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Warum es gut ist, ein Baby zu tragen

Eine erfahrene Kleinkindpädagogin und Mitbegründerin des Prager Eltern-Kind-Programmes (PEKiP) erläutert, warum kleine Kinder möglchst oft getragen werden sollten und wie ein Tragetuch dabei helfen kann.

Eine erfahrene Kleinkindpädagogin und Mitbegründerin des Prager Eltern-Kind-Programmes (PEKiP) erläutert, warum kleine Kinder möglchst oft getragen werden sollten und wie ein Tragetuch dabei helfen kann.

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Erika Roch<br />

<strong>Warum</strong> <strong>es</strong><br />

<strong>gut</strong> <strong>ist</strong>,<br />

<strong>ein</strong> <strong>Baby</strong><br />

<strong>zu</strong> <strong>tragen</strong><br />

1


© Erika Roch: <strong>Warum</strong> <strong>es</strong> <strong>gut</strong> <strong>ist</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong><br />

Vierte Auflage 2024<br />

Herausgegeben von Holm Roch<br />

Titelfoto: Pexels<br />

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2


1. Vorbemerkungen<br />

<strong>Baby</strong>s w<strong>ein</strong>en, manche häufig, manche selten. W<strong>ein</strong>ende <strong>Baby</strong>s brauchen<br />

etwas. Wenn sie Hunger haben, brauchen sie Nahrung. Wenn <strong>es</strong><br />

ihnen kalt und nass <strong>ist</strong>, brauchen sie frische, warme Bekleidung. Wenn<br />

ihnen etwas weh tut, muss versucht werden, die Schmerzen <strong>zu</strong> lindern.<br />

Was aber, wenn wir nicht wissen, was los <strong>ist</strong>? Schreiende <strong>Baby</strong>s nerven<br />

ihre Eltern.<br />

Die me<strong>ist</strong>en <strong>Baby</strong>s beruhigen sich, wenn sie f<strong>es</strong>t im Arm gehalten, ge<strong>tragen</strong>,<br />

rhythmisch g<strong>es</strong>chaukelt und mit beruhigender Stimme getröstet<br />

werden. Das <strong>ist</strong> <strong>es</strong>, was sie brauchen: Körpernähe, rhythmische Bewegung,<br />

Trost, Stimme, Atem und Körpergeräusche von Vater oder Mutter<br />

oder <strong>ein</strong>em anderen Menschen, der das gerade geben kann.<br />

Viele Beobachtungen b<strong>es</strong>tätigen di<strong>es</strong>. Beispielsweise schlafen viele<br />

<strong>Baby</strong>s beim Stillen an der Brust <strong>ein</strong>. Aber wenn man sie ablegt, in ihr<br />

noch so schön<strong>es</strong> Bettchen, w<strong>ein</strong>en sie wieder.<br />

Mit di<strong>es</strong>em Büchl<strong>ein</strong> möchte ich Eltern Mut machen, ihr neugeboren<strong>es</strong><br />

Kind so oft wie möglich in den Arm <strong>zu</strong> nehmen, <strong>es</strong> <strong>zu</strong> streicheln, <strong>ein</strong>e<br />

Trageform <strong>zu</strong> finden, mit der sie <strong>es</strong> soviel wie möglich in ihrer körperlichen<br />

Nähe haben können ohne selbst all<strong>zu</strong> belastet <strong>zu</strong> s<strong>ein</strong>.<br />

Ein junger Vater, liebevoll b<strong>es</strong>orgt um das Wohlergehen s<strong>ein</strong><strong>es</strong> vier<br />

Monate alten Töchterchens, fragte mich: »Ich habe <strong>ein</strong>e Reise nach<br />

Afrika gemacht, ich habe dort k<strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> so viel w<strong>ein</strong>en g<strong>es</strong>ehen, wie<br />

hier. Dabei sind die äußeren Verhältnisse viel ärmer, die jungen Mütter<br />

müssen viel anstrengender arbeiten. Was muss ich denn noch all<strong>es</strong> tun,<br />

damit m<strong>ein</strong> Kind <strong>zu</strong>frieden s<strong>ein</strong> kann?« Am liebsten hätte ich ihm g<strong>es</strong>agt:<br />

»Tu gar nichts b<strong>es</strong>onder<strong>es</strong>. Nimm d<strong>ein</strong> Kind mit <strong>zu</strong> dem, was dir<br />

<strong>gut</strong> tut! Trag <strong>es</strong> <strong>ein</strong>fach bei dir, wenn du <strong>ein</strong>kaufen gehst, durch <strong>ein</strong>en<br />

Park bummelst, <strong>ein</strong>en Waldlauf machst oder auf dem Sportplatz b<strong>ist</strong><br />

(<strong>es</strong> <strong>zu</strong>r Arbeit mit<strong>zu</strong>nehmen, <strong>ist</strong> ja leider nicht möglich)«. Di<strong>es</strong>e Broschüre<br />

will aufklären, warum <strong>ein</strong> solch<strong>es</strong> Verhalten <strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Vorausset<strong>zu</strong>ng<br />

<strong>ist</strong>, Ausgeglichenheit und Ruhe in <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong>leben <strong>zu</strong> bringen.<br />

Ganz so <strong>gut</strong>, wie den afrikanischen Müttern wird uns das hier in Mitteleuropa<br />

nicht gelingen, denn unser Erwachsenenleben <strong>ist</strong> von <strong>ein</strong>er<br />

grundlegenden größeren Hektik gekennzeichnet, aus der sich nur wenige<br />

Menschen ganz heraushalten können.<br />

3


Und so bin ich da<strong>zu</strong> gekommen, dem Tragen im Leben von <strong>Baby</strong>s <strong>ein</strong>e<br />

große Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> widmen: Ich lade Eltern und ihre <strong>Baby</strong>s <strong>zu</strong><br />

Wochenenden oder mehrtägigen Seminaren in <strong>ein</strong> Tagungshaus <strong>ein</strong>.<br />

Bei langen Spaziergängen <strong>tragen</strong> die Eltern ihre 1, 2 oder 3 Monate<br />

alten <strong>Baby</strong>s im Tragetuch. Dabei haben wir gemerkt: <strong>Baby</strong>s, die viel<br />

und lange ge<strong>tragen</strong> werden, brauchen<br />

nicht sofort Nahrung, wenn sie <strong>ein</strong>mal<br />

kurz wach werden. Sie melden sich,<br />

spüren offensichtlich die sanfte Bewegung<br />

und das gleichmäßige Schaukeln,<br />

hören <strong>ein</strong>e beruhigende, tröstende Stimme<br />

und schlafen im Tragetuch wieder<br />

<strong>ein</strong>. Von den Wanderungen <strong>zu</strong>rückgekehrt,<br />

tranken sie kräftig, waren kurze<br />

Zeit hellwach, um dann ausgiebig in<br />

ihren Betten weiter <strong>zu</strong> schlafen. Zeit für<br />

die Eltern <strong>zu</strong> G<strong>es</strong>präch und Muße und<br />

um den eigenen Inter<strong>es</strong>sen nach<strong>zu</strong>gehen.<br />

Manche Eltern berichten, dass sie<br />

di<strong>es</strong>e Gewohnheit auch <strong>zu</strong> Hause beibehalten.<br />

In den oft unruhigen Abendstunden<br />

mit dem <strong>Baby</strong> gehen sie spazieren:<br />

durch Wald, Wi<strong>es</strong>en, Parks, auch mal<br />

bummeln im Einkaufszentrum. Sie selbst bekommen dabei ausreichend<br />

Bewegung und Erholung nach <strong>ein</strong>em arbeitsreichen Tag. Die <strong>Baby</strong>s<br />

werden im Laufe der Zeit ausgeglichener, ruhiger, <strong>zu</strong>friedener. Sie<br />

kommen in <strong>ein</strong>en Rhythmus, mit dem die Eltern <strong>gut</strong> <strong>zu</strong>recht kommen.<br />

Offensichtlich bekommen sie das, was sie brauchen.<br />

2. Die Mehrzahl der <strong>Baby</strong>s auf der Erde wird ge<strong>tragen</strong><br />

Ausgangspunkt für m<strong>ein</strong>e Überlegungen waren größere Reisen nach<br />

Tansania, Kenia und Indon<strong>es</strong>ien. Auf di<strong>es</strong>en Reisen habe ich mir noch<br />

<strong>ein</strong>mal richtig klargemacht, was ich schon lange wusste: Es <strong>ist</strong> das<br />

Normale, dass <strong>Baby</strong>s im ersten Lebensjahr ge<strong>tragen</strong> werden. Die<br />

Mehrheit aller <strong>Baby</strong>s in der Welt wird auch heute noch ge<strong>tragen</strong>! In<br />

Afrika, Asien, Südamerika. Millionen <strong>Baby</strong>s sind lange Zeit in <strong>ein</strong>em<br />

sehr intensiven Körperkontakt mit ihrer Mutter. Dabei sind die Mütter<br />

nicht so, wie wir <strong>es</strong> hier tun können, ständig um ihre <strong>Baby</strong>s bemüht.<br />

Sie gehen me<strong>ist</strong>ens <strong>ein</strong>er Arbeit nach: In ihrem großen Haushalt, auf<br />

4


dem Feld, auf den Märkten. Wenn das <strong>Baby</strong> Nahrung braucht, meldet<br />

<strong>es</strong> sich. Ohne viel darüber nach<strong>zu</strong>denken wird die Mutter sehr sensibel<br />

für die Signale ihr<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong>: in Tansania, wo die <strong>Baby</strong>s k<strong>ein</strong>e Windeln<br />

