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2024<br />
<strong>DVS</strong>-BERICHTE<br />
Innovationstag 2024<br />
Transfertage der Fügetechnik<br />
für die Energiewende
Innovationstag 2024<br />
Transfertage der Fügetechnik<br />
für die Energiewende<br />
Langfassung der Vorträge<br />
in Düsseldorf am 10. und 11. April 2024<br />
Kooperation:<br />
FOSTA – Forschungsvereinigung<br />
Stahlanwendung e. V. und<br />
<strong>DVS</strong> – Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e. V.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de<br />
abrufbar.<br />
<strong>DVS</strong>-<strong>Bericht</strong>e Band 391<br />
ISBN 978-3-96144-253-9 (Print)<br />
ISBN 978-3-96144-254-6 (E-Book)<br />
Die Vorträge wurden als Manuskript gedruckt.<br />
Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung dieses<br />
Bandes oder von Teilen desselben nur mit Genehmigung der <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf.<br />
© <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf ⋅ 2024<br />
Herstellung: Print Media Group GmbH, Hamm
Vorwort<br />
INNOVATIONSTAG 2024 – Transfertage der Fügetechnik für die Energiewende<br />
Die Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e. V. des <strong>DVS</strong> und die FOSTA - Forschungsvereinigung<br />
Stahlanwendung e. V. kooperieren für einen erfolgreichen Ergebnistransfer und laden zum ersten<br />
gemeinsamen INNOVATIONSTAG mit dem Schwerpunkt „Fügetechnik für die Energiewende“ ein.<br />
Im Fokus der Veranstaltung steht die Vorstellung aktueller Forschungsergebnisse aus Projekten der Industriellen<br />
Gemeinschaftsforschung (IGF). Unternehmen in den Forschungsvereinigungen hatten frühzeitig damit begonnen,<br />
gemeinsamen Forschungsbedarf zu Energiewendethemen zu definieren. In den Forschungsvereinigungen entstand so<br />
z.B. die Forschungsinitiative: "Erfolgreiche Energiewende durch zukunftsweisende fügetechnische Innovationen für die<br />
Windenergie“. Ebenfalls wurden die Studien „Fügetechnik für die Windenergie“ und „Fügetechnik für die neue<br />
Wasserstoffökonomie – Werkstoffe, Schweißtechnologien, Perspektiven“ zur Darstellung von Forschungsbedarf<br />
veröffentlicht. Damit war der Grundstein dafür gelegt, im Rahmen der IGF zu den neuen fügetechnischen<br />
Herausforderungen Lösungen zu erarbeiten.<br />
Die Umsetzung der Energiewende erfordert eine Vielzahl von technologischen Innovationen und Anpassungen in<br />
verschiedenen Industriezweigen, um nachhaltige Energiequellen zu fördern und die Umweltauswirkungen zu minimieren.<br />
Die Fügetechnik spielt dabei eine entscheidende Rolle, insbesondere in Bezug auf die Herstellung und Wartung von<br />
Anlagen für erneuerbare Energien wie Windkraftanlagen, Solarkollektoren und Wasserstofftechnologien. Um die<br />
Energiewende erfolgreich umzusetzen, müssen bestimmte Anforderungen an die Fügetechnik erfüllt werden.<br />
Um den unterschiedlichen Anforderungen der erneuerbaren Energietechnologien gerecht zu werden, ist die Nutzung<br />
einer breiten Palette von Materialien und neuer Werkstoffkonzepte einschließlich spezieller Legierungen erforderlich.<br />
Windkraftanlagen bestehen u.a. aus verschiedenen Stahl-, Aluminium- oder Bronzelegierungen, die speziellen<br />
Belastungen standhalten müssen. Die Fügetechnik muss daher in der Lage sein, neue Werkstoffanforderungen z.B. in<br />
den Bereichen des Stahl- und Maschinenbaus oder auch der Leistungselektronik zu erfüllen und eine Vielzahl von<br />
Materialien effizient zu verbinden, ohne ihre strukturelle Integrität und Funktionen zu beeinträchtigen. Leichtbauthemen<br />
erlangen in diesem Zusammenhang stetig an Bedeutung.<br />
Dabei sind auch die Anforderungen an den Korrosionsschutz zu berücksichtigen. Um eine lange Lebensdauer und<br />
Zuverlässigkeit sicherzustellen, müssen die Schweißverbindungen korrosionsbeständig sein. Dies erfordert nicht nur die<br />
Auswahl geeigneter Materialien, sondern auch spezialisierte Schweißtechniken, die eine qualitativ hochwertige<br />
Versiegelung gegen äußere Einflüsse gewährleisten.<br />
Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle in der Energiewende, insbesondere als sauberer Energieträger. Die<br />
Schweißtechnik muss den speziellen Anforderungen gerecht werden, die mit der Herstellung von Wasserstofftanks und<br />
-leitungen verbunden sind. Hierbei sind hohe Drücke und Wasserstoffversprödung zu berücksichtigen, wodurch<br />
spezialisierte Schweißverfahren und Materialien erforderlich sind.<br />
Ergänzend sind auch noch zu nennen: neue Wartungs- und Reparaturkonzepte, die Energieeffizienz der<br />
Schweißprozesse selbst sowie die Qualifikation und Schulung des Personals.<br />
Insgesamt ist die Schweißtechnik ein entscheidender Baustein für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Die<br />
Fähigkeit, eine Vielzahl von Materialien zu verbinden, korrosionsbeständige Verbindungen zu gewährleisten, leichte<br />
Strukturen herzustellen und effiziente Schweißprozesse zu implementieren, trägt maßgeblich dazu bei, nachhaltige<br />
Energiequellen zu fördern und die Umweltauswirkungen zu minimieren. Durch kontinuierliche Innovation und Schulung<br />
kann die Schweißtechnik eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Herausforderungen im Rahmen der Energiewende<br />
spielen.<br />
Die Bereitstellung und Anwendung von aktuellen Forschungsergebnissen öffentlich geförderter Projekte der IGF ist ein<br />
wesentliches Asset für die Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Der INNOVATIONSTAG 2024 bietet<br />
daher einen umfassenden Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse zu vielfältigen Themenstellungen der<br />
Energiewende.<br />
Der vorliegende Tagungsband enthält die Vorträge für Ihre weitere Verwendung. Für individuelle Fragen können Sie sich<br />
gerne direkt an die Referenten oder Forschungseinrichtungen wenden.<br />
Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Veranstaltung, gute Gespräche.<br />
Reiner Salomon<br />
Forschungsvereinigung<br />
Stahlanwendung e. V<br />
Jens Jerzembeck<br />
Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e.V.
