Leseprobe 2_2024
Ausgabe 2_2024 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.
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Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 27. Jahrgang<br />
www.biogas.org<br />
2_<strong>2024</strong><br />
Ab Seite 56<br />
TITELTHEMA<br />
Biogas-<br />
Speicherkraftwerke<br />
XXX Kongress:<br />
yyy Kraftstoffe der 30Zukunft 20<br />
XXX BMWK-Strategie<br />
yyy zu Stromspeichern 86 44<br />
XXX: Neue Bakterien-Ordnung<br />
yyy entdeckt - 96 96<br />
1
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Biogas Biogas Journal | | x_2022 2_<strong>2024</strong><br />
Biogas:<br />
Kraftwerke der<br />
Zukunft?!<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Anfang Februar verkündete Bundeswirtschaftsminister<br />
Dr. Robert Habeck erste<br />
Eckpunkte seiner Kraftwerksstrategie.<br />
Im Zentrum der Einigung in der Regierung<br />
steht vor allem die Erarbeitung von<br />
Konzepten für einen marktlichen, technologieneutralen<br />
Kapazitätsmechanismus.<br />
Neue Großkraftwerke sollen hingegen<br />
deutlich weniger gebaut werden, als ursprünglich<br />
geplant.<br />
Somit ist positiv festzuhalten, dass die<br />
Bundesregierung weniger neue Gasgroßkraftwerke<br />
plant, als noch im Dezember<br />
vorgesehen. Stattdessen sollen zuverlässige<br />
und flexible Kapazitäten angereizt<br />
werden. Genau das können wir, kann<br />
Biogas liefern! Wenn die Bundesregierung<br />
uns lässt. Leider müssen wir mal<br />
wieder feststellen, dass in den Eckpunkten<br />
der Regierung zwar von Technologieneutralität<br />
gesprochen wird, aber mit<br />
keinem Wort der Biogasanlagenpark erwähnt<br />
wird.<br />
Stattdessen hofft die Bundesregierung<br />
auf unausgereifte Technologien wie die<br />
Kernfusion oder den nicht besonders<br />
umweltfreundlichen blauen Wasserstoff,<br />
obwohl mit der Förderung der vorhandenen<br />
Biogaskraftwerke ausgereifte Technologie<br />
schneller und kostengünstiger<br />
zur Verfügung stünde. Allein bis 2030<br />
könnten mit den richtigen Änderungen<br />
am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)<br />
bis zu 12 Gigawatt (GW) flexibler Leistung<br />
aus Biogas zur Verfügung stehen –<br />
langfristig sogar doppelt so viel. Dass<br />
das geht, zeigen die Beispiele in der<br />
Titelstrecke in diesem Biogas Journal.<br />
Mit dem aktuellen Ausschreibungsdesign<br />
hingegen riskiert die Bundesregierung<br />
Anlagenstilllegungen und eine<br />
noch größere Stromlücke, die wiederum<br />
später teuer geschlossen werden muss.<br />
Deutschland muss jetzt auf heimische<br />
Erneuerbare Energie setzen, sonst wird<br />
bei knappen Kassen bestehende Infrastruktur<br />
zerstört. Wenn die aktuelle Regierung<br />
nicht schnell aufwacht, dann ist<br />
insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium<br />
dafür verantwortlich, dass ein<br />
zuverlässiger Biogasanlagenbestand zum<br />
Aufgeben gezwungen wird. Ein Schaden,<br />
den kommende Regierungen nicht wieder<br />
gutmachen können.<br />
Auch Experten aus der Wissenschaft und<br />
der Forschung wundern sich, dass die<br />
Regierung auf den teuersten Ansatz setzt<br />
und heimische Energie nicht auf dem<br />
Schirm hat. Dies mag daran liegen, dass<br />
