Die Neue Hochschule Heft 2/2024
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Lernziel Demokratie
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DNH 2 | <strong>2024</strong><br />
HOCHSCHULPOLITIK<br />
33<br />
Hochschulforum Digitalisierung<br />
Visionen einer neuen Prüfungskultur<br />
Seit der Corona-Pandemie und nicht<br />
zuletzt durch die Breitenwirkung generativer<br />
KI-Tools wird an den <strong>Hochschule</strong>n<br />
so intensiv wie lange nicht mehr über<br />
das Prüfen gesprochen. Doch nicht nur<br />
die Prüfungsformate an sich, sondern<br />
auch die Rahmenbedingungen und der<br />
Umgang mit Prüfungen müssen sich<br />
ändern, um angemessen auf den technologischen<br />
Wandel zu reagieren. Das Diskussionspapier<br />
nimmt dabei eine Perspektive<br />
jenseits konkreter Prüfungsszenarien<br />
ein und beschreibt in zehn Visionsaspekten<br />
Vorbedingungen, ermöglichende<br />
Rahmenbedingungen sowie grundlegende<br />
Werte zeitgemäßen Prüfens.<br />
Das Diskussionspapier identifiziert<br />
auch grundlegende Störfelder für<br />
den Wandel der Prüfungskultur: Didaktisch<br />
Wünschenswertes stößt häufig an<br />
Grenzen des Machbaren im Sinne der<br />
Arbeitsbelastung von Prüferinnen und<br />
Prüfern sowie (vermeintlicher) rechtlicher<br />
Einschränkungen. Um diese Grenzen<br />
neu auszuloten, braucht es einen umfassenden<br />
und kontinuierlichen Austausch<br />
zu Erwartungen und Bedarfen hinsichtlich<br />
des Prüfens, der alle Statusgruppen<br />
umfasst – innerhalb der einzelnen <strong>Hochschule</strong>n<br />
wie im Gesamtsystem.<br />
Das HFD-Diskussionspapier und die<br />
darin enthaltene Vision basieren auf<br />
einer Workshopreihe im Sommer 2023,<br />
in der Studierende, Lehrende, Unterstützungsstrukturen<br />
sowie Hochschulleitungen<br />
und strategische Akteure statusgruppenintern<br />
über ihre Vorstellungen und<br />
Bedarfe diskutierten.<br />
CHE<br />
https://hochschulforumdigitalisierung.de/wp-content/<br />
uploads/<strong>2024</strong>/01/HFD_Diskussionspapier_28_Vision-einer_<br />
neuen_Pruefungskultur_final.pdf<br />
Psychische Belastungen bei Studierenden<br />
Nach der Pandemie noch kein normaler Studienalltag<br />
Prof. Dr. Beate Schücking, die Präsidentin<br />
des Deutschen Studierendenwerks<br />
(DSW), macht bei der DSW-Fachtagung<br />
Beratung in Berlin vor 130 Mitarbeitenden<br />
der psychologischen und sozialen Beratungsstellen<br />
der Studierendenwerke auf<br />
die anhaltenden Folgen aufmerksam, von<br />
denen die Beratungsarbeit seit der Coronapandemie<br />
betroffen ist.<br />
So stieg laut Schücking das Stressempfinden<br />
bei Studierenden während der<br />
Pandemie stark an, was unter anderem<br />
in den Ergebnissen der 22. Sozialerhebung<br />
zur wirtschaftlichen und sozialen<br />
Lage der Studierenden aufgezeigt wird.<br />
Stressauslösende Faktoren waren erhöhter<br />
Arbeitsaufwand durch die Online-Lehre,<br />
Wissens- und Kompetenzrückstände<br />
durch ausgefallene Veranstaltungen,<br />
Unzufriedenheit mit dem Online-Studium<br />
– insbesondere der Mangel an Austausch<br />
mit Kommilitoninnen, Kommilitonen und<br />
Lehrenden –, gesteigerte Eigenverantwortung<br />
und Selbstorganisation sowie der<br />
Verlust oder die Stundenreduzierung von<br />
Nebenjobs.<br />
Neben dem Anstieg des Stressempfindens<br />
verstärkte die Corona-Pandemie die<br />
Symptome von Depressionen und Ängsten.<br />
16 Prozent aller Studierenden gaben<br />
an, von mindestens einer gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigung betroffen zu sein,<br />
wovon 65 Prozent psychische Erkrankungen<br />
sind. Der Anteil der Studierenden, die<br />
Antidepressiva verordnet bekamen, ist laut<br />
Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse<br />
2023 von 2019 bis 2022 um 30<br />
Prozent gestiegen.<br />
<strong>Die</strong> psychischen Belastungen, die<br />
während der Pandemiezeit entstanden<br />
sind, hinterlassen aber auch nach deren<br />
Ende weiterhin Spuren, wie Schücking<br />
erläutert: „Verhaltensweisen, die unter<br />
den Bedingungen des Online-Studiums<br />
entstanden sind, enden nicht automatisch<br />
mit dem offiziell verkündeten Ende<br />
der Pandemie. Einige Studierende haben<br />
die Rückkehr in den normalen Studienalltag<br />
nicht geschafft. Oft ist die Leistungsfähigkeit<br />
beeinträchtigt, sowohl im Studium<br />
als auch bei der Erwerbsfähigkeit.<br />
<strong>Die</strong>se Entwicklungen führen dazu, dass<br />
die Nachfrage nach psychologischer Beratung<br />
bei den Studierendenwerken bundesweit<br />
enorm gestiegen ist, was sich auch in<br />
drastisch längeren Wartezeiten für beratungsbedürftige<br />
Studierende äußert. Mussten<br />
etwa Betroffene beim Studentenwerk<br />
Schleswig-Holstein im Jahr 2019 zu Spitzenzeiten<br />
sechs Wochen auf eine Beratung<br />
warten, waren es 2020 zehn und 2021<br />
mehr als 14 Wochen.<br />
Allerdings konnten seitdem die Wartezeiten<br />
wieder deutlich reduziert werden,<br />
beim Studentenwerk Schleswig-Holstein<br />
warteten Studierende im Jahr 2022 erfreulicherweise<br />
nur ein bis drei Wochen auf<br />
ein Erstgespräch.“<br />
<strong>Die</strong>se positive Entwicklung nach dem<br />
Ende der Pandemie ist Sonderprogrammen<br />
zum Ausbau des coronabedingten personellen<br />
Mehrbedarfs der psychologischen<br />
Beratungsstellen in einigen Bundesländern<br />
zu verdanken, wie Baden-Württemberg,<br />
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,<br />
Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen<br />
und Schleswig-Holstein. Dazu Schücking:<br />
„Angesichts der aktuellen weltpolitischen<br />
Lage, welche die Studierenden zunehmend<br />
belastet und zu wachsender Verunsicherung<br />
führt, appellieren wir an Bund und<br />
Länder, langfristige finanzielle Ressourcen<br />
für die Psychologischen und Sozialen<br />
Beratungsstellen bereitzustellen. Konkret<br />
fordern wir zehn Millionen Euro Bund-Länder-Mittel<br />
über die kommenden vier Jahre.<br />
<strong>Die</strong>s ist entscheidend, um die personellen<br />
Kapazitäten der Beratungsstellen der<br />
Studierendenwerke dauerhaft zu erweitern<br />
oder zumindest auf dem Niveau zu<br />
halten, das durch die vorübergehenden<br />
Sonderförderungen einiger Bundesländer<br />
ermöglicht wurde.“<br />
DSW