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort<br />
KEYNOTE<br />
P. Langenberg, Aachen<br />
Qualifizierung von Werkstoffen und Schweißverfahren für die Energiewende –<br />
Status und Ausblick ………………………………………………………………………….. 1<br />
Energieumwandlung<br />
M. Schmitz, A. Breitbarth, Jena; M. Azizi, Dresden<br />
Fügen von mehrdimensionalen und strukturierten Folien aus artgleichen<br />
und artfremden Werkstoffkombinationen …………………………………………………. 3<br />
S. Jahn, M. Schmitz, R. Prowaznik, J. Lange, Jena<br />
Gefährdungen beim handgeführten Laserstrahlschweißen ……………………….……… 15<br />
E. Stammen, D. Weiser, K. Dilger, Braunschweig; F. Bergenthun, M. Kuypers, S. Brokamp, Duisburg;<br />
D. Lukowsky, Braunschweig<br />
Darf’s ein bisschen mehr sein? – Nachhaltige Rohstoffe und ihr Potential<br />
für Anwender ……...………………………………………………..………………………..… 19<br />
M. Zinke, S. Jüttner, Magdeburg<br />
Steigerung der Korrosionsbeständigkeit von Schweißplattierungen durch Einsatz<br />
von MSG-Zweidrahtprozessen mit nicht artgleichen Drahtelektroden ………………..… 28<br />
Additive Fertigung<br />
E. Bethke, T. Rieneckert, S. Jüttner, Magdeburg<br />
Generatives MSG-Schweißen zur geometrischen Modifikation von Aluminium-<br />
Druckgussbauteilen ………………………………………………………………………….. 39<br />
M. Köhler, S. Jüttner, Magdeburg<br />
Wire-Arc-Additive-Manufacturing und schweißtechnische Verarbeitung von<br />
Aluminiumschäumen ….…………………………………………………….………………… 49<br />
M. Gierth, J. Hildebrandt, J. P. Bergmann, Ilmenau;<br />
S. Manzke, T. Ungethüm, U. Füsseld, H. C. Schmale, Dresden<br />
Entwicklung einer Strategie zur Steuerung der Bauteileigenschaften<br />
bei der lichtbogenbasierten additiven Fertigung hochlegierter Stähle<br />
durch aktive Gaskühlung ……………………………………………………………………. 58
Großstrukturen<br />
T. Werner, T. Nitzschke-Pagel, K. Dilger, Braunschweig<br />
Einfluss der Kaltverformung mit anschließendem Schweißen auf die Zähigkeit<br />
hochfester Feinkornbaustähle …………………………………………………..……………. 64<br />
F. Begemann, J. Unglaub, K. Thiele, Braunschweig; K. Höfer, J. Hensel, Chemnitz<br />
Reparaturschweißen an ermüdungsbeanspruchten Details im Betrieb …...………..…… 72<br />
C. Häffner, F. Eyben, D. Lenz, H. Bartsch, M. Feldmann, S. Münstermann, Aachen<br />
Innovative Tragfähigkeitsanalyse geschweißter Stahlbauteile mit Hilfe der<br />
Schädigungsmechanik ……………………………………….……………………………..… 79<br />
J. Hildebrand, S. Eichler, J. P. Bergmann, Ilmenau; M. v. Arnim, U. Kuhlmann, Stuttgart;<br />
O. Brätz, A. Gericke, K.-M. Henkel, Rostock<br />
Effiziente Nachweiskonzepte für Mischverbindungen im Stahlbau ……..………..……… 87<br />
Qualität und Nachweise<br />
K. Wandtke, L. Engelking, D. Schröpfer, A. Hälsig, A. Kromm, T. Kannengießer, Berlin;<br />
R. Scharf-Wildenhain, J. Hensel, Chemnitz<br />
Fertigungsbedingte Beanspruchungen und Kaltrisssicherheit in generativ gefertigten<br />
Bauteilen aus hochfesten Feinkornbaustählen …………………………………..………… 96<br />
J. Beverförden, M. Köhler, K. Dilger, Braunschweig<br />
Absicherung des Reinigungsstrahlens von Stahlkonstruktionen als<br />
schwingfestigkeitssteigernde Maßnahme …………………………………………… 105<br />
U. Reisgen R. Sharma, B. Ebert, Aachen<br />
Schweißprozessabhängige Steuerung der Absaugleistung unter<br />
Berücksichtigung von Nahtqualität und Prozessstabilität bei Anwendung<br />
von Absaugbrennern für das MSG-Schweißen ………………………………………… 113<br />
D. Schröpfer, L. Reichel, T. Kannengießer, Berlin<br />
Beanspruchungsgerechte Reparatur von Schweißverbindungen bei der Fertigung<br />
von Bauteilen aus hochfesten Feinkornbaustählen ..………………………………….… 120<br />
Wasserstofftechnologien<br />
M. Hayduk, Stralsund<br />
Integriertes Planungstool für die Kosten- und 3D Strukturplanung für Offshore-<br />
Windparks zur Erzeugung von H2 ………………………………………..…….…………… 127<br />
M. Hauer, S. Schmidt, A. Gericke, Rostock<br />
Erhöhung der Speicher- und Transporteffizienz für Flüssigwasserstoff in<br />
Stahl-Faserverbundtanks durch thermisch gespritzte TBC-Schichten<br />
(LH2 Tanks) ……………….…...…………………………………..…………..……………… 134
C. Reppin, A. Gericke, K.-M. Henkel, Rostock; P. Neef, K. Treutler, V. Wesling, Clausthal-Zellerfeld<br />
KryoMangan: Verarbeitung und Qualifizierung mittel- und hochmanganhaltiger<br />
austenitischer Stähle für kryogene Anwendungen …...………………………….……… 143<br />
Windenergie<br />
S. Shojai, T. Brömer, E. Ghafoori, P. Schaumann, Hannover;<br />
C. Woitzik, M. Braun, S. Ehlers, Hamburg; M. Köhler, Braunschweig<br />
Einfluss korrosiver Medien auf die Schwingfestigkeit von Offshore-<br />
Windenergieanlagen ……………………………………..………….………………………… 155<br />
U. Mückenheim, A. Aurin, S. Keitel, M. Clemens, M. Olesch, S. Olschok, R., Sharma, U. Reisgen<br />
Bewerten von Hochleistungsschweißprozessen für die Neufertigung von<br />
Windenergieanlagen (Stahlrohrturm) ………………………………..……………………… 165<br />
B. El-Sari, S. Gook, Ö. Östündağ, M. Biegler, A. Gumenyuk, M. Rethmeier, Berlin<br />
Kombination des Laserhybridschweißens und UP-Engspaltschweißens für<br />
dickwandige Bauteile zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ..…………….……………… 177<br />
T. Ungethüm, P. Schilling, E. Spaniol, H.C. Schmale, U. Füssel, Dresden<br />
Erweiterung des der Prozessgrenzen beim MSG-Heißdrahtschweißen durch<br />
Anpassung von Material- und Energieeintrag mittels einer vorgelagerten<br />
Heißdrahtvorwärmung …………………………………………..…...………..……………… 186<br />
S. Heikebrügge, B. Breidenstein, P. Schaumann, E. Ghafoori, C. Dänekas, Hannover<br />
Festwalzen als innovatives mechanisches Bearbeitungsverfahren zur<br />
Steigerung der Ermüdungsfestigkeit von Schweißverbindungen in der<br />
Offshore-Windenergie …………………...……………………………………………………. 199<br />
Autorenverzeichnis ……………….…………………………………………..……… 214
Fügetechnik für die Energiewende 2024<br />
KEYNOTE<br />
Qualifizierung von Werkstoffen und Schweißverfahren für die<br />
Energiewende – Status und Ausblick<br />
Peter Langenberg, IWT-Solutions AG, Aachen<br />
Die mit der Energiewende verbundenen Anforderungen an Gesellschaft und Technik sind herausfordernd und<br />
vielfältig. Betrachten wir diese Entwicklung einmal losgelöst von Gesellschaft und Wirtschaft, und tun wir dies<br />
mit dem typischen lösungsorientierten Ansatz ingenieurwissenschaftlicher Arbeitsweisen, so stellen wir<br />
folgendes fest:<br />
Auch die heute wichtigen Aspekte Nachhaltigkeit und Sicherheit haben schon immer in unsere Forschung eine<br />
Rolle gespielt.<br />
Alleine die Umsetzung mancher Ergebnisse hat vielleicht länger gedauert als erhofft. Das heißt, der Willen,<br />