die zuständigen Ministerien seit Jahren<br />
der Nutzung von Biomasse negativ gegenüberstehen.<br />
Immer wieder wird das<br />
alte Argument der Vermaisung in den<br />
Gesprächsrunden gezogen.<br />
In den nächsten Wochen gilt es, zu zeigen,<br />
dass sich unsere Branche weiterentwickelt<br />
hat und dass wir einen Mehrwert<br />
für das Energiesystem haben. Die Beispiele<br />
in diesem Heft zu Speicherkraftwerken<br />
zeigen den Pfad. Dieser kann als<br />
Einzelanlage, aber auch durch Bündelung<br />
von mehreren Anlagen beschritten<br />
werden.<br />
Weiter darf nicht vergessen werden, dass<br />
der heutige Biogasanlagenbestand ein<br />
wesentlicher Bestandteil der Wärmewende<br />
darstellt. Zahlreiche Kommunen planen<br />
mit der Biogaswärme und sind sich<br />
gar nicht bewusst, dass hier ein K.O.<br />
droht. Es ist nun an uns – als gesamte<br />
Branche – ,möglichst viele wachzurütteln<br />
und als Fürsprecher zu gewinnen.<br />
Nur so kann es gelingen, dass die Entscheidungsträger<br />
wieder pragmatischer<br />
und weniger ideologisch agieren und<br />
Biogasanlagen als Kraftwerke der Zukunft<br />
ihren Beitrag zur Energiewende<br />
liefern können.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Dr. Stefan Rauh,<br />
Geschäftsführer des Fachverbandes<br />
Biogas e.V.<br />
3
INHALT<br />
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
32 62<br />
Flexibles Biomethan-KWK-Spitzenlastkraftwerk<br />
lässt Bio-Lebensmittel wachsen<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />
Martin Bensmann<br />
EDITORIAL<br />
3 Biogas: Kraftwerke der Zukunft?!<br />
Von Dr. Stefan Rauh<br />
Geschäftsführer des<br />
Fachverbandes Biogas e.V.<br />
AKTUELLES<br />
6 Meldungen<br />
8 Bücher<br />
9 Termine<br />
10 Biogas-Kids<br />
Beilagenhinweis: Das Biogas Journal<br />
enthält Beilagen der Firmen<br />
agriKomp GmbH und CLEANline GmbH & Co. KG<br />
AKTUELLES<br />
12 „Regenerative Landwirtschaft<br />
ist eine vielversprechende Idee“<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
20 Klimaschutz und alternative Kraftstoffe<br />
Von Thomas Gaul<br />
24 „Wenn Biogasanlagen keine Perspektive<br />
sehen, läuft etwas schief“<br />
Von Thomas Gaul<br />
28 Bayern fördert Biomethan<br />
Von Christian Dany<br />
30 Mainz plant vierte Reinigungsstufe –<br />
Elektrolyse zurückgestellt<br />
Von Dr. Martin Frey<br />
BIOGAS CONVENTION<br />
32 Große Gaskraftwerke führen in die<br />
Sackgasse<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
POLITIK<br />
40 Die Rolle als Energiewirte stärken<br />
Von Bernward Janzing<br />
44 Zeitweilige Überschüsse machen<br />
Stromspeicher nötig<br />
Von Bernward Janzing<br />
48 Interview mit Dr. Thomas Griese<br />
„Biogas gewinnt als Winterbiogas<br />
einen ganz neuen, weitaus höheren<br />
Stellenwert für die heimische Versorgungssicherheit“<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
50 Interview mit Hans-Josef Fell<br />
„Es ist Zeit, um große Linien zu fordern“<br />
Von Dr. Martin Frey<br />
52 Atomar durchs Hinterzimmer?<br />
Von Dierk Jensen<br />
54 Bundesregierung muss sich zu Biogas<br />
bekennen!<br />
Von Jörg Schäfer und Dr. Guido Ehrhardt<br />
4
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong> INHALT<br />