<strong>tragen</strong>, weil <strong>es</strong> viel <strong>zu</strong> heiß <strong>ist</strong>, habe ich beobachtet, wie die Mutter<br />

rechtzeitig merkt, wann das <strong>Baby</strong> pinkeln muss. Sie hält <strong>es</strong> dann weit<br />

von sich, damit der Urin auf den Boden fließt und nicht in ihre Kleidung.<br />

Dass in Europa die Kinder weniger ge<strong>tragen</strong> werden als in anderen Erdteilen,<br />

liegt natürlich auch an unserem Klima. Hier in Europa, in<br />

Deutschland, gibt <strong>es</strong> nun <strong>ein</strong>mal Zeiten, wo man nicht mit dem <strong>Baby</strong><br />

nach draußen gehen kann, wo man <strong>es</strong> warm <strong>ein</strong>hüllt und wo <strong>es</strong> dann<br />

eben auch »unhandlicher« <strong>ist</strong>. Aber das erklärt nicht all<strong>es</strong>. Im Haus und<br />

in der Wohnung könnte <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> sehr viel ge<strong>tragen</strong> werden, egal ob<br />

draußen die Sonne sch<strong>ein</strong>t oder <strong>ein</strong> Schne<strong>es</strong>turm tobt. Ich glaube <strong>ein</strong>fach,<br />

dass wir nicht daran denken, wie wichtig <strong>es</strong> <strong>ist</strong>, denn wir haben<br />

doch Kinderwagen, Wippe, Bett und Kinderzimmer. Das genügt (so<br />

m<strong>ein</strong>en wir).<br />

3. Das Menschenkind - <strong>ein</strong> <strong>zu</strong> früh geborener N<strong>es</strong>tflüchter<br />

Die Biologen haben gefragt: Was <strong>ist</strong> der neugeborene Mensch, der <strong>zu</strong><br />

den Säugetieren gerechnet wird, für <strong>ein</strong>e b<strong>es</strong>ondere Art? Gehört er <strong>zu</strong><br />

den N<strong>es</strong>thockern, also den Tieren, die nach der Geburt noch ganz unfertig<br />

in <strong>ein</strong>em N<strong>es</strong>t hocken und dort von Vater und Mutter mit Nahrung<br />

versorgt werden? Später hat man die Sinn<strong>es</strong>organe d<strong>es</strong> Menschen genauer<br />

untersucht und hat g<strong>es</strong>agt: Der Mensch <strong>ist</strong> aufgrund der Entwicklung<br />

s<strong>ein</strong>er Sinn<strong>es</strong>organe als <strong>ein</strong> »<strong>zu</strong> früh geborener N<strong>es</strong>tflüchter« <strong>ein</strong><strong>zu</strong>ordnen.<br />

Er wäre eigentlich erst reif geboren <strong>zu</strong> werden, wenn er etwa<br />

9 Monate alt <strong>ist</strong>. Erst dann wäre er in der Lage, <strong>zu</strong>r Brust der Mutter <strong>zu</strong><br />

krabbeln und, wenn er genug getrunken hat, wieder weg<strong>zu</strong>krabbeln. Er<br />

kann dann auch schon nach etwas greifen und sich die Nahrung selbst<br />

<strong>zu</strong>m Mund führen.<br />

In der Entwicklungsg<strong>es</strong>chichte d<strong>es</strong> Menschen gibt <strong>es</strong> <strong>ein</strong>e Erklärung für<br />

di<strong>es</strong><strong>es</strong> »<strong>zu</strong> früh geboren«. Als unsere Vorfahren begannen, sich auf<strong>zu</strong>richten,<br />

wurde das Becken der Frauen enger. Gleichzeitig wuchs unser<br />

Gehirn und so wurde <strong>es</strong> unmöglich, <strong>zu</strong>m normalen Reifetermin geboren<br />

<strong>zu</strong> werden.<br />

5


Die Soziologen sagen: Der Mensch braucht d<strong>es</strong>halb <strong>ein</strong>en »sozialen<br />

Uterus« (Gebärmutter). Damit <strong>ist</strong> gem<strong>ein</strong>t, dass die körperliche Geburt<br />

nur <strong>ein</strong>e Unterbrechung auf dem Weg <strong>zu</strong>r eigentlichen, sozialen Geburt<br />

<strong>ist</strong>. Ein neugeborener Mensch braucht nach der Geburt noch <strong>ein</strong>mal für<br />

etwa die gleiche Dauer wie die Schwangerschaft <strong>ein</strong>en »sozialen Uterus«,<br />

<strong>ein</strong> Eingefangens<strong>ein</strong> und F<strong>es</strong>tgehaltenwerden außerhalb d<strong>es</strong> Bauch<strong>es</strong>,<br />

aber ganz in s<strong>ein</strong>er Nähe. Die Völker, die heute noch ihre Kinder<br />

<strong>tragen</strong>, sind da näher an der Natur d<strong>es</strong> Menschen und machen <strong>es</strong> in di<strong>es</strong>em<br />

Sinne »richtiger«. Aber auch hier habe ich <strong>ein</strong>en Kinderarzt sagen<br />

hören: »Lassen sie ihren Kinderwagen im Keller stehen. Neun Monate<br />

im Bauch, neun Monate auf dem Bauch - und dann ab in die Welt!«<br />

4. Das Menschenkind - <strong>ein</strong> Tragling<br />

Inter<strong>es</strong>sant <strong>ist</strong> <strong>es</strong> auch, <strong>zu</strong> fragen, wie<br />

denn die nächsten biologischen Verwandten<br />

d<strong>es</strong> Menschen, also die Menschenaffen,<br />

mit ihren <strong>Baby</strong>s umgehen. Dabei<br />

ergibt sich noch <strong>ein</strong>e andere Sichtweise.<br />

Man stellte f<strong>es</strong>t: Außer den N<strong>es</strong>thockern<br />

und N<strong>es</strong>tflüchtern gibt <strong>es</strong> noch <strong>ein</strong>e dritte<br />

Art von Neugeborenen, das sind die<br />

»Traglinge«. Da<strong>zu</strong> gehören alle Affen,<br />

(aber auch zB Känguruhs - die den<br />

»äußeren Uterus« ja tatsächlich bei sich <strong>tragen</strong>). Das b<strong>es</strong>ondere bei den<br />

Traglingen <strong>ist</strong>, dass sie aktiv da<strong>zu</strong> bei<strong>tragen</strong>, ihren Platz am Körper der<br />

Mutter nicht <strong>zu</strong> verlieren. Forscher sagen: Der Mensch <strong>ist</strong> ursprünglich<br />

so <strong>ein</strong> Tragling. Angeborene Reflexe deuten darauf hin. Man kann <strong>ein</strong><br />

Neugeboren<strong>es</strong> an <strong>ein</strong>e L<strong>ein</strong>e hängen und <strong>es</strong> hält sich durch den sog.<br />

Klammerreflex dort f<strong>es</strong>t und fällt nicht herunter. Das Neugeborene verfügt<br />

auch über Lage-Reflexe. Je nachdem wie <strong>es</strong> gehalten wird, kann <strong>es</strong><br />

automatisch s<strong>ein</strong>e Lage so verändern, dass <strong>es</strong> ihm <strong>gut</strong> geht. S<strong>ein</strong><br />

Gleichgewichtssinn <strong>ist</strong> schon bei der Geburt sehr <strong>gut</strong> ausgebildet, so<br />

dass <strong>es</strong> sich verschiedenen Bewegungen beim Auf- und Abnehmen und<br />

beim Tragen <strong>gut</strong> anpassen kann. S<strong>ein</strong>e Haltung in der Rückenlage<br />

(Spreizen und Anhocken der B<strong>ein</strong>e) zeigt, dass <strong>es</strong> genau darauf <strong>ein</strong>gerichtet<br />

<strong>ist</strong>, auf die Hüfte oder den Bauch d<strong>es</strong> Erwachsenen g<strong>es</strong>etzt <strong>zu</strong><br />

werden.<br />

6


Es nimmt di<strong>es</strong>e Erwartungshaltung schon <strong>ein</strong>, wenn Vater oder Mutter<br />

sich nähern. Es beruhigt sich, wenn <strong>es</strong> ge<strong>tragen</strong> wird. Ge<strong>tragen</strong>e <strong>Baby</strong>s<br />

sind me<strong>ist</strong> <strong>zu</strong>friedene <strong>Baby</strong>s. Alle di<strong>es</strong>e Beobachtungen und Forschungen<br />

sprechen dafür, Neugeborene als Traglinge und nicht als Wegleglinge<br />

<strong>zu</strong> behandeln - sie also möglichst viel <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong> und in der Nähe<br />

<strong>zu</strong> haben. Und zwar mit dem Ziel, dass di<strong>es</strong> ihre Entwicklung und Eigenständigkeit<br />

am b<strong>es</strong>ten fördert. Im nächsten Abschnitt werde ich noch<br />

genauer darauf <strong>ein</strong>gehen.<br />

5. Wie das <strong>Baby</strong> darauf vorbereitet <strong>ist</strong>, ge<strong>tragen</strong> <strong>zu</strong> werden<br />

Wenn wir uns <strong>ein</strong> neugeboren<strong>es</strong> <strong>Baby</strong> genauer anschauen, können wir<br />

<strong>ein</strong>ig<strong>es</strong> beobachten, was darauf schließen lässt, dass <strong>es</strong> <strong>ein</strong> Tragling und<br />

nicht <strong>ein</strong> „Liegling“ <strong>ist</strong>.<br />

Wenn <strong>es</strong> ausgezogen auf dem Rücken liegt, hält <strong>es</strong> die B<strong>ein</strong>e gebeugt<br />

und recht weit g<strong>es</strong>preizt. Die Füßchen liegen dabei mit der Ferse auf der<br />

Unterlage auf, aber schon nach wenigen Wochen werden sie aktiv in der<br />

Höhe gehalten. Wir können uns <strong>gut</strong> vorstellen, wie die Kinder in di<strong>es</strong>er<br />

»Anhock«-Haltung genau die Hüfte der <strong>tragen</strong>den Person umschließen.<br />

Die Arme d<strong>es</strong> <strong>Baby</strong>s bilden in<br />

Brusthöhe <strong>ein</strong>en Teil <strong>ein</strong><strong>es</strong> offenen<br />

