mitgliederversammlung mit<br />

Michael Frei, Spoken Word Artist<br />

20.30 Uhr: Nachtessen und Tombola<br />

Traktanden<br />

1. Protokoll der ordentlichen Mitgliederversammlung<br />

2023<br />

2. Jahresrückblick 2023 des Präsidiums*<br />

3. Jahresrechnung 2023<br />

4. Budget <strong>2024</strong><br />

5. Mitgliederbeiträge 2025<br />

6. Neustrukturierung VSAO Bern und<br />

Bildung von Ressorts<br />

7. Wahlen (Präsidium, Vorstand)<br />

8. Lohnverhandlungen <strong>2024</strong><br />

9. 42+4-Stunden-Woche im Kanton Bern<br />

10. Fragen und Diskussion<br />

Melden Sie sich bis zum 18. <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />

online auf www.<strong>vsao</strong>-bern.ch an.<br />

* Der Jahresbericht ist auf Deutsch und Französisch<br />

auf der Website aufgeschaltet.<br />

Bitte für die Tombola-Lose Bargeld<br />

mitnehmen.<br />

Der VSAO Basel veranstaltet seine Mitgliederversammlung in den Räumlichkeiten<br />

des Biozentrums in Basel.<br />

Wir werden an der Mitgliederversammlung<br />

über die Neustrukturierung des<br />

VSAO Bern und vor allem über die Bildung<br />

von thematischen Ressorts informieren.<br />

Im letzten Jahr haben wir uns<br />

intensiv mit unserer Arbeit und mit den<br />

Schwerpunkten, die wir setzen wollen,<br />

auseinandergesetzt. Wir möchten nun in<br />

Bild: © Daisuke-Hirabayashi<br />

22<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

Bild: zvg<br />

den folgenden Bereichen Ressorts bilden:<br />

Arbeitsbe dingungen (unter anderem Entlöhnung,<br />

Gesamtarbeitsvertrag, Dienstpla<br />

nung, 42+4- Stunden-Woche), Kommissionen/Fakultät,<br />

Gleichstellung, Politik,<br />

Kommunikation/Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Planetary Health, Spitalverantwortliche<br />

und Weiterbildung. Damit soll unser<br />

Engagement intensiviert werden und gezielter<br />

erfolgen. Wir freuen uns über<br />

Mitwirkende. Interessierte, die nicht an<br />

der Mitgliedversammlung teilnehmen<br />

können, dürfen sich sehr gerne vorgängig<br />

bei Janine Junker (junker@<strong>vsao</strong>-bern.ch)<br />

melden.<br />

Dienstplanworkshop VSAO Bern –<br />

erster Vertiefungsworkshop<br />

«Wie erstelle ich einen guten Dienstplan<br />

unter Berücksichtigung von Freiwünschen,<br />

Kontinuität und Weiterbildung?»<br />

2. Mai <strong>2024</strong>, 18.30–21 Uhr, Bollwerk 10,<br />

Bern, mit Verpflegung<br />

Mit Noëmi Allemann, Dienstplanberaterin<br />

<strong>vsao</strong> und Oberärztin an der Universitätsklinik<br />

für Frauenheilkunde am Inselspital<br />

in Bern, und Thierry Herrmann,<br />

Oberarzt auf der Inneren Medizin am Spital<br />

Emmental in Burgdorf sowie Planungsverantwortlicher<br />

für die Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte.<br />

Nach einer kurzen Zusammenfassung<br />

der wichtigsten Punkte im Arbeitsgesetz<br />

geht es um die konkrete Erstellung eines<br />

Dienstplans am Beispiel Burgdorf, ergänzt<br />

mit Erfahrungen aus der Universitätsklinik<br />

für Frauenheilkunde. Daneben werden<br />

Planungstools vorgestellt, und es gibt<br />

ein Zeitfenster für individuelle Fragen.<br />

Eine vorgängige Teilnahme am<br />

Grundlagenworkshop ist ideal, aber nicht<br />

zwingende Voraussetzung.<br />

Anmeldungen sind ab sofort unter<br />

www.<strong>vsao</strong>-bern.ch möglich.<br />

Lohnverhandlungen <strong>2024</strong><br />

Die Lohnverhandlungen <strong>2024</strong> im Rahmen<br />

des Gesamtarbeitsvertrages Berner Spitäler<br />

und Kliniken konnten nach intensiven<br />

und sehr herausfordernden Verhandlungen<br />

mit allen Betrieben abgeschlossen<br />

werden. Die Inselgruppe AG setzt Lohnanpassungen<br />

von 2 Prozent um, und die regionalen<br />

Spitalzentren und psychiatrischen<br />

Kliniken solche von 1,85 Prozent. Der generelle<br />

Anteil der Lohnanpassungen wurde<br />

mit beiden Verhandlungspartnern (Inselgruppe<br />

AG / Regionale Spitalzentren<br />

und Psychiatrische Kliniken) gleich festgelegt.<br />

Abschluss der<br />

Lohnverhandlungen<br />

Der VSAO Bern führte im Rahmen des<br />

Gesamtarbeitsvertrages Berner Spitäler und<br />

Kliniken intensive und herausfordernde<br />

Lohnverhandlungen, die nun abgeschlossen<br />

werden konnten.<br />

Ab dem 1. <strong>April</strong> <strong>2024</strong> erhalten Mitarbeitende<br />

mit einem Jahreslohn von bis zu<br />

CHF 80 000 pro Jahr (bei einem Beschäftigungsgrad<br />

von 100 Prozent) eine Lohnerhöhung<br />

von CHF 75.– pro Monat bzw.<br />

CHF 975.– pro Jahr. Mitarbeitende mit einem<br />

Jahreslohn von über CHF 80 000.–<br />

bis CHF 100 000.– (bei einem Beschäftigungsgrad<br />

100 Prozent) erhalten eine<br />

Lohnerhöhung von CHF 50.– pro Monat<br />

bzw. CHF 650.– pro Jahr. Mitarbeitende<br />

mit einem Jahreslohn von über<br />

CHF 100 000.– erhalten keine generelle<br />

Lohn anpassung.<br />

Die Verhandlungen wurden vor dem<br />

Hintergrund der aktuellen finanziellen<br />

Notlage im Spitalwesen hart geführt und<br />

waren für alle Beteiligten sehr schwierig.<br />

Weil die tieferen Einkommen durch die<br />

Teuerung stärker belastet sind, haben wir<br />

den genannten Einkommensgrenzen<br />

schliesslich so zugestimmt. Wir sind uns<br />

bewusst, dass das Ergebnis ohne generelle<br />

Lohnerhöhung für alle – unter anderem<br />

für unsere Mitglieder – eine Reallohnsenkung<br />

bedeutet und dass dies keine zufriedenstellende<br />

Situation darstellt.<br />

Die Herausforderungen im Gesundheitswesen,<br />

insbesondere die nicht kostendeckenden<br />

Tarife und die fehlende Unterstützung<br />

durch die Politik, schränken<br />

die Verhandlungsspielräume stark ein.<br />

Die negativen Jahresrechnungen 2023<br />

und die unausgeglichenen Budgets <strong>2024</strong><br />

der Betriebe sind besorgniserregend. Gerade<br />

in Anbetracht des zunehmenden<br />

Fachkräftemangels müssen von der Politik<br />

Lösungsansätze geschaffen werden,<br />

wie die Spitäler finanziell entlastet werden<br />

können. Wir als Personalverbände werden<br />

uns hierfür weiterhin starkmachen, sind<br />

dabei aber auch auf die Unterstützung des<br />

Personals angewiesen.<br />

Die detaillierten Ergebnisse der Verhandlungen<br />

sind auf unserer Website zu<br />

finden.<br />

Janine Junker, Geschäftsführerin VSAO Bern<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 23


<strong>vsao</strong><br />

St. Gallen /<br />

Appenzell<br />

Sparrunde am KSSG<br />

beschäftigt nach wie vor<br />

Das Jahr ist noch jung, und doch sind wir<br />

in der Sektion St. Gallen und Appenzell bereits<br />

mit hochgekrempelten Ärmeln am<br />

Werk. Nach unserem letzten Aufruf zur<br />

(anonymen) Meldung von Unstimmigkeiten<br />

in den Spitälern sind einige Berichte<br />

eingegangen. So ist beispielsweise unser<br />

Dienstplanberater im Spital Herisau, am<br />

Ostschweizer Kinderspital und in der Geriatrie<br />

aktiv. Des Weiteren beschäftigen<br />

wir uns noch immer sehr intensiv mit der<br />

letztjährigen Sparrunde am Kantonsspital<br />

St. Gallen (KSSG) und der anhaltenden<br />

Verunsicherung und Unzufriedenheit der<br />

Arbeitnehmenden. Es fanden bereits diverse<br />

Austausche zwischen den Arbeitnehmerorganisationen<br />

des KSSG statt,<br />

und weitere Sitzungen der Arbeitnehmerorganisationen<br />

mit der KSSG-Geschäftsführung<br />

werden angestrebt, da regelmässige<br />

und transparente Kommunikation –<br />

insbesondere zum Wohl der Mitarbeitenden<br />

– wichtiger ist denn je.<br />

Der Wahlkampf ist noch nicht vorbei<br />

Mit den Wahlergebnissen vom 3. März<br />

starten die St. Galler Ärzteschaft und unsere<br />

Sektion gestärkt in den Frühling. Bei<br />

den Kantonsratswahlen konnte Thomas<br />

Warzineck (Mitte) parteiübergreifend eine<br />

beachtliche Anzahl Stimmen abholen und<br />

wurde mit einem Glanzresultat wiedergewählt.<br />

Mit Friedrich von Toggenburg (Mitte)<br />

wird die Werdenberger Ärzteschaft<br />

ebenfalls gestärkt. Eva Lemmenmeier (SP)<br />

steht auf dem ersten Nachrückplatz und<br />

wird die Anliegen der Ärztinnen und Ärzte<br />

im Kantonsrat hoffentlich schon bald vertreten<br />

können. Severin Baerlocher (SP)<br />

liegt nur drei Plätze dahinter.<br />

Nicht minder spannend sind die Regierungsratswahlen,<br />

bei denen unsere Geschäftsführerin,<br />

langjährige SP-Kantonsrätin<br />

und Juristin Bettina Surber im ersten<br />

Wahlgang ein beachtliches Wahlresultat<br />

erreicht hat. Gelingt es den Ärztinnen und<br />

Ärzten, für Bettina Surber zu werben und<br />

wird sie im zweiten Wahlgang gewählt,<br />

rückt Eva Lemmenmeier automatisch in<br />

den Kantonsrat nach. Gesetzt den Fall, dass<br />

demnächst ein bisheriges Kantonsratsmitglied<br />

der SP zurückträte, würde Severin<br />

Baerlocher ebenfalls in den Kantonsrat einziehen.<br />

Wir hoffen, dass in der Zwischenzeit<br />

die Wahl von Bettina Surber geklappt hat,<br />

denn mit einem erneuten Wahlerfolg hätten<br />

wir im Kanton St. Gallen die Ärztevertretung<br />

im Kantonsparlament vervierfacht<br />

und mit Bettina Surber eine Person in der<br />

Regierung, die für das Gesundheitspersonal<br />

stets ein offenes Ohr hat!<br />

Neue Website ist online<br />

Unsere Website (www.<strong>vsao</strong>-sg.ch) erstrahlt<br />

seit ein paar Monaten in neuem Glanz. Wir<br />

sind stolz auf das neue Layout und wollen<br />

die Seite laufend anpassen und erweitern.<br />

Bitte meldet uns eure Inputs.<br />

Verstärktes Präsidium<br />

An seinem letzten Vorstandstreffen<br />

verstärkte der Vorstand das Präsidium.<br />

Als Vizepräsidentin wird neu Josephine<br />

Reichardt im Präsidium mitwirken und<br />

so für eine verbesserte Präsenz der Sektion<br />

sorgen. Wir gratulieren Josephine<br />

Reichardt zur einstimmigen Wahl und<br />

freuen uns über die Unterstützung.<br />

Geniesst den Frühling!<br />

Severin Baerlocher, Vorstandspräsident, Ivana<br />

Moor, Josephine Reichardt, Vorstandsmitglieder<br />

Sektion St. Gallen/Appenzell.<br />

Bilder: Screenshots Website www.<strong>vsao</strong>-sg.ch<br />

24<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

Zürich /<br />

Schaffhausen<br />

Erfolgreiche Premiere des<br />

Forschungsevents «Research<br />

UNight»<br />

Der VSAO Zürich hat vergangenes Jahr<br />

das neue Ressort «Forschung» gegründet<br />

und im Januar die erste VSAO-Zürich-«Research<br />

UNight» an der Universität Zürich<br />

durchgeführt. Dass die erfolgreiche Vereinigung<br />

von Medizin und Forschung von<br />

grossem Interesse ist, zeigte die hohe Anzahl<br />

der Teilnehmenden an der Premiere<br />

des Events, den das Ressort «Forschung»<br />

unter der Leitung von Tharshika Thavayogarajah<br />

ins Leben gerufen hat.<br />

Knapp 100 Assistenz- und Oberärztinnen<br />

und -ärzte sowie Medizinstudierende<br />

waren am ersten Forschungsevent anwesend.<br />

Dank den Inputreferaten und persönlichen<br />

Erfahrungsberichten unserer<br />

Expertinnen und Experten Prof. Bea<br />

Latal, Prof. Emanuela Keller, Prof. Sascha<br />

David und Prof. Miro Räber konnten sie<br />

erfahren, wie eine erfolgreiche Laufbahn<br />

in Medizin und Forschung möglich ist<br />

und worauf man bei der Planung der eigenen<br />

Forschungslaufbahn achten sollte.<br />

Das hohe Interesse widerspiegelte<br />

sich auch in den zahlreichen Fragen aus<br />

dem Publikum, und beim anschliessenden<br />

Networking-Apéro waren die Referentinnen<br />

und Referenten ebenfalls gefragte<br />

Ansprechpersonen.<br />

Mit dem neu gegründeten Ressort<br />

«Forschung» setzt sich der VSAO Zürich<br />

dafür ein, dass der Forschung in der Medizin<br />

ein höherer Stellenwert beigemessen<br />

wird. Die Forschung ist ein grosser und<br />

wichtiger Bestandteil der Medizin und<br />

dient als Grundlage aller medizinischen<br />

Massnahmen. Die Forschungstätigkeiten<br />

sollten unserer Meinung nach im Rahmen<br />

der akademischen Karriere als Arbeitszeit<br />

gefördert werden.<br />

Der nächste Forschungsevent findet<br />

am 26. September <strong>2024</strong> in Zürich statt. Reserviere<br />

dir das Datum schon heute. Weitere<br />

Informationen folgen.<br />

Mit Kreativität zu 42+4 Stunden:<br />

Flashmob der Zürcher Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte<br />

Mit einem selbstständig organisierten<br />

Flashmob haben Zürcher Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte ihrem Unmut Luft gemacht<br />

und im Februar ihre 42+4-Stunden-Forderung<br />

in einem Musikvideo begründet. Eine<br />

solche Eigeninitiative nebst der hohen<br />

Arbeitsbelastung ist absolut bewundernswert<br />

und wird vom VSAO Zürich vollumfänglich<br />

unterstützt. Auch wir als ihr Berufsverband<br />

setzen uns für diese Forderung<br />

ein und haben deshalb den Gesamtarbeitsvertrag<br />

(GAV) mit den kantonalen<br />

Spitälern per Ende 2023 gekündigt.<br />

Die in den meisten Kliniken übliche<br />

wöchentliche Sollarbeitszeit von 50 Stunden<br />

pro Woche ist schlicht nicht mehr<br />

zeitgemäss. Aktuell finden mit den kantonalen<br />

Kliniken Verhandlungen zur Reduktion<br />

der Sollarbeitszeit statt. Anvisiertes<br />

Ziel ist die 42+4-Stunden-Woche, allenfalls<br />

sind bis dahin noch einige Zwischenschritte<br />

nötig. Mit der Integrierten Psychiatrie<br />

Winterthur – Zürcher Unterland<br />

(ipw) konnten wir uns per Januar <strong>2024</strong><br />

Mit einem Musikvideo setzen sich Zürcher<br />

Assistenzärztinnen und -ärzte für eine kürzere<br />

Sollarbeitszeit ein.<br />

bereits auf eine Reduktion der Arbeitszeit<br />

für Assistenzärztinnen und -ärzte von 50<br />

auf neu 46 Stunden pro Woche einigen.<br />

Die Assistenzärzteschaft und auch<br />

der VSAO Zürich sind überzeugt, dass sich<br />

die Arbeitszeitreduktion mit Prozessoptimierungen<br />

erreichen lässt, dies aber den<br />

Willen und die Bemühungen aller braucht.<br />

Die auffälligen orangen Lanyards, die<br />

im Musikvideo zu sehen sind, hat übrigens<br />

der VSAO Zürich gesponsert. VSAO-Mitglieder,<br />

die sich ebenfalls für die Forderung<br />

der 42+4-Stunden-Woche stark machen<br />

wollen, können diese bei uns beziehen<br />

(bitte nur Sammelbestellungen).<br />

Das Musikvideo «Zweievierzg Stund»<br />

findest du auf unserer Website<br />

www.<strong>vsao</strong>-zh.ch.<br />

Save the Date: Mitgliederversammlung<br />

am 13. Juni <strong>2024</strong><br />

Die diesjährige Mitgliederversammlung<br />

findet am Donnerstag, 13. Juni <strong>2024</strong>, ab<br />

18.30 Uhr in Zürich statt. Tragt euch den<br />

Termin bereits jetzt in der Agenda ein.<br />

Weitere Informationen folgen!<br />

Dominique Iseppi, Kommunikationsassistentin,<br />

VSAO Zürich / Schaffhausen<br />

Bilder: zvg, Aktion 42+4 h: Screenshot, YouTube<br />

Podiumsdiskussion zum Thema «Wie können Forschung und Medizin erfolgreich vereint werden?»<br />

an der ersten VSAO-Zürich-«Research UNight».<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 25


<strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong>-Inside<br />

Fabian Kraxner<br />

Wohnort: Hedingen<br />

GA-Mitglied beim <strong>vsao</strong> seit:<br />

November 2023<br />

Der <strong>vsao</strong> für dich in drei Worten:<br />

Verlässlich, engagiert, lösungsorientiert<br />

Schon seit längerer Zeit ist<br />

Fabian Kraxner im Vorstand<br />

des VSAO Zürich aktiv.<br />

Seit November 2023 setzt<br />

er sich als Mitglied des Geschäftsausschusses<br />

(GA) nun auch für den<br />

Dachverband ein.<br />

Als GA-Mitglied legt Fabian Kraxner<br />

besonderen Wert auf die stetige Weiterentwicklung<br />

der Organisationsstrukturen.<br />

In seiner Rolle als Co-Leiter des Ressorts<br />

Verbandsentwicklung ist er dafür genau<br />

am richtigen Ort. Speziell am Herzen liegt<br />

ihm die Basisarbeit, insbesondere die<br />

Aufnahme und Einbindung von neuen<br />

Mitgliedern in die Sektionen und Strukturen<br />

des Verbandes. Dabei möchte er die<br />

vielen Möglichkeiten für Mitglieder, sich<br />

zu engagieren und sich an der lebendigen<br />

Diskussions- und Partizipationskultur zu<br />

beteiligen, beibehalten und stärken.<br />

Aber nicht nur die internen Angelegenheiten<br />

des <strong>vsao</strong> sind ihm wichtig.<br />

So wünscht er sich, dass der <strong>vsao</strong> weiterhin<br />

und vermehrt als Stimme der jungen<br />

Ärztinnen und Ärzte deren Anliegen<br />

vertritt, den gesellschaftlichen Mehrwert<br />

des Arztberufes betont und somit einen<br />

wichtigen und nachhaltigen Beitrag zu<br />

einer qualitativ hochstehenden und<br />

bezahlbaren Gesundheitsversorgung<br />

leistet. Wenn er dabei hört, wie dankbar<br />

Berufskolleginnen und -kollegen aller<br />

Hierarchiestufen für das Engagement des<br />

<strong>vsao</strong> hinsichtlich der 42+4-Stunden-<br />

Woche sind, spornt ihn das noch mehr<br />

an, sich für moderne und zeitgemässe<br />

Arbeitsbedingungen einzusetzen und so<br />

die Attraktivität des Arztberufs auch<br />

langfristig zu sichern. Dafür wünscht er<br />

sich ein vollständig papierloses Gesundheitssystem<br />

sowie intelligente digitale<br />

und analoge Strukturen, welche die<br />

Bürokratie im Arztberuf reduzieren.<br />

Fabian schätzt innerhalb des <strong>vsao</strong><br />

den Austausch mit den Kolleginnen und<br />

Kollegen, die sich in den verschiedenen<br />

Gremien des Verbandes engagieren und<br />

ihm neue Perspektiven und neues Wissen<br />

erschliessen. Dieser Austausch fällt ihm<br />

dank seiner Zweisprachigkeit auch über<br />

die Sprachgrenzen hinweg leicht.<br />

Als praktizierender Oberarzt Psychiatrie<br />

im Spital Affoltern am Albis festigt<br />

Fabian im Moment seine klinische<br />

Fachexpertise. Anschliessend möchte<br />

er sich auf zukünftige Rollen vorbereiten<br />

und seine Kenntnisse in Leadership<br />

sowie im Wissenstransfer und im Teaching<br />

vertiefen.<br />

In seiner Freizeit hält er sich am<br />

liebsten draussen in der Natur auf, oft<br />

beim Velofahren oder Wandern. Besonders<br />

interessieren ihn dabei abgelegene<br />

und weniger gut besuchte Naturorte.<br />

Durch diese Ausflüge ist er ein Fan von<br />

Schweizer Kleinseilbahnen geworden, die<br />

er bevorzugt als Auf- oder Abstiegshilfe<br />

nutzt.<br />

Bild: zvg<br />

26<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

Ferien und Überzeit:<br />

die wichtigsten Fragen<br />

Bilder: Adobe Stock, Julie Masson<br />

Darf der Arbeitgeber einen<br />

Feriensaldo streichen,<br />

wenn dieser nicht innerhalb<br />

einer von ihm festgelegten<br />

Frist bezogen wird?<br />

Nein. Die einzige Einschränkung in<br />

Sachen Ferienanspruch ist die Verjährungsfrist<br />

von fünf Jahren. Ist es beispielsweise<br />

nicht möglich, die Ferien<br />

aus dem Jahr 2023 bis Ende <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />

zu beziehen, sind diese nicht verloren.<br />

Der Anspruch darauf besteht während<br />

fünf Jahren, wobei jeder Ferienbezug<br />

jeweils vom ältesten Feriensaldo abgebucht<br />

wird. Falls also ein Feriensaldo<br />

aus dem Jahr 2023 übrig ist, werden alle<br />

Ferien, die <strong>2024</strong> bezogen werden, zuerst<br />

vom Anspruch 2023 und erst danach von<br />

demjenigen des Jahres <strong>2024</strong> in Abzug<br />

gebracht. Wenn bei Vertragsende noch<br />

ein Saldo übrig bleibt, muss dieser mit<br />

dem letzten Lohn und einem Zuschlag<br />

ausbezahlt werden.<br />

Darf der Arbeitgeber den Zeitpunkt<br />

der Ferien bestimmen?<br />

Grundsätzlich legt der Arbeitgeber den<br />

Zeitpunkt der Ferien fest, jedoch unter<br />

Berücksichtigung der Wünsche der<br />

Arbeitnehmenden. In der Praxis ist es<br />

häufig umgekehrt, es ist aber ein Recht<br />

des Arbeitgebers.<br />

Den Zeitpunkt der Ferien kann der<br />

Arbeitgeber jedoch nur unter Einhaltung<br />

einer Frist von drei Monaten vorschreiben.<br />

Auch wenn er einen hohen Feriensaldo<br />

feststellt, kann er also in aller Regel<br />

keinen sofortigen Ferienbezug anordnen.<br />

Darf während der Ferien ein Pikettdienst<br />

eingeplant werden?<br />

Nein. Die Arbeitnehmenden haben ein<br />

Recht auf ungestörte Ferien. Diese dienen<br />

dazu, sich zu erholen, auf andere Gedanken<br />

kommen, zu reisen, Familie und<br />

Freunde zu treffen usw. Die Arbeitnehmenden<br />

müssen die Ferien frei gestalten<br />

können, was im Falle eines Pikettdienstes<br />

unmöglich wäre.<br />

Darf der Arbeitgeber geplante Ferien<br />

ohne Einwilligung der Arbeitnehmenden<br />

in den Abzug von Überzeit umwandeln<br />

oder umgekehrt?<br />

Nein. Wie oben erläutert, dürfen Ferien<br />

nur unter Einhaltung einer Frist von<br />

mindestens drei Monaten angeordnet<br />

werden. Zudem darf die Kompensation<br />

von Überzeit nur mit dem Einverständnis<br />

der Arbeitnehmenden zu einem von den<br />

Parteien vereinbarten Zeitpunkt erfolgen.<br />

Kann eine Frist für die Kompensation<br />

von Überstunden oder Überzeit<br />

festgelegt werden?<br />

Ja. Sofern es die Planung ermöglicht und<br />

die Kompensationstage klar als solche auf<br />

der Abrechnung aufgeführt sind, ist es<br />

möglich, die Überstunden oder die<br />

Überzeit innert einer bestimmten Frist<br />

kompensieren zu lassen. Dies ergibt sogar<br />

Sinn, da das Arbeitsgesetz eine Frist von<br />

14 Wochen für die Kompensation der<br />

Überzeit vorsieht. Im Idealfall wird man<br />

eine Lösung suchen, die alle Beteiligten<br />

zufriedenstellt. Es sei hier noch einmal<br />

erwähnt, dass die Kompensation der<br />

Überzeit nur mit dem Einverständnis<br />

der Arbeitnehmenden erfolgen darf.<br />

Andernfalls müssen diese Stunden mit<br />

einem Zuschlag von 25 Prozent ausbezahlt<br />

werden.<br />

Patrick Mangold,<br />

Sektionsjurist VSAO Waadt<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 27


Fokus: System<br />

Bild 1: Wissenschaftler haben das Verhalten von fast 500 Ameisen aufgezeichnet, indem sie die Arbeiterinnen mit Strichcodes markierten.<br />

Um ihr Alter zu ermitteln, haben sie deren Rücken in verschiedenen, vom Geburtszeitpunkt abhängigen Farben angestrichen.<br />

Das hoch<br />

entwickelte Sozialsystem<br />

der Ameisen<br />

Dank ihrer ausgeklügelten sozialen Organisation haben die<br />

Ameisen ihre Herrschaft über den Planeten immer weiter ausgedehnt.<br />

Die Arbeiterinnen teilen sich die Aufgaben und sorgen für das<br />

Wohlergehen und die Entwicklung der Kolonien. Sie verteidigen nicht<br />

nur den Ameisenhaufen und ernähren ihre Mitglieder, sondern schützen<br />

sie auch vor der Ausbreitung von Krankheiten. Sie werden sogar zu<br />

Pflegerinnen, die sich um verletzte Kriegerinnen kümmern.<br />

Laurent Keller, ehemaliger Professor am Departement für Ökologie und Evolution der Universität Lausanne, und<br />