die Befähigung und die Freude auch die Herausforderungen der Energiewende in Zukunft voranzubringen ist<br />
auf jeden Fall vorhanden. Das Forschungskolloquium zeigt dies in der Vielfalt der Themen auf beindruckende<br />
Weise.<br />
Deutlich wird vor allem die inzwischen selbstverständliche interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen<br />
Werkstoff, Fertigung und Konstruktion. Diese drei Begriffe finden sich auch im sogenannten Schweißer-<br />
Dreieck zur Schweißbarkeit wieder. Sie werden dort als Schweißeignung, Schweißmöglichkeit und<br />
Schweißsicherheit aufgeführt. Ins Zentrum dieses Dreiecks, als Ziel sozusagen, können die oben genannten<br />
Begriffe Nachhaltigkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit eingeordnet. Und verleihen wir dem Dreieck noch<br />
einen dynamischen Impuls, so können wir Innovation als treibende und beschleunigende Kraft hinzufügen.<br />
Vor diesem Hintergrund wird der Beitrag stellvertretend für andere Einzelaspekte auf die Frage der<br />
Anforderung an die Werkstoffe und Schweißverfahren eingehen. Dabei wird deutlich, dass eine<br />
vordergründige Reduzierung dieses Themas allein auf den Werkstoff viel zu kurz greift. Vielmehr wird<br />
klargestellt, dass nur eine integrale Betrachtung im Sinne des oben genannten Schweißer-Dreiecks gute<br />
Lösungen liefern kann.<br />
Verbunden damit ist naturgemäß ein kurzer retrospektiver Blick auf neue Methoden, Schweißverfahren und<br />
Werkstoffe, die in den letzten 30 Jahren des gemeinsamen Europäischen Marktes in zahllosen<br />
Forschungsvorhaben auf nationaler und internationaler Ebene erzielt wurden. Dabei wird auch die wichtige<br />
Rolle der technischen Normen erörtert.<br />
Wesentlich ist aber der Blick in die Zukunft, die uns alle im Sinne der Energiewende und für unsere Kinder und<br />
Enkel mehr interessieren sollte, die aber auch aus den Errungenschaften und Erfahrungen der Vergangenheit<br />
Nektar schöpfen sollte.<br />
<strong>DVS</strong> 391 1
Fügen von mehrdimensionalen und strukturierten Folien aus<br />
artgleichen und artfremden Werkstoffkombinationen<br />
M. Azizi, Dresden; A. Breitbarth, Jena; M. Schmitz, Jena;<br />
In der Fertigungstechnik stellt das Fügen dünner Folien eine Herausforderung dar. Der Laser bietet hier einen<br />
Lösungsansatz. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen sowohl das Laserstrahlpunktschweißen verdeckter<br />
Stöße an artgleichen Folienpaarungen, als auch das Korrosionsverhalten laserstrahlgeschweißter Folien<br />
aus artgleichen und artfremden Materialpaarungen. Als Materialien kommen 1.4404, Cu-HCP (2.0070)<br />
sowie Al der 1000er Reihe zum Einsatz.<br />
1 Einleitung<br />
Im Zuge der Energiewende spielen strukturierte Folienstapel eine bedeutende Rolle. Sie finden sowohl Verwendung<br />
in Rotationswärmetauschern, Mikrowärmetauschern und Mikrostrukturapparaten, als auch in Brennstoffzellen.<br />
Das Laserstrahlschweißen kann hier eine kosteneffiziente Alternative zu konventionellen Fertigungsverfahren,<br />
wie bspw. dem Kleben, darstellen. Durch das detektieren der verdeckten Stöße mittels bildgebender<br />
oder thermographischer Verfahren und das anschließende Schweißen an den detektierten Stellen<br />
eröffnen sich neue Möglichkeiten, bspw. für die Fertigung von Rotationswärmetauschern. Bild 1 verdeutlicht<br />
dieses Vorgehen. Diese Schweißungen wurden artgleich an den Materialien 1.4404, Cu-HCP (2.0070) sowie<br />
Al der 1000er Reihe durchgeführt. Die Folienstärke betrug 25 µm und 50µm.<br />
Bild 1. Prinzipielles Vorgehen für das Schweißen der verdeckten Stöße<br />
Bei artfremden Schweißungen sind sowohl die (häufig spröden) interkristallinen Phasen kritisch, welche sich<br />
negativ auf die erzielbaren Festigkeiten auswirken, als auch das Korrosionsverhalten. Letzteres stellt vor allem<br />
aufgrund von Bimetallkorrosion eine besondere Herausforderung beim Laserstrahlschweißen solcher Verbindungen<br />
dar. Um dieses Verhalten besser erfassen und beurteilen zu können, wurde eine neue Korrosionsmesszelle<br />
entwickelt, mit deren Hilfe die Korrosionsmessungen gezielt an der Schweißnaht erfolgen können.<br />
2 Entwicklung einer Spann- sowie einer Prägevorrichtung<br />
2.1 Spannvorrichtung<br />
Zum Spannen der Folien wurde eine entsprechende Vorrichtung benötigt. Diese wurde so konzipiert und gefertigt,<br />
dass sowohl geschlossene, als auch offene Strukturen gespannt werden können. Kommen geschlossene<br />
Folien zum Einsatz, so wird mittels Unterdruck gespannt. Bei offenen Strukturen wird die Spannkraft über<br />
einen Pneumatikzylinder erzeugt. Bild 2 zeigt das Wirkprinzip dieser hybriden Spannvorrichtung.<br />
<strong>DVS</strong> 391 3
Bild 2. Wirkprinzip der hybriden Spannvorrichtung, links: über Unterdruck bei geschlossenen Folien, rechts: über pneumatisch<br />
generierte Anpresskraft bei offenen Strukturen<br />
In die Spannvorrichtung wurde eine flächendeckende Schutzbegasung integriert. Die dafür notwendigen Düsen<br />
wurden durch rechnergestützte Simulation optimiert. Bild 3 zeigt links das Konzept der Schutzbegasung<br />
und rechts die Messung seiner Wirksamkeit über die Bestimmung des Sauerstoffgehaltes.<br />
Bild 3. Schweißvorrichtung, links: Schnittbild, rechts: Test der Schutzbegasung an der realen Vorrichtung<br />
2.2 Prägevorrichtung<br />
Da strukturierte Folien auf dem Markt nicht in den geplanten Stärken und Materialarten erhältlich waren, wurde<br />
eine Prägevorrichtung konzipiert, konstruiert und gefertigt, die das Prägen solcher Folien aus Glattband als<br />
Ausgangsmaterial ermöglicht. Ziel war es dabei eine Sinusprägung zu generieren, da diese in der Regel bei<br />
Rotationswärmetauschern Verwendung findet. Es zeigte sich sehr schnell, dass Sinusprofile auf den Prägewalzen<br />
mit sehr hohen Fertigungskosten verbunden sind. Daher wurde ein Dreiecksprofil gewählt. Bild 4 zeigt<br />
links eine Zeichnung der Walze in der Seitenansicht und Mitte das Verwendete Profil. Rechts sieht man die<br />
gefertigte Prägevorrichtung mit einer eingelegten Folie. Über die Veränderung der Anpressdrucks ist es möglich<br />
Einfluss auf die Kontur der geprägten Folie zu nehmen.<br />
Bild 4. Kontur der Prägewalze (links, mitte) sowie Prägevorrichtung (rechts)<br />
4<br />
<strong>DVS</strong> 391
3 Entwicklung einer Korrosionsmesszelle<br />
Bimetallkorrosion, auch bekannt als Kontaktkorrosion oder galvanische Korrosion, entsteht, wenn zwei metallische<br />
