04.04.2024 Aufrufe

Mixology Issue #120 – REIS, BABY!

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

MAIS<br />

SPACE<br />

Text & Tastingleitung<br />

Maria Gorbatschova<br />

Illustration Constantin Karl<br />

An Bourbon führt kein<br />

Weg vorbei. So ist es nur<br />

recht und billig, dass er<br />

die erste Spirituosenkategorie<br />

ist, die bereits zum<br />

dritten Mal den Weg ins<br />

Taste Forum findet. Unser<br />

Expertengremium bewertet<br />

das aktuelle Angebot<br />

und findet ein klares, wenn<br />

auch knappes Urteil.<br />

An Bourbon kommt niemand vorbei, der in<br />

einer Bar arbeitet. In etwas über 300 Jahren<br />

Geschichte erlebte die Kategorie viele Höhen<br />

und Tiefen: Whiskey der Frontiers, verbotene<br />

Spirituose, Trendgetränk der Cocktail-Renaissance.<br />

Heute ist Bourbon so präsent und vielfältig<br />

wie nie.<br />

Seine Ursprünge sind, wie so häufig bei Spirituosen,<br />

nicht ganz klar. Etwa ab den 1770ern<br />

siedelten sich in Kentucky Siedler an. Destillation<br />

war zu dieser Zeit in den USA bereits<br />

weit verbreitet. Bauern machten durchs Brennen<br />

aus einem verderblichen Produkt – dem<br />

Getreide – ein unverderbliches und leicht<br />

verkäufliches, ob holzgereift oder nicht. Die<br />

Amerikaner destillierten den gesamten Mash,<br />

statt das Getreide vorher herauszufiltern, wie<br />

es in Schottland üblich ist. Die in der Brennblase<br />

verbleibenden Überreste eignen sich bei<br />

dieser Methode hervorragend als Tierfutter. Im<br />

Frühling wiederum dient der Kuhdung dazu,<br />

die Felder für das Getreide zu düngen. Als Vorbild<br />

für diese Destillationsmethode diente u. a.<br />

die deutsche Kornherstellung. Ein Kreislauf,<br />

der die Siedler an den abgelegenen westlichen<br />

Frontiers der noch jungen Nation unabhängig<br />

vom Handel machte.<br />

Deutsche Spuren<br />

Nach heutigem Kenntnisstand ist das Knowhow<br />

des US-amerikanischen Brennerhandwerks<br />

zu guten Teilen deutschen und auch jüdischen<br />

Einwanderern aus dem osteuropäischen<br />

Raum zu verdanken. Während sich deutsche<br />

und jüdische Immigranten zwar traditionell<br />

eher im Nordosten und Norden des Landes<br />

ansiedelten, schlug sich ihr Wissen um die<br />

Erzeugung von Kornbrand im Lauf der Jahrzehnte<br />

landesweit nieder. Hinter einem der bekanntesten<br />

Namen im Bourbon-Business, Jim<br />

Beam, steckt beispielsweise ein 1750 emigrierter<br />

Deutscher: Johannes Jakob Boehm. Eine<br />

weitere einflussreiche Gruppe in der Whiskeyherstellung<br />

sind Einwanderer aus Irland.<br />

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen<br />

fast fünf Millionen Iren in die USA. Der<br />

Grund, warum amerikanischer Whiskey noch<br />

heute mit einem »e« geschrieben wird, ist das<br />

Vorbild Irish Whiskey. Während Rye Whiskey<br />

bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seiner<br />

Stilistik stark durch europäischen Korn beeinflusst<br />

war, stand bei der Entstehung von Bourbon<br />

von Anfang an milder irischer Whiskey<br />

Pate – auf der überwiegenden Basis von Mais.<br />

Bereits in den 1820ern war Bourbon in den<br />

USA geläufig. Vor allem in Chicago, im Mittleren<br />

Westen und den Frontiers entwickelte sich<br />

eine Vorliebe für Bourbon, während man in<br />

New Orleans und dem Nordosten Rye bevorzugte.<br />

Ende des 19. Jahrhunderts, als durch die<br />

Reblaus-Epidemie Port, Sherry und Cognac<br />

rar wurden, wurde Bourbon auch in Europa<br />

populär. Während der Prohibition in den USA<br />

wurde jede Kategorie amerikanischer Spirituosen<br />

fast gänzlich zerstört. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg erholte sich die Industrie etwas<br />

und erreichte in den 1970er-Jahren eine kurze<br />

Hochphase. In den folgenden Jahrzehnten war<br />

Vodka die bevorzugte Spirituose der Amerikaner.<br />

Um die Jahrtausendwende begannen einige<br />

Hersteller, handwerklich hergestellte Premium-Bourbons<br />

auf den Markt zu bringen und<br />

damit neue Zielgruppen zu erschließen. Mit<br />

der Cocktail-Renaissance stieg das Interesse an<br />

traditionell amerikanischen Spirituosen und<br />

qualitativ hochwertigen Produkten deutlich<br />

an. Zwischen 2000 und 2020 wuchs der Markt<br />

für Bourbon allein in den USA um 167 %. Weltweit<br />

ist die Spirituose aus kaum einer Bar wegzudenken.<br />

739 Whiskey- und Bourbon-Destillerien<br />

gibt es 2023 in den USA, eine Steigerung<br />

um 11,6 % zum Vorjahr. Noch nie konnte man<br />

aus so vielen Brands und Qualitäten wählen<br />

wie heute.<br />

Mais & Fass<br />

Wenn an der Bar (und auch sonst) von gutem<br />

Bourbon die Rede ist, ist stets »Straight<br />

Bourbon« gemeint. So auch in unserem Fall.<br />

Bourbon darf nur Bourbon heißen, wenn er in<br />

den USA hergestellt wurde. Die Mash Bill, auf<br />

Deutsch etwas unelegant mit »Brei-Rechnung«<br />

oder »-Formel« übersetzt, gibt den Anteil verschiedener<br />

Getreidearten in der Maische eines<br />

American Whiskeys an. Bei Bourbon muss er<br />

mindestens 51 % Mais enthalten. Dazu kommen<br />

meist zwischen 5 und 15 % gemälzte Gerste, um<br />

die Fermentation anzukurbeln, außerdem Roggen<br />

und/oder Weizen. Andere Getreide sind<br />

seltener, aber ebenfalls zugelassen. In unserem<br />

Tasting fällt zum Beispiel Koval Bourbon aromatisch<br />

auf, der aus 51 % Bourbon und 49 %<br />

Hirse hergestellt wird.<br />

57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!