Elisabeth Gordon, wissenschaftlich-medizinische <strong>Journal</strong>istin<br />

Bild: Current Biology<br />

28<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: System<br />

Bild: Erik T. Frank<br />

Gemäss Definition im Wörterbuch<br />

Larousse ist ein System<br />

«eine Gesamtheit von Verfahren<br />

und organisierten Praktiken,<br />

die dazu bestimmt sind, eine definierte<br />

Funktion zu gewährleisten». Oder<br />

auch «eine Gesellschaft, die als strukturierte<br />

und starre Einheit betrachtet wird».<br />

Diese beiden Definitionen liefern eine<br />

passende Beschreibung der Welt der<br />

Ameisen, wenn man von der Starre absieht,<br />

die in diesem Fall nicht zutrifft.<br />

Diese Insekten leben nämlich in top<br />

organisierten, jedoch nicht zentralisierten<br />

Gesellschaften. In ihren Kolonien gibt es<br />

weder Herrscher – die Männchen überleben<br />

das Paarungsritual nicht – noch Herrscherinnen.<br />

Die Königin herrscht nicht.<br />

Sie gibt keine Befehle und hat keine Macht.<br />

Ihre einzige Aufgabe besteht darin, für<br />

den Nachwuchs und damit das Wachstum<br />

der Kolonie zu sorgen. Ihre weiblichen<br />

Nachkommen, die meisten unfruchtbare<br />

Arbeiterinnen, erledigen die täglichen<br />

Aufgaben durch eine entsprechende Arbeitsteilung.<br />

Die Ammen kümmern sich<br />

um die Brut (Eier, Larven und Nymphen),<br />

die Brutpflegerinnen sind für die Nahrungssuche<br />

zuständig, die Baumeisterinnen<br />

bauen den Ameisenhaufen und die<br />

Kriegerinnen verteidigen die Kolonie.<br />

Die Funktionen wechseln<br />

Lange Zeit ging man davon aus, dass diese<br />

Arbeitsteilung allein auf dem Alter beruht.<br />

Man nahm an, dass die jüngsten<br />

Arbeiterinnen sich zunächst um die Brut<br />

und dann um die Instandhaltung des Nestes<br />

kümmerten und sich lediglich die älteren<br />

Arbeiterinnen nach draussen wagten,<br />

um gefährlichere Aufgaben zu erledigen.<br />

Die Realität sieht aber anders aus, wie eine<br />

Studie zeigt, die wir am Departement<br />

für Ökologie und Evolution der Universität<br />

Lausanne durchgeführt haben [1]. Dabei<br />

haben wir ein Markierungssystem mit<br />

Strichcodes verwendet, um fünf Monate<br />

lang das Verhalten und die sozialen Interaktionen<br />

von über 500 Individuen zu beobachten<br />

(siehe Bild 1). So konnten wir<br />

feststellen, dass alle Arbeiterinnen zunächst<br />

Ammen sind, bevor sie zu Brutpflegerinnen<br />

werden, wobei der Übergang<br />

schnell, d. h. innerhalb von ein bis zwei<br />

Wochen, erfolgt. Gleichzeitig haben wir<br />

herausgefunden, dass die Arbeiterinnen<br />

nicht in einem vordefinierten Alter von<br />

einer Funktion in eine andere wechseln.<br />

Dieser Wechsel der Funktion erfolgt<br />

stochastisch und unabhängig vom Alter<br />

der Individuen, sodass die Kolonie nicht<br />

Bild 2: Eine Matabele-Ameise reinigt die Wunde einer Arbeiterin (grün markiert), die ein Bein<br />

verloren hat.<br />

von der Alterspyramide abhängig ist und<br />

somit stets über die für ihre Bedürfnisse<br />

nötige Anzahl Ammen und Brutpflegerinnen<br />

verfügt.<br />

Die Ausbreitung von Krankheiten<br />

verhindern<br />

Die Arbeiterinnen, die diesen verschiedenen<br />

Arbeitstrupps angehören, haben<br />

relativ wenig Kontakt untereinander. Sie<br />

besetzen unterschiedliche Bereiche des<br />

Nestes, was die Wahrscheinlichkeit einer<br />

Übertragung von Krankheitserregern reduziert.<br />

Wir haben uns gefragt, ob sie in der<br />

Lage sind, ihr soziales Netzwerk anzupassen,<br />

wenn sie mit Krankheiten konfrontiert<br />

werden. Um diese Frage zu<br />

beantworten, haben wir die Brutpflegerinnen<br />

den Sporen eines pathogenen<br />

Pilzes ausgesetzt, der durch einfachen<br />

Kontakt übertragen wird. Anschliessend<br />

haben wir sie mithilfe der weiter oben erwähnten<br />

Technik beobachtet [2]. Beim<br />

Vergleich der Organisation des Ameisenhaufens<br />

vor und nach der Einführung des<br />

Infektionserregers haben wir festgestellt,<br />

dass die Ameisen in der Lage sind, die<br />

Sporen an ihrem Organismus zu erkennen<br />

und dass sie versuchen, diese loszuwerden.<br />

Zudem passen sie ihr Verhalten<br />

schnell an, um die Ausbreitung der Infektion<br />

zu begrenzen. Die Brutpflegerinnen,<br />

die den Sporen ausgesetzt wurden,<br />

iso lierten sich und verbrachten mehr Zeit<br />

ausserhalb des Ameisenhaufens. Wenn<br />

sie sich im Nest befanden, schränkten sie<br />

ihre Interaktionen mit den Arbeiterinnen,<br />

die andere Aufgaben erledigten, ein.<br />

Auch die Ammen tragen dazu bei,<br />

die Ausbreitung des Krankheitserregers<br />

einzudämmen, indem sie die Königin und<br />

die Brut rasch in den tieferen Bereichen<br />

des Nests in Sicherheit bringen.<br />

Dies zeigt, dass die Ameisen schon<br />

seit Millionen Jahren «Abstandsregeln»<br />

anwenden, die wir erst im Rahmen der<br />

Covid-19-Pandemie bewusst angewendet<br />

haben.<br />

Die Verletzten pflegen<br />

Ameisen sind nicht nur in der Lage, präventive<br />

Massnahmen umzusetzen. Sie<br />

können sich auch um verletzte Artgenossinnen<br />

kümmern.<br />

Wir haben ihre Fähigkeiten in Sachen<br />

Pflege aufgezeigt, indem wir Matabele-Ameisen<br />

beobachtet haben, die normalerweise<br />

Termiten angreifen und fressen.<br />

Ihre Angriffe sind heftig, und oft verliert<br />

mehr als ein Viertel der Angreiferinnen<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 29


Fokus: System<br />

ein oder mehrere Beine, die von den<br />

Mundwerkzeugen der Termiten-Soldaten<br />

abgetrennt werden.<br />

Wie unsere Beobachtungen gezeigt<br />

haben [3], kommen Artgenossinnen den<br />

verletzten Kriegerinnen auf dem Schlachtfeld<br />

zu Hilfe. Nachdem sie diese ins Nest<br />

zurückgebracht haben, behandeln sie sie<br />

mit einem Cocktail aus Antibiotika, den<br />

sie aus ihrer metapleuralen Drüse absondern<br />

(siehe Bild 2). Dieses Organ, das man<br />

ausschliesslich bei Ameisen findet, enthält<br />

über 100 Proteine und organische<br />

Verbindungen, die das Bakterienwachstum<br />

auf der Wunde und im Körper der Individuen<br />

hemmen.<br />

Wir haben auch gezeigt, dass sich das<br />

kutikuläre Kohlenwasserstoffprofil (das<br />

die chemische Signatur eines jeden Insekts<br />

bildet) der verletzten Kriegerinnen<br />

von dem der nicht verkrüppelten Arbeiterinnen<br />

unterscheidet. Das bedeutet also,<br />

dass die Arbeiterinnen ihren Körpergeruch<br />

verändern können, um zu signalisieren,<br />

dass sie Hilfe brauchen.<br />

Ameisen bevölkern die Erde seit mehreren<br />

Millionen Jahren und sind auf der<br />

gesamten Erdoberfläche zu finden, mit<br />

Ausnahme der sehr kalten Regionen. Diesen<br />

grossen ökologischen Erfolg verdanken<br />

sie ihrer ausgeklügelten sozialen Organisation<br />

und ihrer aussergewöhnlichen<br />

Fähigkeit, sich an ihre Umwelt anzupassen,<br />

um das Wachstum ihrer Kolonien sicherzustellen.<br />

Ein höchst effizientes System<br />

also.<br />

Literatur<br />

[1] Richardson, T. O., Kay, T.,<br />

Braunschweig, R., Journeau, O. A., Rüegg,<br />

M., McGregor, S., De Los Rios, P. & Keller, L.<br />

(2021). Ant behavioral maturation is<br />

mediated by a stochastic transition between<br />

two fundamental states. Current Biology, 31,<br />

2253–2260. https://doi.org/10.1016/j.<br />

cub.2020.05.038.<br />

[2] Stroeymeyt, N., Grasse, A. V.,<br />

Crespi, A., Mersch, D. P., Cremer, S. & Keller,<br />

L. (2018). Social network plasticity<br />

decreases disease transmission in a eusocial<br />

insect. Science, 362, 941–945. https://doi.<br />

org/10.1126/science.aat4793.<br />

[3] Frank, E. T., Kesner, L., Liberti,<br />

J., Helleu, Q., LeBoeuf, A. C., Dascalu, A.,<br />

Sponsler, D. B., Azuma, F., Economo, E. P.,<br />

Waridel, P., Engel, P., Schmitt, T. & Keller, L.<br />

(2023). Targeted treatment of injured<br />

nestmates with antimicrobial compounds<br />

in an ant society. Nature Communication,<br />

14, 8446. https://doi.org/10.1038/s41467-023-<br />

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Fokus: System<br />

Eine begleitete Reise in eine Fantasiewelt mittels einer hypnosystemisch-imaginativen Intervention kann Kindern helfen,<br />

biopsychosoziale Erkrankungen zu therapieren.<br />

Augen auf:<br />

Hypnose als Gamechanger<br />

für Kinder<br />

und Jugendliche<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Hypnosystemisch-imaginative Interventionen bei Kindern<br />

und Jugendlichen mit biopsychosozialen Erkrankungen sind zielführend,<br />

kreativ und machen Spass.<br />

Camilla Ceppi Cozzio, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin<br />

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Fokus: System<br />

Kinder sind in vielfältigen Lebenswelten<br />

und sozialen Systemen<br />

wie der Kernfamilie, Kita,<br />

Schule und Freizeitclubs unterwegs.<br />

Diese Systeme weisen unterschiedliche<br />

Regelwerke auf. Sie fordern von<br />

Kindern entsprechende Adaptationsleistungen.<br />

Kinder sind neugierig, wissbegierig,<br />

lieben Abenteuer und Spass. Sie haben<br />

individuelle psychomotorische und sprachliche<br />

Entwicklungspotenziale.<br />

Herausforderungen stärken<br />

Selbstwirksamkeit<br />

Grundvoraussetzungen für eine gesunde<br />

biopsychosoziale Entwicklung sind das Erfüllen<br />

der kindlichen Grundbedürfnisse<br />

und eine verbindliche Fürsorge. Als Säuglinge<br />

sind Kinder abhängig von verlässlichen,<br />

liebevollen Bezugspersonen, die ihre<br />

Selbstregulation unterstützen. Diese ist initial<br />

extern gesteuert. Im Verlauf der Entwicklung<br />

lernen Kinder, die Selbstregulationsfähigkeit<br />

zunehmend intern zu steuern.<br />

Damit können sie ein gesundes Mass an Unsicherheiten<br />

aushalten. Sie erleben so, dass<br />

sie sich in diversen sozialen Systemen situationsgerecht<br />

verhalten und sich selbstwirksam<br />

steuern können. Die Erfahrung positiv<br />

gemeisterter Herausforderungen stärkt die<br />

kindliche Selbstwirksamkeit.<br />

Disstress kann zu Erkrankungen<br />

führen<br />

Für Klein- und Schulkinder ist zunächst das<br />

System der Familie prägend. Später nimmt<br />

der Einfluss der Schule, anderer Systeme<br />

und von Peers zu. Wenn in einem oder mehreren<br />

Systemen Disstress auftritt, können<br />

biopsychosoziale Erkrankungen wie funktionelle<br />

Bauchschmerzen oder Schlafstörungen<br />

entstehen. Potenzielle Stressfaktoren<br />

können Paarkonflikte der Eltern, Prüfungsdruck,<br />

ein Verlusterlebnis usw. sein. Mit zunehmender<br />

kindlicher Überforderung<br />

nimmt die Selbstregulation ab. Betroffene<br />

Kinder können nicht mehr adäquate adaptive<br />

Bewältigungsstrategien entwickeln. Negative<br />

Narrative wie «immer nur Schmerzen»<br />

oder «Einschlafen geht nie» entstehen.<br />

Weil eine Fokussierung auf die Probleme<br />

vorherrscht, ist der Blick auf problemfreie<br />

Bereiche und individuelle Ressourcen verbaut.<br />

Es entstehen eigentliche Problemtrancen.<br />

Wird der Leidensdruck übermächtig,<br />

wenden sich Kinder und Eltern oft zuerst an<br />

Kinderärztinnen und -ärzte, weil zu ihnen<br />

ein langjähriges Vertrauensverhältnis besteht.<br />

Hier wird eine niederschwellige, nicht<br />

psychiatrische und zeitnahe Unterstützung<br />

erwartet. Biopsychosoziale Erkrankungen<br />

erfordern eine andere Vorgehensweise als<br />

akut-pädiatrische somatische Krankheiten.<br />

Primär müssen die ärztlichen Fachpersonen<br />

Stressfaktoren erkennen sowie verstehen,<br />

wie diese dysfunktionale Muster mit<br />

eingeschränkter Selbstregulation induzieren<br />

und unterhalten.<br />

Unerklärbare Leseschwierigkeiten<br />

Als Behandlungsmodalität bietet sich ein<br />

hypnosystemisches Vorgehen an. Darunter<br />

versteht man eine Kombination von Ericksonscher<br />

Hypnose und systemischen Therapieansätzen.<br />

Das Vorgehen analysiert systemische<br />

Selbstorganisationsprozesse und<br />

bewirkt einen Perspektivenwechsel weg<br />

vom Problem hin zur Neuentdeckung vorhandener<br />

Ressourcen. Diese Ressourcen<br />

werden in therapeutischer Trance imaginativ<br />

lösungsorientiert genutzt. Kinder sind<br />

Weltmeister im Imaginieren. So entstehen<br />

fantastische Spielwelten, in denen Kinder<br />

natürliche Tranceerfahrungen machen.<br />

Fantasie beflügelt, manchmal aber evoziert<br />

sie auch furchterregende Erfahrungen. Sie<br />

kann kindliche Ängste bis zur Unkontrollierbarkeit<br />

verstärken. Weder Kinder noch<br />

Eltern verstehen dann, was geschieht. Exemplarisch<br />

dazu die Fallvignette der 10-jährigen<br />

Mindy (Name geändert): Sie begann<br />

plötzlich über Leseschwierigkeiten mit Unscharfsehen<br />

und Diplopie zu klagen. Die augenärztliche<br />

Untersuchung ergab nach Tumorausschluss<br />

eine Hyperopie mit Astigmatismus<br />

und Nahexophorie. Obwohl Mindy<br />

während neun Monaten verschiedene<br />

Brillen testete, verbesserte sich ihre Lesefähigkeit<br />

nicht. Trotz bestehender Einschränkung<br />

erreichte sie die schulischen Ziele. Eine<br />

interessante Ausnahme bei der Sehschwierigkeit<br />

war, dass Mindy zu Hause<br />

Kleingedrucktes in Spielanleitungen leicht<br />

entziffern konnte. Eine Zweitmeinung ergab<br />

keine neuen Befunde. Mindy und die<br />

Eltern wurden zunehmend hoffnungslos,<br />

weil keine Besserung in Sicht war.<br />

Somatische Beschwerden als Hilferuf<br />

Der Schlüssel, um eine solch ungewöhnliche<br />

Geschichte einzuordnen, ist die Prämisse,<br />

dass das präsentierte Problem ein Lösungsversuch<br />

einer nicht lösbaren Herausforderung<br />

ist. Mittels beruhigender, Hoffnung<br />

vermittelnder Gesprächsführung<br />

versicherte die Ärztin Mindy, dass es sicher<br />

gute Gründe für die reduzierte Lesefähigkeit<br />

gibt, und wertschätzte sie als kluges<br />

Kind. Während der Anerkennung der «guten<br />

Gründe» nickte Mindy. Auf die Bemerkung<br />

der Ärztin, dass jede schwierige Situation<br />

auch Vorteile habe, erwiderte Mindy,<br />

dass sie sich beschützt fühle, wenn die Lehrerin<br />

neben ihr sitze und Texte vorlese. Damit<br />

war klar, dass Ängste zum ungünstigen<br />

Lösungsversuch der Leseschwierigkeiten<br />

geführt hatten und diesen unterhielten.<br />

Angstauslösend waren eine Morddrohung<br />

einer distanzlosen Mitschülerin im Klassen-Chat,<br />

eine elterliche Depression und<br />

das starke ADHS des Bruders.<br />

Ein Mutgetränk und ein<br />

ungezogener Wichtel<br />

Mindy und die Eltern wurden eingeladen,<br />

ein Team zu bilden, das bei der Lösung des<br />

Problems zusammenarbeitet. Die Eltern<br />

übernahmen die Kommunikation mit der<br />

Lehrperson und der Schulsozialarbeiterin.<br />

Damit gelang es, verbindliche Kommunikations-<br />

und Verhaltensstrukturen in Bezug<br />

auf die Mitschülerin zu etablieren. In der<br />

Folge fühlte sich Mindy in der Schule wieder<br />

sicher. Weiter suchten sowohl die Eltern als<br />

auch der Bruder therapeutische Hilfe auf.<br />

Mindy definierte als Interventionsziel<br />

selbstständiges Lesen. Um dieses zu erreichen,<br />

wurde eine Strategie der kleinen<br />

Schritte gewählt. Diese beinhaltete eine<br />

kindgerechte Psychoedukation und mehrere<br />

Trancesequenzen. Mindy reiste imaginativ<br />

an einen schönen Ort, mixte sich ihr<br />

Mutgetränk und trank davon, damit frischer<br />

Mut in ihrem Körper wachsen konnte. Sie<br />

reiste zum Wichtel in ihrem Kopf, der dort<br />

Unfug trieb und Mindy ungute Streiche<br />

spielte. Sie wies ihn in die Schranken.<br />

Selbstwirksam schaffte sie Ordnung in der<br />

chaotisch organisierten Steuerungszentrale<br />

und im Schatz der Erinnerungen. Sie wurde<br />

in ihrem Vorgehen durch wiederholte Suggestionen<br />

der Ich-Stärkung bestätigt. Die<br />

Kombination der gewählten Strategien<br />

war ein Gamechanger, weil sie Mindy und<br />

ihrer Familie die Augen für ihre Ressourcen<br />

öffnete. Mindy erreichte dadurch wieder<br />

ihre normale Sehkraft. Voraussetzungen<br />

für das Gelingen hypnosystemisch-imaginativer<br />

Methoden sind entwicklungspädiatrisches<br />

und -psychologisches Wissen,<br />

um präsentierte Fragestellungen vor dem<br />

Hintergrund der kindlichen Entwicklung<br />

einzuschätzen. Nur so gelingt es, zusammen<br />

mit dem Kind entwicklungsgerechte<br />

Ziele zu definieren sowie Aufbau und Ablauf<br />

der hypnosystemisch-imaginativen Interventionen<br />

passend zu gestalten.<br />

Lesenden, die mehr zu imaginativ-systemischen<br />

Interventionen lernen wollen, sei zum Beispiel<br />

der entsprechende CAS der Universität Basel<br />

empfohlen: www.wb-kjp.unibas.ch/studiengaenge/<br />

cas-isi/<br />

32<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: System<br />

Noch Ende des 19. Jahrhunderts werden Abwässer und Abfälle direkt in die Gewässer entsorgt.<br />

Das Foto zeigt den Birsig in Basel um 1880.<br />

Die Basis unserer<br />

Gesundheit<br />

Seit über 100 Jahren sorgt die Siedlungsentwässerung<br />

in der Schweiz dafür, dass in unseren Siedlungen und Häusern<br />

hygienische Verhältnisse herrschen. Damit ist sie eine<br />

mittlerweile fast selbstverständliche Grundlage unserer Gesundheit und<br />

unseres wirtschaftlichen Erfolges. Das Kanalisationssystem<br />

ist ein tragender Pfeiler davon.<br />

Stefan Hasler und Paul Sicher, Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA)<br />

Bilder: VSA<br />

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Fokus: System<br />

Im Römischen Reich und bis ins<br />

18. Jahrhundert war es üblich, die<br />

Notdurft auf der Strasse zu verrichten.<br />

Die Stadtbevölkerung lebte in<br />

ständigem Schmutz. Die fehlende Ableitung<br />

der Abwässer führte immer wieder<br />

zur Verseuchung von Trinkwasserbrunnen,<br />

die innerhalb der Siedlungen lagen.<br />

Verheerende Typhus- und Choleraepidemien<br />

waren die Folge. Dadurch war<br />

die Lebenserwartung in den Städten deutlich<br />

geringer als auf dem Land. Erst im<br />

19. Jahrhundert forderten Ärzte, Städteplaner<br />

und Architekten im Zuge der Kloakenreform<br />

eine kontrollierte Abfuhr des<br />

Abwassers. Dank den Anstrengungen zur<br />

Verbesserung der Siedlungshygiene verdoppelte<br />

sich die Lebenserwartung von<br />

40 auf 80 Jahre.<br />

Zunehmende Gewässerverschmutzung<br />

Der Gewinn an Lebensqualität ging mit<br />

einer Zunahme der Gewässerverschmutzung<br />

einher. Denn die aus den Siedlungen<br />

abgeleiteten Abwässer gelangten ungereinigt<br />

in Bäche, Flüsse und Seen. Dies führte<br />

in den Gewässern zu Schaumteppichen,<br />

ausgedehnten Algenblüten und stinkenden<br />

Algenteppichen mit Fischsterben.<br />

Aus gesundheitlichen Gründen verfügten<br />

die Behörden vielerorts Badeverbote bis in<br />

die 1970er-Jahre.<br />

34<br />

Bau von Abwasserreinigungsanlagen<br />

Ende der 1950er-Jahre waren weniger als<br />

zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung<br />

einer öffentlichen Abwasserreinigungsanlage<br />

(ARA) angeschlossen. Durch den zunehmenden<br />

Einsatz von synthetischen<br />

Tensiden in Wasch- und Reinigungsmitteln<br />

sowie die immer intensivere landwirtschaftliche<br />

Nutzung des Mittellandes<br />

verschärften sich die Gewässerschutzprobleme<br />

dramatisch.<br />

Das erste Gewässerschutzgesetz der<br />

Schweiz trat 1957 in Kraft. Ab 1962 unterstützte<br />

der Bund den Bau von Kläranlagen.<br />

Nur 20 Jahre später leiteten bereits<br />

etwa 80 Prozent der Bevölkerung und fast<br />

alle Betriebe ihr Abwasser in eine ARA.<br />

Praktisch parallel zum Bau der öffentlichen<br />

Kläranlagen wurde auch das Kanalnetz<br />

in Rekordzeit auf eine Gesamtlänge<br />

von derzeit 130 000 Kilometern erweitert.<br />

Dieses weitverzweigte und robuste Kanalisationssystem<br />

sorgt dafür, dass auch bei<br />

starkem Regen in Siedlungsgebieten keine<br />

Überschwemmungen auftreten.<br />

Schaumteppiche auf der Limmat unterhalb von Zürich Anfang der 1960er-Jahre.<br />

Nicht gerade attraktiv zum Baden.<br />

Von der mechanischen Reinigung<br />

bis zur Ozonierung<br />

Die Abwasserreinigung und die Siedlungsentwässerung<br />

entwickeln sich bis heute<br />

kontinuierlich weiter, inzwischen sind wir<br />

bei vier Reinigungsstufen angelangt:<br />

– Erste Stufe: In den 1950er-Jahren beschränkt<br />

sich die Abwasserreinigung<br />

vielfach auf die mechanische Reinigung,<br />

d. h. den Betrieb einer Vorklärung.<br />

Damit wird jedoch nur ein Teil der organischen<br />

Belastung aus dem Abwasser<br />

entfernt.<br />

– Zweite Stufe: In den 1960er-Jahren setzt<br />

sich die biologische Abwasserreinigung<br />

durch, insbesondere das Belebtschlammverfahren.<br />

Mikroorganismen bilden den<br />

Belebtschlamm und bauen die organischen<br />

Schmutzstoffe mithilfe von Sauerstoff<br />

ab. Damit werden rund 90 Prozent<br />

der biologisch abbaubaren Stoffe aus<br />

dem Abwasser entfernt.<br />

– Dritte Stufe: In den 1970er-Jahren werden<br />

die grossen Kläranlagen mit einer<br />

chemischen Reinigungsstufe in Form<br />

einer Phosphatfällung ausgerüstet. Damit<br />

wird zusätzlich zu den biologisch<br />

abbaubaren Stoffen auch der algenfördernde<br />

Phosphor aus den Abwässern eliminiert.<br />

Phosphat wird schliesslich 1986<br />

als Bestandteil von Textilwaschmitteln<br />

verboten.<br />

– Stickstoffelimination: Um das fischtoxische<br />

Ammonium respektive Nitrit sowie<br />

das düngewirksame Nitrat aus dem Abwasser<br />

zu entfernen, werden die ARA in<br />

den 1980er- und 1990er-Jahren vergrössert<br />

und ausgebaut (sogenannte Nitrifikation<br />

respektive Denitrifikation).<br />

– Die Gewässerschutzverordnung schreibt<br />

seit 1998 die Erstellung von generellen<br />

Entwässerungsplänen für Gemeinden<br />

vor. Dadurch wird die systematische Planung<br />

und Umsetzung eines funktionstüchtigen<br />

Abwasserentsorgungssystems<br />

gefestigt.<br />

– Seit 2002 gibt es ein Umdenken beim Regenwasser.<br />

Siedlungsentwässerung bedeutete<br />

während Jahrzehnten das möglichst<br />

rasche Ableiten sämtlicher Abwässer<br />

aus den Siedlungen. Erst mit dem<br />

Gewässerschutzgesetz 2002 kommt der<br />

Grundsatz auf, dass «nicht verschmutztes<br />

Abwasser» in erster Priorität versickern<br />

soll.<br />

– Vierte Stufe: Ab den 2010er-Jahren geraten<br />

die sogenannten Mikroverunreinigungen<br />

durch Medikamente, Hormone oder<br />

Biozide in den Fokus. Ab 2014 werden ausgewählte<br />

ARA durch den Bund verpflichtet,<br />

diese aus dem Abwasser zu entfernen.<br />

Dabei kommen vorwiegend Verfahren mit<br />

Aktivkohle oder mit Ozon, die sognannte<br />

Ozonierung, zur Anwendung.<br />

– Neue Ansätze erweitern die traditionelle<br />

Siedlungsentwässerung und ermöglichen<br />

ein nachhaltiges und klimaangepasstes<br />

Wassermanagement in den<br />

Siedlungen. Mit dem in den 2020er-Jahren<br />

entwickelten Schwammstadt-Prinzip<br />

wird Wasser in die Gestaltung von<br />

Siedlungen und deren Infrastrukturen<br />

integriert, zurückgehalten, verdunstet,<br />

gefahrlos abgeleitet und als Gestaltungselement<br />

genutzt. Dieses klimaangepasste<br />

Wassermanagement bietet<br />

Chancen für Mensch und Natur gleichermassen<br />

und mindert die Auswirkungen<br />

des Klimawandels.<br />

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Fokus: System<br />

Was gehört nicht in die Kanalisation?<br />

Schaum auf der Aare bei Aarburg im Jahr 1962.<br />

Das ist heute zum Glück unvorstellbar.<br />

Situation heute<br />

Mittlerweile sind 98 Prozent aller Haushalte<br />

einer ARA angeschlossen, womit das<br />

Ausbaupotenzial praktisch ausgeschöpft<br />

ist. Grundstücke werden entwässert, das<br />

verschmutzte Abwasser aus Haushalten,<br />

Industrie und Landwirtschaft wird zu den<br />

ARA geleitet. Rund 750 öffentliche Kläranlagen<br />

reinigen schweizweit das Abwasser<br />

während 24 Stunden und an 365 Tagen im<br />

Jahr. Dadurch wurden die natürlichen Gewässer<br />

markant von Nährstoffen, Schwermetallen<br />

und weiteren problematischen<br />

Substanzen entlastet. Sie haben damit<br />

nicht nur eine Aufwertung der Lebensraumqualität<br />

für Wasserorganismen erfahren,<br />

sondern laden inzwischen auch<br />

wieder zum sorglosen Baden ein. Seuchen<br />

und Krankheiten aufgrund mangelnder<br />

Siedlungshygiene gehören längst der Vergangenheit<br />

an. Die Siedlungsentwässerung<br />

ist damit die Basis für unsere Gesundheit<br />

und den Gewässerschutz.<br />

In der Kanalisation lässt sich allerhand finden, was dort gar nicht hingehört:<br />