Kreis<strong>es</strong>, die Fäuste sind me<strong>ist</strong>ens<br />

g<strong>es</strong>chlossen, gehen aber bei zärtlicher<br />

Berührung auf und wieder <strong>zu</strong>.<br />

Auch hier <strong>ist</strong> <strong>es</strong> <strong>gut</strong> vorstellbar, wie<br />

sich die <strong>Baby</strong>arme um <strong>ein</strong>en Busen<br />

herumkuscheln. Wenn wir <strong>ein</strong> liegend<strong>es</strong><br />

<strong>Baby</strong> aufnehmen, geht das<br />

<strong>Baby</strong> automatisch in die Anhockhaltung<br />

und behält di<strong>es</strong>e aktiv bei,<br />

wenn <strong>es</strong> längere Zeit vor dem Erwachsenen<br />

gehalten wird. Liegende<br />

<strong>Baby</strong>s nehmen di<strong>es</strong>e Haltung schon<br />

<strong>ein</strong>, wenn sie hören, dass die Eltern<br />

sich nähern. So zeigen sie an: Jetzt<br />

erwarte ich, dass du mich hochnimmst!<br />

7


Es <strong>ist</strong> <strong>gut</strong> vorstellbar, dass <strong>ein</strong> Neugeboren<strong>es</strong> in aufrechter Haltung, auf<br />

der Hüfte der Mutter oder d<strong>es</strong> Vaters <strong>gut</strong> f<strong>es</strong>tgebunden, mit weit g<strong>es</strong>preizten<br />

B<strong>ein</strong>chen <strong>ein</strong>en vorzüglichen Platz hat. Beobachtungen und<br />

M<strong>es</strong>sungen an Becken, Hüfte und Taille von Frauen zeigen, dass sie<br />

passend darauf <strong>ein</strong>gerichtet sind, ihr <strong>Baby</strong> in di<strong>es</strong>er Haltung <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong>.<br />

Die Maße der weiblichen Hüfte entsprechen genau der Anhockhaltung<br />

der <strong>Baby</strong>s!<br />

Von unwissenden Leuten hören Frauen, die ihr <strong>Baby</strong> im Tragetuch <strong>tragen</strong>,<br />

oft: Das Rückgrat d<strong>es</strong> <strong>Baby</strong>s wird krumm! Ein erwachsener<br />

Mensch bekäme in der Tat Rückenschmerzen, wenn er in di<strong>es</strong>er Haltung<br />

längere Zeit auf <strong>ein</strong>em Stuhl säße. Beim <strong>Baby</strong> <strong>ist</strong> das anders: Es <strong>ist</strong><br />

all<strong>es</strong> rund an ihm, wenn <strong>es</strong> geboren wird. Und so wie man s<strong>ein</strong>e B<strong>ein</strong>e<br />

nicht vorzeitig strecken muss, damit sie gerade wachsen, so braucht<br />

man auch den Rücken d<strong>es</strong> <strong>Baby</strong>s nicht vor der Zeit <strong>zu</strong> strecken. Immerhin<br />

hat das Kind monatelang rund <strong>zu</strong>sammengerollt im Mutterleib verbracht.<br />

Ganz allmählich, im Verlauf s<strong>ein</strong>er motorischen Entwicklung<br />

im ersten Lebensjahr, mit <strong>zu</strong>nehmender Kräftigung der benötigten Muskulatur<br />

»streckt« sich das Kind. Zuerst hält <strong>es</strong> den Kopf, weil <strong>es</strong> etwas<br />

sehen will. Dann lernt <strong>es</strong>, s<strong>ein</strong>en Ober-körper aufrecht <strong>zu</strong> halten. Mit<br />

dem aufrechten Stehen um <strong>ein</strong> Jahr herum hat s<strong>ein</strong>e Wirbelsäule die<br />

Form d<strong>es</strong> aufrecht gehenden Menschen gefunden. Ein straff sitzend<strong>es</strong>,<br />

doch in sich etwas elastisch<strong>es</strong> Tragetuch unterstützt di<strong>es</strong>en Proz<strong>es</strong>s auf<br />

natürliche Weise.<br />

6. Tragen - <strong>ein</strong> Baust<strong>ein</strong> für Sicherheit und »Grundvertrauen«<br />

Versetzen wir uns in <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong>: Neun Monate lang war <strong>es</strong> im Bauch<br />

s<strong>ein</strong>er Mutter. Dort war <strong>es</strong> warm und weich, <strong>es</strong> gab k<strong>ein</strong>en Hunger und<br />

k<strong>ein</strong>e Atemnot. Es war sicher und geborgen. Ein gleichmäßig<strong>es</strong> Tönen<br />

von Herz und Darm der Mutter war um <strong>es</strong> herum, manchmal vielleicht<br />

auch b<strong>es</strong>ondere Geräusche, die aus der Außenwelt <strong>zu</strong> ihm drangen.<br />

Wenn die Mutter sich bewegte, wurde <strong>es</strong> g<strong>es</strong>chaukelt, durch die enger<br />

werdenden Wände der Gebärmutter wurde <strong>es</strong> massiert.<br />

Das Tragen verlängert den Zustand, der schon vor der Geburt vorhanden<br />

war. Insofern <strong>ist</strong> ausgiebig<strong>es</strong> Halten und Tragen d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> nach<br />

der Geburt Vorausset<strong>zu</strong>ng für <strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e »Grundsicherheit«. Natürlich<br />

gehört noch mehr da<strong>zu</strong>, <strong>ein</strong> dauerhaft<strong>es</strong> Sicherheitsgefühl <strong>zu</strong> entwickeln,<br />

z.B. ausreichende Nahrung und Hilfe bei Unwohls<strong>ein</strong>. Aber die<br />

8


Chance, dass <strong>ein</strong> Kind, das viel in den Armen gehalten und ge<strong>tragen</strong><br />

wird, gar nicht so viele Unwohl<strong>zu</strong>stände hat, <strong>ist</strong> sehr groß. Wenn so <strong>ein</strong><br />

<strong>Baby</strong> schon sprechen könnte, würde <strong>es</strong> wahrsch<strong>ein</strong>lich sagen: »Da war<br />

zwar di<strong>es</strong>er unangenehme Übergang aus der Geborgenheit im Bauch<br />

m<strong>ein</strong>er Mutter in di<strong>es</strong>e Welt, aber jetzt sch<strong>ein</strong>t doch für mich all<strong>es</strong> wieder<br />

im Lot und geordnet <strong>zu</strong> s<strong>ein</strong>«. So <strong>ist</strong> das Tragen <strong>ein</strong> w<strong>es</strong>entlicher<br />

Baust<strong>ein</strong> für <strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Grundstimmung d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong>, für Vertrauen und<br />

Sicherheit.<br />

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7. Tragen - <strong>ein</strong> Baust<strong>ein</strong> für <strong>ein</strong>e g<strong>es</strong>unde<br />

körperliche Entwicklung<br />

Das <strong>Baby</strong> <strong>ist</strong> beim Tragen nicht passiv. Durch die Bewegungen der<br />

Mutter werden alle s<strong>ein</strong>e Nervenenden in der Haut, den Muskeln und<br />

Gelenken angeregt. Der bei der Geburt schon <strong>gut</strong> ausgebildete Gleichgewichtssinn<br />

steuert aktiv beim Tragen mit und hilft dem <strong>Baby</strong>, sich<br />

den Bewegungen der Mutter so an<strong>zu</strong>passen, dass <strong>es</strong> ihm immer optimal<br />

<strong>gut</strong> geht. Es wundert uns d<strong>es</strong>halb nicht, dass <strong>Baby</strong>s, die viel ge<strong>tragen</strong><br />

werden, im Tragetuch schnell <strong>ein</strong>schlafen und ausgiebig schlafen.<br />

Ihre körperlichen Kräfte werden aktiv angefordert und auch altersgemäß<br />

genutzt. Dementsprechend werden die <strong>Baby</strong>s müde.<br />

Jede unrhythmische Bewegung der Mutter verursacht beim <strong>Baby</strong> <strong>ein</strong>en<br />

b<strong>es</strong>onderen Bewegungsausgleich, <strong>ein</strong> vertieft<strong>es</strong> Atmen und damit<br />

auch <strong>gut</strong>e Durchblutung aller Organe. Die Darmtätigkeit d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong><br />

wird ähnlich wie bei <strong>ein</strong>er Massage unterstützt, Blähungen verschwinden.<br />

Damit entfällt <strong>ein</strong> wichtiger Grund, warum viele <strong>Baby</strong>s in den<br />

ersten 3 Monaten w<strong>ein</strong>en müssen. Das sich entwickelnde Immunsystem<br />

erhält anregende Impulse durch Atem, Bewegung und Berührung.<br />

So <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> ausreichend<strong>es</strong> Tragen d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> nicht unw<strong>es</strong>entlich an <strong>ein</strong>er<br />

g<strong>es</strong>unden, kraftvollen Entwicklung beteiligt.<br />

Beim Tragen auf der Hüfte befinden sich die B<strong>ein</strong>chen d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> in<br />

<strong>ein</strong>er anatomisch richtigen Spreizstellung für die g<strong>es</strong>unde Entwicklung<br />

der Hüftgelenke. Für den <strong>tragen</strong>den Erwachsenen heißt das, dass<br />

er immer wieder darauf achten muss, dass das <strong>Baby</strong> die B<strong>ein</strong>chen weit<br />

g<strong>es</strong>preizt hat. Durch Nachfassen unter den Po d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> kann man <strong>es</strong><br />

immer wieder in <strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Tragehaltung bringen. Wenn <strong>es</strong> so in der<br />

natürlichen Anhockstellung auf der Hüfte d<strong>es</strong> Erwachsenen hockt,<br />

trifft der Gelenkkopf d<strong>es</strong> Oberschenkelknochens genau in die Mitte<br />

der Hüftgelenkspfanne und sorgt für <strong>gut</strong>e Ausbildung der Wölbung,<br />

die den Gelenkkopf umschließt und der sie darin f<strong>es</strong>thaltenden Bänder<br />

und Sehnen. Bei Völkern, die ihre <strong>Baby</strong>s ohne viel Nachdenken auf<br />

der Hüfte <strong>tragen</strong>, kennt man kaum <strong>ein</strong>e verzögerte Hüftgelenksentwicklung<br />

oder Hüftgelenksverformung. Wir machen di<strong>es</strong>e vorbeugende<br />

Haltung künstlich nach, in dem wir den <strong>Baby</strong>s <strong>ein</strong>e Spreizhose verordnen.<br />