Speicherkraftwerke<br />
56 Genehmigungsbehörde verhindert<br />
Wärmenetzausbau<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />
Martin Bensmann<br />
70 Clustern – gemeinsame Stromproduktion<br />
und Wärmeversorgung als<br />
Zukunftskonzept?<br />
Von Dr. Helmut Loibl<br />
74 Hochflexibel in die nächste<br />
Vergütungsperiode<br />
Von Christian Dany<br />
84 Landgarnele...<br />
Von Thomas Gaul<br />
TITELFOTO: MARTIN EGBERT | FOTOS: FACHVERBAND BIOGAS, MARTIN EGBERT, OLIVER RISTAU<br />
100<br />
INTERNATIONAL<br />
100 Portugals erstes Biomethandorf<br />
Von Dipl.-Pol. Oliver Ristau<br />
VERBAND<br />
RECHT<br />
119 Veröffentlichung eines Hinweises zur<br />
Ermittlung der Bemessungsleistung<br />
für die Flexibilitätsprämie<br />
Von Elena Richter<br />
PRAXIS<br />
90 Interview mit Dipl.-Ing. Christoph Spurk<br />
Biogasanlage versorgt Autozulieferer<br />
Von Dr. Martin Frey<br />
94 Anlagen des Monats Dezember<br />
und Januar<br />
WISSENSCHAFT<br />
Aus der Geschäftsstelle<br />
108 Ist die Regierung noch handlungsfähig?<br />
Von Dr. Stefan Rauh und<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Regionalgruppe Oberpfalz<br />
114 Biomethan: Clusterung von Anlagen<br />
interessante Alternative<br />
118 Bioenergie: Das Back-up der Energiewende<br />
braucht Perspektiven<br />
Von Dr. Simone Peter, BEE<br />
PRODUKTNEWS<br />
121 Produktnews<br />
122 Impressum<br />
96 Neue Bakterienordnung entdeckt<br />
Von Dipl.-Ing. Pascal Otto und<br />
Prof. Dr. habil. Christian Abendroth<br />
5
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
„Regenerative Landwirtschaft<br />
ist eine vielversprechende Idee“<br />
Am 5. Dezember fand in Berlin eine von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) organisierte Tagung<br />
zum Thema Regenerative Landwirtschaft statt. Für diese Art der Landwirtschaft fehlt eine allgemeingültige<br />
Definition. Die Referentinnen und Referenten des DLG-Kolloquiums 2023 drangen aus unterschiedlicher Perspektive<br />
in diese Lücken vor. Praktiker und Wissenschaftler gaben Einblicke in Definitionen und Konzepte und<br />
zeigten, wie Regenerative Landwirtschaft in der Praxis umgesetzt werden kann.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Die Anpassungen an die Auswirkungen<br />
von Witterungsextremen<br />
gehört schon immer<br />
zur nachhaltigen Entwicklung<br />
der Landwirtschaft. Zu<br />
trocken, zu kalt, zu nass, zu heiß – die<br />
Wetterextreme in den vergangenen Jahren<br />
haben immer wieder die Arbeit auf<br />
den Landwirtschaftsbetrieben sowie die<br />
Erträge infrage gestellt“, eröffnete DLG-<br />
Präsident Hubertus Paetow seine Rede.<br />
In der jüngeren Vergangenheit, da sei es<br />
vor allem die Trockenheit in den Jahren<br />
2018 bis 2022 gewesen. In 2023 seien<br />
es dann Mal wieder die Niederschläge<br />
gewesen, die die Qualitäten und die Ernte<br />
infrage gestellt hätten. In ganz vielen<br />
Regionen sei ja auch die Herbstaussaat<br />
unter ganz schwierigen Bedingungen realisiert<br />
worden. „Ob das nun Auswirkungen<br />
eines Klimawandels sind oder nur<br />
Wetterkapriolen, das ist ja für diejenigen,<br />
die sich auf den Betrieben mit diesen<br />
Problemen beschäftigen müssen, erstmal<br />
