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Mixology Issue #120 – REIS, BABY!

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Markus Blattner ist in seiner Berufspassion als<br />

Bartender länger als ein Vierteljahrhundert<br />

aktiv und derjenige, der das Renommée von<br />

Zürichs Widder Bar und das Fundament der<br />

viel zitierten »Library of Spirits« 13 Jahre lang<br />

als Chef de Bar geprägt hat. Ursprünglich ist<br />

der Wahlzürcher gelernter Kaufmann, aber das<br />

liegt schon lange zurück. Genauso wie der Bar<br />

Convent Berlin der ersten Stunde mit »Boutique-Charakter«,<br />

den er gerne erinnert. Oder<br />

seine Mitwirkung als Juror der <strong>Mixology</strong> Bar<br />

Awards in damals kleinerer Runde. Seit zehn<br />

Jahren betreibt er nun mit seiner Frau Petra<br />

das »The Old Crow« in der Zürcher Altstadt.<br />

Dort treffen wir die unprätentiöse Branchenpersönlichkeit,<br />

starten vor dem Ansturm, ruhig<br />

und mit einem Softdrink. Selbstredend bleibt es<br />

in Blattners American Bar mit mehr als 1700<br />

Spirituosen- und Getränkequalitäten sowie 900<br />

raren wie gängigen Whisk(e)ys, teils aus der<br />

Privatsammlung des Spirituosenliebhabers und<br />

-kenners, nicht alleine dabei. Und hätte in der<br />

buntgemischten Gäste-Klientel noch mehr sein<br />

können, denn seine in Leder gebundenen Karten<br />

sprechen Bände aus alten und neuen Zeiten.<br />

Aber sie verraten nicht, dass The Old Crow<br />

Ende des Vorjahres ihr zehntes Jubiläum hatte.<br />

Text Mia Bavandi<br />

Fotos Steven Kohl<br />

<strong>Mixology</strong>: Lieber Markus, fast hätte ich<br />

wieder nicht zu dir gefunden, so verwinkelt ist<br />

es hier.<br />

Markus Blattner: Als wir eröffnet haben,<br />

sagten viele, dass uns in dieser verlorenen<br />

Gasse keiner finden wird. Ich wollte noch ein<br />

Schild anbringen, aber die Auflagen in Zürichs<br />

Altstadt sind hoch, es gilt Denkmalschutz,<br />

und irgendwann hab’ ich das vergessen. Jetzt<br />

finde ich es gut. Man blickt von draußen auf<br />

die Menschen im Inneren des Lokals und ist<br />

überrascht. Aber man muss schon wissen, wo<br />

wir sind, durch Zufall läuft selten jemand dran<br />

vorbei.<br />

Du bist vor langer Zeit ins Barfach quereingestiegen.<br />

Kannst du deinen Weg kurz skizzieren?<br />

Vermutlich gehöre ich wie auch Stefan Gabányi<br />

schon zum alten Eisen, aber ich bin auch<br />

erst relativ spät mit 27 Jahren nach meiner Tätigkeit<br />

als Bankkaufmann und vielen Reisen in<br />

die Gastronomie eingestiegen. Bartending war<br />

immer mein Hobby, das ich schon bei diversen<br />

Vereinsaktivitäten in meiner Heimatstadt<br />

Aarau übernommen und folglich auch einige<br />

wenige Kurse belegt habe. Mit 24 Jahren ging<br />

ich dann auf längere Reisen nach Asien und<br />

Australien, dann arbeitete ich in Genf, weil<br />

mir damals Zürich zu engstirnig erschien. 1996<br />

fing ich erstmals als Commis de Bar in der<br />

gerade eröffneten Widder Bar an. Doch das<br />

Fernweh trieb mich noch auf Kreuzfahrt- und<br />

Expeditionsschiffe, wo Petra und ich einander<br />

auch kennengelernt haben. Die Widder Bar<br />

behielt ich immer im Hinterkopf. Schlussendlich<br />

kam auf dem Kreuzfahrtschiff der Anruf<br />

aus dem Widder. Das war im Jahr 2000, als ich<br />

folglich für 13 Jahre als Chef de Bar die Widder<br />

Bar geleitet habe.<br />

The Old Crow feierte Ende vergangenen Jahres<br />

ihr zehnjähriges Jubiläum. War es damals<br />

zwingend die Idee, die Widder Bar zu verlassen<br />

und hier eure American Bar zu etablieren?<br />

Auf keinen Fall. Das hat sich mit der Location<br />

ergeben und war eine erschwingliche Glückssache<br />

in Zürich. Wir hatten zwar schon länger<br />

die Idee einer eigenen Bar im Hinterkopf, aber<br />

es war nicht eilig. Doch als wir dieses Lokal<br />

durch Zufall gesehen haben, ging es ziemlich<br />

schnell. Petra, damals Betriebsleiterin, war<br />

eher die treibende Kraft, als wir auf das Lokal<br />

gestoßen sind, und dann ging auch alles innerhalb<br />

von vier Monaten sehr schnell. Jvan<br />

Paszti, Petra und ich haben The Old Crow als<br />