Die Spreizhose wäre in vielen Fällen überflüssig, wenn das<br />

Kind von Anfang an im Hüftsitz ge<strong>tragen</strong> wird.<br />

Das Tragen bedeutet also, ohne viel nach<strong>zu</strong>denken, dem Kind optimale<br />

Bedingungen für <strong>ein</strong> g<strong>es</strong>und<strong>es</strong> Wachsen <strong>zu</strong> ermöglichen. In der<br />

10


Pflege frühgeborener <strong>Baby</strong>s macht man sich di<strong>es</strong><br />

neuerdings, so oft <strong>es</strong> möglich <strong>ist</strong>, <strong>zu</strong>nutze. Die<br />

winzigen Persönchen werden Vater oder Mutter<br />

an den Körper gelegt, um dort so natürlich wie<br />

möglich nach<strong>zu</strong>reifen. Als ich darüber in <strong>ein</strong>er<br />

Gruppe junger Frauen sprach, sagte plötzlich<br />

<strong>ein</strong>e Teilnehmerin: »So macht m<strong>ein</strong>e Mutter das,<br />

wenn <strong>ein</strong> Hühner- oder Entenküken b<strong>es</strong>onders<br />

schwach <strong>ist</strong>. Sie steckt <strong>es</strong> sich in die Bluse, dort<br />

gedeiht <strong>es</strong> prächtig«.<br />

8.Tragen - <strong>ein</strong> <strong>gut</strong>er Anfang für die intellektuelle Entwicklung<br />

Neben der seelischen und körperlichen Entwicklung <strong>ist</strong> das Tragen von<br />

<strong>Baby</strong>s auch <strong>ein</strong> <strong>gut</strong>er Grundst<strong>ein</strong> für s<strong>ein</strong>e ge<strong>ist</strong>ige, intellektuelle Entwicklung.<br />

Die sichere Nähe und Geborgenheit <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Ausgangsbasis<br />

für Neugier und Kontaktaufnahme. Die Augen d<strong>es</strong> <strong>Baby</strong>s bekommen<br />

viel<strong>es</strong> <strong>zu</strong> sehen, s<strong>ein</strong>e Ohren kriegen all<strong>es</strong> mit, was die Erwachsenen<br />

reden, s<strong>ein</strong>e Händchen haben <strong>es</strong> täglich mit unterschiedlichen Bekleidungsstoffen<br />

<strong>zu</strong> tun, s<strong>ein</strong> Gehirn bekommt durch die aktive Beteiligung<br />

an der Bewegung und die angeregte Atmung reichlich Sauerstoff -<br />

all<strong>es</strong> in allem ganz viele Entwicklungsreize für <strong>ein</strong>en wachwerdenden<br />

Ge<strong>ist</strong>.<br />

9. Bindung - Nähe - Ablösung<br />

»Ist das nicht viel <strong>zu</strong> viel an Nähe?«<br />

fragen die Kritiker d<strong>es</strong> Tragens.<br />

Zwischen Mutter und Neugeborenem<br />

entsteht, von der Natur vorb<strong>es</strong>timmt,<br />

<strong>ein</strong>e sehr intensive Bindung.<br />

In unserer Zeit der individuellen<br />

Freiheit <strong>ist</strong> die Angst vor <strong>zu</strong> viel<br />

11


Bindung sehr groß. Das verhindert oft, dass Frauen ihre <strong>Baby</strong>s aufnehmen<br />

und viel mit sich herum<strong>tragen</strong>. Ist di<strong>es</strong>e Angst vor Bindung nicht<br />

auch berechtigt? So <strong>ein</strong> Kind behindert die Mutter ja auch wirklich, und<br />

das ang<strong>es</strong>ichts <strong>ein</strong>er großen Freizügigkeit, die Frauen heute gegenüber<br />

früher haben. Es gibt da viel verborgene Angst vor di<strong>es</strong>em totalen Von<strong>ein</strong>ander-abhängig-s<strong>ein</strong>.<br />

Denn, wenn <strong>es</strong> so läuft, wie die Biologie <strong>es</strong><br />

vorg<strong>es</strong>ehen hat, <strong>ist</strong> nicht nur das <strong>Baby</strong> von der Mutter abhängig, sondern<br />

auch die Mutter vom Kind. Wenn sie das Kind stillt, <strong>ist</strong> <strong>es</strong> ganz<br />

wichtig, dass das Kind regelmäßig die Brust leertrinkt, sonst geht <strong>es</strong> der<br />

Mutter nicht <strong>gut</strong>. Di<strong>es</strong>e Abhängigkeit hält immerhin etwa 9 Monate an.<br />

Die Mutter, die in viel Körperkontakt mit ihrem Kind <strong>ist</strong>, achtet sehr<br />

aufmerksam auf s<strong>ein</strong>e Signale. So merkt sie sehr genau, wenn das Kind<br />

anfängt, sich für die Umwelt <strong>zu</strong> inter<strong>es</strong>sieren, für Gegenstände, für andere<br />

Menschen. Wenn sie <strong>es</strong> trägt, wird <strong>es</strong> sich nach außen wenden, ihr<br />

z.B. deutlich anzeigen, dass <strong>es</strong> auf den Fußboden möchte, um <strong>ein</strong> bunt<strong>es</strong><br />

Spielzeug <strong>zu</strong> erreichen. Jetzt <strong>ist</strong> die Mutter angefragt, <strong>es</strong> los<strong>zu</strong>lassen.<br />

Schon halbjährige Kinder zeigen deutlich: Ich will nicht länger auf d<strong>ein</strong>em<br />

Arm s<strong>ein</strong>.<br />

Es <strong>ist</strong> sehr inter<strong>es</strong>sant <strong>zu</strong> beobachten, wie Mütter in anderen Kulturen<br />

darauf achten. Auf der Insel Sumatra (Indon<strong>es</strong>ien) <strong>tragen</strong> die Mütter<br />

ihre <strong>Baby</strong>s fast ständig im Tragetuch. Nachts oder wenn sie auf dem<br />

Markt sitzen und die Kinder schlafen, hängen die Mütter das Tragetuch<br />

mit dem <strong>Baby</strong> an <strong>ein</strong>en Haken in der Decke oder über den Ast <strong>ein</strong><strong>es</strong><br />

Baum<strong>es</strong>, bis das <strong>Baby</strong> sich wieder meldet. Dann schaut die Mutter: Genügt<br />

<strong>es</strong>, das Kind <strong>ein</strong> bisschen an<strong>zu</strong>stoßen,<br />

damit <strong>es</strong> ins Schaukeln kommt und weiterschläft<br />

oder muss ich <strong>es</strong> jetzt herausnehmen<br />

und ihm etwas <strong>zu</strong> trinken geben? Wenn die<br />

Frauen unterwegs sind, haben sie das Kind<br />

immer im Tragetuch dabei. Wenn sie irgendwo<br />

sitzen - auf dem Markt, im Bus oder im<br />

B<strong>ist</strong>ro -, lockern sie das Tuch. So <strong>ist</strong> das<br />

Kind nicht ganz f<strong>es</strong>t an sie gebunden, <strong>es</strong> liegt<br />

auf ihren B<strong>ein</strong>en und kann sich für <strong>ein</strong>e Zeit<br />

frei bewegen, s<strong>ein</strong>e ersten Weg-bewegungsversuche<br />

machen. Immer wenn <strong>es</strong> möglich<br />

<strong>ist</strong>, versuchen die Mütter, den Kindern Raum<br />

<strong>zu</strong>r eigenen Entfaltung <strong>zu</strong> geben.<br />

12


Im allgem<strong>ein</strong>en kann man sagen, dass Kinder, die sich <strong>gut</strong> gebunden<br />

fühlen, auch recht aktiv und neugierig auf die Umwelt <strong>zu</strong>gehen. Wenn<br />

die Mutter wenig Bindung <strong>zu</strong>lassen konnte, wendet sich das Kind unsicherer<br />

s<strong>ein</strong>er Umwelt <strong>zu</strong>, möchte das, was an Kontakt <strong>zu</strong>r Mutter da<br />

<strong>ist</strong>, nicht verlieren, »hängt an ihrem<br />

Rockzipfel«. Nicht selten wird das<br />

Kind lebenslang dabei bleiben, dem<br />

nach<strong>zu</strong>laufen, was <strong>es</strong> in der frühen<br />

Kindheit nicht so gehabt hat, wie <strong>es</strong><br />

das biologisch gebraucht hätte. Bei<br />

schwer g<strong>es</strong>törten Kindern und Jugendlichen<br />

versucht man d<strong>es</strong>halb<br />

durch die »F<strong>es</strong>thalte-Therapie«, die<br />

durch Dr. Jirina Prekop bekannt<br />

wurde, Versäumt<strong>es</strong> nach<strong>zu</strong>holen.<br />

10. Was Mutter oder Vater davon haben, ihr <strong>Baby</strong> <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong><br />

Wenn di<strong>es</strong><strong>es</strong> Büchl<strong>ein</strong> bewirkte, dass Vater oder Mutter <strong>ein</strong> schlecht<strong>es</strong><br />

Gewissen bekommen, weil sie ihr <strong>Baby</strong> nicht all<strong>zu</strong> viel <strong>tragen</strong> wollen,<br />

dann hat <strong>es</strong> s<strong>ein</strong>en Sinn verfehlt. Ich möchte nur Inter<strong>es</strong>se, Neugier und<br />

Spaß an di<strong>es</strong>em Vorgang wecken. Und das <strong>ist</strong> nur gegeben, wenn Mutter<br />

und Vater auch selbst etwas davon haben, dass sie sich aufs Tragen<br />

<strong>ein</strong>lassen. All<strong>es</strong> Tragen »weil <strong>es</strong> im Buch steht« oder nur »um d<strong>es</strong> <strong>Baby</strong>s<br />

willen«, <strong>ist</strong> wirkungslos.<br />

Wie aber sollte di<strong>es</strong>e »Last« dem Vater oder der Mutter <strong>zu</strong><strong>gut</strong>e kommen?<br />