egal“, sagte Paetow.<br />
Anpassungsfähigkeit der<br />
Produktionssysteme an<br />
Witterungsextreme verbessern<br />
Landwirtschaft und Witterung, das sei<br />
schon immer eine schwierige Beziehung<br />
gewesen. Daher sei es eine gute Idee,<br />
die Anpassungsfähigkeit der Produktionssysteme<br />
an die unterschiedlichen<br />
Witterungsextreme zu verbessern. „Dieser<br />
Aspekt des Fortschritts in Richtung<br />
Nachhaltigkeit in der Produktion ist für<br />
uns überhaupt nichts Neues. Die Bodenbearbeitung<br />
oder eben der Verzicht<br />
darauf diente schon immer der Verbesserung<br />
der Wasserspeicherung. Auch<br />
die Züchtung auf Trockenheitstoleranz<br />
ist zumindest weltweit immer schon ein<br />
wichtiges Thema für die Pflanzenzüchter<br />
gewesen“, führte Paetow weiter aus.<br />
Neu seien aber einerseits die Anforderungen,<br />
diese Fortschritte zu erreichen.<br />
Also mehr Widerstandsfähigkeit ohne die<br />
anderen Ziele der nachhaltigen Entwicklung<br />
– als da sind die Biodiversität oder<br />
auch die Grundwasserverfügbarkeit – zu<br />
gefährden. Und was auch neu sei auf der<br />
anderen Seite, sei die Anforderung an die<br />
Geschwindigkeit, die wir an den Tag legen<br />
müssten, um den Wettlauf zwischen<br />
Klima- und Witterungsveränderungen<br />
und Ernährungssicherung zu gewinnen.<br />
Da komme das Tagungsthema ins Spiel:<br />
die Regenerative Landwirtschaft. Diese<br />
Bewirtschaftungsstrategie werde als<br />
Konzept diskutiert. Es gehe weniger um<br />
Maximalerträge als vielmehr um eine<br />
langfristig stabile Produktion über die<br />
FOTO: FELIX HOLLAND<br />
Sehr gut besuchtes<br />
DLG-Kolloquium in<br />
Berlin zum Thema<br />
Regenerative<br />
Landwirtschaft.<br />
12
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
AKTUELLES<br />
DLG-Präsident<br />
Hubertus Paetow<br />
ganze Fruchtfolge. Sie stelle aber auch<br />
ein Instrument zur Ökologisierung der<br />
Landwirtschaft dar und auch zur Reduktion<br />
von Treibhausgasen.<br />
Präzise Definition von RLW<br />
existiert noch nicht<br />
Im Zentrum des Konzepts stehe das Ziel:<br />
Durch die Förderung der Bodengesundheit<br />
und der -fruchtbarkeit zu erreichen,<br />
dass die Produktivität des Gesamtsystems<br />
langfristig nicht nur stabil bleibt,<br />
sondern sich verbessert. Eine ganz präzise,<br />
justiziable Definition des Begriffs Regenerative<br />
Landwirtschaft oder auch des<br />
damit bezeichneten Produktionssystems<br />
existiert aus mehreren Gründen noch<br />
nicht. 1. Das Konzept sei noch relativ<br />
neu und in mehreren Regionen gleichzeitig<br />
entwickelt worden. 2. Es bestehe die<br />
Notwendigkeit einer Festschreibung auch<br />
deshalb noch nicht unmittelbar, weil das<br />
System kein reines Vermarktungskonzept<br />
für Produkte beinhalte, die dann entsprechend<br />
gekennzeichnet werden müssten,<br />
um zum Beispiel einen Mehrpreis durchzusetzen.<br />
„Und drittens – das ist für mich der wichtigste<br />
Punkt – definiert sich das System<br />
mehr als andere von der Zielerreichung<br />
her. Zwar nicht in dem Sinne, dass alles,<br />
was den Böden hilft, jetzt auch zur<br />
Regenerativen Landwirtschaft gehört,<br />
aber schon in dem Sinne, dass das System<br />
