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Schneekugel

Das Magazin aus dem Frankfurt Museum

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EINUNG<br />

Queerer werden<br />

Stadtmuseen sollten die umkämpfte Geschichte<br />

sexueller und geschlechtlicher Vielfalt<br />

sichtbar machen, findet Benno Gammerl.<br />

UP-<br />

DATE<br />

In der Frankfurt History App<br />

gibt es neue Angebote.<br />

Ihr Buch erzählt die Geschichte<br />

queeren Lebens vom Kaiserreich<br />

bis heute. Kann man von einem<br />

langsamen, aber stetigen Zugewinn<br />

von Freiheit und Akzeptanz<br />

sprechen?<br />

Natürlich ist vieles besser geworden.<br />

Sexualität ist nicht mehr kriminalisiert,<br />

wir haben die Ehe für alle,<br />

es gibt eine sichtbare LGBTQ-Szene<br />

und aktuell eine Debatte um das<br />

Selbstbestimmungsgesetz. Gleichzeitig<br />

nehmen Übergriffe auf queere<br />

und trans* Menschen zu. Letztlich<br />

waren zu allen Zeiten homo- und<br />

transfeindliche Kräfte sowie queere,<br />

schwule und lesbische Befreiungen<br />

immer parallel am Werk – und dazwischen<br />

haben sich Vorstellungen<br />

von Normalität verschoben. Es gab<br />

auch Rückschläge: Die bewegten<br />

1920er Jahre schlugen um in die<br />

nationalsozialistische Verfolgung.<br />

Auf die Aufbrüche der 1970er Jahre<br />

folgte die AIDS-Katastrophe mit<br />

einer massiven Stigmatisierung vor<br />

allem schwulen Lebens. Es ist also<br />

keine geradlinige Emanzipationsgeschichte.<br />

Welche Rolle spielen Museen dabei,<br />

queere Lebensweisen sichtbar<br />

zu machen?<br />

In Museen ist dieser Strang der<br />

Geschichte wenig präsent. Das reicht<br />

soweit, dass sich historische Zeugnisse<br />

queeren Lebens in Archiven<br />

oder Sammlungen nur schwer finden<br />

lassen, weil sie nicht entsprechend<br />

verzeichnet wurden. Doch es ändert<br />

sich etwas, die Debatte um „Queering<br />

the museum“ läuft. Wichtig war<br />

zum Beispiel die große Ausstellung<br />

Homsexualität_en, die 2015 vom<br />

Schwulen Museum* Berlin und dem<br />

Deutschen Historischen Museum<br />

gezeigt wurde. Gerade Stadtmuseen<br />

haben die Möglichkeit, queere Geschichte<br />

einem breiten Publikum zu<br />

vermitteln. Neben Sonderausstellungen<br />

kann das in Form thematischer<br />

Touren durch die Dauerausstellungen<br />

geschehen – meiner Meinung<br />

nach übrigens auch für Kinder und<br />

Jugendliche.<br />

Was manche auf die Barrikaden<br />

treibt …<br />

Es ist darüber zu reden, was ab<br />

welchem Alter wie vermittelt wird.<br />

Aber das Argument, junge Menschen<br />

würden verdorben, wenn sie etwas<br />

über sexuelle und geschlechtliche<br />

Vielfalt erführen, zieht sich wie<br />

ein dunkles Verhängnis durch die<br />

letzten 150 Jahre. Dabei ist es andersherum:<br />

Ahnungslosigkeit macht<br />

wehrlos und nur im Wissen um Möglichkeiten<br />

kann man selbstbestimmt<br />

entscheiden.<br />

Benno Gammerl ist Historiker und Autor<br />

des 2023 bei Hanser erschienenen Buches<br />

„Queer: Eine deutsche Geschichte vom<br />

Kaiserreich bis heute“. Am 3. Juli wird er es im<br />

Historischen Museum in der Reihe „Geschichte<br />

Jetzt!“ (siehe S. 42) zur Diskussion stellen.<br />

Die Frankfurt History App ist der<br />

digitale Geschichtsguide durch die<br />

Stadt. Mit „Frankfurt Stories“ ist<br />

nach „Frankfurt und der NS“ und<br />

„Revolution 1848/49“ nun ein dritter<br />

Themenlayer an den Start gegangen.<br />

Dieser soll künftig verschiedene<br />

Inhalte zur Stadtgeschichte umfassen<br />

und kurze, vielfältige thematische<br />

Einblicke ermöglichen. Den Anfang<br />

machen die Stadtansichten von Carl<br />

Theodor Reiffenstein (1820-1893). Die<br />

Ausstellung über den „Bildchronisten<br />

des alten Frankfurt“ war 2022/23 ein<br />

großer Erfolg. 50 seiner Zeichnungen<br />

sind jetzt in den Frankfurt Stories zu<br />

entdecken, zudem kann mit einem<br />

kuratierten Stadtrundgang Reiffensteins<br />

Frankfurt abgegangen werden.<br />

Als zusätzliche Erweiterung gibt<br />

es mit „5 Orte — 5 Geschichten“ neue<br />

Inhalte im Frankfurter Ostend zu<br />

entdecken. Hier geht es um Biografien<br />

jüdischer Verfolgter während des<br />

NS-Regimes, die im Rahmen eines<br />

Schulprojekts der IGS Stierstadt erarbeitet<br />

wurden. „Solche Kooperationen<br />

mit anderen Institutionen, aber auch<br />

mit Initiativen, Bildungseinrichtungen<br />

und Schulen, sind das Herz der<br />

App“, stellt Josefine Klaus, Projektverantwortliche<br />

aus dem App-Team<br />

klar. Eine rege Beteiligung ist nicht<br />

nur möglich, sondern ausdrücklich<br />

erwünscht.<br />

Content-Creation-Nachmittag am<br />

25. September, 16-20 Uhr. Mehr Infos unter<br />

www.frankfurthistory.app oder per E-Mail<br />

an frankfurthistory@stadt-frankfurt.de<br />

F. K. Schulz<br />

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