Werkstoffe – entweder artgleiche oder artfremde – elektrisch sowie elektrolytisch durch einen ionenleitfähigen<br />
Elektrolyten miteinander verbunden sind und die Potenzialdifferenz zwischen den Werkstoffen mindestens<br />
50 mV beträgt. Diese Potenzialdifferenz kann auch zwischen zwei artgleichen Werkstoffen auftreten,<br />
wenn einer von ihnen durch Herstellungsprozesse thermisch oder mechanisch stärker beansprucht wird als<br />
der andere. Die Korrosionsgeschwindigkeit nimmt mit steigender Potenzialdifferenz zu. In dieser Konfiguration<br />
dient der weniger edle Werkstoff als Anode und unterliegt der Korrosion, indem er Ionen in den Elektrolyten<br />
freisetzt und Elektronen zur Kathode – dem edleren Werkstoff – sendet, wo sie je nach Umgebungsmedium<br />
mit Sauerstoff reagieren und reduziert werden. Dies führt zu einem Ionenstrom im Elektrolyten und einem<br />
Elektronenstrom in der elektrischen Verbindung zwischen Anode und Kathode. Die Intensität dieses Stroms,<br />
bekannt als Elementstrom, gibt die Tendenz zur Korrosion an. Die Messung des Elementstroms erfolgt im<br />
Labor durch das Eintauchen der beiden verschiedenen Werkstoffe in einen gemeinsamen Elektrolyten, die<br />
anschließend mit einem Strommessgerät ohne Innenwiderstand verbunden werden. Der gemessene Strom<br />
entspricht dem Elementstrom [1].<br />
Sowohl bei artgleichen als auch bei artfremden Folienpaarungen, die mittels Laserstrahlschweißen verbunden<br />
werden, führt die zugeführte Wärme zu einer Veränderung des Gefüges beider Folien. Diese strukturellen<br />
Änderungen führen dazu, dass beide Werkstoffe ein neues, individuelles Potenzial entwickeln. Da die beiden<br />
durch Laser geschweißten Folien in elektrischem Kontakt miteinander stehen und bei Anwesenheit eines<br />
Elektrolyten die neu entstandenen Potenziale zur Bildung einer Potentialdifferenz führen, kommt es zur Entstehung<br />
der Bimetallkorrosion.<br />
Um die Korrosionsrate in diesem besonderen Fall zu ermitteln, ist eine Messung des Elementstroms nicht<br />
durchführbar, da eine einfache Trennung der beiden Folien nicht möglich ist. Eine mechanische Trennung<br />
könnte die Schweißnähte beschädigen und dadurch die individuellen Potenziale der Folien verändern. Aus<br />
diesem Grund war die Entwicklung einer neuen Messzelle erforderlich, um den Einfluss der Laserschweißparameter<br />
auf die Bimetallkorrosion charakterisieren zu können.<br />
Wenn eine Elektrode in einen Elektrolyten eingetaucht wird, gelangen einige Metallionen in den Elektrolyten,<br />
wobei sie Elektronen auf dem Metallstreifen zurücklassen. Dadurch bildet sich das Potential des Werkstoffs.<br />
Wenn sich nun ein anderer inerter Werkstoff, wie beispielsweise Platin, in der Nähe des ersten Werkstoffs<br />
befindet, wird die Platinelektrode polarisiert und erhält ein neues Potential. Dieses neue Potential ist abhängig<br />
vom Potential des ersten Werkstoffs und weist eine umgekehrte Polarität auf. Wenn eine zweite Elektrode in<br />
den Elektrolyten eingetaucht wird, erhält die benachbarte Platinelektrode ein eigenes Potential. Zwischen den<br />
beiden Platinpotentialen entsteht eine Potentialdifferenz. Die Größe dieser Potentialdifferenz ist ein Indikator<br />
für die Stärke der Bimetallkorrosion zwischen den beiden Werkstoffen, da beide Platinpotentiale durch die<br />
Eigenschaften der Werkstoffe bedingt sind und von diesen abhängen.<br />
Die neu entwickelte Messzelle basiert auf der Messung der Potentialdifferenz zwischen zwei polarisierten Platinelektroden.<br />
Diese Messung erfolgt kontaktlos und ohne Berührung der angeschweißten Folien.<br />
Um diese Hypothese zu realisieren, wurde eine neue Messzelle aus Polytetrafluorethylen (PTFE) konstruiert,<br />
um Beständigkeit gegen aggressive Elektrolyte zu gewährleisten (Bild 5). Die Zelle setzt sich hauptsächlich<br />
aus zwei getrennten Elektrolytkammern zusammen, die seitlich mit Platinnetzen als Elektroden bestückt sind.<br />
Zwischen diesen Elektrolytkammern sind zwei Scheiben mit O-Ringen positioniert, die es ermöglichen, die<br />
untersuchte Probe zentral zu fixieren. Die Abdichtung der Zelle wird durch vier Gewinde und Flügelschrauben<br />
sichergestellt. Der fließende Strom wird zwischen den polarisierten Platinelektroden gemessen. Um den Einfluss<br />
des Abstands zwischen den Platinelektroden und der Probe zu untersuchen, wurden Zwischenscheiben<br />
mit unterschiedlichen Breiten (3, 6, 12 und 24 mm) angefertigt.<br />
Bild 5. Die neu entwickelte elektrochemische Messzelle<br />
<strong>DVS</strong> 391 5
4 Experimentelles Vorgehen<br />
4.1 Detektion verdeckter Stöße<br />
Zur Untersuchung der Folien wurden verschiedene Messverfahren herangezogen: Laserlichtschnitt, ein stereoskopisches<br />
Messsystem mit aktiver Musterprojektion im VIS-Spektrum sowie aktive Thermografie. Mit den<br />
Messverfahren wurden Folien verschiedener Stärken und Materialien untersucht. Hierbei wurde ein Wellenband<br />
mit einem Glattband abgedeckt und ein Unterdruck von -0,08 bar erzeugt. Die untersuchten Materialien<br />
haben folgenden Eigenschaften (Tabelle 1).<br />
Tabelle 1. Spezifikationen der untersuchten Materialien.<br />
Glattband<br />
Material Aluminium Kupfer Stahl<br />
Stärke [µm] 25, 50, 100 50, 100 50, 100<br />
Wellenfolie (Material: Aluminium; Stärke: 100 µm)<br />
Wellenlänge [mm] ~3,2<br />
P-V Höhe [mm] ~1,6<br />
Das Verfahren des Laserlichtschnitts ermöglicht die Erfassung von Schnittprofilen vor allem linear bewegter<br />
Messobjekte bei gleichzeitig hoher Tiefenauflösung. Das stereoskopische Messsystem mit aktiver Musterprojektion<br />
arbeitet mit flächenhaft abtastenden Kameras und ermöglicht eine dreidimensionale Erfassung des<br />
gesamten Messbereichs ohne eine Relativbewegung zum Messobjekt.<br />
Zur Kontaktpunktbestimmung mittels aktiver Thermografie wurden die geschichteten und mit Unterdruck beaufschlagten<br />
Folien sowohl kurzzeitig mit Heißluft (~5 s) als auch impulsartig mit Blitzlampen erwärmt. Die<br />
Abkühlung der Oberfläche wurde mit einer Wärmebildsensorik aufgezeichnet. Die Erwärmung mittels Heißluft<br />
erfolgte manuell mit einer Heißluftpistole, welche 500 l/min bei 550°C zur Verfügung stellt. Zur Blitzanregung<br />
wurden drei baugleiche Blitzlampen mit einer jeweiligen Pulsenergie von 500 Joule verwendet. Diese wurden<br />
entsprechend Bild 6 (rechts) um das Messobjekt positioniert und gleichzeitig mittels Fernbedienung ausgelöst.<br />
Bei der Blitzanregung wurden zwei verschiedene Modi verfolgt: Zum einen der Einzelimpuls und zum anderen<br />