Zunächst <strong>ein</strong>mal: Di<strong>es</strong>e Last <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e wunderbare Nähe <strong>zu</strong> <strong>ein</strong>em ganz<br />

neuen, liebebedürftigen und liebevollen W<strong>es</strong>en. Und jede Stunde, die<br />

sich <strong>ein</strong> Erwachsener darauf <strong>ein</strong>lässt, erfährt er mehr darüber, was<br />

»Liebe« bedeutet und wie intensiv er lieben kann. Es <strong>ist</strong>, wie wenn alle<br />

s<strong>ein</strong>e bisher noch verborgenen Schätze sichtbar und spürbar werden.<br />

Fürsorglichkeit und Lieb<strong>es</strong>fähigkeit werden geweckt. Nie wieder im<br />

Leben bekommen wir so stark das Gefühl, gebraucht <strong>zu</strong> werden. Und<br />

<strong>ein</strong>e Ahnung von Zusammengehörigkeit und Verantwortung: »Ich bin<br />

der Vater, ich bin die Mutter di<strong>es</strong><strong>es</strong> Kind<strong>es</strong>!«<br />

13


Gleichzeitig wird uns bewusst, an welchem Leben wir di<strong>es</strong><strong>es</strong> <strong>Baby</strong> teilhaben<br />

lassen. Wir lernen, das, was wir tun, auch mit den Augen unser<strong>es</strong><br />

Kind<strong>es</strong> <strong>zu</strong> sehen.<br />

Manchmal kann <strong>es</strong> praktisch s<strong>ein</strong>, das <strong>Baby</strong> <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong>, statt <strong>es</strong> im Kinderwagen<br />

umher<strong>zu</strong>fahren: Im Kaufhaus kann man g<strong>es</strong>chickt durch enge<br />

Gänge gehen und die Rolltreppe benutzen. Im Park oder Wald locken<br />

schmale Trampelpfade, die für den Kinderwagen un<strong>zu</strong>gänglich sind. In<br />

der Wohnung sind die Hände frei, um Staub <strong>zu</strong> saugen, G<strong>es</strong>chirr weg<strong>zu</strong>räumen<br />

oder die Blumen <strong>zu</strong> pflegen. Wenn der große Bruder <strong>zu</strong>m<br />

Kindergarten gebracht werden muss,<br />

braucht sich niemand <strong>zu</strong> sorgen, ob<br />

das <strong>zu</strong> Hause gebliebene <strong>Baby</strong> wach<br />

geworden <strong>ist</strong>. Wenn das Kind abwechselnd<br />

mal auf der rechten, mal<br />

auf der linken Hüfte ge<strong>tragen</strong> wird,<br />

zwischendrin auch <strong>ein</strong>mal auf dem<br />

Rücken, tagsüber von der Mutter,<br />

am Abend vom Vater (ich nehme<br />

di<strong>es</strong>e Zeiten, weil sie immer noch in<br />

den me<strong>ist</strong>en jungen Familien so aussehen),<br />

dann <strong>ist</strong> die Belastung für<br />

die Erwachsenen nicht übermäßig<br />

groß. Im Gegenteil: Ich erlebe immer<br />

wieder, wie di<strong>es</strong>e Anforderung<br />

auch bei den Erwachsenen Kräfte<br />

mobilisiert.<br />

Als <strong>ein</strong><strong>es</strong> der größten Hindernisse, <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> mit Freude <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong>, erlebe<br />

ich immer wieder die unpassenden Hinweise der Verwandten und<br />

Nachbarn: »Ihr verwöhnt das Kind! Es wird sich daran gewöhnen und<br />

immer mehr davon haben wollen. Es wird k<strong>ein</strong>e Le<strong>ist</strong>ung bringen, sondern<br />

immer nur gehätschelt werden wollen!« Aber das <strong>ist</strong> nicht so!<br />

Wenn man <strong>ein</strong>em <strong>Baby</strong> gibt, was <strong>es</strong> braucht, kann man <strong>es</strong> nicht verwöhnen.<br />

Wenn <strong>es</strong> Nähe braucht, braucht <strong>es</strong> Nähe. Wenn <strong>es</strong> Hunger hat,<br />

braucht <strong>es</strong> Nahrung. Wenn <strong>es</strong> ge<strong>tragen</strong> werden möchte, braucht <strong>es</strong> Ge<strong>tragen</strong>werden.<br />

Wird <strong>ein</strong>em Kind der Körperkontakt, den <strong>es</strong> braucht,<br />

vorenthalten, bekommt <strong>es</strong> Angst. Angst macht nicht stärker, sondern<br />

schwächer!<br />

14


Verwöhnen <strong>ist</strong> etwas ganz ander<strong>es</strong>. Verwöhnen bedeutet: Dem Kind<br />

etwas abnehmen, was <strong>es</strong> schon all<strong>ein</strong> für sich tun kann. Wenn das Kind<br />

Hunger hat, kann <strong>es</strong> di<strong>es</strong> deutlich durch die Qualität s<strong>ein</strong><strong>es</strong> Schreiens<br />

anzeigen. Wenn <strong>es</strong> schon die Brust bekommt, sobald <strong>es</strong> nur die Augen<br />

aufmacht, wird ihm abgenommen, Hunger deutlich <strong>zu</strong> signalisieren.<br />

Wenn <strong>es</strong> s<strong>ein</strong>en Kopf all<strong>ein</strong>e aufrecht halten kann, brauche ich ihn nicht<br />

mehr durch <strong>ein</strong>e Hand <strong>zu</strong> stützen. Wenn <strong>es</strong> sich vom Bauch auf den<br />

Rücken drehen kann, muss ich <strong>es</strong> nicht mehr herumlegen. Wenn <strong>es</strong> sich<br />

nach <strong>ein</strong>em Spielzeug recken und strecken kann, muss ich <strong>es</strong> ihm nicht<br />

mehr in die Hand geben. Wenn <strong>es</strong> s<strong>ein</strong>e Körpertemperatur regulieren<br />

kann, brauche ich <strong>es</strong> nicht mehr so warm <strong>ein</strong><strong>zu</strong>packen. Wenn <strong>es</strong> Brot<br />

aus der Hand <strong>es</strong>sen kann, braucht <strong>es</strong> nicht nur pürierten Brei. Beim<br />

Verwöhnen nehmen wir <strong>ein</strong>em <strong>Baby</strong> die altersangem<strong>es</strong>sene Anstrengung<br />

ab. Das <strong>Baby</strong> gerät dabei oft in <strong>ein</strong>en »Teufelskreis«: <strong>es</strong> muss sich<br />

nicht genug anstrengen, dadurch wird <strong>es</strong> nicht entsprechend müde - <strong>es</strong><br />

»ningelt« mehr und wird anstrengender - und so schaukelt sich das<br />

Ganze auf. Beim Tragen wird das <strong>Baby</strong> altersangem<strong>es</strong>sen herausgefordert.<br />

Es <strong>ist</strong> immer aktiv beteiligt.<br />

Es geht nicht darum, wieviel Stunden <strong>ein</strong> Kind ge<strong>tragen</strong> wird. Eltern,<br />

die sich darauf <strong>ein</strong>lassen, die sicher sind, sich und dem <strong>Baby</strong> damit Gut<strong>es</strong><br />

<strong>zu</strong> tun, werden für ihre Situation das jeweils richtige Maß finden.<br />

Ein <strong>Baby</strong>, dass in <strong>ein</strong>em <strong>gut</strong>en Kontakt mit s<strong>ein</strong>en Eltern <strong>ist</strong>, wird sogar<br />

verstehen, wenn sie <strong>ein</strong><strong>es</strong> Tag<strong>es</strong> sagen: »Heute müssen wir die Um<strong>zu</strong>gskartons<br />

packen. Du bleibst in d<strong>ein</strong>em Bettchen und kannst uns <strong>zu</strong>schauen<br />

und <strong>zu</strong>hören.« Wichtig <strong>ist</strong> hierbei die Ansprache und das Vertrauen<br />

in die kindlichen Fähigkeiten. Wer genug bekommen hat, kann<br />

auch verzichten.<br />

11. Was man braucht, um <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong><br />

und wo <strong>es</strong> Beratung gibt<br />

Es gibt viele Arten, <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong>. Die zwei bewährt<strong>es</strong>ten Methoden,<br />

wie das <strong>Baby</strong> vor dem Bauch oder auf der Hüfte ge<strong>tragen</strong> werden<br />

kann, werde ich anschließend b<strong>es</strong>chreiben. Es <strong>ist</strong> nichts dagegen <strong>ein</strong><strong>zu</strong>wenden,<br />

wenn sie andere Trageweisen bevor<strong>zu</strong>gen, z.B. die »Wiege«<br />

oder <strong>ein</strong>e Form d<strong>es</strong> »Auf dem Rücken-Tragens«. Weiter unten erfahren<br />

sie, wo sie da<strong>zu</strong> Bindeanleitungen bekommen.<br />

15


Das Wichtigste <strong>ist</strong>: Wer s<strong>ein</strong> Kind längere Zeit im Tuch trägt, muss<br />

selbst <strong>ein</strong> <strong>gut</strong><strong>es</strong> Gefühl dabei haben. Einmal muss das <strong>Baby</strong> richtig f<strong>es</strong>t<br />

und kräftig <strong>ein</strong>gebunden s<strong>ein</strong> (me<strong>ist</strong> erlebe ich, dass die Kinder <strong>zu</strong> locker<br />

an der <strong>tragen</strong>den Person hängen), <strong>zu</strong>m anderen darf der/die Tragende<br />

k<strong>ein</strong>e Schmerzen im Rücken haben oder sich all<strong>zu</strong> sehr verspannen.<br />

Wenn <strong>es</strong> Lust macht, mit dem <strong>Baby</strong> im Tuch <strong>zu</strong> tanzen, dann sitzt<br />

<strong>es</strong> me<strong>ist</strong>ens richtig. Wenn <strong>es</strong> nach mehreren Versuchen <strong>zu</strong> mühevoll<br />

ersch<strong>ein</strong>t, das Kind <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong>, <strong>ist</strong> <strong>es</strong> b<strong>es</strong>ser, nach wie vor den Kinderwagen<br />