gleichberechtigte Partner gegründet, als Partner<br />

ist Jvan nun aber schon seit vier Jahren<br />

nicht mehr operativ tätig.<br />

Es war kein vorgefasster Plan, den Widder zu<br />

verlassen. Der richtige Schritt?<br />

Definitiv eine glückliche Entscheidung. Ich<br />

liebe Zürich als Melting Pot aus internationalen<br />

und vielen nicht Deutsch sprechenden<br />

Menschen. Das ist fantastisch. Ich habe auch<br />

meine Arbeit im Widder geliebt. Es ist eine der<br />

schönsten Bars und hat einen der schönsten<br />

Tresen der Welt, wo ich unendlich viel Spielraum<br />

hatte, um mich selbst zu verwirklichen.<br />

Wir haben im Jahr 2000 mit 120 Whiskys begonnen,<br />

der teuerste kostete 45 Franken. Ich<br />

bin Jäger und Sammler, meine Leidenschaft<br />

galt schon immer Spirituosen und vor allem<br />

Whisk(e)y. Binnen kurzer Zeit konnte ich das<br />

Portfolio mit 1000-Franken-Positionen und<br />

zig-jährig gereiften Qualitäten verdoppeln und<br />

andere Kategorien weiter ausbauen. Ich musste<br />

sogar ein Sicherheitskonzept für Aufbewahrung<br />

und Zutritt der exklusiven Qualitäten<br />

vorstellen. In kurzer Zeit waren wir eine der<br />

bekanntesten Whisky Bars, vielleicht weltweit.<br />

Doch so sehr ich den Widder und die Fünf-<br />

Sterne-Gastro nomie geliebt habe, war es nicht<br />

leicht oder einfach, junge Vorgesetzte oder<br />

F&B-Manager in ihrer Vorstellung von der Leitung<br />

und Bestückung einer Bar zu verstehen.<br />

Doch dann kam das Glück der Location.<br />

Die nach einem Bourbon benannt ist. Mochtest<br />

du diesen Old Crow besonders?<br />

Nein! Er war damals eine Big Brand in Amerika.<br />

Bei der Namensgebung waren wir uns alle<br />

einig mit unserem Konzept, einen zeitlosen,<br />

charmanten Ort zu stiften, an dem wir uns alle<br />

wohlfühlen. Unsere Vorgabe war eine American<br />

Bar mit open doors und Musiklautstärke,<br />

bei der man sich unterhalten kann. Um hier<br />

diesen Traum zu leben, braucht es internationale<br />

Gäste, hier auch glücklicherweise viele<br />

Amerikaner, die dich wirklich suchen. Mein<br />

schönstes Kompliment kam von ihnen: Ihr<br />

seid die älteste Bar der Schweiz.<br />

Es wirkt sehr gemütlich, ein wenig wie ein Irish<br />

Pub. War es von Anfang an so konzipiert?<br />

Ich habe mich gerne von jahrhundertealten,<br />

cozy Pubs in Irland inspirieren lassen, das war<br />

Absicht. Meine Leidenschaft ist mein Job, in<br />

dem ich die meiste Zeit verbringe. Daher ist<br />

das Umfeld sehr wichtig. Um diese Leistung<br />

zu erbringen, muss ich mich, müssen wir uns<br />

wohlfühlen. Für ein Komplettdesign fehlten<br />

der reiche Patenonkel und die Zeit. Dafür<br />

wollten wir, dass unser Lokal wachsen und sich<br />

entwickeln darf. Wenn ich mir die damaligen<br />

Bilder anschaue, finde ich vieles nicht so sexy.<br />

Die Wand im hinteren Raum war anfangs komplett<br />

leer und ohne Bilder, aber genauso sollte<br />

sich das Old Crow entwickeln.<br />

Was fasziniert dich an deinem Beruf?<br />

Primär ist es die Leidenschaft zum faszinierenden<br />

Handwerk. Klar, man muss Gäste,<br />

Menschen mögen. Aber ich behaupte nicht,<br />

der beste Gastgeber zu sein. Ich bin es sehr<br />

gerne, aber ich bin kein Conférencier oder<br />

Zirkus direktor. Ich bediene meine Gäste gerne,<br />

möchte sie aber nicht unterhalten. Small<br />

Talk oder das Halten von Vorträgen finde ich<br />

furchtbar. Hinter dem Tresen fühle ich mich<br />

wohl, er bildet ein kleines Versteck und sicher<br />

keine Bühne, auf der ich mich darstellen<br />

möchte. Ich bin Handwerker und mag es auch,<br />

Leute mit dieser Arbeit in den Bann zu ziehen,<br />

aber einen Witz würde ich nie erzählen.<br />

Das klingt zurückhaltend, anders als viele<br />

Bartender es heute machen. Ist Gastgeben<br />

nicht das Schlagwort der jungen Generation?<br />

Das glaube ich auch. Natürlich muss man gerne<br />

Gastgeber und Dienstleister sein. Ich versuche<br />

meinen Mitarbeitern mitzugeben, dass<br />

wir aufmerksam, aber unaufdringlich sind. Es<br />

gibt nichts Schlimmeres als Startender. Gesprä-<br />

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