– Besonders häufig in der Toilette landen Feststoffe wie Katzensand, Feuchttücher,<br />

Hygieneartikel, Kaugummi, Kondome oder Textilien. Diese gehören jedoch in den<br />

Kehricht und nicht in die Kanalisation, da sie die Leitungen verstopfen. Das kann im<br />

schlimmsten Fall zu einer Überflutung des Raums führen. Aber auch wenn die Gegenstände<br />

aus dem Haus abfliessen, verstopfen sie später die Pumpen der Kläranlage und<br />

müssen kostspielig und in mühsamer Handarbeit entfernt werden.<br />

– Küchenabfälle sind biologisch abbaubar und gehören auf den Kompost; Gekochtes,<br />

Gebratenes und tierische Reste in den Müll. Essensreste können die Rohrleitungen<br />

verstopfen und locken im schlimmsten Fall Ratten und Ungeziefer an.<br />

– Öl, Medikamente, Chemikalien, Dünger, Farben und Lacke enthalten Schadstoffe, die<br />

keinesfalls ins Grundwasser gelangen sollten. Stoffe sowie Medikamente und Gift sind<br />

bei den Verkaufsstellen zurückzugeben; sie können auf der ARA nur ungenügend gereinigt<br />

werden.<br />

Mehr Informationen: www.wasser-wissen.ch<br />

Feuchttücher können die Pumpen in der Kanalisation verstopfen und gehören in den Kehricht.<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 35


Wie die<br />

Viehzucht soziale<br />

Ungleichheit<br />

förderte<br />

Geld, Bildung, Einfluss: Die Ressourcen in unserem<br />

Gesellschaftssystem sind ungleich verteilt. Wie und warum haben sich<br />

die bestehenden Strukturen entwickelt? Ein Überblick.<br />

Jörg Rössel, Professor für Soziologie, Universität Zürich<br />

Die Klassenzugehörigkeit ist<br />

nicht fix: Über die Hälfte der<br />

Menschen in Ländern wie der<br />

Schweiz gehören einer<br />

anderen Klasse an als ihre<br />

Eltern.<br />

36<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: System<br />

Fragen nach sozialer Ungleichheit,<br />

Ausbeutung und Diskriminierung<br />

sind im öffentlichen Diskurs<br />

der Gegenwart von grosser<br />

Bedeutung. Doch was wissen wir eigentlich<br />

über diese Themen in den Sozialwissenschaften?<br />

Dieser Beitrag versucht, mit breitem<br />

Pinselstrich einen systematischen<br />

Überblick über die grundlegenden Entwicklungen,<br />

Strukturen und Erklärungen<br />

von sozialer Ungleichheit zu geben. Darunter<br />

wird die sozial bedingte Verteilung von<br />

gesellschaftlich positiv bewerteten Ressourcen<br />

in der Bevölkerung verstanden [1].<br />

Wie sich im weiteren Verlauf des Textes<br />

zeigen wird, ist soziale Ungleichheit ein<br />

vielgestaltiges Phänomen, das sich nicht<br />

ohne Weiteres auf einen Nenner bringen<br />

lässt und zudem durch menschliches Handeln<br />

immer wieder veränderlich ist. Daher<br />

versuchen Soziologen zwar, soziale Ungleichheit<br />

systematisch zu beschreiben<br />

und zu analysieren, zögern aber in der Regel,<br />

sie als stabiles System zu bezeichnen.<br />

Vermögen durch Ackerbau und<br />

Viehzucht<br />

Den grössten Teil seiner Geschichte verbrachte<br />

der Homo Sapiens in relativ egalitären<br />

Jäger-und-Sammler-Gesellschaften.<br />

Erst mit dem Übergang zu Gartenbau,<br />

Ackerbau und Viehzucht wurde es möglich,<br />

Vermögen zu akkumulieren und an nachfolgende<br />

Generationen weiterzugeben, sodass<br />

das Ausmass von Ungleichheit zunehmen<br />

konnte [2, 3, 4]. Die grössten Ungleichheiten<br />

finden sich in Ackerbaugesellschaften am<br />

Vorabend der Industrialisierung. Mit deren<br />

Höhepunkt begann auch die Ungleichheit<br />

zu sinken, um seit den 1970er-Jahren in<br />

zahlreichen Ländern, allerdings nicht in der<br />

Schweiz, wieder anzusteigen.<br />

Industrialisierung als Treiber<br />

Betrachtet man die Ungleichheit zwischen<br />

den verschiedenen Staaten weltweit, so ist<br />

diese seit Beginn des 19. Jahrhunderts aufgrund<br />

des unterschiedlichen Fortschritts<br />

der Industrialisierung dramatisch angestiegen,<br />

vor allem zwischen dem sogenannten<br />

globalen Norden und dem Süden. Seit den<br />

1970er-Jahren geht aufgrund der nachholenden<br />

Industrialisierung vor allem in den<br />

ost- und südasiatischen Ländern die Ungleichheit<br />

zwischen den Staaten zurück,<br />

und die Armut im globalen Süden sinkt<br />

drastisch [5]. Ein Beispiel dafür ist Bangladesch;<br />

dort führte die Verbreitung der Textilindustrie<br />

zwischen 2000 und 2016 – trotz<br />

der aus unserer Sicht verheerenden Arbeitsbedingungen<br />

– zu einer Halbierung<br />

der Armutsquote.<br />

Strukturen sozialer Ungleichheit<br />

In allen menschlichen Gesellschaften existieren<br />

soziale Hierarchien, die aber meist<br />

nur situativen Charakter haben, zum Beispiel:<br />

X ist die erfolgreichste Jägerin des<br />

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Tages. Erst mit der Möglichkeit, Ressourcen<br />

zu akkumulieren und zu vererben, ergeben<br />

sich stabile, sozioökonomisch fundierte<br />

Rangordnungen, die das «Oben» und<br />

das «Unten» in Gesellschaften abbilden. In<br />

der Soziologie spricht man hier von sozialen<br />

Klassen, die konstituiert werden, indem<br />

Menschen über unterschiedliche Typen<br />

von Ressourcen wie ökonomischem Kapital,<br />

kulturellem Kapital und Beruf verfügen.<br />

Daneben können auch Ungleichheiten zwischen<br />

den Geschlechtern oder ethnischen<br />

Gruppen festgestellt werden (im Englischen<br />

spricht man hier häufig von «class,<br />

gender and race»).<br />

Klassenzugehörigkeit ist<br />

nicht sichtbar<br />

Der weitaus grösste Teil der sozialen Ungleichheit<br />

in Ländern wie der Schweiz entfällt<br />

allerdings auf die vertikale Dimension<br />

des «Oben» und «Unten», das durch die<br />

Zugehörigkeit zu sozialen Klassen bedingt<br />

ist [1]. Dennoch ist die Sichtbarkeit und<br />

Prägekraft der Klassenstruktur in Gegen-<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Bildung statt Vermögen vererben<br />

Was sind die Ursachen für diese Entwicklung?<br />

Mit der Industrialisierung hat sich<br />

einerseits die Möglichkeit der politischen<br />

Mobilisierung der Arbeiter- und Mittelklassen<br />

vergrössert. Andererseits funktioniert<br />

Vererbung immer weniger über die Weitergabe<br />

von ökonomischem Kapital über die<br />

Generationen, sondern über die Vererbung<br />

von Bildung [4]. Dies hat zu einer Abschwächung<br />

von Ungleichheit geführt. Durch die<br />

seit den 1970er-Jahren zunehmende ökonomische<br />

Globalisierung greift allerdings<br />

der erste der beiden Mechanismen immer<br />

weniger, sodass das Pendel wieder in Richtung<br />

zunehmender Ungleichheit ausschlägt<br />

[5]. Dies gilt aber nur für die Ungleichheit<br />

innerhalb von Ländern.<br />

Wir können Ärztinnen und Ärzten einiges bieten, weil wir sie gut verstehen.<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 37


Fokus: System<br />

wartsgesellschaften weniger gross, als<br />

man auf dieser Grundlage erwarten könnte.<br />

Denn erstens haben wir zwar alle eine<br />

Vorstellung vom «Oben» und vom «Unten»<br />

in einer Gesellschaft, die in der Soziologie<br />

verwendeten Klassenbegrifflichkeiten<br />

sind aber den meisten Menschen unbekannt.<br />

Zweitens ist Klassenzugehörigkeit<br />

kein festgeschriebenes Merkmal; über<br />

die Hälfte der Menschen weist eine andere<br />

Klassenzugehörigkeit auf als die Eltern,<br />

hier spricht man von sozialer Mobilität [6].<br />

Und drittens setzt sich Klassenzugehörigkeit<br />

nicht unmittelbar in bestimmte Erscheinungs-<br />

und Verhaltensweisen um,<br />

die sie nach aussen eindeutig sichtbar machen.<br />

Damit ist Klasse zwar ein zentrales<br />

Strukturprinzip moderner Ungleichheit,<br />

das aber gleichwohl im Alltag weniger<br />

sichtbar ist als beispielsweise die Geschlechtszugehörigkeit<br />

[7, 8].<br />

Wie entstehen Ungleichheiten?<br />

Eine erste zentrale Erklärung von sozialer<br />

Ungleichheit in meritokratischen Gesellschaften<br />

sind unterschiedlich verteilte Talente<br />

und Leistungen. Um ein hochbezahlter<br />

Tennisprofi zu werden, ist sowohl das<br />

eine als auch das andere nötig. Aber: Welche<br />

Leistungen und Talente in einer Gesellschaft<br />

hochbezahlt werden, hängt wiederum<br />

von sozialen Bedingungen ab. Der Vergleich<br />

der mässig erfolgreichen, aber gut<br />

bezahlten Schweizer Fussballer und der<br />

sehr erfolgreichen, aber praktisch unbezahlten<br />

Schweizer Mountainbikerinnen<br />

legt davon beredt Zeugnis ab. Eine zweite<br />

zentrale Erklärung von sozialer Ungleichheit<br />

ist weiterhin die Vererbung von verschiedenen<br />

Arten von Kapital von den Elterngenerationen<br />

auf ihre Kinder, die bis<br />

heute auch den Bildungserwerb in Gegenwartsgesellschaften<br />

prägt. Die gegenwärtigen<br />

Digitalisierungsprozesse befördern<br />

aufgrund ihrer monopolitischen Tendenzen<br />

zudem die Möglichkeiten zur Akkumulation<br />

von Reichtum, der dann wiederum<br />

vererbt werden kann.<br />

Diskriminierung auf dem<br />

Arbeitsmarkt<br />

Stark diskutiert wird gegenwärtig auch die<br />

Rolle von Diskriminierung, das heisst der<br />

Ungleichbehandlung von Personen aufgrund<br />

ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten<br />

Gruppen. Während im Bildungssystem<br />

wenig Evidenz für eine solche Diskriminierung<br />

vorliegt, kann diese auf dem Arbeitsmarkt<br />

deutlich nachgewiesen werden,<br />

wobei, um das Beispiel der ethnischen<br />

Dis kriminierung aufzugreifen, eine klare<br />

Hierarchie entlang der soziokulturellen<br />

Distanz zwischen dem Herkunftsland und<br />

der Schweiz festgestellt werden kann. Insgesamt<br />

bleibt die Erklärungsrelevanz von<br />

Diskriminierung deutlich hinter den beiden<br />

anderen ursächlichen Mechanismen<br />

Leistung und Vererbung zurück, gleichzeitig<br />

verstösst sie aber in eklatanter Weise<br />

gegen das meritokratische Prinzip der Leistungsgerechtigkeit<br />

[1].<br />

Literatur<br />

[1] Rössel, Jörg, 2009: Sozialstrukturanalyse.<br />

Eine kompakte Einführung.<br />

Wiesbaden: Springer.<br />

[2] Kohler, Timothy, Smith, Michael,<br />

Bogaard, Amy et al., 2017: Greater<br />

post-Neolithic wealth disparities in Eurasia<br />

than in North America and Mesoamerica.<br />

Nature 551: 619–622.<br />

[3] Milanovic, Branko, Lindert,<br />

Peter H., Williamson, Jeffrey G., 2011:<br />

Pre-Industrial Inequality. The Economic<br />

<strong>Journal</strong> 121: 255–272.<br />

[4] Lenski, Gerhart, 1966: Macht<br />

und Privileg. Eine Theorie der sozialen<br />

Schichtung. Frankfurt: Suhrkamp.<br />

[5] Firebaugh, Glenn, 2015:<br />

Global Income Inequality. Emerging Trends<br />

in the Social and Behavioral Sciences.<br />

Herausgegeben von Robert Scott, Stephen<br />

M. Kosslyn und Marlis Buchmann:<br />

John Wiley.<br />

[6] Falcon, Julie, 2016: Soziale<br />

Mobilität in der Schweiz im 20. Jahrhundert:<br />

zwischen Demokratisierung der<br />

Bildung und Fortbestand der Klassenungleichheiten.<br />

Social Change in Switzerland,<br />

N°5. doi:10.22019/SC-2016-00004.<br />

[7] Pape, Simone, Rössel, Jörg,<br />

Solga, Heike, 2012: Do We See Class<br />

Membership and How? Poetics 40: 317–336.<br />

[8] Rössel, Jörg, 2012: Gibt es in der<br />

Schweiz soziale Schichten?, Schweizerische<br />

Zeitschrift für Soziologie 38: 99–124.<br />

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38<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: System<br />

Mit<br />

Glasfasernetzen<br />

Erdbeben<br />

beobachten<br />

Rauschunterdrückungssysteme in Glasfaserkabeln können<br />

Bodenbewegungen messen. Dies haben Forschende der ETH Zürich<br />

und des Eidgenössischen Instituts für Metrologie herausgefunden.<br />

In Zukunft können mit dieser Technologie kostengünstige Netzwerke für<br />

Erdbeben- und Tsunami-Frühwarnsysteme eingerichtet werden.<br />

Sebastian Noe, Doktorand Seismologie und Wellenphysik, ETH Zürich<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Glasfaserkabel dienen primär der<br />

Übertragung von Signalen. Wie Forschende<br />

gezeigt haben, können sie jedoch auch<br />

genutzt werden, um Boden bewegungen<br />

zu messen.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 39


Fokus: System<br />

Erdbeben können verheerende<br />

Auswirkungen auf Menschen,<br />

Infrastruktur und Umwelt haben,<br />

und eine genaue Vorhersage<br />

ist nach wie vor unmöglich. Jedoch<br />

können Seismologinnen und Seismologen<br />

durch die Erforschung von Erdbeben,<br />

beispielsweise durch die Messung der Bodenbewegungen,<br />

Frühwarnsysteme entwickeln.<br />

Diese ermöglichen es, weiter vom<br />

Erdbebenherd entfernte Gebiete zu warnen,<br />

damit Menschen rechtzeitig Schutz<br />

suchen und etwa Züge vorsorglich gebremst<br />

werden können. In einem hochentwickelten<br />

Land wie der Schweiz ist es<br />

selbstverständlich, ein dichtes Netzwerk<br />

von seismischen Stationen zu unterhalten.<br />

Allerdings ist der teure Unterhalt solcher<br />

Infrastrukturen in weniger wohlhabenden<br />

Ländern oftmals nicht möglich. Auch die<br />

Datenerhebung an den Ozeanböden, deren<br />

Fläche über zwei Drittel der Erdoberfläche<br />

ausmacht, ist aufgrund der Installation, Instandhaltung<br />

und Datenübermittlung herausfordernd<br />

und kostspielig.<br />

Erdbebenmessungen als<br />

Nebenprodukt<br />

Forschende der ETH Zürich haben in enger<br />

Kooperation mit dem Eidgenössischen<br />

Institut für Metrologie (METAS) eine neue<br />

Methode entdeckt, die überraschende Erkenntnisse<br />

zutage fördert: Bei der Anwendung<br />

eines Verfahrens, dessen Hauptziel<br />

die präzise Übermittlung von Zeitstempeln<br />

zwischen zwei Laboren durch ein Glasfaserkabel<br />

ist [1], zeigte sich als unbeabsichtigtes<br />

Nebenresultat, dass sich mit dem<br />

Glasfasernetz auch Bodenbewegungen erfassen<br />

lassen. Für die exakte Transferierung<br />

des optischen Datensignals wird eine<br />

Technologie angewendet, die Hintergrundrauschen<br />

unterdrückt. Rauschen im Signal<br />

kann aus verschiedenen Quellen stammen:<br />

Neben menschlicher Aktivität (Autos, Züge<br />

oder Baustellen) kann es auch auf natürliche<br />

Weise auftreten, beispielsweise durch<br />

Erdbeben. Die Information, wann und wie<br />

stark das Hintergrundrauschen automatisch<br />

unterdrückt wird, enthält somit Hinweise<br />

auf mikroskopische Längenänderungen<br />

der Glasfaser, die lediglich gespeichert<br />

und ausgewertet werden müssen. Dies ist<br />

mit den bereits vorhandenen Vorrichtungen<br />

vom METAS und ohne zusätzliche Anschaffungen<br />

möglich.<br />

Wie können Glasfasern Bodenbewegungen<br />

erfassen?<br />

Die Technologie des Systems «Active Phase<br />

Noise Cancellation» (PNC) in Glasfasernetzen<br />

ist vergleichbar mit der Rauschunterdrückung<br />

in modernen Noise-Can -<br />

celling- Kopfhörern. Hierbei werden mit<br />

Mikrofonen unerwünschte Hintergrundgeräusche<br />

aufgezeichnet und in Echtzeit<br />

ein Gegen signal erzeugt, das diese Geräusche<br />

gegensätzlich überlagert und dadurch<br />

auslöscht. Das Resultat ist ungetrübter<br />

Musikgenuss.<br />

Die Messung des Rauschens im Glasfaserkabel<br />

nutzt natürlich kein Mikrofon,<br />

sondern basiert auf dem Vergleich mit<br />

einem vom Empfänger reflektierten Teilsignal<br />

[2]. Ist kein Rauschen vorhanden, so<br />

sind das am Anfang der Faser emittierte<br />

und das am Ende der Faser reflektierte<br />

Signal identisch. Unterschiede zwischen<br />

den beiden Signalen sind das Resultat<br />

kleiner Deformationen der Faser, die das<br />

Lasersignal auf seinem Weg «gespürt» hat.<br />

Die Messung ermöglicht es, ein Rauschen<br />

mit einem entgegengesetzten Signal<br />

in Echtzeit zu überlagern, ähnlich zum<br />

Noise-Cancelling in Kopfhörern.<br />

Kein zusätzliches Gerät nötig<br />

Seit einigen Jahren ist der Einfluss von Bodenbewegungen<br />

auf Laserpulse in einem<br />

Glasfaserkabel bekannt. Mit speziell dafür<br />

entwickelten Laserinterferometern können<br />

Deformationen entlang einer Glasfaser<br />

gemessen werden. Diese Technologie wurde<br />

erfolgreich für Erdbebenmessungen in<br />

verschiedenen Umgebungen angewandt;<br />

in Städten [3], auf Gletschern [4] und auf<br />

Vulkanen [5]. In der Rauschunterdrückung<br />

der Glasfaserkommunikation für die<br />

Schweizer Atomuhreninfrastruktur, welche<br />

die Forschenden der ETH und des<br />

METAS untersucht haben, ist kein solches<br />

Messinstrument erforderlich. Die durch<br />

ein Erdbeben ausgelösten Bodenbewegungen<br />

entlang des 123 Kilometer langen Glasfaserkabels<br />

lassen sich aus dem Rauschen<br />

der Datenübertragung ablesen.<br />

Numerische Modelle bestätigen<br />

Beobachtungen<br />

Obwohl die Längenänderungen der Glasfasern<br />

oft nur wenige Mikrometer betragen,<br />

sind Erdbebensignale im PNC-System<br />

erstaunlich deutlich erkennbar. Ein<br />

Telekommunikationskabel zwischen Laboren<br />

in Bern und Basel erfasste die seismischen<br />

Wellen eines Erbebens der Magnitude<br />

3,9 bei Mulhouse im Elsass. Die<br />

PNC-Messungen stimmen mit numerischen<br />

Modellierungen des Bebens überein,<br />

ebenso mit den Messungen der seismischen<br />

Stationen des Schweizerischen<br />

Erdbebendienstes [1].<br />

Da die Messungen in numerischen<br />

Modellen reproduzierbar sind, können die<br />

PNC-Daten für die Charakterisierung von<br />

Erdbeben, einschliesslich von Tiefe und<br />

Stärke, herangezogen werden. Diese und<br />

andere Parameter sind essenziell für die<br />

Frühwarnung. Potenziell können PNC-<br />

Daten zukünftig insbesondere in weniger<br />

entwickelten Ländern und auf dem<br />

Meeres grund gesammelt werden, um<br />

Frühwarnsysteme für Erdbeben und Tsunamis<br />

zu unterstützen.<br />

Tomografie der Erde<br />

Die Methode ist auch für andere Zwecke<br />

vielversprechend. Die Auswertung von<br />

PNC-Daten kann dafür verwendet werden,<br />

die Erde zu «durchleuchten», ähnlich der<br />

Computertomografie (CT) in der Medizin.<br />

Dies ist besonders nützlich, da Proben aus<br />

Bohrprojekten oft nur aus wenigen Kilometern<br />

Tiefe stammen und daher im Vergleich<br />

Bild: Adobe Stock<br />

40<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: System<br />

Eine genaue Vorhersage, wann und wo ein Erdbeben auftritt, ist nach wie vor unmöglich. Seismische Stationen und möglicherweise auch bald das<br />

Glasfaserkabelnetz können jedoch helfen, Bodenbewegungen zu erkennen und Menschen zu warnen.<br />

zum Erdradius von 6371 Kilometern wenig<br />

aussagekräftig sind und kaum herangezogen<br />

werden können, um mehr über das Innere<br />

unseres Planeten zu erfahren. Eine<br />

Tomografie der Erde mit seismischen Wellen<br />

beruht auf denselben physikalischen<br />

Prinzipien wie ein CT-Scan, nur auf einer<br />

anderen Grössenskala [6]. Insbesondere<br />

die Nutzung von PNC-Daten in den Tiefen<br />

der Ozeanböden birgt das Potenzial, unser<br />

Verständnis vom Erdinneren zu vertiefen,<br />

da Bodenbewegungsdaten aus bisher unzugänglichen<br />

Gebieten in eine Erweiterung<br />

des Bildes einfliessen können.<br />

Schnell erklärt: Ein kurzes Video zur Messung von<br />

Bodenbewegungen mit dem Glasfasernetz finden<br />

Sie unter: www.youtube.com/watch?v=vFkPJ-SBe9s<br />

Literatur<br />

[1] Noe, S., Husmann, D., Müller, N.,<br />

Morel, J., and Fichtner, A. (2023). Long-range<br />

fiber-optic earthquake sensing by active phase<br />

noise cancellation. Sci Rep 13, 13983. https://doi.<br />

org/10.1038/s41598-023-41161-x.<br />

[2] Ma, L. S., Jungner, P., Ye, J., and<br />

Hall, J. L. (1994). Delivering the same optical<br />

frequency at two places: accurate cancellation<br />

of phase noise introduced by an optical fiber or<br />

other time-varying path. Optics letters, 19(21),<br />

1777–1779.<br />

[3] Smolinski, K., Paitz, P., Bowden, D.,<br />

Edme, P., Kugler, F., and Fichtner, A.: Urban<br />

Distributed Acoustic Sensing Using In-Situ<br />

Fibre Beneath Bern, Switzerland, EGU General<br />

Assembly 2020, Online, 4–8 May 2020,<br />

EGU2020-8225, https://doi.org/10.5194/<br />

egusphere-egu2020-8225.<br />

[4] Klaasen, S., Paitz, P., Lindner, N.,<br />

Dettmer, J., and Fichtner, A. (2021). Distributed<br />

acoustic sensing in volcano- glacial environments<br />

– Mount Meager, British Columbia.<br />

<strong>Journal</strong> of Geophysical Research: Solid Earth,<br />

126(11), e2021JB022358.<br />

[5] Klaasen, S., Thrastarson, S.,<br />

Çubuk-Sabuncu, Y., Jónsdóttir, K., Gebraad, L.,<br />

Paitz, P., and Fichtner, A. (2023). Subglacial<br />

volcano monitoring with fibre-optic sensing:<br />

Grímsvötn, Iceland. Volcanica, 6(2), 301–311.<br />

[6] Marty, P., Boehm, C., and Fichtner,<br />

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inversion for transcranial ultrasound<br />

computed tomography. In Medical Imaging<br />

2021: Ultrasonic Imaging and Tomography<br />

(Vol. 11602, pp. 210–229). SPIE.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 41


