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Mixology Issue #120 – REIS, BABY!

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Text Markus Orschiedt<br />

Illustrationen Inga Israel<br />

PERUPUR<br />

Von Peru, diesem be sonderen Andenstaat<br />

am Pazifik, ging schon immer<br />

ein Zauber aus. Die Inka-Hochkultur<br />

hatte hier ihr Zentrum. Den spanischen<br />

Eroberern war es als unerschöpfliches<br />

Goldland verheißen. Die vergangenen<br />

Jahre wiederum haben das Interesse<br />

an peruanischer Kulinarik global<br />

in die Höhe schnellen lassen. Doch<br />

Moment: Zur Kulinarik gehört ja wohl<br />

auch Trinken. Eine Wanderung.<br />

Erinnern Sie sich noch an die Kult-Serie Miami<br />

Vice? An Don Johnson, der als blondmähnige<br />

Nemesis Sonny Crockett, zusammen mit seinem<br />

Partner Rico Tubbs, in Miami Beach die<br />

Finsterlinge der Kokainbanden in ihren Clubs<br />

aufspürte und über den Ocean Drive oder zu<br />

Wasser nachsetzte? In schnellen Autos und<br />

noch schnelleren Schnellbooten, mit dunklen<br />

Sonnenbrillen und pastellgewandet, wurden<br />

Recht und Gesetz noch nie mit so viel Stil –<br />

style over substance, bemängelten Kritiker – in<br />

Szene gesetzt.<br />

Das können wir auch, dachte sich wahrscheinlich<br />

Nancy »Donna« Faeser und ließ sich<br />

kürzlich auf einem Boot der Küstenwache<br />

in Perus Metropole Lima ablichten. Ganz in<br />

Schwarz, aber auch blondwehend und mit<br />

dunkler Sonnenbrille im simulierten Kampf<br />

gegen die Koksfluten, die sonst irgendwann an<br />

den Docks des Hamburger Hafens anbranden.<br />

Wem es wohl eher mit einer seit Jahrzehnten<br />

dysfunktionalen Antidrogenstrategie an den<br />

Kragen geht: prekären Campesinos oder brutalen<br />

Narcos-Kartellen? Beinahe gleichzeitig<br />

hatten die Medien, flankiert vom Lärm des<br />

asozialen Empöriums, es fertiggebracht, das<br />

öffentliche Bild von Peru abzurunden: die<br />

Radwege im Moloch Lima, bezahlt von unserem<br />

Steuergeld! Damit war die Kakophonie<br />

in Gang gesetzt. Eine Mixtur aus harten Fake<br />

News, Halbwahrheiten, Ignoranz, Missachtung<br />

internationaler Abkommen und langfristiger<br />

Strategien gegen Armut und Klimawandel.<br />

Deutschland und Europa investieren in die<br />

Probleme, China holt sich die industriellen<br />

Rohstoffe, wir bekommen das Koks – so der<br />

Plot. Ein einziges kommunikatives Desaster.<br />

Schmackhaft gemacht von den verkaterten Framing-Sommeliers<br />

der TV-Morgenmagazine bis<br />

zu den hauptamtlichen Hassbewirtschaftern<br />

in Politik und Digitalmedien. Umso beschämender,<br />

arrogant und geschichtsvergessen, vor<br />

dem Hintergrund der großen Bedeutung und<br />

des deutschen Ansehens seit Alexander von<br />

Humboldts großer Andenexpedition von Cartagena<br />

nach Lima. Dort gelang ihm die valide<br />

Bestimmung des Längengrades von Lima, der<br />

heute noch als Richtwert für das südwestliche<br />

Teilstück des Kontinents Gültigkeit hat.<br />

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