April/Mai 2024 - coolibri

Literatur | 33
Menschliche Abgründe
Polizeischülerin Johanna
Böhm will die Schatten
der Vergangenheit hinter
sich lassen – doch ihr krimineller,
untergetauchter
Vater lässt ihr keine
Ruhe. Auch ohne den Vorgänger „Der
Zirkel“ gelesen zu haben, kann man
gut in ihre Geschichte reinfinden.
Alles beginnt mit einem Hilferuf: Johannas
Freundin Alice befürchtet,
dass ihre Cousine aus Nigeria nach
Hamburg verschleppt worden ist.
Und Johanna will helfen – ebenso wie
Ex-Geheimdienstler Rasmus Falk,
den sie hinzuzieht.
Es tun sich Abgründe aus Gier und
Unterdrückung auf, und am Ende
steht Johannas Vater seinem größten
Rivalen gegenüber. Zwar sind emotionale
Tiefe und Spannungsbogen
ausbaufähig, doch der Blick auf verkorkste
Weltbilder in alltagsfernen
Kreisen ist durchaus spannend.
Leon Sachs: Die Villa, Penguin
Zum Frösteln
Es ist ein eiskalter Winter,
in dem sich Polizistin
Cara mit Freunden
auf der irischen Insel
Inishmore trifft – zehn
Jahre nach einer tödlichen
Tragödie, die die Truppe auseinandergerissen
hat. Nun wollen sich
alle gemeinsam erinnern, doch das
Vorhaben steht unter keinem guten
Stern: Denn die Insel wird durch einen
Schneesturm vom Festland abgeschnitten.
Keine Fähre fährt, kein
Helikopter fliegt.
Und dann verbreitet sich eine Schreckensnachricht:
Jemand wurde von
den berüchtigten Steilklippen der Insel
gestürzt. Freundschaft weicht
Misstrauen – denn der Mörder/die
Mörderin ist noch auf der Insel. Und
da sind Geheimnisse...
Ein atmosphärischer Thriller, der einen
frösteln und mit der leidgeplagten
Protagonistin mitfiebern lässt.
Tríona Walsh: Schneesturm, Fischer
Doppelgängerin
Max Bischoff ermittelt
in Arno Strobels „Mörderfinder“
in seinem
vierten Fall. Auf einer
Beerdigung steht der
Fallanalytiker plötzlich
einer Frau gegenüber, die seiner großen
Liebe Jennifer Sommer zum
Verwechseln ähnlich sieht – seiner
großen Liebe, die vor fünf Jahren ermordet
wurde. Und obwohl Bischoff
mit aller Macht versucht, das Vergangene
ruhen zu lassen, gelingt es
ihm nicht. Er spricht die Unbekannte
an – und hört bald von Gewalt, die
hinter verschlossenen Türen geschieht.
Dann wird Jana Brosius entführt
– die erste Frau, für die Bischoff
nach tiefer Trauer wieder Gefühle
entwickeln konnte. Zudem gerät
er selbst in Lebensgefahr. Wie
alles zusammenhängt, bleibt bis
zum Schluss offen. Und auch wenn
man einiges erahnen kann, leidet
man mit dem Protagonisten.
Arno Strobel: Mörderfinder, Fischer
Schattenseiten
Jordan Harpers „Alles
schweigt“ ist eine Geschichte,
die nachzeichnet,
was Macht in Hollywood
bewirken kann.
Protagonistin Mae ist Krisenspezialistin
inmitten der Reichen
und Schönen: Sie wird gerufen, wenn
das Leben von Stars außer Kontrolle
gerät, und weiß, wie man Skandale
verschwinden lässt. Doch als ihr Vorgesetzter
erschossen wird, gerät bei
ihr selbst einiges außer Kontrolle. Sie
kommt Mächtigen aus der Traumfabrik
zu nah. An Maes Seite steht Ex-
Cop und -Freund Chris, und auch er
kennt die Regeln in gewissen Kreisen:
Im Zweifel wird geschwiegen.
Doch kann das Schweigen im Fall einer
schwangere Minderjährigen und
illegalen Partys gebrochen werden?
Wer stilvolle Sprache mag, die auf
die Schattenseitenbeleuchtung einer
Glanzwelt trifft, dem sei Jordan Harpers
Werk ans Herz gelegt.
Jordan Harper: Alles schweigt, ullstein
Mensch oder Monster?
„Monster“ ist Nele Neuhaus‘
Bodenstein-Kirchhoff-Krimi
Nummer 11 –
und es geschehen gleich
mehrere Verbrechen.
Eine 16-Jährige wird erdrosselt
aufgefunden und ein Asylbewerber,
der jüngst wegen eines
Vergewaltigungsvorwurfs in U-Haft
saß, gerät erst ins Visier der Polizei,
dann in Lebensgefahr. Ein Mann, der
bei einem illegalen Autorennen eine
Schwangere getötet hat, wird von einem
Auto erfasst und stirbt. Sein
Körper ist übersät mit Bisswunden,
sein Gesicht entstellt. Ein Richter
nimmt in einem Gerichtssaal Geiseln.
Und alles hängt zusammen.
Es ist eine Geschichte über Fremdenhass,
Zweifel an der Gerechtigkeit
des Rechtssystems und Selbstjustiz.
Ein paar Längen sind verzeihbar, da
die einzelnen Handlungsstränge gekonnt
zu einem komplexen Krimi-
Konstrukt verwoben sind.
Nele Neuhaus: Monster, ullstein