Fokus: System<br />

Sind Autoimmunkrankheiten<br />

somatoforme<br />

Störungen?<br />

Die empirische Auseinandersetzung mit der Theorie komplexer Systeme,<br />

der Biosemiotik, der Tiefenpsychologie sowie der Psychoanalyse<br />

könnte ein wirksames Mittel sein, um in der medizinischen Forschung und<br />

Therapie – insbesondere bei chronischen Erkrankungen – zukünftig<br />

wirkliche Fortschritte zu erzielen. Darauf deuten integrative<br />

Einzelfallstudien hin.<br />

Christian Schubert, Psychoneuroimmunologe und Universitätsprofessor an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie,<br />

Psychosomatik und Medizinische Psychologie der Medizinischen Universität Innsbruck<br />

Die konfliktbehaftete Abreise des Sohnes triggerte bei einer 40-Jährigen mit systemischem Lupus Erythematodes einen leichten Schub.<br />

Diese Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper erforscht die Medizinische Universität Innsbruck mittels integrativer Einzelfallstudien.<br />

Aktuell lässt sich der systemische<br />

Gedanke einer erweiterten<br />

medizinischen Sichtweise<br />

auf den Menschen am deutlichsten<br />

in der biopsychosozialen Medizinkonzeption<br />

George Engel erkennen [1].<br />

Das biopsychosoziale Modell basiert auf<br />

der Annahme einer schichtenhierarchischen<br />

Anordnung der verschiedenen Lebensentitäten<br />

(u. a. biologisch, psychologisch,<br />

sozial), die im Sinne der Theorie<br />

komplexer Systeme durch Emergenzbildungen<br />

auseinander hervorgehen und in<br />

Top-down-Bottom-up-Kreiskausalitäten<br />

miteinander vernetzt sind. Körperliche<br />

Erkrankungen und damit verbundene<br />

biochemische Veränderungen sind so gesehen<br />

das Resultat von Anpassungsstörungen<br />

an überfordernde, komplexe Umweltreize.<br />

Empirische Untersuchung durch<br />

integrative Einzelfallstudien<br />

Um diese komplexen Zusammenhänge<br />

unter gelebten Alltagsbedingungen («Life<br />

as it is lived») und unter Einbezug biosemiotischer<br />

und psychodynamischer Annahmen<br />

empirisch zu untersuchen, wurde<br />

an der Medizinischen Universität Innsbruck<br />

das Design der integrativen Einzelfallstudie<br />

entwickelt [2, 3]. Dieses basiert<br />

auf der hochfrequenten Sammlung von<br />

biochemischen, psychologischen und sozialen<br />

Zeitreihendaten und deren integrativer<br />

Auswertung mittels quantitativer<br />

(Zeitreihenanalyse) und qualitativer (Interviewanalysen)<br />

Methoden. Mithilfe dieses<br />

Designs konnte wiederholt sowohl an<br />

gesunden Probandinnen [3] als auch an<br />

Bild: Adobe Stock<br />

42<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: System<br />

Patientinnen mit systemischem Lupus<br />

Erythematodes (SLE) [4] und Tumorerkrankungen<br />

(z.B. Brustkrebs) [5] gezeigt<br />

werden, dass die Stresssystemreaktion auf<br />

emotional bedeutsame Alltagsereignisse<br />

zyklisch und mit tagelangen Verzögerungszeiten<br />

verläuft. Funktional gesehen<br />

dürfte es sich bei diesen langen, zyklischen<br />

Stresssystemreaktionen um regulatorische<br />

Phänomene (Feedback, Feedforward)<br />

handeln, die im Rahmen von<br />

bewussten und unbewussten Bedeutungszuschreibungen<br />

auftreten.<br />

Fall mit SLE: Psychischer Stress<br />

triggerte Schub<br />

Vor dem Hintergrund der Theorie komplexer<br />

Systeme [6] wird nun angenommen,<br />

dass zyklische Stresssystemreaktionen<br />

auf Regulationsphänomene verweisen<br />

und dass der Mensch bei emotional fordernden<br />

Umgebungsbedingungen und<br />

damit verbundenen Störungen zu Ordnungs-<br />

bzw. Phasenübergangen von gesund<br />

nach krank oder – im Fall von chronischen<br />

Erkrankungen wie dem SLE – von<br />

remittiertem Zustand nach Krankheitsschub<br />

tendiert. Dies lässt sich mit dem integrativen<br />

Einzelfalldesign ebenfalls empirisch<br />

untersuchen, wie der Fall einer<br />

40-jährigen Patientin mit SLE exemplarisch<br />

zeigt. Diese Patientin sammelte über<br />

63 Tage ihren gesamten Harn (von 20 Uhr<br />

abends bis 8 Uhr in der Früh), beantwortete<br />

um 20 Uhr abends Fragebögen über die<br />

vergangenen 24 Stunden und wurde einmal<br />

wöchentlich zu den Alltagsbelastungen<br />

der vergangenen Woche interviewt [2].<br />

Mithilfe der dynamischen Komplexität,<br />

eines Masses zur Bestimmung der Komplexität<br />

in einer Datenreihe [7], und der<br />

Interviews konnten wir in den psychoneuroimmunologischen<br />

Zeitreihen der Patientin<br />

einen solchen Phasenübergang in<br />

Form eines Krankheitsschubes identifizieren<br />

[8]. Ihr leichter SLE-Krankheitsschub<br />

(Kreuzschmerzen mit Taubheitsempfinden<br />

in den Füssen, Schwellung der<br />

kleinen Fingergelenke, Fieber, Schüttelfrost,<br />

Leistungsabfall, Müdigkeit) wurde<br />

durch ein von der Patientin als emotional<br />

stark belastend empfundenes Alltagsereignis,<br />

die Abreise ihres Sohnes am Tag 25<br />

der Studie, getriggert. Dabei kam es in unmittelbarem<br />

Zusammenhang mit dem<br />

Auftreten des Stressors zu kritischen<br />

Komplexitätsanstiegen in den Entzündungswerten<br />

(Urin-Neopterin) und bei<br />

der Stimmung der Patientin. Synchron dazu<br />

gab es kritische Komplexitätsabnahmen<br />

in der von der Patientin erlebten Ge-<br />

reiztheit und der subjektiv eingeschätzten<br />

Intensität der autoimmunen Krankheitsaktivität<br />

(Abbildung 1).<br />

Diese synchronisierten, kritischen<br />

Zu- und Abnahmen der Komplexität in<br />

krankheitsassoziierten, psychoneuroimmunologischen<br />

Variablen der Patientin<br />

liessen uns nun weitere für die Pathogenese<br />

des SLE relevante Überlegungen anstellen.<br />

Dabei verbanden wir, wie in der Folge<br />

dargestellt, die Theorie komplexer Systeme<br />

mit psychoanalytischen Überlegungen<br />

C. G. Jungs, der einmal meinte: «Die<br />

Synchronizitätsphänomene weisen, wie<br />

mir scheint, in diese Richtung, indem ohne<br />

kausale Verbindung sich Nicht-Psychisches<br />

wie Psychisches et vice versa verhalten<br />

kann.» [9]<br />

Während des Studienintervalls von<br />

zwei Monaten identifizierte die Patientin<br />

gemeinsam mit einer Interviewerin in<br />

wöchentlichen Abständen emotional bedeutsame<br />

Aspekte ihres Lebensalltags.<br />

Insbesondere beim Ereignis der Abreise<br />

des Sohnes kam bei der Interviewerin in<br />

der Gegenübertragung immer wieder<br />

Ärger auf, der begleitet wurde von einer<br />

sichtbaren inneren Unruhe der Patientin.<br />

Da die moderne Psychoanalyse die Gefühle<br />

der therapierenden Person gegenüber<br />

der Patientin bzw. dem Patienten als<br />

«Resonanzboden» ansieht, durch den sie<br />

Informationen über die Patientin bzw.<br />

den Patienten gewinnt, lässt sich dieser<br />

Ärger neben den Auffälligkeiten in den<br />

psycho neuroimmunologischen Kom plexitäts<br />

verläufen als weiterer diagnostischer<br />

Baustein werten, der zum Krankheitsverständnis<br />

der Pa tientin beitrug.<br />

Autoimmunreaktionen als Folge<br />

verdrängter Wut?<br />

Wir interpretieren unsere Ergebnisse so,<br />

dass die SLE-Patientin im Zusammenhang<br />

mit der konfliktdynamisch relevanten Abreise<br />

des Sohnes (zentraler Beziehungskonflikt<br />

nach der Operationalisierten Psychodynamischen<br />

Diagnostik [OPD] [10]:<br />

ödipal-sexuell, passiver Modus) ihre Wut<br />

und ihren Ärger nicht mehr flexibel wahrnehmen<br />

konnte oder durfte (Komplexitätsabfall<br />

der Gereiztheit und der subjektiv<br />

wahrgenommenen Krankheitsaktivität)<br />

und im Sinne der Affektisolierung aus<br />

ihrem Bewusstsein ausschliessen musste.<br />

Weiterhin nehmen wir an, dass die Patientin<br />

ihre psychischen Probleme auf den<br />

Körper verlagerte (Somatisierung) oder<br />

präziser, ihre verdrängte Wut in einer Autoimmunreaktion<br />

(Komplexitätsanstieg<br />

der Stimmung und des Neopterins) gegen<br />

Komplexität des Urin-Neopterins<br />

Komplexität der Stimmung<br />

Komplexität der Gereiztheit<br />

Komplexität der subjektiven<br />

SLE Krankheitsaktivität<br />

Komplexität der mentalen Aktiviertheit<br />

,3<br />

,25<br />

,2<br />

,15<br />

,1<br />

,05<br />

0<br />

1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />

,3<br />

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,1<br />

,05<br />

,3<br />

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,2<br />

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,1<br />

,05<br />

7-Tage-Einheiten<br />

0<br />

1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />

7-Tage-Einheiten<br />

,3<br />

,25<br />

,2<br />

,15<br />

,1<br />

,05<br />

7-Tage-Einheiten<br />

0<br />

1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />

,3<br />

,25<br />

,2<br />

,15<br />

,1<br />

,05<br />

Abreise des Sohnes<br />

7-Tage-Einheiten<br />

0<br />

1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />

0<br />

1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61<br />

7-Tage-Einheiten<br />

Abbildung 1: Zeitreihen der dynamischen<br />

Komplexität der Urin-Neopterin-Konzentration<br />

und der emotionalen Befindlichkeiten<br />

Stimmung, Gereiztheit und mentale Aktiviertheit<br />

sowie der subjektiven Krankheitsaktivität<br />

von Fall 1 mit SLE innerhalb des Studienzeitraums<br />

von 63 Tagen.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 43


Fokus: System<br />

sich wendete (Wendung gegen das Selbst).<br />

Die Autoaggression der Patientin dürfte<br />

also mit einer Autoimmunreaktion einhergegangen<br />

sein; d. h. die mit dem psychischen<br />

Konflikt verbundene, jedoch verdrängte<br />

Wut dürfte symbolisch auf den<br />

Körper umgelagert worden sein (Konversion)<br />

[11, 12]. Das zentrale Nervensystem ist<br />

mit dem Immunsystem vernetzt [13], und<br />

so ist durchaus denkbar, dass eine Entzündungsaktivität<br />

im obigen Sinne unbewusst<br />

und symbolisierend von einer<br />

seelischen Aktivität «instrumentalisiert»<br />

werden kann.<br />

Neue Therapieansätze bei chronischen<br />

Krankheiten?<br />

Wenn sich unsere Beobachtungen zur<br />

Synchronisierung zwischen emotionalen<br />

(autoaggressiven) und immunologischen<br />

(autoimmunen) Parametern in weiteren<br />

Studien bestätigen liessen, würde dies bedeuten,<br />

dass wir in Zukunft Patientinnen<br />

und Patienten mit SLE therapeutisch völlig<br />

anders behandeln müssten, als das derzeit<br />

in der Medizin der Fall ist (u. a. medikamentöse<br />

Therapie). Zum Beispiel, indem<br />

man psychotherapeutisch auf der<br />

seelischen Ebene (heilsame) Phasenübergänge<br />

ermöglicht, die dann top-down<br />

Neustrukturierungen auch auf körperlicher<br />

Ebene mitbedingen.<br />

Die Integration theoretischer Annahmen<br />

aus der Psychoanalyse (z. B. unbewusste<br />

Prozesse, Abwehr) und den Systemwissenschaften<br />

(z. B. Phasenübergang,<br />

Emergenz) zeigt sich also insbesondere für<br />

die von der Biomedizin oftmals als «rein<br />

körperlich» bezeichneten chronischen Erkrankungen<br />

von fundamentaler Relevanz<br />

[14, 15]. Es mag zwar noch eine Weile dauern,<br />

bis die biosemiotisch-systemische<br />

Sichtweise in der Medizin das reduktiv-materialistische<br />

Paradigma abgelöst<br />

hat, doch erleben wir bereits heute eine<br />

zum Positiven veränderte Akzeptanz ganzheitlicher,<br />

fächerübergreifender wissenschaftlicher<br />

Ansätze in der Gesellschaft.<br />

Und das ist nicht zuletzt für die Erkrankten<br />

von essenzieller Bedeutung.<br />

Literatur<br />

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[4] Schubert C, Geser W,<br />

Noisternig B, König P, Rumpold G,<br />

Lampe A (2002): Stressful life<br />

events and skin diseases: an<br />

additional perspective from<br />

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dynamics in systemic lupus<br />

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Psychosom. 71, 123–124.<br />

[5] Schubert C, Ott M,<br />

Hannemann J, Singer M, Bliem<br />

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Chamson E, Fuchs D (2021):<br />

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[7] Schiepek G, Strunk G<br />

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critical fluctuations and phase<br />

transitions in short term and<br />

coarse-grained time series-a<br />

method for the real-time<br />

monitoring of human change<br />

processes. Biol. Cybern. 102,<br />

197–207. doi: 10.1007/s00422-009-<br />

0362-1.<br />

[8] Schubert C, Schiepek G<br />

(2003): Psychoneuroimmunologie<br />

und Psychotherapie: Psychosozial<br />

induzierte Veränderungen der<br />

dynamischen Komplexität von<br />

Immunprozessen bei einer<br />

Patientin mit systemischem Lupus<br />

erythematodes. In: Schiepek G<br />

(Hrsg.), Neurobiologie der<br />

Psychotherapie. Stuttgart:<br />

Schattauer. S. 485–508.<br />

[9] Ribi A (2011):<br />

Neurose – an der Grenze zwischen<br />

krank und gesund. Berlin,<br />

Heidelberg: Springer. S. 415.<br />

[10] Arbeitskreis OPD<br />

(1998): Operationalisierte<br />

Psychodynamische Diagnostik:<br />

Grundlagen und Manual.<br />

2. korrigierte Auflage Bern: Huber.<br />

[11] Freud A (1980): Die<br />

Schriften der Anna Freud. Band I.<br />

München: Kindler Verlag.<br />

S. 233–243.<br />

[12] Otto R, Mackay IR.<br />

Psycho-social and emotional<br />

disturbance in systemic lupus<br />

erythematosus. Med J Aust 1967;<br />

2: 488–493.<br />

[13] Schubert C (2015):<br />

Psychoneuroimmunologie<br />

körperlicher Erkrankungen. In:<br />

Schubert C (Hrsg.), Psychoneuroimmunologie<br />

und Psychotherapie.<br />

2. Auflage. Stuttgart:<br />

Schattauer. S. 68–116.<br />

[14] Reiber H (2008): Von<br />

Lichtenbergs «Gespenst» zur<br />

Emergenz der Qualität. Die<br />

neurobiologische Hirn-Geist-Diskussion<br />

im Licht der Komplexitätswissenschaft.<br />

In: Joost U,<br />

Neumann A, Achenbach B, Tuitje<br />

H (Hrsg.), Lichtenberg-Jahrbuch<br />

2008. Heidelberg: Universitätsverlag<br />

Winter. S. 42–65.<br />

[15] Schubert C (2023): Die<br />

Geometrie der Seele. Wie<br />

unbewusste Muster das Drehbuch<br />

unseres Lebens bestimmen.<br />

München: Gräfe & Unzer.<br />

44<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Die lang ersehnte Familienfeier trotz Fatigue oder Konzentrationsstörungen<br />

geniessen? Verschiedene, meist off-label verschriebene Psychoanaleptika<br />

können palliativ versorgten Menschen dabei helfen.<br />

Aktuelles zu Stimulanzien: Off-Label-Use im palliativen Setting<br />

Was bewirken<br />

Psychoanaleptika<br />

in der Palliativmedizin?<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Psychoanaleptika kommen bei unheilbar<br />

erkrankten Menschen oft zum Einsatz, jedoch meist ausserhalb<br />

des zugelassenen Gebrauchs. Manche Nebenwirkungen<br />

sind dabei sogar erwünscht. Ein Überblick.<br />

Sandra Curschellas und Eva Voser, Oberärztinnen am Zentrum für Altersmedizin / Palliative Care, Spital Affoltern<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 45


Perspektiven<br />

Anlässlich eines Symposiums<br />

der WHO 1969 wurde beschlossen,<br />

die Arzneimittel<br />

nach einem internationalen<br />

Standard zu klassifizieren. Dies führte<br />

1976 zur Veröffentlichung des WHO-Klassifikationssystems<br />

«Anatomical Therapeutic<br />

Chemical (ATC)». In der Gruppe N,<br />

die für das zentrale Nervensystem (ZNS)<br />

steht, sind die Psychoanaleptika aufgeführt.<br />

Diese Substanzen wirken grundsätzlich<br />

stimulierend und erhöhen, beschleunigen<br />

oder verbessern die Aktivität<br />

der Nerven. Dazu gehören Antidepressiva,<br />

Psychostimulanzien, Mittel zur Behandlung<br />

von AD(H)S, Nootropika, Kombinationspräparate<br />

von Psychoanaleptika<br />

und Psycholeptika sowie die Antidementiva.<br />

Es ist etwas widersprüchlich, dass<br />

auch sedierende Antidepressiva den Psychoanaleptika<br />

zugeordnet werden. In der<br />

Gruppe der Psycholeptika hingegen finden<br />

sich zentral dämpfende Substanzen,<br />

zu denen Antipsychotika, Anxiolytika,<br />

Hypnotika und Sedativa gehören [1].<br />

Wirkung von Psychoanaleptika<br />

Klinisch gesehen verbessern Psychoanaleptika<br />

die Aufmerksamkeit, fördern die<br />

Konzentration und reduzieren Müdigkeit.<br />

In der Medizin werden sie vor allem in der<br />

Behandlung von AD(H)S, bei bestimmten<br />

Schlafstörungen wie übermässiger Tagesschläfrigkeit,<br />

obstruktiver Schlafapnoe<br />

und Narkolepsie oder aufgrund der appetithemmenden<br />

Wirkung zur Gewichtsreduktion<br />

bei Adipositas eingesetzt. Auch<br />

Substanzen wie Koffein und Nikotin gehören<br />

in diese Gruppe, wobei Koffein das<br />

weltweit am häufigsten verwendete Psychoanaleptikum<br />

ist.<br />

Im Allgemeinen wirken die Psychoanaleptika<br />

über erhöhte Konzentrationen<br />

von Serotonin, Katecholaminen sowie<br />

durch den Antagonismus am Adenosinrezeptor.<br />

Im Folgenden möchten wir einen<br />

Überblick über die am häufigsten in der<br />

Palliativmedizin verwendeten Psychoanaleptika<br />

geben. Es sei jedoch angemerkt,<br />

dass diese Substanzgruppe meist off-label<br />

verwendet wird und es nur wenige Studien<br />

mit meist kleiner Studienpopulation<br />

gibt, wodurch die Evidenz schwach ist.<br />

Antidepressiva bei Schlafstörungen<br />

und neuropathischen Schmerzen<br />

Trazodon ist ein Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer<br />

sowie ein Antagonist der<br />

5-HT 2 -Rezeptoren. Trazodon wird als Antidepressivum<br />

mit anxiolytischer Komponente<br />

verwendet. Klinisch bedeutsame<br />

Nebenwirkungen sind Alpträume, sexuelle<br />

Dysfunktion und das Syndrom der inadäquaten<br />

ADH-Sekretion (SIADH) [2]. In<br />

der Palliativmedizin wird Trazodon off-label<br />

zur Schlafinduktion in Dosierungen<br />

von 25–150 mg/d verwendet, gelegentlich<br />

auch in retardierter Form, wenn eine zusätzliche<br />

Anxiolyse gewünscht wird [3].<br />

Mirtazapin ist ein zentral aktiver<br />

α 2 -Antagonist, der die noradrenerge und<br />

serotonerge Übertragung erhöht. Mirtazapin<br />

hat sedative Eigenschaften aufgrund<br />

seiner Histamin H 1 -antagonistischen Wirkung.<br />

Mirtazapin hat wenig anticholinerge<br />

Aktivität und in therapeutischer Dosierung<br />

nur begrenzte Auswirkungen auf das<br />

kardiovaskuläre System (z. B. orthostatische<br />

Hypotonie). Die wichtigsten Nebenwirkungen<br />

sind Alpträume und das Restless<br />

Leg Syndrom [2]. Die häufig beobachtete<br />

appetitsteigernde Wirkung mit Gewichtszunahme<br />

(keine Verbesserung der<br />

Sarkopenie, kein anaboler Effekt) ist in der<br />

Palliativmedizin oft eine gewünschte Nebenwirkung,<br />

da fehlender Appetit ein<br />

häufiges Symptom ist. Als schlafanstossende<br />

Medikation sind im Off-Label-Gebrauch<br />

Dosierungen bis 15 mg/d am effektivsten,<br />

bei höheren Dosierungen bis max.<br />

45 mg/d kommt die antidepressive Wirkung<br />

zum Tragen [3].<br />

Escitalopram ist ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.<br />

Escitalopram<br />

wird zur Behandlung von Depressionen,<br />

Angst-/Zwangsstörungen und sozialen<br />

Phobien eingesetzt [2]. Zu den wichtigsten<br />

Nebenwirkungen zählen Nausea<br />

zu Beginn der Therapie, SIADH, Schlaflosigkeit,<br />

erhöhte Blutungsneigung, vor allem<br />

in Kombination mit Aspirin, NSAR<br />

und Antikoagulantien. Inwiefern Antidepressiva<br />

in der Palliativmedizin zur Therapie<br />

von Trauer und Belastung im Rahmen<br />

der Grunderkrankung sinnvoll sind, bleibt<br />

umstritten. Allenfalls kann der antriebssteigernde<br />

und anxiolytische Effekt genutzt<br />

werden [3]. Die Startdosis beträgt<br />

5–10 mg/d und kann im Verlauf auf maximal<br />

20 mg/d gesteigert werden.<br />

Venlafaxin gehört zu den Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern<br />

(SNRI) und unterscheidet sich chemisch<br />

von den anderen Antidepressiva.<br />

Venlafaxin hemmt die Wiederaufnahme<br />

von Serotonin und Noradrenalin und<br />

schwach von Dopamin. Die Nebenwirkungen<br />

ähneln denen von Escitalopram, zudem<br />

kann es zu einem leichten Anstieg<br />

des Blutdrucks kommen. Venlafaxin wird<br />

zur Behandlung von Depressionen eingesetzt.<br />

In der Palliativmedizin wird vorwiegend<br />

die schmerzmodulierende Wirkung<br />

bei neuropathischen Schmerzen im Off-<br />

Label-Use genutzt. Im Vergleich zur Depressionsbehandlung,<br />

wo 75–150 mg üblich<br />

sind, werden dabei höhere Dosen von<br />

150–225 mg/d eingesetzt [4].<br />

Duloxetin ist ebenfalls ein SNRI und<br />

ähnelt Venlafaxin in Bezug auf den Wirkmechanismus<br />

und das Nebenwirkungsprofil.<br />

Es wird zur Behandlung von Depressionen,<br />

Angststörungen und der diabetischen<br />

Polyneuropathie eingesetzt, wobei<br />

Dosierungen von 60–120 mg/d üblich sind.<br />

Auch bei Duloxetin wird in der Palliativmedizin<br />

häufig die schmerzmodulierende<br />

Wirkung im Off-Label-Use genutzt [4].<br />

Psychostimulanzien bei Schläfrigkeit<br />

und Konzentrationsstörungen<br />

Methylphenidat ist ein ZNS-Stimulans,<br />

aber kein Amphetamin im eigentlichen<br />

Sinne. Es wird hauptsächlich in der Behandlung<br />

von AD(H)S im Kindes- und Erwachsenenalter<br />

eingesetzt. Die Wirkung<br />

beruht auf der Hemmung der Wiederaufnahme<br />

von Dopamin und Noradrenalin in<br />

den präsynaptischen Neuronen. Dadurch<br />

erhöhen sich diese Botenstoffe im präsynaptischen<br />

Spalt, was zu einer verstärkten<br />

dopaminergen und noradrenergen Signalübertragung<br />

führt. Das Ziel ist die Steigerung<br />

der Aufmerksamkeit, Wachheit und<br />

kognitiven Leistungsfähigkeit. In der Palliativmedizin<br />

wird Methylphenidat oft bei<br />

Fatigue, zur Verminderung von Konzentrationsstörungen<br />

sowie zur Steigerung der<br />

kognitiven Leistungsfähigkeit verschrieben.<br />

Zum Beispiel als Unterstützung bei<br />

wichtigen bevorstehenden Aufgaben («unfinished<br />

business»). Die Startdosis beträgt<br />

5 mg/d und kann auf maximal 40 mg/d erhöht<br />

werden. In der Regel erfolgt die Gabe<br />

aufgrund der kurzen Halbwertszeit von<br />

ein bis vier Stunden in zwei Dosen am<br />

Morgen und Mittag. Die häufigsten Nebenwirkungen<br />

sind Appetitverlust, Schlaflosigkeit,<br />

Kopfschmerzen, Nausea, Schwitzen,<br />

erhöhter Blutdruck, Tachykardie und<br />

Tremor. Es können Verhaltensauffälligkeiten<br />

mit erhöhter Reizbarkeit und emotionaler<br />

Labilität sowie depressive Symptome<br />

auftreten [3, 5].<br />

Modafinil erhöht die Wachheit, Aufmerksamkeit<br />

und motorische Aktivität.<br />

Der genaue Mechanismus der psychotro-<br />

46<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

pen Wirkung ist noch nicht vollständig<br />

geklärt. Modafinil hemmt die Wiederaufnahme<br />

von Dopamin, während die Wiederaufnahme<br />

von Noradrenalin und Serotonin<br />

kaum beeinflusst wird. Modafinil<br />

wird hauptsächlich zur Behandlung der<br />

Schläfrigkeit bei obstruktiver Schlafapnoe,<br />

bei Narkolepsie oder bei Personen,<br />

die Schicht arbeiten, eingesetzt. Die Nebenwirkungen<br />

umfassen Nervosität,<br />

Kopfschmerzen, Palpitationen, Nausea,<br />

Mundtrockenheit und verschwommenes<br />

Sehen. In der Palliativmedizin gibt es Hinweise<br />

auf eine Verbesserung der Fatigue,<br />

jedoch erlauben die vorliegenden Daten<br />

keine abschliessende Beurteilung [3].<br />

Andere Substanzklassen: Kortikosteroide<br />

für die Familienfeier<br />

Gemäss der erweiterten S3-Leitlinie Palliativmedizin<br />

sollten bei Patientinnen und<br />

Patienten mit Fatigue zunächst sekundäre<br />

Ursachen wie Anämie, Depression, Infektionen,<br />

Dehydratation, Malnutrition, Hyperkalziämie,<br />

Hypomagnesiämie oder die<br />

sedierende Nebenwirkung von Opioiden<br />

gesucht und behandelt werden [6]. Bei<br />

Persistenz der Fatigue kann nebst Methylphenidat<br />

bzw. Modafinil auch mit Kortikosteroiden<br />

gearbeitet werden. Obwohl sie<br />

nicht zu den Psychoanaleptika zählen,<br />

konnten Kortikosteroide eine signifikante<br />

Verbesserung der Fatigue erzielen. In den<br />

vorliegenden Studien wurden Dosierungen<br />

von Methylprednisolon bis 500 mg/d,<br />

Prednison und Prednisolon bis 20 mg/d<br />

sowie Dexamethason bis 20 mg/d eingesetzt.<br />

Bei längerer Anwendung können<br />

unerwünschte Nebenwirkungen wie Insulinresistenz,<br />

proximale Myopathie und<br />

erhöhtes Infektionsrisiko aufgrund der<br />

Immunsuppression auftreten. Steroide<br />

können Schlafstörungen verursachen,<br />

ins besondere wenn sie abends eingenommen<br />

werden, daher sollte die Einnahme<br />

am Morgen erfolgen. Steroide werden<br />

häufig in Situationen eingesetzt, in denen<br />

die Fatigue über einen begrenzten Zeitraum<br />

verbessert werden soll, zum Beispiel,<br />

um ein konkretes Ziel wie das Besuchen<br />

einer Familienfeier zu erreichen. Im<br />

klinischen Alltag wird Prednisolon in Dosierungen<br />

von 20 bis 50 mg/d und Dexamethason<br />

in Dosierungen von 4 bis 8 mg/d<br />

verwendet [7].<br />

Literatur<br />

[1] Markus Antonius Wirtz (2021).<br />

Dorsch – Lexikon der Psychologie. Hogrefe.<br />

Psychopharmakologie – Dorsch – Lexikon<br />

der Psychologie (hogrefe.com).<br />

[2] HCI Solutions AG. (21.4 2023).<br />

Compendium.ch. www.compendium.ch.<br />

[3] Martin Mücke, M. M. (2015).<br />

Pharmacological treatments for fatigue<br />

associated with palliative care. Cochrane<br />

Database of Systematic Reviews 2015,<br />

Issue 5. Art. No.: CD006788. https://doi.org/<br />

DOI: 10.1002/14651858.CD006788.pub3.<br />

[4] Ian Gilron, R. B. (<strong>April</strong> 2015).<br />

Neuropathic Pain: Principles of Diagnosis<br />

and Treatment. Mayo Clinic Proceedings.<br />

https://doi.org/10.1016/j.mayocp.2015.01.018.<br />

[5] Shun Gong, P. S. (2014). Effect<br />

of Methylphenidate in Patients with<br />

Cancer-Related Fatigue: A Systematic<br />

Review and Meta-Analysis. PLoS ONE 9(1):<br />

e84391. https://doi.org/ doi:10.1371/journal.<br />

pone.0084391.<br />

[6] Deutsche Krebsgesellschaft,<br />

Deutsche Krebshilfe, AWMF. (2020).<br />

Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin<br />

für Patienten mit einer nicht heilbaren<br />

Krebserkrankung (Langversion 2.2).<br />

[7] Hans Neuenschwander, C. C.<br />

(2015). Handbuch Palliativmedizin. In:<br />

Hans Neuenschwander, C. C., Handbuch<br />

Palliativmedizin (S. 101 ff). Hans Huber.<br />

Weiterführende<br />

Literatur<br />

Otto Benkert, H. H. (2011). Kompendium<br />

der Psychiatrischen Pharmakotherapie.<br />

Heidelberg: Springer Medizin Verlag.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 47