im Hinblick auf die Ziele dynamisch<br />
bleiben soll. Die Herangehensweise von<br />
den Zielen her, die Verfahrensfortschritte<br />
einzuordnen und zu bewerten, ist schon<br />
immer unser Verständnis von nachhaltigem<br />
Fortschritt in der DLG“, erklärte der<br />
DLG-Präsident. Die Zukunftskommission<br />
Landwirtschaft spreche in diesem Zusammenhang<br />
davon, dass die Instrumente<br />
sich von einer Inputsteuerung hin zu<br />
einer wirkungsorientierten Prozesssteuerung<br />
entwickeln sollen – also outcomebasiert<br />
sein sollen. Dahinter stehe die<br />
Erkenntnis, dass ein starres Festhalten<br />
an Regulierungen weder in der Dynamik<br />
der wissenschaftlich-technischen Entwicklung<br />
noch in der Volatilität der äußeren<br />
Rahmenbedingungen gerecht werden<br />
könne.<br />
Laut Paetow scheint es an der Zeit zu<br />
sein, „dass wir unsere Herangehensweise<br />
an die nachhaltige Entwicklung – sowohl<br />
betrieblich als auch politisch – auf den<br />
Prüfstand stellen. Am besten gleichzeitig<br />
und konsistent“. Es sei eine gute Idee,<br />
mit der genauen justiziablen Regulierung<br />
des Verfahrens Regenerative Landwirtschaft<br />
noch etwas zu warten, damit<br />
möglichst viele Innovationen die Chance<br />
bekämen, sich als Treiber eines solchen<br />
Systems zu bewähren.<br />
Patentrezept Ökolandbau nicht<br />
erkennbar<br />
„Nun könnte man sagen, dass wir das gar<br />
nicht brauchen, weil wir ja das Leitbild<br />
des Ökologischen Landbaus haben. Und<br />
es werden ja auch schon Stimmen laut,<br />
die sagen, Regenerative Landwirt-<br />
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AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
„Die RLW ist eine Mikrobiom<br />
versessene Community“<br />
PD Dr. Gernot Bodner<br />
von der Boku Wien<br />
schaft ist ja nur green washing. Verstehen<br />
Sie mich nicht falsch: Der Ökolandbau ist<br />
ein faszinierendes Konzept, das nachhaltige<br />
Landbewirtschaftung über erfolgreiche<br />
Vermarktung in Wert setzt. Genau genommen<br />
ist es aktuell das einzige. Aber<br />
aus gutem Grund wird bei den größten<br />
politischen Verfechtern dieses Agrarsystems<br />
ein Ziel von 30 Prozent ausgegeben<br />
und eben nicht von 100 Prozent. Denn<br />
beim heutigen Stand des Ökolandbaus in<br />
Deutschland kann die Flächeneffizienz<br />
uns noch nicht zufriedenstellen.<br />
Somit ist aktuell ein Patentrezept<br />
Ökolandbau nicht zu<br />
erkennen“, machte Paetow<br />
aufmerksam.<br />
Laut dem letzten Agrarbericht<br />
werde der Förderbedarf<br />
des Ökolandbaus in<br />
den nächsten Jahren eher<br />
steigen, um auf das gleiche<br />
Einkommensniveau zu gelangen<br />
wie die konventionelle<br />
Landwirtschaft. Der Ökolandbau<br />
definiere sich im Wesentlichen<br />
über Dinge, die die Betriebe nicht<br />
einsetzen dürften, wie zum Beispiel Mineraldünger<br />
und chemische Pflanzenschutzmittel.<br />
Also rein vom Input her<br />
und nicht ziel- und wirkungsorientiert,<br />
wie das gerade als Anforderung an zukünftige<br />
Strategien gefordert werde.<br />
„Die Anforderungen an ein nachhaltiges<br />
Ernährungssystem in Deutschland sind<br />
immens. Alle Ansätze und Ideen, die uns<br />
diesen Zielen näher bringen können, sind<br />