<strong>zu</strong> benutzen.<br />

Tragetücher (original aus Ländern, wo <strong>es</strong> noch ganz selbstverständlich<br />

<strong>ist</strong>, die <strong>Baby</strong>s <strong>zu</strong> <strong>tragen</strong>) gibt <strong>es</strong> in Eine-Welt-Läden <strong>zu</strong> kaufen. Allerdings<br />

sind die dort <strong>zu</strong> erhaltenden Tücher (Länge bis 3 Meter) nur für<br />

den Hüftsitz geeignet. Andere Tragemethoden, z.B. Bauch- oder Rücken<strong>tragen</strong>,<br />

erfordern längere Tücher (4,5 bis 6 Meter). Sie können<br />

auch <strong>ein</strong> mittelf<strong>es</strong>t<strong>es</strong> Baumwolltuch als Meterware kaufen. Der Stoff<br />

<strong>ist</strong> me<strong>ist</strong> 1,40 m breit und muss dann noch <strong>ein</strong>mal der Länge nach geteilt<br />

werden.<br />

B<strong>es</strong>onders <strong>gut</strong> fürs Tragen geeignete Tücher in schöner, farbiger und<br />

aufs Tragen abg<strong>es</strong>timmter Webart erhält man bei:<br />

DIDYMOS ® ,<br />

+49 (0) 7141 975 710<br />

www.didymos.de<br />

Alle Firmen bieten die Tücher in verschiedenen Größen an. Beim B<strong>es</strong>tellen<br />

<strong>ein</strong><strong>es</strong> Tuch<strong>es</strong> werden Bindeanleitungen mitgeliefert.<br />

Eine <strong>gut</strong>e Beratung, wie das <strong>Baby</strong> in richtiger Haltung ge<strong>tragen</strong> wird,<br />

geben die Gruppenleiterinnen d<strong>es</strong> Prager-Eltern-Kind-Programm<strong>es</strong><br />

(PEKiP ® ). Über den<br />

PEKiP e. V.<br />

+49 (0) 202 2513 1390<br />

www.pekip.de<br />

<strong>ist</strong> <strong>zu</strong> erfahren, wo <strong>es</strong> am jeweiligen Wohnort solche Eltern-<strong>Baby</strong>-<br />

Gruppen gibt.<br />

16


Auch bei Familienbildungsstätten und Zentren für Geburt und Familie<br />

finden sich Menschen, die zeigen können, wie Tragetücher <strong>gut</strong> gebunden<br />

werden. Manchmal empfehlen <strong>es</strong> schon die Hebammen, die in den<br />

ersten Wochen nach der Geburt die Familien b<strong>es</strong>uchen.<br />

Das <strong>Baby</strong> hockt dann richtig, wenn<br />

<br />

<br />

<br />

12. Die Technik d<strong>es</strong> Hüft<strong>tragen</strong>s<br />

die Oberschenkel d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> mind<strong>es</strong>tens bis <strong>zu</strong>m rechten Winkel<br />

angezogen sind<br />

die B<strong>ein</strong>chen in di<strong>es</strong>er Haltung weit g<strong>es</strong>preizt sind und sich an der<br />

Taille der Mutter f<strong>es</strong>tschmiegen<br />

der Rücken d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> leicht gerundet <strong>ist</strong> und in di<strong>es</strong>er Haltung<br />

f<strong>es</strong>t durch das Tuch gehalten wird.<br />

Die Arme d<strong>es</strong> <strong>Baby</strong>s liegen in leichter Beugehaltung nach oben, das<br />

größer werdende Kind hält sich mit ihnen aktiv an der Mutter f<strong>es</strong>t.<br />

Der Kopf d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> kann sich ab der 2./3. Woche aufrichten, sodass<br />

das <strong>Baby</strong> umherschauen kann.<br />

In di<strong>es</strong>er Reihenfolge kommt das Kind ins Tragetuch:<br />

1. Hänge das Tuch mit der Mitte über <strong>ein</strong>e d<strong>ein</strong>er Schultern<br />

2. Auf der gegenüberliegenden Hüfte verknot<strong>es</strong>t du die beiden Enden<br />

mit <strong>ein</strong>em Kreuzknoten (Abb. a) so, dass das Tuch locker d<strong>ein</strong>en<br />

Körper umschließt. Der Kreuzknoten, auch Weberknoten genannt, <strong>ist</strong><br />

recht flach und wird dann auf den Rücken der <strong>tragen</strong>den Person g<strong>es</strong>choben,<br />

damit er beim Tragen d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> nicht drückt.<br />

3. Das <strong>Baby</strong> wird auf die Hüfte g<strong>es</strong>etzt, über der das Tuch liegt. Du<br />

schaust d<strong>ein</strong> vor dir liegend<strong>es</strong> Kind an, erzählst ihm, dass <strong>es</strong> jetzt ins<br />

Tragetuch g<strong>es</strong>etzt wird. Dann nimmst du <strong>es</strong> auf, hebst <strong>es</strong> recht hoch<br />

(nackte <strong>Baby</strong>s würden jetzt die Anhockposition <strong>ein</strong>nehmen) und setzt<br />

<strong>es</strong> von oben ins Tuch auf d<strong>ein</strong>e Tragehüfte (Abb. b und c). Die <strong>ein</strong>e<br />

Hand hält das <strong>Baby</strong>, mit der anderen hilfst du am Tuch nach, damit<br />

das Kind hin<strong>ein</strong>rutschen kann (Abb. d).<br />

17


18


4. Wenn das <strong>Baby</strong> bis auf d<strong>ein</strong>e Taille gerutscht <strong>ist</strong> (der unterste Teil<br />

s<strong>ein</strong><strong>es</strong> Beckens sitzt auf d<strong>ein</strong>er Hüfte, die g<strong>es</strong>preizten B<strong>ein</strong>chen<br />

schließen sich um d<strong>ein</strong>e Taille), nimmst du den Teil d<strong>es</strong> Tuch<strong>es</strong>, der<br />

an d<strong>ein</strong>em Hals liegt und ziehst ihn mit <strong>ein</strong>em Ruck weit über d<strong>ein</strong>e<br />

Schulter (Abb. e). Jetzt musst du das Gefühl haben, dass das Kind<br />

ganz f<strong>es</strong>t an dir hockt. Wenn nicht, mach den letzten Handgriff rückgängig<br />

und bitte jemand, den Knoten in d<strong>ein</strong>em Rücken noch <strong>ein</strong>mal<br />

<strong>zu</strong> lösen, evtl. <strong>ein</strong>zelne Seiten d<strong>es</strong> Tuch<strong>es</strong> f<strong>es</strong>ter <strong>zu</strong> ziehen oder die<br />

ganze Tuchschlinge noch enger <strong>zu</strong> knoten. Du hast dabei nichts ander<strong>es</strong><br />

<strong>zu</strong> tun, als das <strong>Baby</strong> f<strong>es</strong>t an dich gedrückt <strong>zu</strong> halten.<br />

5.. Wenn du das Gefühl hast, jetzt <strong>ist</strong> das Kind ganz f<strong>es</strong>t an dir, fast wie<br />

angewachsen, dann kannst du <strong>es</strong> durch <strong>ein</strong>en Griff unter s<strong>ein</strong>en Po<br />

immer wieder <strong>zu</strong>recht ruckeln (Abb. f), wenn <strong>es</strong> z.B. durch tieferen<br />

Schlaf all<strong>zu</strong> sehr <strong>zu</strong>r Seite hängt, oder wenn <strong>es</strong> die B<strong>ein</strong>chen nicht<br />

weit genug spreizt. Du kannst den oberen Rand d<strong>es</strong> Tuch<strong>es</strong> auch<br />

über s<strong>ein</strong>en Hinterkopf ziehen, dann <strong>ist</strong> <strong>es</strong> ganz abg<strong>es</strong>chirmt von<br />

außen und hat <strong>es</strong> warm. Wer <strong>ein</strong> sehr lang<strong>es</strong> Tuch hat, holt die Enden<br />

nach vorn und bindet sie dort noch <strong>ein</strong>mal. Das gibt dem Tragenden<br />

<strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Stütze. Im Winter kann der Tragende über dem<br />

<strong>Baby</strong> <strong>ein</strong>e weite Jacke <strong>tragen</strong>, die oben offen bleibt. Unten wird die<br />

Jacke <strong>zu</strong>geknöpft, das gibt noch <strong>ein</strong>mal doppelten Halt. So <strong>ist</strong> das<br />

<strong>Baby</strong> auch im Winter warm genug (in normaler Hauskleidung) und<br />

dem Erwachsenen wird durch das Kind warm.<br />

19


6. Achte dann beim Stehen und Gehen <strong>gut</strong> darauf, dass du möglichst<br />

gerade gehst, dich nicht in der Taille und Hüfte verspannst. Du<br />

kannst ruhig <strong>ein</strong>ige Lockerungs- und Dehnungsübungen machen,<br />

auch Hüft- und Schulterkreisen. Merke: Das <strong>Baby</strong> <strong>ist</strong> darauf ausgerichtet,<br />

sich dir an<strong>zu</strong>passen. Es <strong>ist</strong> sehr wichtig, dass <strong>es</strong> dir beim Tragen<br />

so <strong>gut</strong> wie möglich geht, sonst verlierst du die Lust daran. Bei<br />

längeren Spaziergängen wäre <strong>es</strong> für die Tragende <strong>gut</strong>, die Trag<strong>es</strong>eite<br />

<strong>ein</strong>mal <strong>zu</strong> wechseln. Dafür muss das <strong>Baby</strong> aus dem Tuch genommen<br />

werden, das Tuch über die andere Schulter gelegt, sodass das Kind<br />

dann auf der anderen Hüfte d<strong>es</strong> Erwachsenen <strong>zu</strong>m Hocken kommt.<br />

7. Und so wird das <strong>Baby</strong> aus dem Tuch herausgenommen: Überschlag<br />

über der Schulter <strong>zu</strong>rückschlagen, dann das <strong>Baby</strong> nach oben aus der<br />