eine Impulsfolge von fünf Blitzen mit einem Abstand von jeweils ~0,5 s.<br />
Bild 6. Demonstrator: links: Konstruktion des Messaufbaus mit Folienspannvorrichtung und Thermografiekamera; Mitte:<br />
Seitenansicht mit um 6° geneigter Kamera zur Normalen der Messoberfläche; rechts: Messstand mit Folienspannvorrichtung,<br />
Thermografiekamera und Blitzanregungsquellen bei reduziertem Arbeitsabstand<br />
Ein Demonstrator zur Anwendung des Verfahrens der aktiven Thermografie wurde aus Aluminiumprofilen gefertigt.<br />
Der Reflexionsgrad der Materialien verhält sich im Wellenlängenbereich von 200 nm bis 10 µm sehr<br />
unterschiedlich. Im Sensitivitätsbereich der IR-Kamera (2,2 µm bis 5,0 µm) liegt der Reflexionsgrad von Aluminium<br />
und Kuper bei ~98% und wirkt damit wie ein Spiegel. [2] Aus diesem Grund wurde die Thermografiekamera<br />
leicht geneigt über dem Messobjekt platziert. Ohne diese Verkippung würde die Kamera vorwiegend<br />
eine Selbstreflektion aufzeichnen. Empirische Untersuchungen haben einen geeigneten Neigungswinkel zur<br />
6<br />
<strong>DVS</strong> 391
Normalen der Messoberfläche von 6° ergeben (Bild 6, links und Mitte). Die Kamera wurde oberhalb des Messobjektes<br />
in einem Abstand von ~1,60 m platziert. Zusätzlich zur Kamera mussten die Anregungsquellen für<br />
die aktive Thermografie angeordnet werden. Die Blitzquellen wurden möglichst nah an dem Messobjekt platziert,<br />
um eine zuverlässige Wärmeübertragung auf geringer Anregungsstrecke zu erreichen. Die Blitzlampen<br />
wurden dabei so angeordnet, dass diese die Messaufnahme nicht beeinflussen.<br />
Die Wärmebildkamera wurde in Verbindung mit einem Teleobjektiv mit 100 mm Brennweite eingesetzt. Dieses<br />
erlaubt eine nahezu verzeichnungsfreie Aufnahme und liefert bei dem gewählten Arbeitsabstand von ~1,60 m<br />
eine Auflösung (MFOV) von 0,72 mm. Die Wellenlänge der Wellenfolie beträgt ~3,2 mm und kann mit der<br />
bereitgestellten Auflösung zuverlässig erfasst werden.<br />
4.2 Punktschweißungen<br />
Für die Punktschweißungen kamen artgleiche Materialpaarungen aus 1.4404, Cu-HCP (2.0070) sowie Al der<br />
1000er Reihe zum Einsatz. Die Materialstärken betrugen 25 bzw. 50 µm. Als Referenzverfahren kam das<br />
Kleben zum Einsatz. Bei den Schweißungen für die Zugproben wurden 8 Schweißpunkte einschnittig, zweireihig<br />
appliziert. Bild 7 links veranschaulicht dies. Bild 7 rechts zeigt den Versuchsaufbau für die Schweißungen<br />
am Beispiel von Kupfer. Hierfür wurde die Bearbeitungsoptik leicht angestellt, um Rückreflexe auf die<br />
Optik zu vermeiden. Bei den Schweißungen kamen sowohl Rechteckpulse, als auch Pulsformung zum Einsatz.<br />
Bild 7. links: Aufbau der Zugproben für die Punktschweißversuche (einschnittig, zweireihig) rechts: Versuchsaufbau für<br />
das Schweißen von Zugproben (Modifikation für Kupfer)<br />
Später wurden die Punktschweißungen auf reale Stoßkonfigurationen an Glattband/Welle/Glattbandverbindungen<br />
übertragen.<br />
Für die Referenzklebung wurde eine Fläche herangezogen, die der Klebefläche entspricht, welche bei einem<br />
konventionell gefertigten Rotationswärmetauscher für die Glattbandfläche von 200 mm * 300 mm vorgesehen<br />
ist. Diese Klebefläche entspricht jener, die durch 8 Schweißpunkte ersetzt werden soll. Sie beträgt ca.<br />
160 mm 2 . Daher wurde die Geometrie für die Zugproben wie folgt festgelegt: Probengröße: 20mm (Breite) *<br />
50 mm (Länge). Die Überlappung beträgt 8 mm. Es kamen 2 verschiedene Klebstoffe zum Einsatz. Bei beiden<br />
Klebstoffen handelte es sich um Hotmelt- Industrieklebstoffe, die sich durch sehr kurze Abbindezeiten auszeichen.<br />
Zur Beurteilung der Klebung wurden sowohl Schäl- als auch Scherzugversuche durchgeführt. Geprüft<br />
wurde mit einem 500 N Kraftsensor, einer Geschwindigkeit von 1 mm/min unter Erfassung der Maximalkraft.<br />
<strong>DVS</strong> 391 7
Bild 8 zeigt beispielhaft zwei Schälzugversuche.<br />
Bild 8. Schälzugversuche an geklebten Proben, links 1.4404 rechts Cu<br />
4.3 Nahtschweißungen<br />
Für die Nahtweißungen kamen artgleiche Materialpaarungen aus 1.4404, als auch artfremde Materialpaarungen<br />
aus 1.4404/Cu-HCP sowie 1.4404/Al zum Einsatz. Die Materialstärken betrugen 50 bzw. 100 µm. Es<br />
wurden sowohl cw-Schweißungen, als auch pw-Schweißungen betrachtet. Darüber hinaus wurden Ansätze<br />
der Leistungsmodulation erprobt. Als Referenzverfahren kam das Diffusionsschweißen zum Einsatz.<br />
4.4 Korrosionsuntersuchungen<br />
Vor den Untersuchungen wurden Vorversuche mit variierenden Abständen zwischen der Probe und den Platinelektroden<br />
durchgeführt, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Bild 9 illustriert den Einfluss des Abstands<br />
zwischen den Platinelektroden und einer Referenzprobe auf die Messergebnisse für die Materialkombination<br />
1.4404-Cu in VE-Wasser. Dabei wird deutlich, dass der gemessene Strom mit zunehmendem Abstand abnimmt.<br />
Aufgrund dieser Erkenntnisse wird für zukünftige Messungen die Nutzung der schmalsten Zwischenscheibe,<br />
die einen Abstand von 3 mm aufweist, bevorzugt.<br />
Bild 9. Einfluss der Scheibenbreite auf den gemessenen Strom<br />
Die primäre Anwendung der mittels Lasertechnik geschweißten Folien zielt auf Brennstoffzellen und Wärmetauscher<br />
ab. Gemäß der Fachliteratur kommen als flüssige und elektrisch leitfähige Elektrolyte üblicherweise<br />
eine 30%ige Kalilauge in alkalischen Brennstoffzellen (AFC) oder eine hochkonzentrierte Phosphorsäure<br />
(85%) in phosphorsauren Brennstoffzellen (PAFC) zum Einsatz [3]. Während alkalische Brennstoffzellen im<br />
Niedertemperaturbereich von 20 bis 90°C operieren, erreicht die Betriebstemperatur der phosphorsauren<br />
Brennstoffzellen etwa 180°C. Zusätzlich zu den spezifischen alkalischen und sauren Elektrolyten ist geplant,<br />
elektrochemische Untersuchungen sowohl in Deionisiertem Wasser als auch in Trinkwasser durchzuführen,<br />
die beide oft als Wärmeträger in Wärmetauschern genutzt werden. Im Rahmen des Forschungsvorhabens<br />
wurde nichtrostender Stahl der Sorte 1.4404 als Hauptpartner für die Werkstoffpaarungen ausgewählt. Aufgrund<br />
der ausgezeichneten Korrosionsbeständigkeit gegenüber den zuvor genannten Elektrolyten soll die Korrosionsbeständigkeit<br />
von lasergeschweißtem nichtrostendem Stahl 1.4404 zusätzlich in einem chloridhaltigen<br />
Elektrolyt mit 1% NaCl untersucht werden.<br />
8<br />
<strong>DVS</strong> 391