es wert, genau geprüft und ausprobiert<br />
zu werden. Regenerative Landwirtschaft<br />
ist eine solche vielversprechende Idee“,<br />
schloss Paetow seine Ausführungen.<br />
Community der Bodenliebhaber<br />
PD Dr. Gernot Bodner von der BOKU Wien<br />
gab einen einordnenden Überblicksvortrag<br />
zu den Bereichen konventionelle Landwirtschaft,<br />
Ökolandbau und Regenerative<br />
Landwirtschaft (RLW). Seine Grundeinstellung<br />
zur RLW sei positiv, weil sich in<br />
der Community Bodenliebhaber träfen, zu<br />
denen er sich auch zähle. Seinen Worten<br />
nach schaue die RLW auf sehr viele Dinge,<br />
die es schwer machten, sie in Ursachen-<br />
Wirkungs-Beziehungen und dann in Beratung<br />
hineinzubringen. Es sei noch sehr viel<br />
Forschungsbedarf vorhanden.<br />
Die Forschung sei die Disziplin, die die<br />
Bringschuld habe. Die Forschung müsse<br />
durch die Nähe zur Praxis verstehen, was<br />
in den Kreisen an Fragen diskutiert werde.<br />
Sie müsse sich dem annehmen und<br />
Daten und Fakten generieren. „Ich bin<br />
davon überzeugt, dass solche Trends wie<br />
die RLW immer aus Krisenwahrnehmungen<br />
in der Gesellschaft hervorkommen.<br />
Die Grüne Revolution kommt schon aus<br />
der Krisenwahrnehmung der Gesellschaft<br />
heraus“, erläuterte Bodner.<br />
Die Biolandwirtschaft entspringe ja den<br />
ersten Wahrnehmungen des begrenzten<br />
Wachstums. Der Trend zur RLW, so seine<br />
Überzeugung, habe etwas mit der Wahrnehmung<br />
des Klimawandels zu tun. Wenn<br />
man sich die konservierende Bodenbearbeitung<br />
anschaue, dann falle diese sehr<br />
stark mit den Ländern zusammen, die<br />
große Agrarflächen und große Betriebe<br />
haben. Treiber für diese Trends seien:<br />
a) Die Agrarpolitik: So gebe es zum Beispiel<br />
im Rahmen des Green Deal der<br />
EU eine ganze Reihe von Neuerungen,<br />
die auf die Landwirtschaft zukommen<br />
würden. Dazu gehörten auch Anfor-<br />
14
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
AKTUELLES<br />
derungen an die Bodenbearbeitung.<br />
Forschungsbegleitende Leuchtturmbetriebe<br />
seien sehr gut dazu geeignet,<br />
die Veränderungen abzubilden.<br />
b) Gibt es eine Markterwartung? Das<br />
werde man in der Entwicklung der<br />
RLW sehen. Für die Biozuwachsraten<br />
seien Marktsegmente ganz entscheidend<br />
gewesen.<br />
c) Innovationen: Die hätten ihren Ursprung<br />
zum Teil in technischen Entwicklungen.<br />
Conservation Agriculture: in<br />
Deutschland ein Ost-West-Gefälle<br />
Als Gründe für die Übernahme der Conservation<br />
Agriculture (CA) führte Bodner<br />
an, dass sozioökonomische Faktoren eine<br />
Rolle spielen würden. Aber auch Umweltund<br />
Betriebsfaktoren sowie das Alter<br />
und die Ausbildungsqualifikation des Betriebsleiters.<br />
In Deutschland gebe es hinsichtlich<br />
der CA ein Ost-West-Gefälle. Sie<br />
werde eher dort praktiziert, wo große Flächen<br />
bewirtschaftet würden, weil es ein<br />
ökonomisches Motiv dafür gebe. „Aufgrund<br />
des Skaleneffektes ist der Benefit<br />
durch das Einsparen von Produktionsfaktoren<br />
dominanter“, betonte Bodner.<br />
Je trockener das Klima werde, umso<br />
eher hätten Betriebe einen Benefit von<br />