Schlinge heben. Der Knoten bleibt immer <strong>zu</strong>, wenn das Tuch <strong>ein</strong>mal<br />

die richtige Weite hat. Er muss erst erneuert werden, wenn das Kind<br />

größer wird, also die Tuchschlinge <strong>zu</strong> eng wird oder wenn <strong>es</strong> <strong>ein</strong><br />

Mensch trägt, der größer und fülliger <strong>ist</strong> als der, an dem der Knoten<br />

angepasst wurde.<br />

8. Nach <strong>ein</strong>er längeren Tragezeit braucht der Tragende <strong>ein</strong> genüsslich<strong>es</strong><br />

Dehnen der eigenen Glieder, vielleicht auch <strong>ein</strong>e kurze Entspannung<br />

im Liegen. Insg<strong>es</strong>amt kräftigt sich auch der Körper der Tragenden.<br />

Das Tragen bleibt zwar <strong>ein</strong>e Le<strong>ist</strong>ung, wird aber k<strong>ein</strong>e Überforderung.<br />

13. Eine Bauchtragetechnik<br />

Di<strong>es</strong>e Tragetechnik, auch X-Trage genannt, <strong>ist</strong> b<strong>es</strong>onders <strong>gut</strong> geeignet<br />

für die ersten Lebenswochen d<strong>es</strong> <strong>Baby</strong>s. Das Tragetuch muss mind<strong>es</strong>tens<br />

4,5 Meter lang s<strong>ein</strong>.<br />

Du nimmst die Mitte d<strong>es</strong> Tuch<strong>es</strong> hinten in d<strong>ein</strong> Kreuz, führst die beiden<br />

Enden nach vorne (Abb. a) kreuzt sie dort und schwingst sie über die<br />

jeweilige Schulter wieder nach hinten (Abb. b).<br />

20


Dort werden die Tuchteile noch <strong>ein</strong>mal gekreuzt (Abb. c), nach vorne<br />

geführt und vor d<strong>ein</strong>em Bauch geknotet (Abb. d).<br />

21


Das <strong>Baby</strong> kommt jetzt von oben in das Tuchkreuz vor d<strong>ein</strong>er Brust,<br />

s<strong>ein</strong>e B<strong>ein</strong>chen sind weit g<strong>es</strong>preizt, das Köpfchen kann <strong>es</strong> nach rechts<br />

oder links auf d<strong>ein</strong>er Brust ablegen (Abb. e).<br />

Jetzt ziehst du die überkreuzten Tuchbänder so breit über dem <strong>Baby</strong><br />

aus<strong>ein</strong>ander, dass <strong>es</strong> <strong>ein</strong>e wohlige Mulde hat, und soweit über s<strong>ein</strong><br />

Köpfchen, dass <strong>es</strong> dir <strong>gut</strong> g<strong>es</strong>chützt ersch<strong>ein</strong>t und trotzdem noch viel<br />

Luft <strong>zu</strong>m <strong>Baby</strong> kommt (Abb. f).<br />

14. Wie lange darf <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> ge<strong>tragen</strong> werden,<br />

wann wird <strong>es</strong> <strong>zu</strong> viel?<br />

Ich halte di<strong>es</strong>e Frage für überflüssig. K<strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> in unserer Region wird<br />

<strong>zu</strong> lange ge<strong>tragen</strong>. Wir sitzen viel und <strong>es</strong> bringt weder dem Kind noch<br />

Vater oder Mutter etwas, das Kind in di<strong>es</strong>er Zeit an sich <strong>zu</strong> binden.<br />

Wenn <strong>es</strong> Schlafenszeiten hat, werden wir <strong>es</strong> immer in s<strong>ein</strong> Bettchen<br />

legen. Wir brauchen di<strong>es</strong>e Zeit ja auch für uns, <strong>zu</strong>m Ruhen, <strong>zu</strong>m Essen<br />

oder um <strong>ein</strong>er B<strong>es</strong>chäftigung nach<strong>zu</strong>gehen oder Arbeiten <strong>zu</strong> erledigen,<br />

bei der das <strong>Baby</strong> k<strong>ein</strong><strong>es</strong>falls dabei s<strong>ein</strong> soll.<br />

Angenehm finden Tragende, dass sie in der Zeit, in der das <strong>Baby</strong> an sie<br />

gebunden <strong>ist</strong>, <strong>ein</strong>en großen Teil der Haus- und Gartenarbeit erledigen<br />

können, dass sie Spaziergänge machen oder <strong>zu</strong>m Einkaufen gehen können.<br />

Die gekauften Waren finden dann im Kinderwagen Platz und sind<br />

so <strong>gut</strong> <strong>zu</strong> transportieren<br />

22


15. Und bis <strong>zu</strong> welchem Alter soll <strong>ein</strong> Kind ge<strong>tragen</strong> werden?<br />

Das <strong>ist</strong> nicht f<strong>es</strong>t<strong>zu</strong>legen. Wie an anderer Stelle b<strong>es</strong>chrieben, zeigen <strong>Baby</strong>s<br />

sehr genau, wann sie lieber für sich sind, sich auf dem Fußboden<br />

eigenhändig fortbewegen wollen, und wann sie (etwa ab 8 Monaten)<br />

beim Essen mit den Erwachsenen im eigenen Hochstuhl »dabeis<strong>ein</strong>«<br />

möchten. Wenn sie dann krabbeln oder laufen können, wird das Tragetuch<br />

immer überflüssiger. Kinder ab etwa <strong>ein</strong>em Jahr sitzen noch mal<br />

gern in <strong>ein</strong>er Rückentrage oder auf der Schulter d<strong>es</strong> Vaters, wenn <strong>es</strong><br />

nach draußen geht. In Krankheitstagen bleibt das Tragetuch bis weit ins<br />

2. Lebensjahr hin<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>e Hilfe, dem Kind Nähe und Sicherheit <strong>zu</strong> geben,<br />

wenn <strong>es</strong> <strong>ein</strong> Bedürfnis danach verspürt.<br />

16. Worauf beim Tragen b<strong>es</strong>onders <strong>zu</strong> achten <strong>ist</strong><br />

Stell dir vor, du wärst <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong>. Du b<strong>ist</strong> darauf <strong>ein</strong>gerichtet, dich an <strong>ein</strong>en<br />

weichen Körper an<strong>zu</strong>schmiegen, g<strong>es</strong>chaukelt <strong>zu</strong> werden, dich an<br />

Bewegungen an<strong>zu</strong>passen. Und dann kommst du in Rückenlage in <strong>ein</strong><br />

f<strong>es</strong>t<strong>es</strong> Bett. Fast immer liegst du dort, bis auf di<strong>es</strong>e kl<strong>ein</strong>en, so kurz ersch<strong>ein</strong>enden<br />

Momente, wo Mama dich im Arm hält und dir etwas <strong>zu</strong><br />

trinken gibt und du frische Windeln bekommst. Schnell kannst du dich<br />

im Moment d<strong>es</strong> Ausgezogens<strong>ein</strong>s <strong>ein</strong>mal räkeln. Wenn du im Bett die<br />

Augen aufmachst, siehst du <strong>ein</strong>e helle Decke, manchmal blickst du in<br />

<strong>ein</strong> grell<strong>es</strong> elektrisch<strong>es</strong> Licht, im günstigsten Fall schaukelt <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong><strong>es</strong><br />

bunt<strong>es</strong> Spielzeug über dir, sodass du versuchen kannst, d<strong>ein</strong>e Augen<br />

darauf aus<strong>zu</strong>richten.<br />

Oder: Du sitzt etwas aufgerichtet in <strong>ein</strong>er Wippe/<strong>ein</strong>em Autolieg<strong>es</strong>itz.<br />

D<strong>ein</strong>en B<strong>ein</strong>en kommt di<strong>es</strong>e künstliche Anhockstellung zwar entgegen,<br />

aber <strong>es</strong> gibt k<strong>ein</strong>e Möglichkeit, die B<strong>ein</strong>e frei <strong>zu</strong> bewegen, so wie <strong>es</strong> dir<br />

gerade <strong>zu</strong> Mute <strong>ist</strong>, Stunde um Stunde nicht. Du döst <strong>ein</strong> und wirst wach<br />

und willst dich räkeln - aber <strong>es</strong> geht nicht, die Form der Wippe schreibt<br />

dir genau d<strong>ein</strong>e Haltung vor.<br />

Wer so sich vor<strong>zu</strong>stellen versucht, wie <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong>, <strong>ein</strong> Tragling, sich in<br />

der jeweiligen Lage fühlt, wird schnell verstehen, was für <strong>ein</strong> Kind passend<br />

<strong>ist</strong> und was nicht. Eltern werden ihr <strong>Baby</strong> weiterhin <strong>zu</strong>m Schlafen<br />

ins Bett legen, aber wenn <strong>es</strong> wach wird, werden sie <strong>es</strong> herausholen und<br />

ihm <strong>ein</strong>e andere Lage anbieten. Sie werden verstehen, dass <strong>es</strong> auch in<br />

der Schlafenszeit nachts wach wird und <strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong>mal herumgedreht<br />

23


oder auf die andere Seite gelegt werden will -<br />

solange <strong>es</strong> das noch nicht all<strong>ein</strong>e kann. Eine<br />

Wippe/<strong>ein</strong>e Autoliege muss kurzzeitig benutzt<br />

werden, wenn das <strong>Baby</strong> im Auto transportiert<br />

wird, - aber niemand, der sich in <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> <strong>ein</strong>gefühlt<br />

hat, wird glauben, dass di<strong>es</strong>e künstlichen<br />

Aufenthaltsmöglichkeiten für längere Zeit<br />

der rechte Platz für <strong>ein</strong> <strong>Baby</strong> s<strong>ein</strong> können.<br />

Im Handel gibt <strong>es</strong> <strong>ein</strong>e große Anzahl sogenannter<br />

Tragehilfen. Die me<strong>ist</strong>en bringen das <strong>Baby</strong><br />

in k<strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Hockhaltung. Zum Beispiel di<strong>es</strong><strong>es</strong><br />

