6 | TITELTHEMA Pflegevorsorge Pflege als Pflegefall Trotz hoher Notwendigkeit lahmt die private Pflegevorsorge. Ein Grund liegt in der Politik, die an einer weiteren Reform bastelt und die private Vorsorge seit Jahren torpediert. Wie Produktgeber und Vertriebe den Pflegebock dennoch umstoßen können ST STEFAN TERLIESNER MH MATTHIAS HUNDT <strong>procontra</strong> 2 | 2<strong>02</strong>4
Pflegevorsorge TITELTHEMA | 7 Was Sie erfahren werden: Warum das Geschäft mit Pflegezusatzpolicen so zäh verläuft Welchen Produkten die Zukunft gehören könnte Welchen Tatsachen Kunden ins Auge sehen müssen Menschenwürdige Pflege bleibt ein dominierendes Thema. Aktuell sind mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig; im Jahr 2040 werden es sechs Millionen sein, erwartet der PKV-Verband. Statistisch wird mehr als jede zweite Person im Laufe ihres Lebens einmal pflegebedürftig. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter. Mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 hat der Gesetzgeber auf die absehbare demografische Entwicklung reagiert. Kassenpatienten müssen in die soziale Pflegepflichtversicherung und Privatpatienten in die private Pflegepflichtversicherung. Von Beginn an sollte der Staat das Pflegerisiko nur teilweise abdecken; denn eine Vollversicherung ist im Umlageverfahren – das ja selbst ein Demografieproblem hat – nicht finanzierbar. Durch den Abschluss von Pflegezusatzpolicen nicht nur sinnvoll, sondern dringender denn je. Denn allein der Eigenanteil, den Pflegebedürftige im ersten Jahr ihres Heimaufenthalts selbst aufbringen müssen, steigt stetig und beträgt aktuell im Durchschnitt 2.700 Euro pro Monat. Kann die betroffene Person den Betrag nicht bezahlen, müssen ab einer bestimmten Grenze die Angehörigen ran – oder eben sofort eine private Pflegezusatzversicherung. Trotz der lückenhaften Absicherung durch die gesetzliche Pflegeversicherung, der immer größeren Kostenbelastung für Pflegebedürftige und deren Angehörige sowie des mit dem Alter steigenden Risikos der eigenen Pflegebedürftigkeit – die private Pflegevorsorge ist bis heute nicht richtig in der Bevölkerung angekommen. Wie Alexander Kraus, Fachkoordinator für den Bereich Krankenversicherung bei Assekurata, gegenüber <strong>procontra</strong> erläutert, „hatten Ende 2<strong>02</strong>2 nur 4,4 Millionen Deutsche eine zusätzliche Absicherung für den Pflegefall abgeschlossen“. Auf die Gesamtbevölkerung bezogen seien das maue 5 Prozent. Die Corona-Pandemie habe kurzfristig zu mehr Abschlüssen geführt. Zuletzt aber sei das Marktwachstum schon wieder abgeflacht und stagniere mittlerweile, berichtet Kraus. Fatales Paradoxon In der Branche spricht man vom Pflegeparadoxon: hoher Bedarf, aber kaum Absicherungen. Woran liegt das? <strong>procontra</strong> ist dieser Frage nachgegangen. Fasst man die Antworten der Analysten, Vermittler, Versicherer und Wissenschaftler zusammen, schält sich ein Kernproblem heraus: das bei Politikern vorhandene Misstrauen gegenüber einem auch nur teilweise eigenverantwortlichen Umgang mit dem Pflegefallrisiko. Trotz knapper Finanzen und der Grundidee, dass der Staat ebendeshalb nur eine Teilabsicherung bieten solle, weite der Gesetzgeber die Leistungen der sozialen Pflegepflichtversicherung ständig aus. Das schüre Illusionen. Seit 2017 habe der Gesetzgeber alle zwei Jahre die Leistungen in der sozialen Pflegepflichtversicherung ausgeweitet und damit auch deren Finanzierungsproblem vergrößert. Während die Mehrleistungen in Medien breit dargestellt würden, finde eine Debatte über ihre Bezahlbarkeit nur in Fachkreisen statt, ist in der Branche zu hören. Zurück bleibe eine ruhiggestellte Bevölkerung, die wenig Interesse an Eigenverantwortung habe. „Die regelmäßigen Leistungsausweitungen vermitteln den Men- Private Vorsorge wächst kaum Personen mit einer Pflegezusatzversicherung Gratis Angebot kann dann ein höheres Leistungsniveau erreicht werden. Eine solche Absicherung erscheint Lesen Sie 4,5 die <strong>procontra</strong> kostenlos 5,0 als E-Book oder als Printversion! 4,0 3,5 3,0 3,45 Angaben in Mio. 3,57 3,66 3,77 2016 2017 2018 2019 2<strong>02</strong>0 2<strong>02</strong>1 2<strong>02</strong>2 3,78 4,16 4,17 Quelle: PKV-Verband Illustration: Roman Kulon