Perspektiven<br />

Aus der «Therapeutischen Umschau»* – Übersichtsarbeit<br />

Die anderen<br />

Zecken-übertragenen<br />

Infektionen in<br />

Mitteleuropa<br />

Rainer Weber, mediX Praxis Altstetten, Schweiz, sowie Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene,<br />

Universitätsspital Zürich, Schweiz<br />

Einleitung<br />

Zunehmend werden in Europa – neben<br />

der Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis<br />

(FSME) – auch<br />

andere, seltenere, durch Zecken übertragene<br />

Infektionen erkannt, welche in dieser<br />

Übersichtsarbeit dis kutiert werden.<br />

Weiterhin sind aufgrund der Reisetätigkeit<br />

und der Migration auch Zecken-assoziierte<br />

Infektionen aus anderen geografischen<br />

Regionen differenzialdiagnostisch<br />

zu erwägen.<br />

Zecken-übertragene Infektionen<br />

in Europa<br />

Zecken-übertragene Infektionen kommen<br />

entsprechend der Ausbreitungsgebiete<br />

der Vektoren und der Pathogene in geografisch<br />

lokalisierten Gebieten vor (Tabelle<br />

1) [1, 2]. Dazu gehören:<br />

– Lyme-Borreliose<br />

– Zeckenenzephalitis: europäische und<br />

russische FSME<br />

– andere Virusinfektionen, die Enzephalitis<br />

und hämorrhagische Fieber verursachen<br />

– Rickettsiosen<br />

– Anaplasmose und Ehrlichiose<br />

– Babesiose<br />

* Der Artikel wurde erstmalig in der «Therapeutischen<br />

Umschau» (2022), 79(9), 426–440 publiziert<br />

und erscheint hier in einer aktualisierten Fassung.<br />

– Zecken-assoziierte Rückfallfieber und<br />

die neu entdeckte Borrelia miyamotoi-Infektion<br />

– seltene Infektionen, die vor allem immunsupprimierte<br />

betreffen: Neoehrlichiose,<br />

Spiroplasmose<br />

– Infektionen, die üblicherweise andere<br />

Transmissionswege haben, aber auch<br />

durch Zecken übertragen werden können:<br />

Tularämie, Q-Fieber, möglicherweise<br />

Bartonellosen.<br />

Zecken<br />

Zecken kommen weltweit vor. Die Verbreitung<br />

der verschiedenen Arten hängt vom<br />

Vorkommen ihrer jeweiligen Wirte und<br />

von Umweltfaktoren wie Temperatur und<br />

Luftfeuchtigkeit ab. Viele Zeckenarten haben<br />

bevorzugte Wirtstiere, andere haben<br />

eine geringe Wirtsspezifität, wie die Ixodes<br />

ricinus-Zecke, die auf über 300 Wirbeltierarten<br />

(darunter Säugetieren, Reptilien und<br />

Vögeln) nachgewiesen wurde.<br />

Zecken sind Arthropoden mit mehrjährigem<br />

Entwicklungszyklus, die ab einer<br />

Temperatur von etwa 7 bis 8 Grad Celsius<br />

aktiv werden. Sie durchlaufen nach<br />

dem Schlüpfen drei Entwicklungsstadien<br />

und zwei Häutungsprozesse: Larve (sechs<br />

Beine, Ixodes: 0.5 × 0.4 mm gross), Nymphe<br />

(acht Beine, 1.2 × 0.8 mm) und Adulte (acht<br />

Beine, 3.8 × 2.6 mm; vollgesogen bis 13 ×<br />

10 mm).<br />

Unterschiedliche Zeckenarten übertragen<br />

unterschiedliche Mikroorganismen<br />

(Tabelle 2). Eine Zeckenart kann mit mehreren<br />

Pathogenen infiziert sein und somit<br />

einen oder gleichzeitig mehrere Erreger<br />

übertragen. Zecken sind meist infektiös<br />

via Saliva, selten via Fäzes (Q-Fieber).<br />

Die Verbreitungsgebiete der Zeckenarten<br />

in Europa sind in Tabelle 2 zusammengestellt<br />

(siehe auch Landkarten der European<br />

Centres for Disease Control [3]). Am<br />

häufigsten kommt in Europa die Schildzecke<br />

(Ixodes sp.) vor, welche verschiedene Bakterien,<br />

Viren und Protozoen übertragen kann.<br />

Die Schildzecken kommen praktisch<br />

überall vor, wo es Pflanzen gibt (bis auf eine<br />

Höhe von zirka 2000 Metern über<br />

Meer), somit auch in Gärten sowie in städtischen<br />

und vorstädtischen Gebieten. Die<br />

Zecken klettern auf Grashalme, Gebüsche<br />

oder herumliegendes Holz und halten sich<br />

meist in einer Höhe von weniger als einem<br />

Meter, häufig sogar nur zwischen 10 und<br />

50 cm über dem Boden auf. Zecken fallen<br />

nicht von Bäumen und können nicht<br />

springen. Ixodes-Zecken warten auf den<br />

Pflanzen und halten sich an Tieren oder<br />

Menschen fest, sobald sie durch Kontakt<br />

von den Pflanzen abgestreift werden.<br />

Demgegenüber krabbeln Dermacentor-,<br />

Haemaphysalis- und Hyalomma-Zecken,<br />

die auch in Europa heimisch sind, aktiv<br />

auf den Menschen zu.<br />

48<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Der Gemeine Holzbock aus der Familie der Schildzecken ist die häufigste Zeckenart in der Schweiz. Neben Lyme-Borreliose und der Frühsommer-<br />

Meningo enzephalitis (FSME) kann er – ebenso wie andere Zeckenarten – auch seltenere Krankheiten übertragen.<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Determinanten von Zeckenübertragenen<br />

Infektionen<br />

Zecken-übertragene Infektionen werden<br />

in den letzten Jahren häufiger [4]. Die Ursachen<br />

für die Zunahme sind vielfältig und<br />

aufgrund multipler und komplexer Interaktionen<br />

zwischen Pathogenen, deren<br />

Tierreservoire, der Vektoren, Mensch und<br />

Umwelt schwierig zu erforschen. Faktoren<br />

wie Landnutzung, Fragmentierung und<br />

andere Veränderungen von Ökosystemen,<br />

Klimaänderungen, Veränderungen der<br />

Epidemiologie der Tierreservoire oder der<br />

Zecken sowie menschliche Verhaltensweisen<br />

können zur erhöhten Wahrscheinlichkeit<br />

einer Exposition der Menschen gegenüber<br />

infizierten Zecken beitragen [5].<br />

Infektionsrisiko<br />

Ixodes sp. ist in 30 – 50 % mit Borrelia burgdorferi,<br />

in Endemiegebieten in 0.1 – 5 % mit<br />

FSME-Viren und in wenigen Prozent auch<br />

mit weiteren Pathogenen infiziert. Das Risiko<br />

für eine Antikörperbildung (Serokonversion)<br />

gegenüber B. burgdorferi nach einem<br />

Zeckenstich beträgt 2.6 – 5.6 %, aber<br />

nur ein kleiner Teil der Infizierten erkrankt.<br />

Insgesamt ist bei 0.3 – 1.4 % der Zeckenstiche<br />

mit einer Lyme-Borreliose zu<br />

rechnen [6 – 8]. Das Risiko für eine Infektion<br />

mit dem FSME-Virus nach Zeckenstich<br />

ist nicht zu beziffern, da viele Infektionen<br />

asymptomatisch oder wenig symptomatisch<br />

verlaufen, ist es aber aufgrund der<br />

tiefen Rate infizierter Zecken in den Endemiegebieten<br />

klein.<br />

Prävention<br />

Eine vollständige Expositionsprophylaxe<br />

ist keine lebens- oder realitätsnahe Strategie.<br />

Verschiedene Massnahmen können<br />

aber das Risiko von Zeckenstichen reduzieren:<br />

Das Tragen geschlossener Kleidung<br />

(feste Schuhe, lange Hosen, lange Ärmel)<br />

erschwert es einer Zecke, eine geeignete<br />

Hautstelle für eine Blutmahlzeit zu finden.<br />

Nach einem Aufenthalt im Freien sollte<br />

der Körper nach Zecken abgesucht und<br />

diese sollten sofort entfernt werden.<br />

Zecken stechen nicht sofort, wenn sie<br />

auf einen Wirt gelangt sind, sondern suchen<br />

zuerst nach einer geeigneten für sie<br />

«geschützten» Stichstelle und saugen in<br />

der Folge über mehrere Tage (Larven: 2 – 4,<br />

Nymphen: 3 – 5, Adulte: 6 – 8 Tage). Häufige<br />

«bevorzugte» Stichstellen umfassen<br />

Haaransatz, Ohren, Hals, Achseln, Ellenbeuge,<br />

Bauchnabel, Genitalbereich, Kniekehle<br />

oder Stellen unter enganliegender<br />

Kleidung. Es dauert ein bis zwei Tage, bis<br />

Borrelien nach dem Stich übertragen werden.<br />

Somit kann durch Absuchen nach<br />

umherlaufenden oder saugenden Zecken<br />

und durch eine möglichst rasche Entfernung<br />

eine mög liche Infektion verhindert<br />

werden. Die Übertragung von FSME-Viren<br />

kann demgegenüber innert Stunden nach<br />

einem Stich erfolgen.<br />

Zur Entfernung von Zecken werden<br />

diese mit einer Pinzette oder einem Zecken<br />

entfernungsinstrument – und falls<br />

nicht vorhanden mit dem Fingernagel –<br />

nahe der Hautoberfläche gefasst und gerade<br />

herausgezogen. Die Haut wird in der<br />

Folge desinfiziert. Falls Teile der Zecken<br />

nicht entfernt werden können, können<br />

diese belassen werden und sollen nicht<br />

chirurgisch entfernt werden.<br />

Die Anwendung von Repellentien (Akarizide)<br />

auf der Haut oder der Kleidung kann<br />

ebenfalls schützen, z. B. Diethyltoluamid<br />

(DEET), welches von schwangeren Frauen,<br />

in der Stillzeit und bei Kindern unter zwei<br />

Jahren nicht angewendet werden soll und<br />

selten auch Allergien hervorrufen kann.<br />

Die aktive Immunisierung gegen FSME<br />

ist erfolgreich. Impfungen gegen die Borreliose<br />

oder andere Zecken-übertragene Infektionen<br />

sind bisher nicht verfügbar.<br />

Eine Untersuchung von entfernten<br />

Zecken auf Infek tionserreger, um Prophylaxe-<br />

oder Therapieempfehlungen abzuleiten,<br />

wird nicht als sinnvoll angesehen.<br />

Ein positiver Nachweis von Pathogenen<br />

in der Zecke lässt nicht darauf schliessen,<br />

dass es zu einer Infektion gekommen<br />

ist und umgekehrt schliesst ein negatives<br />

Ergebnis aufgrund der limitierten Testsensitivität<br />

eine Infektion nicht aus.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 49


Perspektiven<br />

Tabelle 1. Zecken-übertragene Infektionen<br />

Erkrankung Mikroorganismus Vektoren * Endemiegebiete<br />

BAKTERIEN<br />

Borrelia<br />

Lyme-Borreliose Borrelia burgdorferi I. scapularis, I. pacificus, I. ricinus,<br />

I. hexagonus, I. trianguliceps<br />

CH**, Eurasien, Nordamerika<br />

B. afzelii I. ricinus, I. persulcatus CH, Eurasien<br />

B. garinii I. ricinus, I. persulcatus, I. uriae CH, Eurasien<br />

B. valaisiana, B. bavariensis,<br />

B. spielmanii, B. lusitaniae<br />

I. ricinus CH, Eurasien<br />

B. mayonii I. scapularis Nordamerika<br />

Zecken-Rückfallfieber B. miyamotoi I. scapularis, I. pacificus, I. ricinus,<br />

I. persulcatus<br />

CH, Eurasien, Japan, Nordamerika<br />

B. hispanica O. erraticus Spanien, Nordafrika<br />

B. duttonii Ornithodoros sp. Afrika<br />

Anaplasmataceae<br />

Humane granulozytäre<br />

Anaplasmose (HGA)<br />

Anaplasma phagocytophilum<br />

I. ricinus, I. scapularis, I. pacificus,<br />

I. trianguliceps, R. sanguineus<br />

CH, Eurasien, China, Nordamerika<br />

Humane monozytäre<br />

Ehrlichiose (HME)<br />

Ehrlichia chaffeensis A. americanum, D. variabilis Nordamerika<br />

Neoehrlichiose Candidatus Neoehrlichia mikurensis Ixodes sp. CH, Europa, China, Japan<br />

Rickettsia<br />

Mittelmeer-Fleckfieber<br />

( Boutonneuse Fieber)<br />

Rickettsia conorii<br />

(R. conorii subsp. conorii, subsp.<br />

israelensis, subsp. caspia, subsp.<br />

indica)<br />

R. sanguineus Mittelmeerländer<br />

Zeckenbissfieber R. helvetica I. ricinus CH, Europa<br />

Zeckenbissfieber R. massiliae Rhipicephalus sp. Europa, Afrika, Amerika<br />

Zeckenbissfieber R. monacensis Ixodes sp. Europa, Afrika<br />

Afrikanisches<br />

Zeckenbissfieber<br />

R. africae Amblyomma sp. Afrika<br />

Diverse Zeckenbissfieber<br />

(global)<br />

R. japonica, R. australis,<br />

R. sibirica, etc.<br />

Diverse<br />

Asien, Australien, Südamerika,<br />

Nordamerika<br />

Rocky-Mountain-Fleckfieber<br />

(Spotted Fever)<br />

TIBOLA, DEBONEL,<br />

SENLAT ***<br />

Mollicutes<br />

R. rickettsii D. variabilis, D. andersoni,<br />

R. sanguineus)<br />

R. slovaca, R. raoulti I. ricinus, D. marginatus,<br />

D. reticulatus, H. inermis<br />

Nordamerika<br />

CH, Europa<br />

Spiroplasmose Spiroplasma sp. I. ricinus und andere CH, Eurasien, weltweit?<br />

Andere Bakterien<br />

Bartonellose Bartonella henselae Unklar, ob auch durch Zecken übertragen<br />

Q-Fieber Coxiella burnetii Übertragung durch Zecken nicht<br />

bewiesen, aber möglich<br />

Tularämie Francisella tularensis I. ricinus, D. marginatus,<br />

D. reticulatus<br />

CH, weltweit<br />

CH, weltweit<br />

CH, Nordhalbkugel<br />

50<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Tabelle 1. Zecken-übertragene Infektionen (Fortsetzung)<br />

Erkrankung Mikroorganismus Vektoren * Endemiegebiete<br />

PROTOZOEN<br />

Borrelia<br />

Babesiose Babesia microti I. scapularis, I. pacificus, H. inermis CH, Europa, Nordamerika<br />

B. divergens I. ricinus CH, Europa, Nordamerika<br />

B. venatorum (früher: Babesia sp.<br />

EU1)<br />

I. ricinus CH, Europa, China<br />

VIREN<br />

Virale Zecken-Enzephalitis<br />

Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus<br />

(FSME)<br />

FSME Virus (Tick-Borne<br />

Encephalitis Virus; Flaviviridae)<br />

I. ricinus, I. persulcatus CH, Eurasien<br />

Louping-ill Louping-ill-Virus (Flaviviridae) I. ricinus Schottland, Irland<br />

Zecken-Enzephalitis Deer Tick Virus (Flaviviridae) I. scapularis Nordamerika<br />

Powassan Virus (Flaviviridae) I. scapularis, I. cookei Ost-Russland, Nordamerika<br />

Bhanjavirus (und Subtyp<br />

« Palma Virus») (Bunyaviridae)<br />

Thogotovirus (Orthomyxoviridae)<br />

Haemaphysalis sp., Dermacentor sp.,<br />

Rhipicephalus sp., Boophilus sp.,<br />

Amblyomma sp.<br />

Amblyomma sp., Ixodes sp.,<br />

Boophilus sp., Hyalomma sp.,<br />

Rhipicephalus sp.<br />

Osteuropa, Italien, Portugal<br />

Portugal, Sizilien, Iran,<br />

Zentralafrika<br />

Tribec Virus (Synonym:<br />

Lipovnikvirus) (Reoviridae)<br />

I. ricinus Osteuropa, Russland, Italien<br />

Virale hämorrhagische Zeckenbissfieber<br />

Eyachvirus (Reoviridae) I. ricinus, I. ventalloi Deutschland, Frankreich,<br />

Niederlande, Tschechien<br />

Alkhurma Hämorrhagisches<br />

Fieber<br />

Alkhurma Hämorrhagisches Fieber<br />

Virus (Flaviviridae)<br />

Ornithodoros sp.<br />

Saudi-Arabien<br />

Kyasanur Forest<br />

Hämorrhagisches Fieber<br />

Kyasanur Forest Virus (Flaviviridae) Haemaphysalis sp. Indien<br />

Omsker Hämorrhagisches<br />

Fieber<br />

Heartland Hämorrhagisches<br />

Fieber<br />

Omsker Hämorrhagisches Fieber<br />

Virus (Flaviviridae)<br />

Heartland Virus<br />

(Bunyaviridae, Phlebovirus)<br />

D. reticulatus Russland<br />

A. americanum Nordamerika<br />

Krim-Kongo-<br />

Hämorrhagisches- Fieber<br />

Krim-Kongo Hämorrhagisches<br />

Fieber Nairovirus (Bunyaviridae)<br />

Hyalomma sp., R. sanguineus, und<br />

andere<br />

Ost-, Südeuropa, Mittelmeerländer,<br />

Mittlerer Osten, Afrika, Asien<br />

Severe Fever with<br />

Thrombocytopenia<br />

Severe Fever with Thrombocytopenia<br />

Syndrome Virus (SFTSV)<br />

(Hualyangshan Virus, Bunyaviridae,<br />

Phlebovirus)<br />

H. longicornis China, Japan, Südkorea<br />

Bourbon Hämorrhagisches<br />

Fieber<br />

Bourbon Virus (Orthomyxoviridae) A. americanum Nordamerika<br />

Virale Zeckenbissfieber<br />

Colorado Zeckenbissfieber<br />

Colorado Tick Fever Virus<br />

( Reoviridae)<br />

D. andersoni Nordamerika<br />

Alongshan Zeckenbissfieber<br />

Alongshan Virus (ALSV)<br />

(Flaviviridae)<br />

Ixodes sp.<br />

CH, Nordchina, Finnland, Russland,<br />

Frankreich, Deutschland<br />

Anmerkungen: * A. (Amblyomma), D. (Dermacentor), H. (Haemaphysalis), I. (Ixodes), O. (Ornithodoros oder Ornithodorus), R. (Rhipizephalus);<br />

** CH, Schweiz; *** Syndrome mit Eschar und Lymphadenopathie wurden unter folgenden Akronymen beschrieben: TIBOLA (TIck-BOrne<br />

LymphAdenopathy); DEBONEL (DErmacentor-BOrne Necrosis Erythema and Lymphadenopathy); SENLAT (Scalp Eschar and Neck LymphAdenopathy<br />