Kind: Es muss s<strong>ein</strong>en Kopf viel <strong>zu</strong> weit in<br />

den Nacken legen, um s<strong>ein</strong>e Mutter an<strong>zu</strong>schauen<br />

und s<strong>ein</strong>e B<strong>ein</strong>e sind nicht genügend g<strong>es</strong>preizt,<br />

um <strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Entwicklung der Hüftgelenke<br />

<strong>zu</strong> gewährle<strong>ist</strong>en.<br />

Alle Tragehilfen und Tragearten für das erste halbe Lebensjahr sind<br />

daran <strong>zu</strong> m<strong>es</strong>sen: hockt das <strong>Baby</strong> mit rundem Rücken angelehnt an den<br />

Tragenden und mit weit g<strong>es</strong>preizten, angezogenen B<strong>ein</strong>chen während<br />

d<strong>es</strong> Tragens? Wird <strong>es</strong> durch k<strong>ein</strong> Band oder <strong>ein</strong>e Schnalle gedrückt und<br />

kann die Tragende <strong>es</strong> immer wieder <strong>zu</strong>rechtrücken?<br />

Für die Erwachsenen <strong>ist</strong> wichtig <strong>zu</strong> wissen: alle Trageformen vor dem<br />

Körper und mit <strong>ein</strong>zelnen Bändern belasten die Rückenmuskulatur der<br />

Tragenden mehr als der Hüftsitz d<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong> im Tragetuch.<br />

17. Was Großeltern, Freunde und andere Leute tun können<br />

Viele Paare glauben, sie könnten die neue Situation, Eltern <strong>ein</strong><strong>es</strong> Neugeborenen<br />

<strong>zu</strong> s<strong>ein</strong>, ganz all<strong>ein</strong>e me<strong>ist</strong>ern. Me<strong>ist</strong>ens wird das auch von<br />

der Umgebung erwartet. Die junge Familie bekommt lediglich ganz<br />

viele Ratschläge, wie all<strong>es</strong> denn nun perfekt <strong>zu</strong> me<strong>ist</strong>ern <strong>ist</strong> - und teure<br />

G<strong>es</strong>chenke: Spielsachen, Wäsche u.a. Was wirklich gebraucht werden<br />

könnte, wäre di<strong>es</strong>: Eine Weile Zeit, um der jungen Mutter das <strong>Baby</strong> <strong>zu</strong><br />

halten, während sie sich <strong>ein</strong>e wohltuende Entspannungsgymnastik und<br />

<strong>ein</strong> schön<strong>es</strong> Bad gönnt. Dem Vater <strong>zu</strong> vermitteln, dass er <strong>es</strong> <strong>gut</strong> macht<br />

mit dem <strong>Baby</strong>, auch wenn <strong>es</strong> auf s<strong>ein</strong>en Armen <strong>zu</strong>nächst <strong>ein</strong>mal etwas<br />

mehr »knöttert«. Einen Groß<strong>ein</strong>kauf oder das Fensterputzen erledigen<br />

24


und Ähnlich<strong>es</strong>. Es <strong>ist</strong> nützlich, sich nicht<br />

mit »weisen« Reden <strong>ein</strong><strong>zu</strong>mischen, wenn<br />

die Eltern das <strong>Baby</strong> viel herum<strong>tragen</strong> - wie<br />

sonst sollten sie das Kind <strong>gut</strong> kennenlernen<br />

und ihre elterlichen Fähigkeiten entwickeln!<br />

Ab und <strong>zu</strong> mal nachfragen: »Fehlt<br />

dir etwas? Kann ich etwas für dich tun?«,<br />

kann teilnehmend s<strong>ein</strong> und als Hilfe angenommen<br />

werden. Großeltern sollten nicht<br />

erwarten, dass die Kinder mit dem <strong>Baby</strong> sie<br />

b<strong>es</strong>uchen. Es sollte genau umgekehrt s<strong>ein</strong>:<br />

Die Großeltern melden sich für <strong>ein</strong>en B<strong>es</strong>uch<br />

an.<br />

Manchmal genügt <strong>es</strong> schon, dem jungen Elternpaar <strong>zu</strong><strong>zu</strong>hören, wie<br />

ang<strong>es</strong>trengt sie sind (ja, <strong>es</strong> <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e anstrengende Arbeit, sich auf <strong>ein</strong><br />

<strong>Baby</strong> <strong>ein</strong><strong>zu</strong>stellen!), wie viel leichter sie <strong>es</strong> sich vorg<strong>es</strong>tellt haben (ja,<br />

<strong>es</strong> <strong>ist</strong> etwas völlig Neu<strong>es</strong>, das kostet viel Kraft!).Wenn man als Freundin,<br />

Großmutter oder Onkel das <strong>Baby</strong> <strong>zu</strong>m Halten bekommt, dann<br />

geht <strong>es</strong> nur darum, <strong>es</strong> <strong>zu</strong>frieden<strong>zu</strong>stellen, durch singende Worte,<br />

Schaukeln, Tragen. Es geht nicht darum, der Mutter <strong>zu</strong> beweisen,<br />

dass man b<strong>es</strong>ser mit dem <strong>Baby</strong> umgehen kann. Manchmal beruhigt<br />

sich <strong>ein</strong> Kind, das sehr gew<strong>ein</strong>t hat, wenn <strong>es</strong> auf den Arm <strong>ein</strong>er anderen<br />

Person kommt. Ich glaube, da <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> bisschen Neugier dabei, »ah,<br />

wo bin ich denn jetzt, wie fühlt sich das an?«, und auch, dass der<br />

fremde Mensch oft ruhiger und gelassener s<strong>ein</strong> kann. Es <strong>ist</strong> ja nicht<br />

s<strong>ein</strong> Kind, er <strong>ist</strong> nicht 24 Stunden täglich mit ihm <strong>zu</strong>sammen.<br />

Es <strong>ist</strong> hilfreich, all<strong>es</strong> <strong>zu</strong> unterlassen, was<br />

den jungen Eltern Angst macht: Das<br />

Kind wird nicht verwöhnt, wenn <strong>es</strong> ge<strong>tragen</strong><br />

wird! Es will nicht immer im Elternbett<br />

liegen, wenn <strong>es</strong> die ersten Wochen<br />

über dort <strong>zu</strong>frieden <strong>ist</strong>! Es wird<br />

k<strong>ein</strong> Tyrann, wenn die Eltern in der Zeit,<br />

in welcher der »soziale Uterus« gebraucht<br />

wird, sich mühen, das <strong>Baby</strong> <strong>zu</strong>frieden<br />

und glücklich <strong>zu</strong> machen.<br />

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18. Zum Schluss<br />

Ich danke allen jungen Eltern mit ihren <strong>Baby</strong>s, die mit mir die Freuden<br />

und Lasten ihr<strong>es</strong> neuen Alltags b<strong>es</strong>prochen und das Tragen ausprobiert<br />

haben. Auch all denen, deren <strong>Baby</strong>s ich für <strong>ein</strong>ige Stunden mir <strong>zu</strong>r<br />

Freude <strong>tragen</strong> durfte.<br />

Ich bin sicher, unsere Zukunft wird nur dann gelingen, wenn wir unsere<br />

Wege mit der Natur und nicht ohne oder gegen sie gehen. Das fängt<br />

beim Zusammenleben mit unseren Kindern an. All<strong>es</strong>, was ihrem Gedeihen<br />

dient, <strong>ist</strong> natürlicherweise angelegt und steht uns (fast) kostenlos<br />

<strong>zu</strong>r Verfügung. Das Tragen der neugeborenen Kinder <strong>ist</strong> dafür <strong>ein</strong><br />

Beispiel. Wir können davon ausgehen, dass viele ihrer Grundbedürfnisse<br />

durch ausreichend<strong>es</strong> Tragen g<strong>es</strong>tillt werden. Kinder, die auf di<strong>es</strong>e<br />

Weise <strong>ein</strong> positiv<strong>es</strong> Lebensgefühl sowie Vertrauen in sich und die Umwelt<br />

bekommen, haben <strong>gut</strong>e Startbedingungen für ihr weiter<strong>es</strong> Leben.<br />

Ich wünsche allen, die di<strong>es</strong><strong>es</strong> Büchl<strong>ein</strong> l<strong>es</strong>en und den ihnen anvertrauten<br />

Kindern Freude am Zusammens<strong>ein</strong> und <strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Zukunft.<br />

M<strong>ein</strong>em Mann danke ich herzlich für s<strong>ein</strong>e Hilfe beim Zusammen<strong>tragen</strong><br />

der Texte, beim Layout und für die Zeichnungen in di<strong>es</strong>em Heft.<br />

M<strong>ein</strong> b<strong>es</strong>onderer Dank gilt Susanne Fischer, Tragetuch-Fachfrau und<br />

PEKiP-Gruppenleiterin aus Zürich, für die Anregung, die Bauchtrage<br />

(X-Trage) in di<strong>es</strong>e Neuauflage auf<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Iserlohn, im August 2001<br />

Erika Roch<br />

Erika Roch, die Verfasserin di<strong>es</strong><strong>es</strong> Büchl<strong>ein</strong>s <strong>ist</strong> am 29.1.2024 im Alter<br />

von 85 Jahren verstorben. Sie hat große Teile ihr<strong>es</strong> Lebens der Zukunft<br />

von <strong>Baby</strong>s und kl<strong>ein</strong>en Kindern gewidmet, vor allem durch die Entwicklung<br />

d<strong>es</strong> Prager Eltern Kind-Programm<strong>es</strong> (PEKiP). Aus <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en,<br />

1988 in ihrer Wohnung gegründeten Ver<strong>ein</strong>, <strong>ist</strong> inzwischen <strong>ein</strong>e<br />

Bewegung geworden, die sich mit mehr als 2000 ausgebildeten Gruppenleiterinnen<br />

für die Zukunft unserer Kinder <strong>ein</strong>setzt.<br />

Die vorliegende Neuauflage, die weitgehend der dritten Auflage von<br />

2001 entspricht, soll Ihre Arbeit würdigen und weiterhin <strong>zu</strong>gänglich<br />

erhalten.<br />

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