Verband Deutscher Antiquare e.V. / Handbuch 2023/2024

1968
„Weg mit Eggert – Dutschke for President!“
1968 roch es nach Rebellion in Stuttgart. Die Außerparlamentarische Opposition mischte
nicht nur die gesamte Bundesrepublik, sondern auch die Antiquariatsmesse auf. In einer
geradezu subversiven Aktion verteilte Ernst L. Hauswedell einen Privatdruck an alle
Aussteller. Was wie ein Aufruf zum Widerstand gegen das Establishment anmutete, war
in Wahrheit ein bibliophiles Zeichen der Freude über die Wiedervereinigung der Antiquare,
die zwischen 1960 und 1968 in zwei Verbänden getrennte Wege gegangen waren
(siehe: Geschichte des Verbandes). Im Vorwort schreibt Ernst L. Hauswedell:
„Zur ersten Versammlung des Verbandes Deutscher Antiquare, Autographen- und
Graphik händler am 30. Mai 1960 habe ich anläßlich der Versteigerung des Shakespeare-
Folio von 1623 den Teilnehmern den Sonderdruck ‚Hans im Glück‘ übersandt. Jetzt, wo
wir nach fast 8 Jahren wieder in eine größere Gemeinschaft zurückkehren, überreiche
ich meinen Kollegen und Freunden dieses Dokument, das mir am letzten Tage der 7. Antiquariatsmesse
in Stuttgart in die Hände gespielt wurde. Es zeigt, welchen Gefahren unser
Métier ausgesetzt ist -, und wie sich die Zeiten in wenigen Jahren gewandelt haben.“
„Ein ,Sonntag‘ des Antiquariats“
„Die sogenannte ‚Antiquariats-Messe‘ ist mit Abstand die einem breiten Publikum bekannteste
und interessanteste Institution dieser Art in Europa … Zuerst standen weniger
die Bemühungen um einen zusätzlichen Umsatz im Vordergrund – sie wurden damals von
vielen sogar als ergebnislos prophezeit – sondern die Hauptabsicht der ersten Veranstalter
zielte auf eine wirksame Werbung für das Ladenantiquariat überhaupt. Wenn daher heutzutage
in einer breiten Öffentlichkeit recht hohe Vorstellungen vom ‚Rarebook-Geschäft‘
bestehen, so ist das zwar einerseits auf das beständige Interesse von Presse und Fernsehen
am Chic der Auktionen, ganz wesentlich aber auch auf das Gelingen der Stuttgarter Verkaufsausstellung
zurückzuführen.“ (Handelsblatt)
1968 beliefen sich die Gesamtkosten der Antiquariatsmesse, einschließlich Druck und
Versand des Messekataloges, auf 40.000 DM.
Kultusminister Professor Dr. Wilhelm Hahn hob hervor, dass Stuttgarts Ruf als Musenstadt
nicht zuletzt durch die Antiquariatsmesse bekräftigt werde.
Wichtig war in den ersten Messejahrzehnten auch der Binnenhandel. Viele Geschäfte
wurden schon vor Eröffnung der Messe gemacht. 1968 mahnten die Organisatoren im
„Knigge für Messe-Teilnehmer“:
„Es wäre auch sehr schön, wenn einige Kollegen sich überwinden könnten, nicht sofort
nach der Eröffnung gar so offensichtlich zu einigen Ständen zu stürzen, um sich ein begehrtes
Objekt zu sichern, bevor der noch draußen befindliche Privatkunde eine Chance
hat. Vergessen Sie doch bitte nicht, daß unsere Veranstaltung immer noch in erster Linie
der Werbung des Privatpublikums dient.“
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