after Tick bite»).<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 51


Perspektiven<br />

In den USA wird in Hochendemiegebieten<br />

von B. burgdorferi nach einem<br />

Zeckenbiss eine Sekundärprophylaxe mit<br />

200 mg Doxycyclin als Einzeldosis empfohlen.<br />

In Europa wird keine derartige<br />

Antibiotikaprophylaxe durchgeführt, weil<br />

der mögliche Nutzen die Nachteile (Schädigung<br />

des Mikrobioms, Resistenzentwicklung,<br />

Toxizität) nicht aufwiegt.<br />

Zecken-assoziierte<br />

Krankheitsbilder<br />

Die Lyme-Borreliose und die FSME werden<br />

in anderen Artikeln besprochen.<br />

Anaplasmose und Ehrlichiose<br />

Anaplasma phagocytophilum sind Zecken-übertragene<br />

Bakterien, die Granulozyten<br />

infizieren und die humane granulozytäre<br />

Anaplasmose (HGA) verursachen<br />

(früher humane granulozytäre Ehrlichiose<br />

[HGE] genannt); Ehr lichia chaffeensis infiziert<br />

Monozyten und ist Ursache der humanen<br />

monozytären Ehrlichiose (HME).<br />

Epidemiologie<br />

A. phagocytophilum kommt in Nordamerika<br />

und Eurasien vor und wurde in<br />

1.4 – 11.9 % von Ixodes-Zecken in der<br />

Schweiz [9, 10] sowie in zahlreichen<br />

Wirtstieren nachgewiesen. Koinfektionen<br />

mit mehr als einem potentiell humanpathogenen<br />

Erreger finden sich in rund 5 %<br />

der untersuchten Zecken [11]. Seroepidemiologische<br />

Studien in Europa und der<br />

Schweiz zeigen eine durchschnittliche<br />

Prävalenz von rund 8 % seropositiven Personen<br />

[12, 13]. Trotz dieses ubiquitären<br />

Vorkommens des Erregers in Zecken und<br />

Tierreservoiren wurden demgegenüber<br />

erst ein paar hundert Fälle von klinisch<br />

manifester HGA in Europa publiziert. Es<br />

bleibt unklar, ob die Erkrankung nicht erfasst<br />

oder unterdiagnostiziert wird, ob die<br />

Europäischen Anaplasmen weniger pathogen<br />

sind oder ob die Infektion fast immer<br />

so milde verläuft, dass sie diagnostisch<br />

nicht gesucht wird. Falls die Erkrankung<br />

zusammen mit einer Lyme-Borreliose auftritt,<br />

wird sie möglicherweise nicht entdeckt,<br />

da sie auf Tetrazykline anspricht,<br />

die für die Behandlung der Lyme-Borreliose<br />

eingesetzt werden. In einer Studie in der<br />

Schweiz, die 75 Personen mit Fieber nach<br />

einem dokumentierten Zeckenstich untersuchte,<br />

wurde eine HGA bei 7 (10 %) Patienten<br />

diagnostiziert [14]. E. chaffeensis ist nur<br />

in Nordamerika prävalent.<br />

Klinik<br />

Die HGA-Infektion verläuft oftmals asymptomatisch<br />

oder wenig symptomatisch.<br />

Die HGA manifestiert sich – nach einer<br />

Inkubationszeit von 5 – 14 Tagen – als<br />

unspezifische fieberhafte Erkrankung mit<br />

Allgemeinsymptomen (Kopfschmerzen,<br />

Myalgien, Arthralgien, Übelkeit), seltener<br />

mit einem makulopapulösen oder petechialen<br />

Exanthem und sehr selten mit<br />

Meningitis. Infektionen mit Toxic- Shockähnlichen<br />

Verläufen und Todesfälle (in<br />

USA 0.6 %) sind vor allem bei immundefizienten<br />

Personen beschrieben. Klassischerweise<br />

zeigt sich im Labor eine transiente<br />

Leukozytopenie, Thrombozytopenie<br />

und eine leichte Transaminasenerhöhung.<br />

Bisher sind keine chronischen Verläufe<br />

oder Spätmanifestationen bekannt.<br />

Koinfektionen mit anderen gleichzeitig<br />

Zecken-übertragenen Erregern wurden<br />

beschrieben [15].<br />

Diagnostik<br />

Mittels Mikroskopie eines nach Wright-<br />

Giemsa gefärbten Blutausstrichs können<br />

in der akuten Phase einer HGA sogenannte<br />

Morulae im Zytoplasma von Granulozyten<br />

visualisiert werden (Sensitivität 25 – 75 %).<br />

In Vollblut kann Erreger-DNA mittels Polymerasekettenreaktion<br />

(PCR; Sensitivität<br />

60 – 90 %) nachgewiesen werden. Die Kultivierung<br />

gelingt nicht in Routinekulturen,<br />

sondern nur in speziellen Zellkultursystemen.<br />

Im Verlauf einer Infektion kann mittels<br />

Serologie (Immunfluoreszenz, Sensitivität<br />

90 %, ab 2. Krankheitswoche) eine<br />

Serokonversion oder ein vierfacher Antikörpertiteranstieg<br />

diagnostisch sein.<br />

Therapie<br />

Therapie der Wahl ist Doxycyclin 2 ×<br />

100 mg peroral für 10 – 14 Tage; bei Kindern<br />

fünf bis sieben Tage. Bei schwerer Erkrankung<br />

von Kindern ist Doxycyclin die<br />

Therapie der Wahl. Schwangere und Kinder<br />

wurden vereinzelt erfolgreich mit Rifampicin<br />

behandelt (20 mg / kg / Tag, maximal<br />

600 mg in zwei Dosen; Erwachsene 2 ×<br />

300 mg peroral für fünf bis sieben Tage).<br />

Rickettsiosen<br />

Rickettsien sind gramnegative Bakterien<br />

mit einem ausschliesslich intrazellulären<br />

Vermehrungszyklus, welche vor allem die<br />

vaskulären Endothelzellen von verschiedenen<br />

Zielorganen infizieren. Rund 30 humanpathogene<br />

Arten kommen weltweit in<br />

je unterschiedlichen geogra fischen Gebieten<br />

vor, entsprechend den Verbreitungsgebieten<br />

der Vektoren. Die Klassifizierung<br />

der Rickettsiosen umfasst vier Biogruppen:<br />

«Spotted Fever Biogroup» (Zeckenbissfieber-Gruppe;<br />

Transmission durch<br />

verschiedenste Zeckenarten), «Typhus<br />

Group» (Fleckfiebergruppe, Transmission<br />

durch Läuse und Flöhe), «Transitional<br />

Group» und «Scrub Typhus Biogroup»<br />

(Tsutsugamushi-Fiebergruppe).<br />

Epidemiologie<br />

Autochthone Zecken-assoziierte Infektionen<br />

durch Rickettsien sind in Mitteleuropa<br />

selten. Die überwiegende Anzahl<br />

von Rickettsiosen betrifft Reisende in den<br />

Mittelmeerraum (R. conorii, «Mittelmeer-<br />

Fleckfieber», «Mittelmeer-Zeckenbissfieber»,<br />

«Boutonneuse-Fieber») oder in andere<br />

Kontinente (R. africae und zahlreiche<br />

andere Arten in verschiedenen geografischen<br />

Orten). R. helvetica wird in Mitteleuropa<br />

sehr häufig in Ixodes-Zecken nachgewiesen;<br />

in der Schweiz in bis zu 25 % [10,<br />

11]. Die klinische Relevanz einer Infektion<br />

mit R. helvetica ist nicht geklärt, dürfte<br />

aber möglicherweise zum Teil für fieberhafte<br />

Erkrankungen nach Zeckenstich ursächlich<br />

sein [14]. Im Kanton Tessin<br />

(Schweiz) wurden mit R. slovaca infizierte<br />

Dermacentor marginatus-Zecken identifiziert<br />

[16]; R. monacensis wurde in Ixodes-Nymphen<br />

[11, 17] und R. massiliae<br />

in Rhipicephalus-Zecken entdeckt [2, 16],<br />

wobei in der Schweiz bisher nie über<br />

solche Infektionen berichtet wurde. R. rickettsii<br />

als Ursache des Rocky-Mountain-<br />

Fleckfiebers (engl. Rocky Mountain Spotted<br />

Fever) ist in Nordamerika endemisch.<br />

Klinik<br />

Rickettsiosen manifestieren sich häufig<br />

mit Fieber und unterschiedlichen Exanthemen.<br />

Folgende Symptomenkomplexe<br />

werden beobachtet [2]:<br />

– asymptomatische oder sehr milde Infektionen<br />

– Fieber mit Kopfschmerzen und zum<br />

Teil starken Myalgien plus meist ein<br />

Exanthem, aber nicht immer<br />

– Fieber mit Allgemeinbeschwerden plus<br />

Primärläsion nach Stich der Zecke<br />

(Eschar, Tâche noire) plus makulopapulöses<br />

Exanthem (z. B. Mittelmeer-Fleckfieber<br />

/Boutonneuse-Fieber, Afrikanisches<br />

Zeckenbissfieber)<br />

– Fieber mit petechialem Exanthem (z. B.<br />

Rocky Mountain Spotted Fever)<br />

– Syndrome mit Eschar und Lymphadenopathie,<br />

welche «Tick-borne Lymphadenopathy»<br />

(TIBOLA), «Dermacentorborne<br />

Necrosis Erythema and Lymphadenopathy»<br />

(DEBONEL) oder «Scalp<br />

52<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Eschar and Neck LymphAdenopathy after<br />

Tick bite» (SENLAT) genannt und<br />

durch R. slovaca oder R. raoultii verursacht<br />

werden [18].<br />

Das Mittelmeer-Fleckfieber (R. conorii)<br />

manifestiert sich nach einer Inkubationszeit<br />

von ungefähr sechs Tagen mit abrupt<br />

beginnendem hohem Fieber und Allgemeinsymptomen<br />

wie Müdigkeit, Muskelund<br />

Gelenkschmerzen. An der Stichstelle<br />

der Zecke entsteht ein Eschar (sichtbar in<br />

bis zu 70 % der Erkrankten), der zusammen<br />

mit der Reiseanamnese und dem<br />

Exanthem auf die Diagnose hinweist. Das<br />

generalisierte makulopapulöse Exanthem<br />

tritt etwa vier Tage nach Fieberbeginn<br />

auf, kann seltenerweise auch petechial erscheinen,<br />

wird bei über 95 % der Erkrankten<br />

manifest und kann auch Handflächen<br />

und Fusssohlen involvieren, spart aber<br />

das Gesicht aus. Die meisten Erkrankten<br />

bessern sich ohne Therapie nach etwa<br />

zehn Tagen, während aber das Exanthem<br />

dann oft noch 10 – 20 Tage sichtbar bleiben<br />

kann. Schwere Formen – vor allem bei<br />

Vorliegen von Grunderkrankungen wie<br />

Glucose- 6-Phosphat-Dehydro ge nase-<br />

Mangel, Alkoholismus, Immunsuppression,<br />

Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankungen<br />

– kommen etwa bei<br />

5 – 6 % der Erkrankten vor und die Mortalität<br />

beträgt 2 %.<br />

Die Ansteckung mit dem Afrikanischen<br />

Zeckenbissfieber (R. africae) geschieht oft<br />

in verschiedenen Nationalparks Südafrikas.<br />

Reisende streifen die aggressiv nach<br />

Wirten suchenden Amblyomma-Zecken<br />

von Gräsern ab und es sind zum Teil<br />

mehrere Eschar gleichzeitig zu sehen,<br />

da es oft zu mehreren Zeckenstichen<br />

(durch mehrere Zecken) kommt. Regional<br />

tritt eine Lymphadenopathie auf. Die<br />

Er krankung verläuft ansonsten ähnlich<br />

wie das Mittelmeer-Fleckfieber, meist jedoch<br />

etwas milder.<br />

Die Symptomatik des Rocky Mountain<br />

Spotted Fever umfasst Fieber, Kopfweh,<br />

Myalgien, Nausea, Erbrechen und Abdominalschmerzen.<br />

Ein petechiales Exanthem<br />

ist häufig, kann aber oft erst verzögert<br />

sichtbar werden. Das Exanthem<br />

beginnt an Handgelenken und Sprunggelenken<br />

bevor es zu einer proximalen<br />

Ausbreitung kommt; Hand- und Fussflächen<br />

können im späteren Verlauf involviert<br />

werden. Hautnekrosen, Fingergangrän,<br />

neurologische Komplikationen<br />

und Lungenödem mit ARDS (Acute Respiratory<br />

Distress Syndrome) sind Zeichen einer<br />

schweren Infektion.<br />

Bei den auch in Mitteleuropa vorkommenden<br />

Syndromen mit Eschar und<br />

Lymphadenopathie befindet sich der<br />

Eschar oft im Haarboden und zervikal tritt<br />

eine Lymphadenopatie auf.<br />

Diagnostik<br />

Der direkte molekulare Erregernachweis<br />

aus EDTA-Blut oder Hautbiopsien kann<br />

mittels gattungsspezifischer oder speziesspezifischer<br />

PCR-Verfahren in der akuten<br />

Phase in rund 70 % gelingen. Bei den serologischen<br />

Untersuchungsverfahren ab der<br />

zweiten Erkrankungswoche ist die Immunfluoreszenz<br />

sensitiv und spezifisch,<br />

währenddem die ELISA-Systeme weniger<br />

verlässlich sind. Zur Differenzierung der<br />

Antikörper zwischen einzelnen Mitgliedern<br />

innerhalb einer Fleckfieber-Gruppe<br />

müssen spezielle Westernblot-Verfahren<br />

angewandt werden, die nur in wenigen<br />

Laboratorien verfügbar sind. Rickettsien<br />

können in verschiedenen Zellkulturen angezüchtet<br />

werden; die Kultur ist jedoch<br />

schwierig und spezialisierten Laboratorien<br />

vorbehalten.<br />

Therapie<br />

Die Therapie aller Formen der Rickettsiosen<br />

erfolgt mit Doxycyclin 2 × 100 mg täglich<br />

für 3 bis 14 Tage, je nach Schweregrad<br />

der Erkrankung. Das Antibiotikum kann<br />

drei Tage nach klinischer Besserung gestoppt<br />

werden. Bei Kontraindikationen,<br />

Schwangeren oder bei Kindern kann bei<br />

leichten Verlaufsformen auch Azithromycin<br />

500 mg für fünf bis sieben Tage eingesetzt<br />

werden. Bei schweren Formen soll<br />

auch bei Schwangeren und Kindern Doxycyclin<br />

vorgezogen werden, das zunehmend<br />

bei diesen Patientengruppen als sicher<br />

angesehen wird [19]. Chinolone sollen<br />

nicht eingesetzt werden, da Therapieversagen<br />

häufig sind und Resistenzen<br />

gegen die Substanzklasse vorkommen.<br />

Zecken-Rückfallfieber und<br />

B. miyamotoi-Infektion<br />

Es werden zwei Formen des Rückfallfiebers<br />

unterschieden: 1) das Läuse-Rückfallfieber<br />

(epidemisches Rück fallfieber) und<br />

2) das Zecken-übertragene (endemische)<br />

Rückfallfieber, welches durch über 20 bekannte<br />

humanpathogene Spirochäten<br />

(Borrelia sp.) verursacht wird, die in Mitteleuropa<br />

aber nicht vorkommen. Kürzlich<br />

wurde die vorher unbekannte B. miyamotoi-Infektion<br />

beschrieben, welche in den<br />

Verbreitungsgebieten der Lyme-Borreliose<br />

endemisch ist.<br />

Epidemiologie<br />

Die durch Ornithodoros-Lederzecken («Soft<br />

Ticks») übertragenen Rückfallfieber-Borrelia<br />

sp. werden in «Alte Welt»- (B. hispanica,<br />

B. duttonii, B. crocidurae u. a.) und «Neue<br />

Welt»-Arten (B. hermsii, B. turicatae u. a.)<br />

eingeteilt. B. hispanica ist auf der Iberischen<br />

Halbinsel und in Marokko endemisch.<br />

Infektionen durch B. miyamotoi, die<br />

phylogenetisch mit den Rückfallfieber-Borrelien<br />

verwandt ist und durch Ixodes-Zecken<br />

übertragen wird, wurden erstmals<br />

2011 in Russland und in der Folge in<br />

Nordamerika, Europa und Japan beschrieben<br />

[20]. In der Schweiz wurde der Erreger<br />

in 2.5 % (städtische Gebiet und Agglomerationen)<br />

und in 4.2 % (Westschweiz) von gesammelten<br />

Zecken nachgewiesen [10, 11].<br />

Klinik<br />

Abhängig von der Borrelien-Art und Komorbiditäten<br />

verläuft das Lederzecken-assoziierte<br />

Rückfallfieber mild bis schwer<br />

und das Spektrum klinischer Manifestationen<br />

ist breit. Das Rückfallfieber manifestiert<br />

sich nach einer Inkubationszeit von<br />

4 – 18 Tagen mit einem plötzlichen Krankheitsbeginn<br />

und schwerem Krankheitsgefühl.<br />

Mit den wiederkehrenden Fieberschüben<br />

mit Schüttelfrost und starken<br />

Kopfschmerzen werden häufig Arthralgien,<br />

Myalgien, trockener Husten und<br />

abdominelle Schmerzen beobachtet. Die<br />

Fieberattacken dauern drei bis sieben<br />

Tage und werden gefolgt von fieberfreien<br />

Intervallen von einigen Tagen bis Wochen,<br />

durchschnittlich 4 – 14 Tage. Beim Läuse-<br />

Rückfallfieber ist das Krankheitsbild in<br />

der Regel schwerer als beim Zecken-Rückfallfieber;<br />

bei Letzterem kommen auch<br />

weniger Organmanifestationen wie Splenomegalie,<br />

Hepatomegalie, respiratorische<br />

Symptome oder eine Beteiligung des<br />

Zentralnervensystems vor [21].<br />

Die häufigsten Symptome bei der B.<br />

miyamotoi-Infek tion («Hard Tick-borne Relapsing<br />

Fever») – nach einer Inkubationsperiode<br />

von 12 – 16 Tagen – sind Fieber, Fatigue,<br />

Kopfschmerzen, Frösteln, Myalgien,<br />

Arthralgien und Nausea. Schwere Verläufe<br />

einschliesslich Meningoenzephalitis wurden<br />

beobachtet. Das Krankheitsbild manifestiert<br />

sich unspezifisch und soll differenzialdiagnostisch<br />

bei fieberhaften Erkrankungen<br />

in geografischen Gebieten erwogen<br />

werden, wo auch die Lyme-Borreliose endemisch<br />

ist [22]. Ein Rückfallfiebermuster<br />

wurde in den USA bei 4 % [23] und in der<br />

initialen Publikation aus Russland bei 11 %<br />

[24] der Erkrankten beobachtet; möglicherweise<br />

wäre ein wiederkehrendes Fieber<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 53


Perspektiven<br />

häufiger, wenn bei den beschriebenen Fallserien<br />

nicht (frühzeitig) antibiotisch behandelt<br />

worden wäre. Leukozytopenie,<br />

Thrombozytopenie und erhöhte Transaminasen<br />

wurden beschrieben.<br />

Diagnostik<br />

Der mikroskopische Direktnachweis von<br />

Borrelien im Blutausstrich ist die verfügbare<br />

Diagnostik der Wahl, bedingt aber<br />

erfahrene Mikroskopierende. Serologische<br />

Tests sind nicht verfügbar. Molekulare<br />

Methoden oder die Kultur in Spezialmedien<br />

werden nur in wenigen Labors durchgeführt.<br />

Therapie<br />

Bei schwerem Rückfallfieber sind intravenöses<br />

Penicillin G oder Ceftriaxon die<br />

Therapie der Wahl. Amoxicillin ist weniger<br />

wirksam. Im Verlauf oder bei milderen<br />

Erkrankungen wird Doxycyclin, bei Kontraindikationen<br />

Azith romycin, eingesetzt.<br />

Innerhalb von Stunden nach Beginn einer<br />

antibiotischen Therapie kann eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion<br />