Darüber hinaus, und in Unabhängigkeit von der Werkstoffpaarung sowie der Bildung von Bimetallkorrosion,<br />
wurde der seitlich angeschweißte nichtrostende Stahl 1.4404 elektrochemisch charakterisiert. Hierfür wurden<br />
Strom-Spannungs-Kurven unter Verwendung einer Aufsatzmesszelle in einer 1% NaCl-Lösung erstellt, um<br />
das Durchbruchspotential bei einer Stromdichte von 10 µA/cm² zu bestimmen [4]. Diese Methode ermöglicht<br />
es, den Einfluss der beim Laserschweißen entstehenden Wärme auf die Passivschicht der Schweißnähte zu<br />
untersuchen und deren Auswirkungen auf die Korrosionsbeständigkeit zu bewerten. Vor der Untersuchung<br />
wurde der nichtrostende Stahl 1.4404 gebeizt, um Oberflächenverunreinigungen und eventuelle Oxidschichten<br />
zu entfernen.<br />
Die lasergeschweißten Proben aus der Kombination 1.4404-Cu, jede mit einer Stärke von 50 µm, wurden<br />
unter Verwendung verschiedener Schweißparameter gefertigt und anschließend anhand der Schweißleistung<br />
in sieben Gruppen eingeteilt. Die Einteilung erfolgte von 100 W bis 350 W in Schritten von 50 W, mit einer<br />
Ausnahme bei 175 W. Innerhalb jeder Gruppe wurde die Geschwindigkeit des Laserschweißens schrittweise<br />
und zunehmend variiert.<br />
5 Ergebnisse<br />
5.1 Detektion verdeckter Stöße<br />
In vorangegangenen Experimenten wurden drei Messverfahren untersucht. Die Aufnahme des gesamten<br />
Messbereiches mit einem zeilenhaft abtastenden System (Laserlichtschnittverfahren) würde die Erfassungszeit<br />
deutlich steigern. Zusätzlich müsste eine zweidimensionale translatorische Bewegung des Sensors mit<br />
der erforderlichen Genauigkeit realisiert werden. Die hohe Reflektivität der untersuchten Materialien erschwert<br />
die Detektion der Wellenberge und -täler mittels des stereoskopisches Messsystem mit aktiver Musterprojektion<br />
und führte somit zu Fehlstellen im 3D-Abbild. Nachteil dieser 3D-Messverfahren ist ebenfalls, dass für die<br />
Erfassung der verborgenen Struktur eine tatsächliche Verformung des aufliegenden Glattbandes erforderlich<br />
ist. Bei steigender Folienstärke des Glattbandes (>35 µm) musste der Unterdruck erhöht werden. Diese notwendige<br />
geometrische Verformung führte letztlich zu einem höheren Material- und Ressourcenverbrauch. Daher<br />
wurde im Rahmen des Projektes das Messverfahren der aktiven Thermografie eingesetzt und im Folgenden<br />
werden die Ergebnisse präsentiert.<br />
Bild 10. Aktive Anregung unterschiedlicher Materialien und Folienstärke mit Heißluft (500 l/min, 500°C) für 5s und einzelnen<br />
Blitzimpulsen (3x 500 Ws)<br />
Bild 10 zeigt die Erwärmung des Folienstapels sowohl mit Heißluft als auch Blitzimpulsen. Bei beiden Methoden<br />
wurde ein vergleichbarer Betrag an Energie in das Material eingetragen. Stahlfolien verhielten sich bzgl.<br />
beider Anregungsquellen sehr kooperativ. Aluminiumfolien ließen eine Detektion der Wellenstruktur bis max.<br />
50 µm zu. Bei Kupferfolien konnte bisher kein Ergebnis erzielt werden. Vermutlich ist dieses Verhalten auf die<br />
unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit der Materialien (Tabelle 2) zurückzuführen. Vor allem die hohe Leitfähigkeit<br />
von Aluminium und Kupfer führen zu einem schnellen Abfluss der Energie in die darunterliegende Wellenfolie.<br />
Zusätzlich wurde, durch den Versuchsaufbau notwendigen Unterdruck, Konvektion an der Unterseite des<br />
Glattbandes erzeugt, womit der Wärmeabfluss beschleunigt wird. Außerdem ist zu prüfen, wie sich verschiedene<br />
Legierungen und Vorverarbeitungsprozesse auf die Energieabsorptionsfähigkeit der Materialien auswirken.<br />
<strong>DVS</strong> 391 9
Tabelle 2. Wärmeleitfähigkeit der untersuchten Stoffklassen.<br />
Material Wärmeleitfähigkeit (W/(m*K)) [5,6]<br />
Aluminium (99,5 %) 236<br />
Aluminiumlegierungen 75 - 235<br />
Kupferlegierungen (Sn, Zn, Ni, Pb) 30 - 110<br />
Kupfer (Handelsware) 240 - 380<br />
Kupfer (rein) 401<br />
Eisen 80,2<br />
Zur Detektion verdeckter Kontaktpunkte erfolgte eine algorithmische Kantendetektion mit Hilfe des Sobel-Operators.<br />
Die Analyse wurde zur Vergleichbarkeit auf normalisierten Bildern durchgeführt. Dabei traten deutlich<br />
die verborgenen Wellenberge (Kontaktlinien zum Glattband) bei Aluminium 25 µm sowie Stahl 50 µm und<br />
100 µm hervor. Des Weiteren wurden die Kantenbilder mittels eines datengetriebenen Schwellwertes binarisiert<br />
und zeigen deutlich die verdeckten Kontaktlinien (Bild 11). Auf Grundlage dieser Ergebnisse können über<br />
den gesamten Messbereich vertrauenswürdige Kontaktpunkte festgelegt und an das Laserschweißsystem<br />
übergeben werden. Im weiteren Projektverlauf soll diese Analysekette bspw. mit anderen Operatoren zur Kantendetektion<br />
verglichen und durch eine Fourier-Transformation erweitert werden.<br />
Bild 11. Binarisierung mittels datengetriebenem Schwellwert nach Kantendetektion mit Sobel-Operator<br />
5.2 Punktschweißungen<br />
Gegenüber den Referenzklebungen sind die übertragbaren Spannungen größer, die übertragbaren Kräfte jedoch<br />
um eine Größenordnung schlechter. Da die Schweißpunkte lediglich der Fixierung während des Montagevorgangs<br />
dienen, werden die übertragbaren Kräfte als ausreichend groß angesehen. Bild°12 veranschaulicht<br />
die Ergebnisse exemplarisch für 50 µm dicke Kupferfolien. Bild 13 zeigt Ausknüpfungen (Versagen im<br />
Grundwerkstoff) an Kuper (links) und Aluminium (rechts).<br />
Bild 12. Übertragbare Maximalkräfte an Überlappstößen von 50 µm dicken Kupferfolien (links: Rechteckpulse, rechts:<br />
mit Pulsformung<br />
10<br />
<strong>DVS</strong> 391
Bild 13. Ausknüpfungen bei den Scherzugversuchen, links: Cu, Rechteckpuls, t=1 ms, P=2000 W, rechts: Al, Pulsformung<br />
Für Kuper- und Stahlfolien sind Rechteckpulse mit 2 ms Pulsdauer zu empfehlen. Die Laserleistung ist dem<br />
optischen Setup anzupassen und sollte bei einem Fokusdurchmesser von 85 µm an Kupfer mindestens 900 W<br />
betragen. An Aluminiumfolien ist für Materialstärken von 25 µm Pulsformung mit einem überhöhten Pulsbeginn<br />
und einer abfallenden Rampe zu Pulsende zu empfehlen. Ab einer Folienstärke von 50 µm kann auch ein<br />
Rechteckpuls Verwendung finden.<br />
5.3 Nahtschweißungen<br />
Es konnten Schweißnähte generiert werden, welche den diffusionsgeschweißten Referenzproben bzgl. ihrer<br />
Zugfestigkeit deutlich überlegen sind. Dies liegt daran, dass nicht die Diffusionsschweißnaht selbst versagt,<br />
sondern der (durch den Prozess geschwächte) Grundwerkstoff am Übergang zur Diffusionsschweißzone. Darüber<br />
