Taxi Times DACH - 1. Quartal 2024
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TAXITARIFE<br />
entsteht – im Unterschied zu österreichischen Tarifen – nur bei<br />
Stillstand oder sehr langsamer Fahrt („unterhalb der Umschaltgeschwindigkeit“).<br />
Außerdem werden für bestimmte Ausstattungsmerkmale<br />
und Dienstleistungen Zuschläge erhoben.<br />
Bisher kaum, aber mit leicht zunehmender Tendenz nutzen<br />
Behörden auch die Möglichkeiten für Festpreise und Tarifkorridore<br />
(dazu mehr auf der nächsten Doppelseite).<br />
Viele Behörden beschränken sich bei ihren Entgelten nicht auf<br />
einen Grundpreis und einen Kilometerpreis. So werden vielerorts<br />
zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Preise festgesetzt.<br />
Zum einen sollen Fahrer nachts und am Wochenende besser entlohnt<br />
werden, daher sind die Preise zu diesen Zeiten höher. Hier<br />
weisen die beiden größten Städte einen maximalen Unterschied<br />
auf: Während in Berlin der Nacht- und Wochenendtarif vor über 20<br />
Jahren abgeschafft wurde, hat Hamburg letzten Sommer ein völlig<br />
neues Modell der zeitlichen Fahrpreisdifferenzierung eingeführt.<br />
Hier zahlen Kunden jetzt zur sogenannten Hauptzeit etwas mehr<br />
(sechs statt vier Euro Grundpreis und 10 Cent mehr je Kilometer),<br />
während die Fahrpreise in den Zwischenzeiten, das ist montags<br />
bis freitags von 10 bis 15 Uhr, etwas<br />
günstiger sind. Die deutschlandweit<br />
häufigste Unterscheidung ist aber<br />
in etwa die, dass es nachts und an<br />
Sonn- und Feiertagen etwas mehr<br />
kostet als werktags von 6 bis 22<br />
Uhr, wobei die genauen Uhrzeiten,<br />
zu denen die Tarifstufe wechselt,<br />
von Ort zu Ort ein wenig schwanken.<br />
DEGRESSIONSSTUFEN BEIM BERLINER TARIF<br />
Zweitens macht eine Fahrt von zehn Kilometern Länge nicht doppelt<br />
so viel Aufwand wie eine Fünf-Kilometer-Fahrt. Folglich kosten<br />
vielerorts die ersten Kilometer den Kunden einen höheren<br />
Kilometerpreis als die späteren. Man spricht von einer Degressionsstufe,<br />
die in der Praxis bewirkt, dass die <strong>Taxi</strong>uhr ab einer<br />
bestimmten erreichten Kilometerzahl langsamer zählt. Auch hier<br />
ist Berlin ein Sonderfall: Im Dezember 2022 erhielt der Tarif sogar<br />
eine zweite Degressionsstufe, sodass der Kilometerpreis sich jetzt<br />
einmal nach drei und nochmals nach sieben Kilometern ändert.<br />
Zwei Degressionsstufen kommen in nur wenigen Tarifen vor.<br />
Damit ist der Berliner Tarif aber noch nicht komplett. Es gibt<br />
ja den baugeschichtlich bemerkenswerten Hauptstadtflughafen,<br />
der im märkischen Sand des Landkreises Dahme-Spreewald errichtet<br />
wurde, einem dünn besiedelten Gebiet mit völlig anderer Tarifstruktur<br />
als in der Hauptstadt. Um zu erreichen, dass alle<br />
eintreffenden Fluggäste zum gleichen <strong>Taxi</strong>tarif weiterfahren können,<br />
einigten sich beide Gebiete nach jahrelangem Streit (hauptsächlich<br />
um das Bereithaltungsrecht am Flughafen) auf eine<br />
gemeinsame Flughafen-Tarifstufe, die aber nicht für Fahrten zum<br />
Flughafen, sondern nur bei dortiger Abfahrt gilt. Sie ersetzt auch<br />
keinen Tarif der beiden Gebiete, sondern muss jeweils zusätzlich<br />
im Taxameter aufrufbar sein.<br />
Mehrkosten entstehen den Unternehmern auch durch den Einsatz<br />
größerer Fahrzeuge, in denen mehr als vier Fahrgäste und/<br />
oder im Rollstuhl sitzende Personen befördert und größere Mengen<br />
Gepäck oder besonders sperrige Fracht transportiert werden<br />
können. Meist wird dies<br />
durch einen Zuschlag kompensiert,<br />
doch in einigen Tarifen<br />
sind auch Grund- und ggf.<br />
Kilometerpreise höher, sobald<br />
die Fahrt nicht im „kleinen“<br />
Pkw möglich wäre. Im Landkreis<br />
Emmendingen liegt der<br />
Grundpreis ab fünf Personen<br />
um 9,60 Euro höher und die<br />
Kilometerpreise montags bis samstags tagsüber um 30 bzw.<br />
50 Cent; nachts und sonntags sind sie für jede Personenanzahl<br />
die gleichen.<br />
ANFAHRT ZUM KUNDEN<br />
Auch die Anfahrt zur<br />
Abholadresse wird unterschiedlich<br />
berechnet. In<br />
Berlin gab es bis vor gut<br />
20 Jahren eine Tarifstufe<br />
mit Kilometerpreis für<br />
die Anfahrt, wobei die<br />
<strong>Taxi</strong>uhr erst in gleicher<br />
Entfernung wie der nächstgelegene<br />
<strong>Taxi</strong>halteplatz<br />
eingeschaltet werden durfte – wie soll das kontrolliert werden?<br />
Im Landkreis Emmendingen kostet die Anfahrt außerhalb eines<br />
detailliert definierten „Kernbereichs“ pauschal 6 Euro, außerhalb<br />
der Betriebssitzgemeinde sogar 18 Euro. Der Landkreis Schmalkalden-Meiningen<br />
erhebt einen Kilometerpreis von 2,70 Euro<br />
für Anfahrten, wenn Start- und Zielort der Fahrt außerhalb des<br />
Betriebssitzortes liegen.<br />
ZUSCHLÄGE<br />
In Berlin erzählt man sich die<br />
Geschichte eines verstorbenen, im<br />
<strong>Taxi</strong>gewerbe prominenten Rechtsanwalts,<br />
der in jungen Jahren als<br />
taxifahrender Jura-Student einmal<br />
im Zuge einer Materialfahrt<br />
ein großes Behältnis mit einer<br />
dreistelligen Zahl Kleintiere, artgerecht<br />
und atmungsaktiv eingepackt,<br />
zu einem biologischen<br />
Institut zu transportieren hatte.<br />
Da der <strong>Taxi</strong>tarif damals noch einen<br />
Zuschlag für Tiere enthielt, multiplizierte<br />
er diesen mit der Anzahl<br />
der Tiere und verlangte dann<br />
einen dreistelligen Fahrpreis –<br />
den er erfolgreich vor Gericht einklagen<br />
musste. Daraufhin sei der<br />
Zuschlag für Tiere aus der Tarifordnung<br />
gestrichen worden. Einige<br />
Tarifgebiete haben ihn noch.<br />
BILDER: freepik.com<br />
10 <strong>1.</strong> QUARTAL <strong>2024</strong> TAXI