mit Fieber<br />

und mit akuter schwerer Exazerbation der<br />

Symptomatik auftreten [21].<br />

Bei der B. miyamotoi-Infektion scheinen<br />

Doxycyclin, Amoxicillin und Ceftriaxon<br />

effektive Therapieoptionen [22].<br />

Babesiose<br />

Die Babesiose wird durch die Protozoen<br />

Babesia microti, B. divergens und andere<br />

Babesienarten verursacht, welche die Erythrozyten<br />

infizieren und meist durch Zecken,<br />

aber selten auch durch Bluttransfusionen<br />

oder transplazentar übertragen<br />

werden. In den Oststaaten der USA ist das<br />

Risiko relevant, dass eine mit B. microti<br />

infizierte Person Blut spendet, da diese Infektion<br />

über Monate im Blut persistieren<br />

und asymptomatisch verlaufen kann.<br />

Epidemiologie<br />

Die häufigste humanpathogene Art, B. microti,<br />

kommt vor allem in den nordöstlichen<br />

und mittelwestlichen Staaten der<br />

USA und sporadisch in anderen Ländern<br />

der nördlichen Hemisphäre vor. Obwohl<br />

der Erreger auch in Zecken und Tierreservoire<br />

in Europa und der Schweiz nachgewiesen<br />

wurde [25, 26], wurden in Europa<br />

erst anekdotische Fallbeschreibungen von<br />

humanen B. microti-Infektionen publiziert<br />

[27]. In Europa wurden bisher weniger als<br />

100 Kasuistiken von Babesiosen publiziert,<br />

die vor allem durch B. divergens, Babesia<br />

venatorum (auch Babesia sp. EU1 genannt)<br />

sowie vereinzelt durch eine neuartige Babesia<br />

crassa-like Babesienart verursacht<br />

wurden [28 – 30].<br />

Klinik<br />

Die Infektion verläuft bei Immungesunden<br />

oft asymptomatisch, kann aber auch<br />

zu schweren Erkrankungen und zum Tod<br />

führen. Die klinische Präsentation ist –<br />

nach einer Inkubationszeit von einer bis<br />

vier Wochen – meist ein unspezifisches<br />

febriles Krankheitsbild [31]. Die Erkrankung<br />

beginnt mit Prodromi wie Müdigkeit<br />

und Malaise, gefolgt von Fieber mit unterschiedlichen<br />

Allgemein beschwerden<br />

wie Frösteln, Schwitzen, Kopfschmerzen,<br />

Myalgien und Arthralgien, Nausea, trockener<br />

Husten und zum Teil Abdominalbeschwerden.<br />

Labormässig steht eine hämolytische<br />

Anämie im Vordergrund; die<br />

Leberenzyme sind oft etwas erhöht und<br />

zum Teil wird eine Thrombozytopenie beobachtet.<br />

Bei splenektomierten, immundefizienten<br />

oder älteren Personen kann es<br />

zu schwersten Infektionen mit pulmonalen<br />

Komplikationen, disseminierter intravasaler<br />

Gerinnung, Herzinsuffizienz, Milzruptur<br />

und Koma kommen, die zum Tod<br />

führen können. Koinfektionen mit gleichzeitig<br />

anderen Zecken-übertragenen Infektionen<br />

wurden beobachtet.<br />

Diagnostik<br />

Die Diagnose erfolgt mittels Mikroskopie<br />

eines nach Wright- Giemsa gefärbten<br />

Blutausstrichs. Die Parasiten finden sich<br />

intraerythrozytär und können mit Malariaparasiten<br />

verwechselt werden. Der molekulare<br />

DNA- Nachweis oder Serologien<br />

(Immunfluoreszenz) werden in Speziallabors<br />

angeboten. Eine Serokonversion oder<br />

ein vierfacher Titeranstieg sind diagnostisch,<br />

was aber erst im Verlaufe der Infektion<br />

nach Antikörperbildung beobachtet<br />

werden kann. Bei schweren Krankheitsbildern<br />

ist somit die schnelle Mikroskopie<br />

des Blutbildes entscheidend.<br />

Therapie<br />

Bei leichten bis mittelschweren Infektionen<br />

werden Atovaquon 2 × 750 mg plus<br />

Azithromycin 500 bis 1000 mg peroral für<br />

sieben bis zehn Tage oder Clindamycin<br />

plus Chinin eingesetzt. Bei schweren Erkrankungen<br />

werden intensivmedizinische<br />

Massnahmen, Austauschtransfusionen<br />

und verschiedene Medikamentenkombinationen<br />

eingesetzt [32].<br />

Zecken-übertragene virale Infektionen<br />

Die virologische Taxonomie der Zeckenübertragenen<br />

Viren umfasst ein diverses<br />

Spektrum von Viren aus sechs Familien:<br />

Flaviviridae, Bunyaviridae, Orthomyxoviridae,<br />

Rhabdoviridae, Reoviridae und Asfarviridae<br />

(kein humanpathogener Vertreter:<br />

Afrikanisches Schweinepestvirus). Klinisch<br />

verursachen die Viren fieberhafte Erkrankungen,<br />

Meningoenzephalitis oder hämorrhagische<br />

Fieber [33 – 36].<br />

Virale Zecken-Enzephalitis<br />

Epidemiologie<br />

In Tabelle 1 sind eine Auswahl von Zeckenenzephalitis-Viren,<br />

deren Vektoren und<br />

ihre Verbreitungsgebiete dargestellt. Abgesehen<br />

von der in Europa häufigen FSME<br />

treten die anderen viralen Infektionen<br />

sporadisch in lokalisierten Endemiegebieten<br />

auf und werden wohl aufgrund einer<br />

nicht zugänglichen Erreger-spezifischen<br />

Diagnostik oft nicht virologisch klassifiziert.<br />

Klinik<br />

Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch<br />

oder mild oder klingen nach einer<br />

Fieberphase ab; andere verlaufen zweiphasig,<br />

mit einer initialen Fieberphase, gefolgt<br />

– nach einer afebrilen Periode – von<br />

einer meningoenzephalitischen Phase.<br />

Akute meningitische oder enzephalitische<br />

Erkrankungen sind ebenfalls möglich.<br />

Die meningoenzephalitischen Erkrankungen<br />

manifestieren sich als lymphozytäre<br />

Meningitis oder Enzephalitis<br />

mit Bewusstseinseinschränkungen und<br />

manchmal neurologischen Ausfällen. Zur<br />

Differenzialdiagnostik gehört eine exakte<br />

Reiseanamnese.<br />

Die Klinik einer menschlichen Louping-ill-Infektion<br />

ähnelt der zentraleuropäischen<br />

FSME, verläuft ebenfalls in zwei<br />

Phasen, aber milder. Die Eyach-Virus-Infektion<br />

manifestiert sich mit Fieber, Kopfund<br />

Gliederschmerzen. Bei etwa der Hälfte<br />

der Erkrankten kommt es zu einer zweiten<br />

Phase mit Meningitis, Orchitis, Myokarditis<br />

und Magen-Darmblutungen. Die<br />

Bhanjavirus-Infektion ist eine fieberhafte<br />

Erkrankung mit Meningoenzephalitis und<br />

Paresen. Tribecvirus und Lipovnikvirus<br />

verursachen eine fieberhafte Erkrankung<br />

mit aseptischer Meningoenzephalitis. Das<br />

Alongshan-Virus als Ursache einer fieberhaften<br />

Erkrankung wurde kürzlich erstmals<br />

in China beschrieben [37]. Inzwischen<br />

wurde das Virus auch in der Schweiz<br />

[38, 39] und anderen europäischen Ländern<br />

in Ixodes-Zecken gefunden. Ob und<br />

wie häufig das Virus auch in Europa zu febrilen<br />

Erkrankungen führt, ist zurzeit unbekannt.<br />

54<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Diagnostik<br />

Eine Erreger-spezifische molekulare Diagnostik<br />

erfolgt aus Blut oder Liquor, die aber<br />

meist nur in Speziallabors durchgeführt<br />

wird. In der Phase der Enzephalitis oder<br />

Meningitis sind die molekularen Tests<br />

zum Teil negativ, da es sich um eine immunologische<br />

Reaktion handelt und die Viren<br />

nicht mehr nachweisbar sind. Verschiedene<br />

Viren können in Zellkultursystemen<br />

isoliert werden. Spezifische serologische<br />

Tests sind – ausser zum Nachweis einer<br />

FSME – nicht breit verfügbar.<br />

Therapie<br />

Eine kausale antivirale Therapie ist nicht<br />

bekannt.<br />

Krim-Kongo und andere virale<br />

hämorrhagische Zeckenbissfieber<br />

Die Zecken-übertragenen hämorrhagischen<br />

Fieber werden in Tabelle 1 aufgelistet.<br />

Die Differenzialdiagnose erfordert eine<br />

präzise Reise- und Berufsanamnese.<br />

Das Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fiebervirus<br />

(KKHFV) wird durch Zecken, nosokomial<br />

durch Sekrete von Erkrankten oder<br />

kontaminierte Gegenstände sowie durch<br />

Blut und Sekrete von Tieren (nicht aber<br />

Fleisch) übertragen. Ziel zellen des Virus<br />

sind mononukleäre Phagozyten, Endothelzellen<br />

und Hepatozyten.<br />

Epidemiologie<br />

Das im Mittelmeerraum, in Osteuropa, Afrika<br />

und Asien endemische KKHFV ist zwar<br />

in Europa selten, aber differenzialdiagnostisch<br />

relevant, da es eine erhebliche Sterblichkeit<br />

verursacht und auch von erkrankten<br />

Personen oder infizierten Tieren auf<br />

andere Menschen übertragen werden kann.<br />

Der Zecken-Vektor ist Hyalomma sp. [40,<br />

41]. Beruflich exponierte Personen arbeiten<br />

in der Tierzucht, im Schlachthof oder der<br />

Veterinärmedizin. Folgende Länder Eurasiens<br />

haben KKHF gemeldet: Albanien, Armenien,<br />

Bulgarien, Griechenland, Kazakhstan,<br />

Kosovo, Russland, Serbien, Spanien,<br />

Tajikistan, Türkei, Turkmenistan, Ukraine,<br />

Usbekistan. Zwischen 2008 und 2020 wurden<br />

von den Europäischen Centres for Disease<br />

Control in Europa jährlich zwischen<br />

2 und 14 Erkrankungen erfasst [42].<br />

Klinik<br />

Die KKHFV-Infektion kann asymptomatisch<br />

oder subklinisch verlaufen. Nach einer<br />

Inkubationsperiode von ein bis neun<br />

Tagen (bis über 50 Tage sind berichtet)<br />

präsen tieren sich symptomatische Personen<br />

vorerst mit einer unspezifischen fieberhaften<br />

Erkrankung mit Myalgien,<br />

Schwindel, Lichtempfindlichkeit, Nausea<br />

und Abdominalschmerzen. Nach dieser<br />

prähämorrhagischen Phase können Petechien,<br />

Ekchymosen, Schleimhautblutungen,<br />

Nasenbluten, Blutungen im Gastrointestinaltrakt,<br />

in den Harnwegen, Atemwegen<br />

und dem Zentralnervensystem, eine<br />

nekrotisierende Hepatitis und konsekutiv<br />

ein Multiorganversagen auftreten, mit einer<br />

Sterblichkeit von 5 % (und höher). Die<br />

lange Genesungsphase ist charakterisiert<br />

durch Leistungsintoleranz, Kopfschmerzen,<br />

Schwindel, Gemütsschwankungen,<br />

zum Teil Aggressivität, Tachykardie, Polyneuropathie,<br />

Hör- und Visusverminderung<br />

oder kognitiven Funktionseinbussen.<br />

Diagnostik<br />

Das Virus kann bis 10 – 15 Tage nach Infektion<br />

mittels molekularer Methoden direkt<br />

nachgewiesen werden. Eine spezifische<br />

IgM-Antikörperantwort beginnt ab Tag<br />

fünf. Die Serokonversion oder ein vierfacher<br />

IgG-Titeranstieg unterstützen die Diagnose,<br />

kommen aber für die zeitnahe Patientenbetreuung<br />

zu spät. Probenmaterial<br />

muss unter Biosicherheitsmassnahmen<br />

entnommen und verarbeitet werden.<br />

Therapie<br />

Die Therapie ist primär eine supportive.<br />

Oral oder intravenös verabreichtes Ribavirin<br />

wurde als antivirale Behandlung verwendet,<br />

aber ohne klare Evidenz. Der Stellenwert<br />

von Rekonvaleszentenserum wird<br />

reevaluiert.<br />

Tularämie<br />

Die im Volksmund «Hasenpest» genannte<br />

bakterielle Infektion durch Francisella tularensis<br />

ist eine Zoonose, die verschiedene<br />

Übertragungswege hat: Zecken- oder Insektenstich;<br />

direkter Kontakt mit infizierten<br />

Tieren oder Kadavern; oder Inhalation<br />

oder Kontakt mit kontaminiertem Staub<br />

oder Wasser.<br />

Epidemiologie<br />

In der Schweiz untersteht die Tularämie<br />

der Meldepflicht. Bei rund 45 % der gemeldeten<br />

Fälle wird ein Zecken- oder «Insektenstich»<br />

als Übertragungsweg gemeldet;<br />

bei einem Drittel eine Exposition gegenüber<br />

Tieren, einer Quelle mit nicht trinkbarem<br />

Wasser oder dem Einatmen von<br />

Staub oder Aerosolen in landwirtschaftlicher<br />

Umgebung. In rund 20 % bleibt die<br />

Exposition unbekannt. Währenddem vor<br />

20 Jahren nur wenige Infektionen gemeldet<br />

wurden, beträgt die durchschnittliche<br />

Zahl von in der Schweiz Zecken-übertragener<br />

Tularämie in den letzten Jahren<br />

rund 60 pro Jahr (2018: 71 Fälle) [43]. F.<br />

tularensis wurde in der Schweiz in 0.12 %<br />

und in Süddeutschland in 8 % von untersuchten<br />

Zecken nachgewiesen [44, 45].<br />

Klinik<br />

Generell kann die Tularämie klinisch<br />

sechs Verlaufsformen zeigen: die (1) ulzeroglanduläre,<br />

(2) glanduläre, (3) okuloglanduläre,<br />

(4) oropharyngeale, (5) pneumonische<br />

und (6) typhoidale Form. Abhängig<br />

vom Ansteckungsweg entwickeln<br />

sich unterschiedliche Krankheitsbilder,<br />

die von Allgemeinsymptomen wie Fieber,<br />

Muskel- und Gelenkschmerzen begleitet<br />

werden. Nach einem Zeckenstich kommt<br />

es an der Stichstelle meist zu einem kleinen<br />

Ulkus (Eschar) und in der Folge zu einer<br />

Anschwellung der regionalen Lymphknoten<br />

(glanduläre Tularämie).<br />

Diagnostik<br />

Die Bakterien können aus Blut oder Biopsiematerial<br />

unter Biosicherheitsmassnahmen<br />

kultiviert werden. Kulturen nach Beginn<br />

von Antibiotika sind oft negativ. Im<br />

Verlauf der Erkrankung können serologisch<br />

spezifische Antikörper nachgewiesen<br />

werden, was aber für die Diagnostik in<br />

der Akutphase zu Verzögerungen führt.<br />

Der molekulare Nachweis von F. tularensis<br />

DNA kann aus Biopsiematerial (Eschar,<br />

Lymphknoten) gelingen.<br />

Therapie<br />

Bei mildem bis moderatem Verlauf (ambulant)<br />

ist die Therapie der Wahl Ciprofloxacin<br />

2 × 500 mg für 10 – 14 Tage. Mit<br />

einer erhöhten Rezidivrate ist beim Einsatz<br />

von Doxycyclin 2 × 100 mg für<br />

14 – 21 Tage zu rechnen. Bei schwerem Verlauf<br />

ist eine intravenöse Therapie mit<br />

Gentamicin 5 mg / kg Körpergewicht 1×<br />

täglich nötig plus Ciprofloxacin 2 × 500 mg<br />

peroral oder 2 × 400 mg intravenös für<br />

10 – 14 Tage.<br />

Seltene Zecken-übertragene<br />

Infektionen<br />

Weitere Pathogene wurden in Zecken<br />

nachgewiesen: Candidatus Neoehrlichia<br />

mikurensis wurde in der Schweiz in<br />

6.2 – 6.4 % von untersuchten Zecken gefunden<br />

[10, 11]; Coxiella als Erreger des Q-Fiebers<br />

in Europa durchschnittlich in 4.8 %<br />

[46] (in der Schweiz in 0 % [9]), wobei unklar<br />

bleibt, ob es tatsächlich zu Zeckenübertragenen<br />

Infek tionen durch C. burnetii<br />

beim Menschen kommen kann. Die<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 55


Perspektiven<br />

Tabelle 2. Verbreitung von Zecken in Europa und in der Schweiz<br />

Zecke Geografische Verbreitung* Zecken-übertragene Mikroorganismen<br />

Amblyomma sp. • Nicht vorkommend in Europa<br />

• Diverse Amblyomma sp. in Nord-, Südamerika,<br />

Afrika, Asien<br />

Dermacentor marginatus<br />

(«Schafzecke», oder «Frühjahrswaldzecke»):<br />

sonnige<br />

Waldränder, Trockenwiesen<br />

Dermacentor reticulatus<br />

(«Auwaldzecke»): Feuchtgebiete<br />

(Moore, Auwälder),<br />

Laubwälder<br />

Haemaphysalis inermis<br />

(«Winterzecke»)<br />

Hyalomma lusitanicum<br />

(«Hyalomma- Zecke»):<br />

Trocken- und Halbtrockengebiete<br />

Hyalomma marginatum<br />

(«Hyalomma- Zecke»):<br />

Trocken- und Halbtrockengebiete<br />

Ixodes persulcatus<br />

(«Taigazecke»)<br />

Ixodes ricinus («Gemeiner<br />

Holzbock»): dichtes Unterholz,<br />

Wälder, angrenzende<br />

Lichtungen, Gärten, Stadtpärke<br />

Ornithodorus (oder Carios)<br />

erraticus (« Lederzecke»)<br />

Rhipicephalus sanguineus<br />

(« Braune Hundezecke»):<br />

trockene Gebiete<br />

• Mittelmeergebiete<br />

• Verschiedene Orte in Deutschland<br />

• Asien<br />

• Schweiz<br />

• Nordspanien, Frankreich, Mitteleuropa, Osteuropa<br />

• Südeuropa, Frankreich, Balkan, Osteuropa, Türkei<br />

• Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Naher Osten,<br />

Iran<br />

• Iberische Halbinsel, Sardinien, Sizilien<br />

• Nordafrika<br />

• Schweiz: Tessin<br />

• Mittelmeerraum, Osteuropa<br />

• z. T. neu auch in Zentral-, Nordeuropa<br />

• Nordafrika<br />

• Asien, Süden Russlands, Pakistan, Turkmenistan<br />

• Finnland, baltische Staaten, Polen<br />

• Asien<br />

• Schweiz<br />

• ganz Europa inkl. Süden und Norden<br />

• Anaplasma sp., Ehrlichia sp.<br />

• Borrelia sp.<br />

• Coxiella burnetii<br />

• Francisella tularensis<br />

• KKHFV**<br />

• Rickettsia sp.<br />

• Omsker Hämorrhagisches Fiebervirus<br />

• R. conorii<br />

• R. slovaca<br />

• Babesia sp.<br />

• C. burnetii<br />

• F. tularensis<br />

• FSME Virus**<br />

• Omsker Hämorrhagisches Fiebervirus<br />

• Rickettsia slovaca<br />

• FSME Virus**<br />

• R. slovaca<br />

• Babesia bovis<br />

• KKHFV**<br />

• Dhorivirus<br />

• FSME Virus**<br />

• KKHFV**<br />

• R. aeschlimanni<br />

• Rickettia sp.<br />

• Spanien • Borrelia hispanica<br />

• Schweiz: Süden, Ostschweiz<br />

• Norddeutschland<br />

• Südeuropa, Frankreich, Balkan, Türkei<br />

• Nordafrika<br />

• A. phagocytophilum<br />

• B. afzelii<br />

• B. garinii<br />

• FSME Virus**<br />

• R. helvetica<br />

• Viren, diverse (Negishivirus, Uukuniemivirus)<br />

• A. phagocytophilum<br />

• B. afzelii<br />

• B. burgdorferi sensu stricto<br />

• B. garinii<br />

• B. valaisianaa<br />

• Babesia divergens<br />

• C. burnetii<br />

• F. tularensis<br />

• FSME Virus**<br />

• KKHFV**<br />

• R. helvetica<br />

• R. slovaca<br />

• Viren, diverse (Louping-ill-Virus, Negishivirus,<br />

Uukuniemivirus, Ervevirus, Eyachvirus, Tribecvirus,<br />

Lipovnikvirus, Bhanjavirus)<br />

• A. phagocytophilum<br />

• B. burgdorferi sensu lato<br />

• C. burnetii<br />

• KKHFV**<br />

• R. conorii<br />

• R. massiliae<br />

• Viren, diverse (Liponvnikvirus)<br />

Anmerkungen: * Landkarten: https://www.ecdc.europa.eu/en/disease-vectors/surveillance-and-disease-data/tick-maps; ** FSME, Frühsommer-<br />

Meningoenzephalitis Virus; KKHFV, Krim-Kongo-hämorrhagisches Fieber Virus.<br />

56<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Transmission der Katzenkratzkrankheit<br />

via Zecken wird kontrovers beurteilt und<br />

ist nicht etabliert [47, 48]. Weitere potentiell<br />

humanpathogene Erreger wie Spiroplasma<br />

sp. wurden in Europa in Zecken<br />

entdeckt [49].<br />

Kasuistiken von Infektionen mit Candidatus<br />

N. mikurensis werden zunehmend<br />

in der Schweiz, Europa und Asien beschrieben.<br />

Das intrazelluläre Bakterium<br />

wird durch Ixodes übertragen, wobei bei<br />

vielen Fallbeschreibungen ein Zeckenstich<br />

nicht eruierbar war. Die Neoehrlichiose<br />

scheint vor allem bei immundefizienten<br />

Personen zu langandauernden<br />

fieberhaften Erkrankungen mit zum Teil<br />

vaskulären und thromboembolischen<br />

Komplikationen zu führen. Da das Bakterium<br />

in Blutkulturen nicht wächst, wird die<br />

Infektion wohl oft verpasst. Der Nachweis<br />

erfolgt mit molekularen Methoden aus<br />

Blutproben, zum Beispiel mittels der bakteriellen<br />

breitspektrum-16S-rRNA-Gen-<br />

PCR. Mit Doxycyclin kann eine Heilung<br />

erzielt werden [50, 51].<br />

Infektionen durch Spiroplasma sp.<br />

wurden vereinzelt bei immundefizienten<br />

Personen (mit Agammaglobulinämie oder<br />

nach Organtransplantation) diagnostiziert,<br />

wobei der Übertragungsweg der Infektion<br />

meist unklar blieb [52]. Die klinischen Manifestationen<br />

waren fieberhafte Zustände,<br />

zum Teil mit Hepatitis. Die Therapie mit<br />

Doxycyclin und Azithromycin scheint erfolgreich.<br />

S. ixodetis wurde in okulären Proben<br />

von Neugeborenen mit kongenitalem<br />

Katarakt und Uveitis nachgewiesen [49],<br />

wobei hier eine direkte Transmission via<br />

Zecken unwahrscheinlich erscheint.<br />

Differenzialdiagnostische<br />

Überlegungen<br />

Daran denken …<br />

Die Differenzialdiagnose, ob die klinische<br />

Präsentation auf eine Zecken-übertragene<br />

Infektion hinweisen könnte, beginnt mit<br />

dem Darandenken, einer gezielten Anamnese<br />

und einer sorgfältigen körperlichen<br />

Untersuchung, da – abgesehen vom<br />

Erythema migrans – die einzelnen Leitsymptome<br />

von Zecken-assoziierten Infektionen<br />

unspezifisch sind (Tabelle 3). Die<br />

Patienten selber berichten oftmals nicht<br />

über eine mögliche Exposition gegenüber<br />

Zecken; weniger als 50 % der Infizierten haben<br />

einen Zeckenstich wahrgenommen.<br />

Die folgenden Hinweise initiieren die<br />

differenzialdiagnostischen Überlegungen:<br />

1. Eine Zecken-übertragene Infektion<br />

überhaupt in Betracht ziehen!<br />

2. Aufenthalt in Endemiegebieten von<br />

Vektoren und Pathogenen (inkl. präzise<br />

Reiseanamnese)?<br />

3. Mögliche Exposition gegenüber Zecken?<br />

– Anamnestische Fragen zu Beruf,<br />

Sport, Freizeitaktivitäten, Mobilität<br />

und Reisen können auf eine Exposition<br />

hindeuten.<br />

4. Leitsymptome, insbesondere Symptomenkomplexe<br />

beziehungsweise «Muster»<br />

von Leitsymptomen und Befunden?<br />

– zum Beispiel Fieber plus Hautbefunde<br />

(Rickettsiosen); Fieber plus<br />

Konstellationen von Laborbefunden<br />

(Transaminasenerhöhung und Thrombozytopenie<br />

bei Anaplasmose und Ehrlichiose);<br />

siehe Tabelle 3.<br />

5. Dynamik von klinischen Manifestationen<br />

im Krankheitsverlauf? – zum Beispiel<br />

«zweigipfliger» Verlauf der FMSE;<br />

Fiebermuster bei Zecken-Rückfallfieber.<br />

6. Befunde einer sorgfältigen klinischen<br />

Untersuchung, inklusive vollständiges<br />

Absuchen der Haut (Suche nach Eschar,<br />

Exanthemen, Lymphadenopathie etc.).<br />

7. Immundefizienz oder Grundkrankheit?<br />

– Wachsamkeit betreffend atypischen<br />

oder schweren, gegebenenfalls foudroyanten<br />

und lebensbedrohlichen klinischen<br />

Verläufen.<br />

8. Impfstatus? – Impfung gegen FSME.<br />

Immundefizienz?<br />

Wie bei jeder Differenzialdiagose muss<br />

rasch erfasst werden, ob eine Immunsuppression,<br />

eine Splenektomie oder eine<br />

Grundkrankheit vorliegt, da Zecken-übertragene<br />

Infektionen in solchen Situationen<br />

schwerer und gar (akut) lebensbedrohlich<br />

verlaufen können. In solchen Situationen<br />

ist eine schnelle Diagnostik besonders<br />

wichtig.<br />

Leitsymptome und Krankheitsverläufe<br />

im Kontext<br />

Die verschiedenen Leitsymptome wie<br />

Fieber, Allgemeinsymptome, Haut- oder<br />

Organsymptome (Arthritis, Me ningo enzephalitis<br />

etc.) und Laborbefunde sind isoliert<br />

betrachtet meist unspezifisch. Der<br />

Kontext mit der Anamnese, das Auftreten<br />

von Symptom- oder Laborkonstellationen<br />

oder die Dynamik von Symptomen und<br />

Befunden im Krankheitsverlauf ergeben<br />

aber oftmals deutliche Hinweise auf eine<br />

mögliche Ursache (Tabelle 1).<br />

Kenntnisse unterschiedlicher Krankheitsverläufe<br />

und klinischer Manifestationen<br />

entlang der Zeitachse unterstützen<br />

die differenzialdiagnostischen Überlegungen:<br />

– Zecken-übertragene Infektionen verlaufen<br />

oft wenig symptomatisch oder<br />

unspezifisch, zum Beispiel mit Fieber<br />

und Allgemeinsymptomen ohne organbezogene<br />

Beschwerden oder Befunde<br />

(Anaplasmose, Babesiose, Rickettsiosen,<br />

virale Infektionen)<br />

– Leitsymptome treten aufgrund des<br />

zeitlichen Verlaufs einer Erkrankung<br />

oftmals nicht in der Saison der Zeckenaktivität<br />

auf, wie zum Beispiel die<br />

Lyme-Arthritis, die durchschnittlich<br />

sechs Monate nach Infektion und somit<br />

auch im Winter auftreten kann<br />

– der Verlauf ist oft nicht «lehrbuchmässig»:<br />

die FSME verläuft nicht immer<br />

«zweigipflig», das heisst die meningitische<br />

Phase bei FSME kann fehlen oder<br />

sie kann unmittelbar – ohne asymptomatische<br />

Periode – unmittelbar nach<br />

einer initialen Fieberphase auftreten<br />

– Manifestationen eines Stadium II oder<br />

III der Lyme-Borreliose können ohne<br />

vorherige Wahrnehmung früherer Stadien<br />

auftreten<br />

– zum Zeitpunkt eines Erythema migrans<br />

können Fieber und Allgemeinsymptome<br />

auftreten: dies kann allein durch<br />

eine akute Lyme-Borreliose verursacht<br />

sein, aber auch differenzialdiagnostisch<br />

auf Zecken-übertragene Koinfektionen<br />

hinweisen<br />

– Leitsymptome können zum Zeitpunkt<br />

der Erstunter suchung bereits wieder<br />

verschwunden sein und sollen erfragt<br />

werden, wie zum Beispiel flüchtige Exantheme.<br />

Der Leitbefund eines Eschar<br />

(Rickettsiosen, Tularämie) wird möglicherweise<br />

von Patienten nicht berichtet<br />

(oder nicht wahrgenommen) und<br />

kann nur durch eine sorgfältige und<br />

vollständige klinische Untersuchung<br />

erfasst werden<br />

– Fieber bei Reiserückkehrenden kann<br />

auf Zecken-übertragene Rickettsiosen<br />

oder Spirochäten-Rückfallfieber hinweisen,<br />

welche sich zum Teil als langdauerndes<br />

Fieber oder als «fever of<br />

unknown origin» präsentieren können<br />

– Erkrankungen, die üblicherweise via<br />

andere Transmissionswege zur Infektion<br />

führen, sollen differenzialdiagnostisch<br />

in Betracht gezogen werden:<br />

Tularämie, möglicherweise Q-Fieber<br />

– hämorrhagische Fieber verursachende<br />

Virusinfektionen können mild und ohne<br />

Petechien oder Blutungskomplikationen<br />

verlaufen.<br />

Krankheitsverläufe und klinische Manifestationen<br />

von spezifischen Infektionen<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 57


Perspektiven<br />

Tabelle 3. Klinische Präsentation und Differenzialdiagnose der Zecken-übertragenen Infektionen (modifiziert nach [59])<br />

Leitsymptome oder Symptomenkomplex<br />

Differenzialdiagnosen<br />

Arthritis • Lyme-Borreliose<br />

Fazialislähmung oder andere kraniale Neuritis • Lyme-Borreliose<br />

Fieber • Anaplasmose, Ehrlichiose<br />

• Babesiose<br />

• FSME*<br />

• Neoehrlichiose<br />

• Rickettsiosen<br />

• Zecken-Rückfallfieber<br />

• Zecken-übertragene Viren, andere<br />

Fieber + /- Erythema migrans • Lyme-Borreliose<br />

Fieber + Allgemeinsymptome (Kopfschmerzen, Myalgie, gastointestinale<br />

Symptome) + ein / mehrere pathologische Laborbefunde (Leukozytopenia,<br />

Thrombozytopenie, Hyponatriämie, erhöhte Transaminsaen)<br />

Fieber + Allgemeinsymptome (Malaise, Frösteln, gastrointestinale<br />

Symptome) + Anämie und Thrombozytopenie<br />

• Anaplasmose, Ehrlichiose<br />

• Rickettsiosen, RMSF*<br />

• Babesiose<br />

Fieber + Exanthem (makulopapulös, petechial oder hämorrhagisch)<br />

+ /- Kopfschmerzen oder neurologische Befunde<br />

• Anaplasmose, Ehrlichiose<br />

• Rickettsiosen, RMSF*<br />

• Zecken-Rückfallfieber<br />

Fieber + Exanthem + Eschar • Rickettsiosen<br />

• Tularämie<br />

Fieber + hämorrhagische Hautveränderungen + /- hämorrhagische<br />

Organmanifestationen<br />

• KKHF*<br />

• Diverse Zecken-übertragene hämorrhagische Fieber<br />

Fieber + Sepsis Syndrom oder Hypotension + /- Exanthem • Anaplasmose, Ehrlichiose<br />

• Rickettsiosen, RMSF*<br />

• Tularämie<br />

Fieber, rezidivierend + Allgemeinsymptome • Zecken-Rückfallfieber<br />

Hauteffloreszenz: Erythem, Dermatitis, Hautatrophie, (tumoröse)<br />

Infiltration<br />

Hautulkus (Eschar) + Lymphadenopathie • Tularämie<br />

• Rickettsia-africae-Infektion<br />

• Rickettsia-slovaca-Infektion<br />

Kardiale Überleitungsstörungen • Lyme-Borreliose<br />

• Lyme-Borreliose (Erythema migrans, Acrodermatitis chronica<br />

atrophicans, Borrelien Lymphozytom)<br />

Meningitis oder Meningoenzephalitis • Anaplasmose<br />

• Borrelia-miyamotoi-Infektion<br />

• Ehrlichiose<br />

• FSME*<br />

• RMSF*<br />

• Zecken-Rückfallfieber<br />

• Zecken-übertragene Virusinfektionen, andere<br />

Radikulitis • Lyme-Borreliose<br />

Anmerkungen: * FSME, Frühsommer-Meningoenzephalitis; KKHF, Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber; RMSF, Rocky Mountain Spotted Fever.<br />

können in verschiedenen geografischen<br />

Gebieten unterschiedlich verlaufen. So<br />

sind die klinischen Manifestationen von B.<br />

burgdorferi sensu stricto in Nordamerika<br />

unterschiedlich im Vergleich mit B. afzeliiund<br />

B. garinii-Infektionen in Europa [53].<br />

Laborbefunde<br />

Anamnestische und klinische Informationen<br />

führen zur Verordnung von gezielten<br />

mikrobiologischen Untersuch ungen: Anzustreben<br />

ist der direkte mikroskopische,<br />

kulturelle oder molekulare Erregernachweis,<br />

der aber für wichtige Erkrankungen<br />

(Lyme-Borreliose, Q-Fieber) meist nicht<br />

möglich ist. Hier werden klinische Symptomenkomplexe<br />

zusammen mit der Serologie<br />

interpretiert, die aber erst im Verlaufe<br />

der Infektion – frühestens nach 10 – 14 Tagen<br />

– positiv wird.<br />

Serologische Resultate ohne klinisches<br />

Korrelat sind nicht diagnostisch. Die<br />

Symptomatik von Zecken-assoziierten Erkrankungen<br />

ist zwar oftmals unspezifisch,<br />

zeigt aber im Verlauf und in der Gesamtschau<br />

mit Laborresul taten doch oftmals<br />

klare und bekannte Muster.<br />

Aufgrund von Müdigkeit als alleiniges<br />

Symptom und ohne klinische Befunde sollen<br />

keine serologischen oder andere mikrobiologische<br />

Untersuchungen durchgeführt<br />

werden.<br />

Koinfektionen<br />

Bei bis zu 20 % von untersuchten Zecken<br />

finden sich in der Schweiz mindestens<br />

zwei oder mehr Pathogene [10, 11]. Somit<br />

ist auch mit klinischen Doppel- oder<br />

Mehrfachinfektionen zu rechnen. An<br />

Koinfektionen ist vor allem bei fieberhaften<br />

Erkrankungen nach Zeckenstich oder<br />

bei einem Erythema migrans und gleichzeitigem<br />

Fieber zu denken [14]. Bei einer<br />

Lyme-Borreliose plus einer zweiten Infektion<br />

verläuft letztere, wie zum Beispiel eine<br />

Anaplasmose oder Rickettsiose, allerdings<br />

oftmals unentdeckt oder heilt spontan.<br />

Diese Infektionen verlaufen bekanntermassen<br />

häufig asymptomatisch oder<br />

58<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

wenig symptomatisch und heilen bei immungesunden<br />

Personen ohne Antibiotika.<br />

Es ist noch unklar, ob die häufig in Zecken<br />

nachgewiesenen R. helvetica von<br />

klinischer Relevanz sind.<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Chronische Beschwerden<br />

und Postinfektionssyndrome<br />

Das Post-Treatment-Lyme-Disease-Syndrom<br />

wird anderswo dargestellt [54]. Bekannt<br />

sind mögliche neurologische Folgeerkrankungen<br />

sowie lange Rekonvaleszenzphasen<br />

nach Infektionen mit FSME und<br />

KKHFV. Nach anderen Zecken-übertragene<br />

viralen Erkrankungen des Zentralnervensystems<br />

können wohl ähnliche verzögerte<br />

Heilungsphasen und neurologische Folgen<br />

vorkommen. Die Anaplasmose, Ehrlichiose<br />

oder Babesiose führen – nach Behandlung –<br />

nicht zu chronischer Fatigue, Leistungsintoleranz<br />

oder Erschöpfung, auch nicht bei<br />

einer Koinfektion mit B. burgdorferi [55].<br />

Schwangerschaft und Stillen<br />

Ein Screening auf Zecken-übertragene Infektionen<br />

in der Schwangerschaft ist nicht<br />

sinnvoll. Demgegenüber soll bei symptomatischen<br />

Schwangeren die Differenzialdiagnose<br />

von Zecken-übertragenen Infektionen<br />

erwogen und gegebenenfalls lege<br />

artis behandelt werden.<br />

Aufgrund der Analogie mit Treponema<br />

pallidum-Infektionen wurde befürchtet,<br />

dass B. burgdorferi-Spirochäten fötale Erkrankungen<br />

zur Folge haben könnten. Bisher<br />

gibt es keine fundierte und klare Evidenz<br />

auf vertikale Transmissionen, kongenitale<br />

Infektionen oder Schwangerschaftskomplikationen<br />

durch B. burdorferi. Da<br />

Komplikationen einer Lyme-Borreliose<br />

aber nicht vollständig ausgeschlossen werden<br />

können, ist es wichtig, eine Infektion<br />

bei der Mutter rechtzeitig zu diagnostizieren<br />

und zu behandeln [56, 57]. B. burgdorferi<br />

wird weder sexuell noch über die Brustmilch<br />

übertragen.<br />

Eine Lyme-Borreliose wird in der<br />

Schwangerschaft mit Penicillinen oder<br />

Cephalosporinen behandelt. Bei anderen<br />

schweren Zecken-assoziierten Infektionen,<br />

die üb licherweise mit Tetrazyklinen behandelt<br />

werden, wird Doxycyclin zunehmend<br />

als mögliche Option erwogen [19].<br />

Eine FSME scheint den Föten nicht zu<br />

schädigen. Obwohl Flaviviren gelegentlich<br />

in der Brustmilch ausgeschieden werden,<br />

scheint das Risiko einer Übertragung auf<br />

das gestillte Neugeborene vernachlässigbar<br />

zu sein [58]. Möglicherweise kann das<br />

KKHFV sexuell, intrauterin und perinatal<br />

übertragen werden [40].<br />

Die auch in Europa heimischen Dermacentor-Zecken krabbeln – im Gegensatz zu den häufigeren<br />