hinaus konnten für die Durchschweißung Parameter ermittelt werden, die sich tolerant gegenüber Spaltbildung<br />
zeigten (siehe Bild 14).<br />
Bild 14. Durchschweißung trotz Spaltbildung, 1.4404 artgleich, t=100 µm, P=200 W, v=37 m/min, dF=56 µm<br />
Aufgrund der höheren umsetzbaren Schweißgeschwindigkeiten sind cw-Schweißungen den gepulsten zur Erreichung<br />
dieses Vorhabenziels vorzuziehen. Es gelang, Nähte zu generieren, welche in den Scherzugversuchen<br />
im Grundwerksoff des weicheren Fügepartners (Cu bzw. Al) versagten. Einschnüren und Versagen erfolgten<br />
am Übergang zur Schweißnaht. Bild 15 zeigt exemplarisch Querschliffe an 100 µm-Folien aus Stahl<br />
und Kupfer, links als Einschweißung und rechts als Durchschweißung, wobei die ausgewählte Durchschweißung<br />
durch Wurzeleinfall gekennzeichnet ist.<br />
Bild 15. Schweißungen an 100µm 1.4404/Cu-HCP, links: Einschweißung, rechts Durchschweißung mit Wurzelrückfall<br />
<strong>DVS</strong> 391 11
5.4 Korrosionsuntersuchungen<br />
Die Ergebnisse zur Bestimmung des Durchbruchpotentials aus Bild 16 zeigen, dass in jeder Gruppe mit zunehmender<br />
Laserschweißgeschwindigkeit das Durchbruchpotential steigt und ein Maximum erreicht, welches<br />
dem Durchbruchpotential der Referenzprobe entspricht. Die Referenzprobe (Probenummer 58) ist ein nicht<br />
angeschweißter 1.4404 Stahl. Ein Anstieg des Durchbruchpotentials deutet darauf hin, dass der Werkstoff<br />
korrosionsbeständiger wird. Daraus lässt sich schließen, dass eine langsamere Schweißgeschwindigkeit zu<br />
einer stärkeren Wärmeeinwirkung und somit zu umfangreicheren Strukturveränderungen im 1.4404 Werkstoff<br />
führt, was wiederum eine negative Auswirkung auf die Korrosionsbeständigkeit hat und die Passivschicht beschädigen<br />
kann.<br />
Bild 16. Durchbruchpotential der lasergeschweißten Proben in 1%NaCl-Lösung<br />
Jedoch zeigt die Korrelation des Durchbruchpotentials mit der Haftung der gepaarten Folien, dass mit zunehmender<br />
Laserschweißgeschwindigkeit die Haftung der verbundenen Folien deutlich abnimmt. Beispielsweise<br />
verdeutlicht Bild 17, dass in der Gruppe mit einer Laserleistung von 175 W bei einer Laserschweißgeschwindigkeit<br />
von 110x10 3 mm/min keine adäquate Haftung zwischen den Folien erzielt wird.<br />
50.000 [mm/min] 80.000 [mm/min] 110.000 [mm/min]<br />
Bild 17. Durchbruchpotential und Querschliffbilder der lasergeschweißten Proben aus der Gruppe mit 175 W<br />
12<br />
<strong>DVS</strong> 391
Nach den Untersuchungen mit der neu entwickelten Messzelle unter Verwendung von Referenzproben und<br />
dem Vergleich der Ergebnisse mit den Elementstrommessungen derselben Referenzproben wurde eine sehr<br />
gute Korrelation festgestellt. Dadurch kann die ordnungsgemäße Funktionalität der neu aufgebauten Messzelle<br />
gewährleistet werden.<br />
Bild 18 präsentiert die Ergebnisse, die mit der neu entwickelten Messzelle für lasergeschweißte Proben der<br />
Materialkombination FE-Cu, jeweils mit einer Dicke von 50 µm, erzielt wurden.<br />
Bild 18. Messergebnisse mit der neu entwickelten Messzelle in 1% NaCl-Lösung<br />
Die erste Probe, als Referenzprobe gekennzeichnet und mit der Nummer Null versehen, besteht aus zwei<br />
Folien aus Cu und Fe 1.4404. Diese sind zwar nicht miteinander verschweißt, aber elektrisch verbunden und<br />
dienen als Vergleichsbasis. Die beim Laserschweißen entstehende Wärme beeinflusst beide Materialien und<br />
führt zu Veränderungen in der Gefügestruktur der Folien, was wiederum die Potenziale beider Werkstoffe<br />
modifiziert. Durch die neu entstandenen Potenziale und ihre Differenz entsteht ein elektrischer Stromfluss,<br />
dessen Intensität direkt von der Größe der Potentialdifferenz abhängt: Je größer die Differenz, desto stärker<br />
der Stromfluss, was auf eine geringere Korrosionsbeständigkeit der Materialkombination hinweist. Die durchgeführten<br />
Messungen der Ruhepotenziale von Kupfer (Cu) und 1.4404 in einer 1%igen NaCl-Lösung haben<br />
gezeigt, dass 1.4404 gegenüber Kupfer ein leicht edleres Verhalten aufweist. In einer 1%igen NaCl-Lösung<br />
fungiert Kupfer daher im Vergleich zu 1.4404 als Anode.<br />
Die Ergebnisse aus Bild 18 zeigen, dass der Stromfluss zwischen den zwei polarisierten Platinelektroden stark<br />
von der Laserleistung und der Laserschweißgeschwindigkeit beeinflusst wird. Dies deutet darauf hin, dass der<br />
Elementstrom ebenfalls stark beeinflusst wird, was wiederum die Bildung von Bimetallkorrosion begünstigen<br />
kann. Die Kurve zeigt, dass der maximale Strom bei einer Laserleistung von 250 [W] fließt und bei der Probe<br />
35 einen Wert von 350,75 [nA/cm²] erreicht. Probe 35 wurde mit einer Laserleistung von 250 [W] und einer<br />
Lasergeschwindigkeit von 2500 [mm/s] bearbeitet. Bei einigen Proben, wie z.B. den Nummern 5, 12 und 13,<br />
wurde eine Umkehrung des Stromflusses festgestellt. Der absolute Stromwert dieser Proben entspricht grundsätzlich<br />
den Strömen der übrigen Proben. Dieses Phänomen resultiert aus der beim Laserschweißen erzeugten<br />
Wärme, welche bewirkt, dass der Werkstoff 1.4404 gegenüber Kupfer unedler wird und somit die Anode<br />
bildet.<br />
6 Danksagung<br />
Das Verbundvorhaben wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter den IGF-Fördernummern<br />
48 LBR und 49 LBR nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages unterstützt. Für diese Förderung<br />
und Unterstützung sei gedankt.<br />
<strong>DVS</strong> 391 13
Schrifttum<br />
[1] DIN 50919:2022-02. Korrosion der Metalle - Korrosionsuntersuchungen der Bimetallkorrosion in Elektrolytlösungen.<br />
Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2022-02.<br />
[2] D. Tiberto, U. E. Klotz, F. Held. Einfluss der thermophysikalischen Eigenschaften auf die Verarbeitbarkeit<br />
von CuSn-Legierungen durch das selektive Laserschmelzen. Metall, vol. 71, S. 452-458, 11/2017.<br />
[3] Kurzweil, Peter. Brennstoffzellentechnik: Grundlagen, Materialien, Anwendungen, Gaserzeugung. 3.,<br />
überarbeitete und aktualisierte Auflage. Unter Mitarbeit von Ottmar Schmid. Wiesbaden: Springer Vieweg,<br />
2016. ISBN 978-3-658-14935-2.<br />
[4] ISO 15158:2014-02. Korrosion der Metalle und Legierungen - Potentiodynamische Methode zur Ermittlung<br />
des Lochkorrosionspotentials nichtrostender Stähle in Natriumchloridlösung.<br />
[5] H. J. Bargel, G. Schulze. Werkstoffkunde. VDI-Buch. Springer, Berlin, Heidelberg. (2008).<br />
https://doi.org/10.1007/978-3-540-79297-0_3.<br />