Ixodes-Zecken – aktiv auf Menschen zu.<br />

Über kongenitale Infektion durch Babesien<br />

wurde berichtet. Da die Babesiose<br />

über lange Zeit im Blut von asymptomatischen<br />

Infizierten persistieren kann, wird<br />

die Gefahr einer kongenitalen Infektion in<br />

Endemiegebieten möglicherweise unterschätzt.<br />

Neugeborene entwickeln 2.5 – 7<br />

Wochen nach der Geburt eine hämolytische<br />

Anämie.<br />

Iatrogene und nosokomiale Zeckenübertragene<br />

Infektionen<br />

Einige Zecken-assoziierte Infektionen wie<br />

die Babesiose oder Rückfallfieber verursachende<br />

Spirochäten können auch durch<br />

Bluttransfusionen übertragen werden<br />

und zu Infektionen führen.<br />

Zusammenfassung<br />

Das KKHFV kann durch Sekrete von<br />

Erkrankten oder durch kontaminierte Gegenstände<br />

übertragen werden und zu nosokomialen<br />

Infektionen – auch Infektionen<br />

bei Medizinalpersonen – führen [40].<br />

Konklusionen und Ausblick<br />

Die Häufigkeit verschiedener Zecken-übertragener<br />

Infektionen hat in den letzten<br />

Jahren zugenommen und neue Zecken-assoziierte<br />

Infektionen wurden entdeckt [1].<br />

Neben der Lyme-Borreliose und FSME<br />

sind in Europa auch andere Zecken-übertragene<br />

Infektionen differenzialdiagnostisch<br />

zu erwägen, wie die Anaplasmose,<br />

Ehrlichiose, Babesiose, Rickettsiosen, Zecken-Rückfallfieber<br />

sowie zahlreiche vira-<br />

Die Häufigkeit Zecken-übertragener Infektionen nimmt zu, die Verbreitungsgebiete von<br />

Zecken dehnen sich aus, bisher unbekannte Pathogene werden neu entdeckt und anderswo<br />

bekannte Pathogene treten an neuen geografischen Orten auf. Mit Fokus auf die Epidemiologie<br />

in Mitteleuropa, aber auch unter Berücksichtigung reisemedizinischer Aspekte,<br />

werden in der vorliegenden Übersichtsarbeit die selteneren Zecken-assoziierten Mikroorganismen<br />

diskutiert: Anaplasmen, Babesien, Borrelia miyamotoi, Candidatus Neoehrlichia<br />

mikurensis, Ehrlichien, Francisella tularensis, Rickettsien, Rückfallfieber-Spirochäten<br />

sowie Zecken-assoziierte Viren. Neben den häufigen Schildzecken (Ixodes sp.) kommen in<br />

Europa zahlreiche anderen Zeckenarten vor, die Pathogene übertragen können. Zeckenübertragene<br />

Infektionen sollten bei fieberhaften Erkrankungen unklarer Ätiologie,<br />

bei neu aufgetretenen Exanthemen oder bei fieberhaften neurologischen Manifestationen<br />

differenzialdiagnostisch erwogen werden. Die Differenzialdiagnose beginnt mit dem<br />

«daran denken», da – abgesehen vom Erythema migrans – die einzelnen Leitsymptome<br />

von Zecken-assoziierten Infektionen unspezifisch sind. Die Patienten selbst berichten<br />

oftmals nicht über eine mögliche Exposition gegenüber Zecken und weniger als 50 % der<br />

Infizierten haben einen Zeckenstich wahrgenommen. Die Anamnese soll Beruf, Freizeitaktivitäten,<br />

Reisen und Immunstatus umfassen. Bei splenektomierten und immundefizienten<br />

Personen können Zecken-übertragene Infektionen schwer und lebensbedrohlich<br />

verlaufen.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 59


Perspektiven<br />

le Fiebererkrankungen, die zu Enzephalitis<br />

oder hämorrhagischen Fiebern führen<br />

können. Zudem können Infektionskrankheiten,<br />

die üblicherweise andere Transmissionswege<br />

haben, auch durch Zecken<br />

übertragen werden, wie die Tularämie und<br />

wahrscheinlich das Q-Fieber. Diese «Anderen»<br />

sind zwar seltener und verlaufen<br />

oftmals wenig symptomatisch oder gutartig,<br />

können aber bei immunsupprimierten<br />

oder splenektomierten Personen zu foudroyant<br />

verlaufenden und lebensbedrohlichen<br />

Krankheiten führen. Zecken-assoziierte<br />

Infektionen sind auch bei Reiserückkehrenden<br />

zu erwägen. Bei zahlreichen<br />

nach Zeckenstich Erkrankten kann keine<br />

Diagnose gestellt werden [14]. Somit ist zu<br />

vermuten, dass künftig weitere und neuartige<br />

Zecken-assoziierte Infektionserreger<br />

entdeckt werden. Zudem verändern sich<br />

die Ausbreitungsgebiete von Wirtstieren,<br />

Vektoren und Pathogenen, sodass andernorts<br />

bekannte Infektionskrankheiten<br />

plötzlich in bisher nicht als Endemiegebiete<br />

bekannten geografischen Gebieten neu<br />

auftreten können.<br />

Prof. em. Dr. med. Rainer Weber<br />

mediX Praxis Altstetten<br />

Hohlstrasse 556<br />

8048 Zürich<br />

Schweiz<br />

rainer.weber@uzh.ch<br />

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Paediatr Perinat Epidemiol.<br />

2018;32(4):358 – 68.<br />

[59] Shah RG, Sood SK.<br />

Clinical approach to known and<br />

emerging tick-borne infections<br />

other than Lyme disease. Curr<br />

Opin Pediatr. 2013;25(3):407 – 18.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 61


Perspektiven<br />

My Way<br />

Assistenzzeit:<br />

ein fremdes Land und<br />

eine wichtige Lektion<br />

Im letzten Semester vor dem Staatsexamen<br />

war es um mich geschehen:<br />

In einem praktischen Ophthalmologie-Kurs<br />

hatte ich mich in die<br />

Augenheilkunde verliebt. Mir wurde klar,<br />

dass ich Augenärztin werden will, und so<br />

bewarb ich mich in Zürich für eine Stelle.<br />

Da eine solche Stelle sehr begehrt war,<br />

sammelte ich während der Wartezeit<br />

Erfahrungen in Anästhesie, Gerichtsmedizin<br />

und Neurochirurgie. In diesen<br />

dreieinhalb Jahren war ich regelmässiger<br />

Gast im Vorzimmer des damaligen Direktors<br />

Prof. Rudolf Witmer, um mein fortwährendes<br />

Interesse an der Stelle an<br />

seiner Augenklinik zu bekunden. Hätte<br />

mir jemand prophezeit, dass ich zwanzig<br />

Jahre später selbst Direktorin dieser<br />

Augenklinik werden sollte, ich hätte die<br />

Person für verrückt gehalten …<br />

Meine Ausdauer zahlte sich aus:<br />

Ich erhielt eine Zusage und startete<br />

meine ophthalmologische Weiterbildung<br />

am 1. Mai 1982. Dass ich nach nur vier<br />

Monaten kündigte, lag daran, dass mein<br />

Mann und ich – frisch verheiratet –<br />

in seine Heimat Israel auswanderten.<br />

Prof. Witmer war etwas überrascht, gab<br />

mir aber einen schönen Empfehlungsbrief<br />

mit auf den Weg.<br />

Im September folgte der Umzug in<br />

ein mir fremdes Land, dessen Sprache ich<br />

Klara Landau<br />

ist emeritierte Professorin<br />

für Ophthalmologie<br />

und war<br />

die erste Frau an der<br />

Spitze einer Klinik<br />

des Universitäts spitals<br />

Zürich. Sie erzählt<br />

ihren Werdegang in<br />

sechs Stationen.<br />

nicht kannte und in dem es genügend<br />

andere Anwärterinnen und Anwärter für<br />

eine Weiterbildung in Ophthalmologie<br />

gab. Zudem war ich schwanger, weshalb<br />

ich zum einzigen Mal in meinem Berufsleben<br />

ein ganzes Jahr aussetzte, um mich<br />

am neuen Ort zurechtzufinden, Neuhebräisch,<br />

genannt Ivrit, zu lernen und Zeit<br />

mit meinem kleinen Sohn zu verbringen.<br />

Im Kaplan-Spital in der Stadt Rehovot,<br />

wo ich schliesslich eine Stelle als<br />

Assistenzärztin in der Augenklinik<br />

antreten konnte, war es völlig normal,<br />

dass man als junge Mutter weiterarbeitet,<br />

operieren lernt und eine hervorragende<br />

Weiterbildung absolviert. Auch war es<br />

unter Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich,<br />

sich gegenseitig zu vertreten,<br />

damit wir die Geburtstagsfeste der<br />

eigenen Kinder in deren Kindergarten<br />

besuchen konnten. Eine echte Herausforderung<br />

waren in dieser Zeit die beiden<br />

anspruchsvollen Facharztprüfungen und<br />

das amerikanische Examen «Foreign<br />

Medical Graduate Examination in the<br />

Medical Sciences» (FMGEMS) – und dies<br />

sowohl auf fachlicher als auch auf<br />

organisatorischer Ebene. Denn die<br />

Bedürfnisse unserer inzwischen vierköpfigen<br />

Familie waren nach der Geburt<br />

unserer Tochter im Sommer 1985 nicht<br />

weniger geworden.<br />

Während meiner fünfjährigen<br />

Tätigkeit an der Augenklinik in Israel<br />

fielen mir wichtige Unterschiede zur<br />

früher erlebten Kultur in den Schweizer<br />

Spitälern auf: Es gab flachere Hierarchien,<br />

und das Engagement für die medizinische<br />

Weiterbildung war sehr hoch.<br />

Als ich als unerfahrene Anfängerin kurz<br />

nach Stellenantritt vom Chefarzt im<br />

Plenum gefragt wurde, wie man ein<br />

komplexes augenärztliches Krankheitsbild<br />

in Zürich behandeln würde, war ich<br />

sprachlos. Einerseits, weil ich es schlicht<br />

Klara Landau (rechts) im Jahr 1987 mit ihrer<br />

Familie in Israel, wo sie ihre Weiterbildung zur<br />

Augenärztin absolvierte.<br />

nicht wusste, andererseits, weil ich eine<br />

solche Frage nicht erwartet hatte. Diese<br />

Episode lehrte mich, dass meine Meinung<br />

zählt – und das war sehr motivierend.<br />

Als nächsten Karriereschritt nach<br />

meinem Abschluss als Augenärztin und<br />

dem bestandenen Doktorat meines<br />

Mannes in Chemie strebten wir eine<br />

weitere Spezialisierung in den USA an.<br />

Damals konnte man sich nur mittels<br />

Briefen bewerben, und als Duo war das<br />

alles andere als einfach. Ich kann mich<br />

noch heute an die Aufregung erinnern,<br />

als ein Brief ankam mit dem Logo der<br />

UCSF Medical School: Ich war so gespannt,<br />

ob mich der weltbekannte<br />

Prof. William F. Hoyt als Fellow in<br />

Neuro-Ophthalmologie akzeptiert hatte.<br />

Aber darüber können Sie in der nächsten<br />

Ausgabe mehr erfahren.<br />

Bilder: zvg<br />

62<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


mediservice<br />

Briefkasten<br />

Zusammenstoss mit<br />

einem Reh – wie ist das<br />

versichert?<br />

Rehe sind frei lebende Wildtiere. Bei einer Kollision kann daher niemand für einen Schaden verantwortlich gemacht werden.<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Beim Durchqueren eines<br />

Waldabschnittes sprang mir<br />

von der Seite ein Reh direkt<br />

vors Auto. Obschon ich<br />

schnell bremste, war die Kollision<br />

nicht zu verhindern. Am Auto entstand<br />

ein erheblicher Schaden. Wer kommt<br />

für die Reparatur auf?<br />

Die Gefahr einer Kollision mit einem Reh,<br />

einem Hirsch, einem Wildschwein oder<br />

sonst einem Tier ist auf öffentlichen<br />

Strassen, besonders bei Waldabschnitten,<br />

sehr gross. Ein Reh lebt frei als Wildtier,<br />

und daher kann niemand für den Schaden<br />

an Ihrem Auto verantwortlich<br />

gemacht werden. Auch der Staat oder die<br />

Jägerschaft haften nicht. Bei gehaltenen<br />

Tieren ist hingegen jeweils die Haftung<br />

der Tierhalterin oder des Tierhalters –<br />

sofern bekannt – zu prüfen. Die einfachste<br />

und beste Möglichkeit, sich vor<br />

den finanziellen Folgen einer Kollision<br />

mit Tieren zu schützen, ist der Abschluss<br />

einer Teil- oder Vollkasko-Versicherung.<br />

Die Teilkasko-Versicherung deckt<br />

grundsätzlich unmittelbare Kollisionen<br />

mit Tieren auf öffentlichen Strassen ohne<br />

Selbstbehalt.<br />

Protokoll für die Versicherung<br />

Bei allen Unfällen mit Tieren – also nicht<br />

nur mit Wildtieren – ist es wichtig, dass<br />

die Polizei oder die Wildhut den Unfall<br />

protokolliert bzw. die Tierhalterin / der<br />

Tierhalter oder eine Zeugin / ein Zeuge<br />

diesen schriftlich bestätigt. Es besteht<br />

eine gesetzliche Meldepflicht bei der<br />

Polizei oder der Wildhut. Das von einer<br />

zuständigen Stelle ausgefüllte Protokoll<br />

oder die Bestätigung dient Ihnen als<br />

Beweis für den Schadenfall gegenüber<br />

der Versicherung. Fehlt dieses Dokument,<br />

so riskieren Sie, dass der Versicherer<br />

jede Deckung durch die Teilkasko-<br />

Versicherung ablehnt. Ohne Protokoll<br />

oder Bestätigung sowie bei Schäden<br />

wegen Ausweichmanövern, die durch die<br />

Teilkasko-Versicherung nicht gedeckt<br />

sind, besteht Versicherungsschutz nur<br />

über eine Vollkasko-Versicherung<br />

(Kollisionsereignis), wobei die versicherte<br />

Person den vereinbarten Kollisions-<br />

Selbstbehalt und eine allfällige Rückstufung<br />

im Bonussystem tragen muss.<br />

Schweizerischer Versicherungsverband (SVV)<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 63


mediservice<br />

Schützen Sie<br />

Ihre Lieblingsgegenstände<br />

Manche Objekte sind für ihre Besitzerinnen und Besitzer<br />

persönlich wertvoll und einzigartig. Oft haben sie auch einen finanziellen Wert.<br />

Deshalb lohnt es sich, diese Gegenstände speziell zu schützen.<br />

Einige Antworten auf die wichtigsten Fragen.<br />

Philipp Heer, Product Manager Haushaltversicherung, Zurich<br />

Gelten nur Luxusgüter als Wertsachen?<br />

Nein! Auch die neue Filmausrüstung, ein<br />

Musikinstrument, ein wertvolles Bike<br />

oder die geerbte Halskette haben einen besonderen<br />

Schutz verdient. Prinzipiell lässt<br />

sich alles absichern, was Ihnen lieb und<br />

teuer ist.<br />

Welche Versicherung muss ich abschliessen,<br />

und welche Schäden sind<br />

versichert?<br />

Eine Wertsachenversicherung bietet einen<br />

All-Risk-Schutz. Das heisst: Alle Ereignisse<br />

sind versichert, die nicht explizit ausgeschlossen<br />

sind. Dazu gehören zum Beispiel<br />

das Fallenlassen, der Diebstahl wie auch das<br />

Verlieren von versicherten Gegenständen.<br />

Was ist, wenn ich selbst etwas kaputt<br />

mache?<br />

Auch in diesen Fällen greift eine All- Risk-<br />

Versicherung: Wenn also zum Beispiel ein<br />

Getränk im Rucksack ausläuft und Ihre<br />

Filma usrüstung beschädigt, Ihnen beim<br />

Tanzen die Hornbrille von der Nase rutscht<br />

und zu Boden fällt oder Sie beim Staubsaugen<br />

ein Kunstobjekt umwerfen und<br />

beschädigen, erhalten Sie eine entsprechende<br />

Entschädigung.<br />

Manche Gegenstände wie<br />

etwa eine Kamera haben<br />

für ihren Besitzer oft einen<br />

besonderen Wert. Eine<br />

Wertsachenversicherung<br />

bietet einen umfassenden<br />

Schutz.<br />

mediservice-Mitgliedschaft<br />

Dank Ihrer Mitgliedschaft bei mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />

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Bei Fragen erreichen Sie uns telefonisch montags bis<br />

freitags von 8 bis 18 Uhr unter 0800 33 88 33<br />

Bitte erwähnen Sie bei Ihrer Kontaktaufnahme mit<br />

Zurich immer Ihre mediservice-Mitgliedschaft.<br />

Wenn ich eine Hausratversicherung<br />

habe, brauche ich doch keine Wertsachenversicherung<br />

– oder?<br />

Doch, sie lohnt sich trotzdem. Denn mit<br />

einer All-Risk-Deckung ist der Versicherungsschutz<br />

viel umfassender als bei der<br />

klassischen Hausratversicherung. Übrigens<br />

können Sie in der Hausratversicherung<br />

Prämien sparen, wenn Sie eine Wertsachenversicherung<br />

abschliessen. Denn<br />

Sie können dort die Versicherungssumme<br />

um den Wert der individuell versicherten<br />

Gegenstände verringern.<br />

Wertsachenversicherung<br />

bei Zurich – das sind die Leistungen<br />

– Mit der Wertsachenversicherung von Zurich können spezifische Wertgegenstände<br />

versichert werden. Die Versicherung zahlt, wenn der versicherte Gegenstand verloren<br />

geht, beschädigt oder zerstört wird. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer<br />

den Schaden durch ein Missgeschick selbst verursacht hat.<br />

– Nicht nur klassische Wertgegenstände wie Uhren, Schmuck oder Designerstücke<br />

können abgesichert werden, sondern zum Beispiel auch Sportgeräte, medizinische<br />

Hilfsmittel, Waffen, Kunstobjekte oder Filmausrüstungen.<br />

– Die Wertgegenstände sind nicht nur bei der versicherten Person zu Hause geschützt,<br />

sondern weltweit, also auch auf Reisen.<br />

Bild: zvg<br />

64<br />

2/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


mediservice<br />

Bewusst in<br />

den Offlinemodus schalten<br />

Der erste Blick am Morgen und der letzte am Abend:<br />

Bei vielen gilt er dem Handy. Ab wann wird das Nutzungsverhalten<br />

problematisch, und wie kann digitale Balance erreicht werden?<br />

Daniela Gerber, Senior Spezialistin Unternehmenskommunikation SWICA<br />

Bild: zvg<br />

Ob Tablet, Laptop oder Handy –<br />

mobile Geräte sind fester Bestandteil<br />

unseres Alltags. Vor<br />

allem das Smartphone hat unser<br />

Leben unbestreitbar vereinfacht und<br />

ist für viele unverzichtbar geworden. Die<br />

Schattenseite: Ein hohes Suchtpotenzial,<br />

besonders bei Menschen, die in den sozialen<br />

Medien unterwegs sind.<br />

Immer verbunden, trotzdem allein<br />

Untersuchungen zur Handynutzung gehen<br />

davon aus, dass ein übermässiger Smartphone-Konsum<br />

mit Depressionen oder<br />

Angstgefühlen in Verbindung gebracht<br />

werden kann und das Gefühl von Einsamkeit<br />

verstärkt. Grund dafür ist der Vergleich<br />

mit anderen in den sozialen Medien, der zu<br />

einem negativen Selbstwertgefühl führen<br />

kann. Denn in der Social-Media-Bubble<br />

überwiegen Posts zu den schönen und aufregenden<br />

Seiten des Lebens.<br />

Wenn also unzählige tolle Erlebnisse<br />

auf den kleinen Bildschirm des Handys<br />

komprimiert und zu einer nie endenden<br />

Scroll-Schlaufe aneinandergereiht werden,<br />

kann man schnell das Gefühl bekommen,<br />

dass das eigene Leben weniger aufregend<br />

und nichtssagend ist. Ein wichtiges<br />

Stichwort hier ist FOMO («Fear of missing<br />

out») – also die Angst, etwas zu verpassen.<br />

Sie weckt Minderwertigkeitsgefühle und<br />

sorgt für zusätzlichen Stress – nicht nur<br />

bei Jugendlichen, die bereits unter immensem<br />

Anpassungsdruck stehen.<br />

Ab wann ist das Nutzungsverhalten<br />

problematisch?<br />

Ab wann die Smartphone-Nutzung als problematisch<br />

angesehen wird, lässt sich nicht<br />

anhand eines Richtwerts festmachen. Dies,<br />

weil das Nutzungsverhalten und das Verarbeiten<br />

der Inhalte in den sozialen Medien<br />

Lesen macht Spass. Deshalb lohnt es sich, das<br />

Handy manchmal bewusst wegzulegen, damit<br />

Zeit für solche Offlineaktivitäten bleibt.<br />

von Mensch zu Mensch unterschiedlich<br />

sind. Was aber klar ist: Je häufiger die<br />

Smartphone-Nutzung, desto weniger Zeit<br />

bleibt für Offlineaktivitäten wie sozialen<br />

Austausch, ausreichend Schlaf und Bewegung.<br />

Die Alarmglocken sollten läuten,<br />

wenn Anerkennung, Erfolgserlebnisse<br />

oder soziale Kontakte hauptsächlich digital<br />

bezogen werden. Auch Schlafstörungen,<br />

Konzentrationsprobleme, verminderte<br />

körperliche Fitness oder Migräne sind<br />

mögliche Warnzeichen.<br />

Digital Balance anstatt Digital Detox<br />

Wer sich immer wieder beim unbewussten<br />

Scrollen ertappt, sollte aktiv Gegensteuer<br />

geben. Eine einfache Möglichkeit ist, das<br />

Smartphone weniger attraktiv zu machen.<br />

Push-Benachrichtigungen können beispielsweise<br />

komplett oder für einzelne<br />

Apps ausgeschaltet werden. Auch zeitliche<br />

Limits für Apps verhindern, dass man<br />

zu lange am Smartphone sitzt. Wer einen<br />

Schritt weitergehen möchte, kann es auch<br />

Von mehrfachen<br />

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Für Ausgleich sorgen und die Batterien<br />

wieder aufladen ist wichtig. SWICA<br />

unterstützt deshalb ein regelmässiges<br />

Engagement zur Stärkung der Gesundheit<br />

und des Wohlbefindens mit grosszügigen<br />

Beiträgen an über 100 Kurse<br />

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mit «Digital Detox», also der digitalen Entgiftung,<br />

versuchen. Der Trend aus den<br />

USA beschreibt einen Zeitraum, in dem<br />

das Smartphone gar nicht oder nur für das<br />

absolut Nötigste benutzt wird.<br />

Auf Dauer ist es unrealistisch, komplett<br />

auf Smartphone, Tablet usw. zu verzichten.<br />

Deshalb lautet das langfristige Ziel<br />

nicht Digital Detox, sondern Digital Balance.<br />

Es ergibt in der heutigen Zeit wenig<br />

Sinn, das Smartphone generell zu verteufeln,<br />

denn nicht das Gerät ist das Übel, sondern<br />

der Umgang damit – und den haben<br />

wir selbst in der Hand. Mit einem gesunden<br />

Ausgleich zwischen On- und Offlinezeiten<br />

bleiben die Vorteile des Smartphones erhalten,<br />

die Nutzung bleibt aber selbstbestimmt<br />

und reflektiert.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/24 65


Impressum<br />

Kontaktadressen der Sektionen<br />

<strong>Nr</strong>. 2 • 43. Jahrgang • <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />

Herausgeber/Verlag<br />

AG<br />

VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />

Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />

Telefon 031 350 44 88<br />

journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />

Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />

Redaktion<br />

Regula Grünwald (Chefredaktorin),<br />

Patrick Cernoch, Maya Cosentino, Kerstin Jost,<br />

Fabian Kraxner, Bianca Molnar, Patricia<br />

Palten, Léo Pavlopoulos, Lukas Staub,<br />

Tharshika Thavayogarajah, Anna Wang,<br />

Marc Schällebaum (Vertreter mediservice<br />

<strong>vsao</strong>-asmac), Philipp Thüler (Vertreter <strong>vsao</strong>)<br />

Druck, Herstellung und Versand<br />

Stämpfli Kommunikation,<br />

Wölflistrasse 1, 3001 Bern<br />

Tel. 031 300 66 66<br />

info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />

Layout<br />

Oliver Graf<br />

Übersetzungen<br />

Translation Management, François Egli,<br />

3073 Gümligen<br />

Titelillustration<br />

Stephan Schmitz<br />

Inserate<br />

Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />

Markus Haas, Tiefenaustrasse 2,<br />

8640 Rapperswil, Tel. 044 928 56 53<br />

<strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />

Auflagen<br />

Druckauflage: 22 700 Expl.<br />

WEMF/KS-Beglaubigung 2023: 21 648 Expl.<br />

Erscheinungshäufigkeit: 6 Ausgaben pro Jahr.<br />

Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />

inbegriffen.<br />

ISSN 1422-2086<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 3/<strong>2024</strong> erscheint im<br />

Juni <strong>2024</strong>. Thema: Plan<br />

© <strong>2024</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

BL/BS<br />

VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />

lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />

4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />

sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />

BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />

info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />

FR<br />

ASMAC Sektion Freiburg, Rue du Marché 36, 1630 Bulle,<br />

presidence@asmaf.ch<br />

GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />

Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, info@amig.ch, www.amig.ch<br />

GR<br />

JU<br />

NE<br />

VSAO Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig,<br />

lic. iur. HSG, RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 081 256 55 55,<br />

info@<strong>vsao</strong>-gr.ch, www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />

ASMAC Sektion Jura, Bollwerk 10, 3001 Bern, sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch<br />

Tel. 031 350 44 88<br />

ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />

Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />

Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />

SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />

9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />

surber@anwaelte44.ch<br />

SO<br />

TI<br />

TG<br />

VD<br />

VS<br />

VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />

segretariato@asmact.ch<br />

VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />

asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />

ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />

Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />

Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />

VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Schwanenplatz 7, 6004 Luzern, sekretariat@<strong>vsao</strong>-zentralschweiz.ch,<br />

vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23<br />

ZH/SH<br />

VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />

Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />

susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />

Publikation<strong>2024</strong><br />

FOKUSSIERT<br />

KOMPETENT<br />

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des Verbandes Schweizer Medien<br />

66<br />

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