[6] C. Sigli, H. Terryn, I. De Graeve, H. Shercliff, M. Ryckeboer. Thermische Leitfähigkeit. aluMATTER<br />
(2016). https://web.archive.org/web/20160311181206/http://aluminium.matter.org.uk/content/html/ger/default.asp?catid=159&pageid=2144416493.<br />
14<br />
<strong>DVS</strong> 391
Gefährdungen beim handgeführten Laserstrahlschweißen<br />
M. Schmitz, Jena, Deutschland<br />
S. Jahn, Jena, Deutschland<br />
R. Prowaznik, Jena, Deutschland<br />
J. Lange, Jena, Deutschland<br />
Spätestens seit der letzten Weltleitmesse – Fügen, Trennen, Beschichten (Schweißen & Schneiden) im Jahr<br />
2023 sind handgeführte Laserstrahlschweißsysteme (engl. handheld laser welding) in das Interesse von<br />
Anwendern gerückt. Dies ist im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen: Zum ersten sind die Kosten<br />
für ein entsprechendes System in den letzten Jahren signifikant gefallen, zum anderen besteht wirtschaftlicher<br />
Druck bei der Herstellung von Schweißerzeugnissen, auch aufgrund des Fachkräftemangels. Im <strong>Bericht</strong><br />
wird auf verschiedene Aspekte des handgeführten Laserstrahlschweißens eingegangen, insbesondere auf<br />
Gefährdungen.<br />
1 Trend?<br />
Die Laserstrahlquelle stellt einen wesentlichen Kostenpunkt bei handgeführten Laserschweißsystemen dar.<br />
War bis vor wenigen Jahren der Preis von einem Kilowatt Laserstrahlleistung weit im sechsstelligen Bereich,<br />
so sind heute Strahlquellen mit 1 kW bereits im mittleren vierstelligen Bereich auf dem Markt verfügbar.<br />
Dadurch können Systeme bereits um zehntausend Euro angeboten werden.<br />
Um wirtschaftlich auftreten zu können, besteht ein hohes Interesse, die Produktivität beim manuellen<br />
Schweißen zu erhöhen. Hier bietet das handgeführte Laserstrahlschweißen ebenso Vorteile. Es kann<br />
schneller geschweißt und dabei der Verzug reduziert werden. Dadurch ist es möglich, den Durchsatz zu<br />
erhöhen, wenn die Randbedingungen stimmen. Weiterhin belegen <strong>Bericht</strong>e und Erfahrungen der Autoren,<br />
dass auch weniger erfahreneres Personal prüfgerechte Schweißnähte erzielen kann.<br />
2 Begriff<br />
Im Allgemeinen werden unter dem Begriff „Handschweißlaser“ Systeme verstanden, bei denen der Laserkopf<br />
feststeht und die Schweißbewegung durch händisches Verschieben des Werkstücks erfolgt. Auch werden<br />
darunter Anlagen verstanden, bei denen der Laserkopf mechanisiert/teilautomatisiert verfahren wird und<br />
die Bewegung des Laserkopfs oder des Werkstücks über einen Joystick gesteuert wird.<br />
Das handgeführte Laserstrahlschweißen ist dagegen vergleichbar mit handgeführten Lichtbogenschweißprozessen.<br />
Ein Handstück/Schweißkopf/Pistole wird über das Werkstück geführt, als Energie zum Aufschmelzen<br />
des Werkstoffs kommt jedoch kein Lichtbogen, sondern kohärente Strahlung zum Einsatz. Der<br />
Schweißkopf wird vom Schweißer in der Hand gehalten („Handstück“) und von diesem geführt.<br />
Bild 1. Handgeführte Laserstrahlschweißsysteme<br />
<strong>DVS</strong> 391 15
3 Sicherheitsanforderungen<br />
Zum Betrieb eines handgeführten Laserstrahlschweißsystems ist organisatorisch ein Laserschutzbeauftragter<br />
im Unternehmen zwingend erforderlich. Die Systeme sind der Laserklasse 4 („offenes Lasersystem“)<br />
zuzuordnen. Daher sind beim Betrieb die Vorschriften der Lasersicherheit besonders zu betrachten. Es wird<br />
dabei unterschieden zwischen dem Schutz des Schweißers und dem Schutz von Dritten. Firmen, die bereits<br />
eine Laseranlage einsetzen, beispielsweise zum Schneiden, erfüllen die Anforderung bereits. Neueinsteigern<br />
ist dies jedoch oft nicht bekannt, was ein Risiko darstellt.<br />
Schweißer-seitig muss das System Sicherheitsanforderungen erfüllen und darf die Laserstrahlung nur unter<br />
bestimmten Sicherheitsbedingungen freigeben. Die meisten Systeme bieten eine mehrstufige Überwachung.<br />
Die erste Stufe ist Kontaktüberwachung: der Laserstrahl wird nur freigegeben, wenn elektrischer Kontakt<br />
zwischen Handstück und Werkstück besteht („Massekabel“ zwischen Werkstück und System). Als zweite<br />
Stufe fungiert eine Freigabetaste am Handstück mit Signalisierung „Laser an“. Für einen sicheren Einsatz<br />
besitzen die Systeme die geforderte dritte Stufe, um den Anforderungen, beispielsweise hinsichtlich Laserschutzverordnung<br />
(Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung - OStrV) oder der Berufsgenossenschaften<br />
(Hand-Laser-Maschinen (HLM) - Checkliste (Entwurf), BG ETEM), zu erfüllen. Ausgeführt<br />
werden kann diese in Form eines Fußschalters oder einer Plasmaüberwachung.<br />
Bild 2. Handstücke zum einachsigen (links) und zweiachsigen (Mitte) Pendeln sowie mit aktiver Plasmaüberwachung<br />
(rechts)<br />
Der Schweißer muss persönliche Schutzausrüstung tragen. Es kann die Kleidung verwendet werden, die<br />
auch beim Lichtbogenschweißen genutzt wird. Aufgrund der Reflexion der gestreuten Laserstrahlung und<br />
der werkstoffbedingten Entstehung von UV-Strahlung („UV-Strahlung bei der Handlasermaterialbearbeitung“<br />
(DGUV-FP439)“) [6] ist jedoch darauf zu achten, dass die Haut des Schweißers bedeckt ist (Handschuhe!).<br />
Tabelle 1. UV-Belastung und Zeit bis zum Erreichen der Expositionsgrenzwerte [6]<br />
Hinsichtlich der Handschuhe liegen Anforderungen von mehreren Seiten vor. So existiert eine DIN SPEC,<br />
die Vorgaben hinsichtlich Schutz gegen Laserstrahlung trifft. „Die Untersuchung von Schutzhandschuhmaterialien<br />
gegenüber nichtkohärenter UV-Strahlung ist vorerst nicht Bestandteil dieser Norm.“ [7].<br />
„Die Sekundärstrahlung wird im Allgemeinen bei allen betrachteten Werkstoffen sehr stark divergent in die<br />
Hemisphäre über der jeweils bearbeiteten Werkstoffprobe emittiert. Bei den verwendeten Lasersystemen<br />
sind UV-Sekundärstrahlungsexpositionswerte, die für die Haut und die Hornhaut kritisch sind, in einer ähnlichen<br />
Größenordnung zu beobachten. Der relevante Expositionsgrenzwert Heff wird vor allem im Fall von<br />
Titan bei geringem Abstand von der Laserprozesszone teilweise nach weniger als einer Minute erreicht.<br />
Entsprechend sind lichtdichte Arbeitshandschuhe zu tragen. Dabei sollte der Schutz der Hände gegen emittierte<br />
Laserstrahlung nicht unberücksichtigt bleiben.“ [6] Eine Herausforderung ist aktuell daher, beide Forderungen<br />
nach Schutz gegen Primär- und Sekundärstrahlung zu erfüllen, da typische IR-Schutzwerkstoffe<br />
unter UV-Belastung zu einer schnellen Alterung neigen.<br />
16<br />
<strong>DVS</strong> 391