der CA. „Somit ist klar, dass je trockener<br />
Regionen werden, solche Trends mehr in<br />
den Fokus rücken. CA hat in den USA<br />
beispielsweise in den 1960er Jahren<br />
begonnen zu boomen. Beim Biolandbau<br />
waren es die 1970er Jahre und die RLW<br />
hat ihre Ursprünge in den 1980er Jahren.<br />
Wir hinken in Europa bei der RLW jedoch<br />
10 bis 15 Jahre hinterher. Auch hier<br />
ist nicht die Wissenschaft der Treiber der<br />
Innovation. Die Wissenschaft springt erst<br />
später drauf“, führte Bodner aus.<br />
CA sei eine Systemveränderung, die die<br />
Wissenschaft nicht erfinden könne. Innovationen<br />
kämen aus der Praxis. Die Wissenschaft<br />
könne schauen, was sich verändert.<br />
Sie könne bewerten, ob die Ziele<br />
erreicht worden sind, die die Praxis sich<br />
vorgenommen hat. Bodner weiter: „Es<br />
gibt ein ziemlich hartes ökologisches Gesetz,<br />
mit dem wir uns auseinandersetzen<br />
müssen: Nachhaltigkeit zu erreichen und<br />
Ertragsmaximierung hängen leider nicht<br />
positiv zusammen.“<br />
Als Ziele der RLW nannte der Wiener Wissenschaftler:<br />
f Boden und Bodengesundheit stehen<br />
ganz oben.<br />
f Biodiversität steht an zweiter Stelle.<br />
f Steigerung der Humusgehalte und<br />
Zunahme der Kohlenstoffspeicherung<br />
haben ebenfalls einen extrem hohen<br />
Stellenwert.<br />
f Zu den abstrakteren Zielen gehöre:<br />
minimale Störung des Bodens, möglichst<br />
langlebende Pflanzen auf dem<br />
Feld, Boden mit Pflanzen oder Mulch<br />
bedecken sowie diverse Fruchtfolgen<br />
inklusive artenreicher Zwischenfruchtmischungen.<br />
f Wesentlicher Unterschied zur CA ist,<br />
dass die RLW Tiere auf den Flächen<br />
weiden lässt. Dies ist ein Trend, der<br />
sehr stark aus den USA kommt. Ist<br />
in Europa auf den RLW-Betrieben<br />
aus praktischen Gründen nicht sehr<br />
dominant. Grund: Sehr spezialisierte<br />
Höfe, die oft keine Tiere mehr haben.<br />
In Europa werden die RLW-Prinzipien<br />
in den vorhandenen Betriebsstrukturen<br />
ohne Tierhaltung umgesetzt. Es<br />
gibt zwar Trends wie Agroforst, aber<br />
in erster Linie geht es um Ackerbau.<br />
„Neu an der RLW ist der Fokus auf die<br />
Bodenmikrobiologie. Die RLW ist eine<br />
Mikrobiom versessene Community, die<br />
sehr stark auf Pilze und Bakterien fokussiert<br />
als zentrale Organismen der Bodengesundheit.<br />
Neu ist auch die Richtung<br />
‚Immergrün‘. In Zusammenhang zirkuliert<br />
der Begriff ‚naturnahe Systeme‘. In der<br />
Community wird sehr stark diskutiert, wie<br />
die Natur funktioniert und was wir von<br />
der Natur kopieren können, um es in die<br />
Landwirtschaft zu überführen. Da ist das<br />
Konzept ‚Immergrün‘ ein ziemlich zentrales<br />
Paradigma. Denn natürliche Ökosysteme<br />
kennen eigentlich keine brachliegenden<br />
Böden. Und schließlich gehören<br />
Stoffkreisläufe als Prinzip ebenso in das<br />
RLW-System“, informierte Bodner.<br />
Warum ein System Immergrün? Laut Bodner<br />
sollten immer auf dem Acker vegetativ<br />
wachsende Pflanzen auf dem Acker<br />
stehen, weil sie ihre Assimilate in<br />
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AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
„Bei den Humusbildungsmechanismen<br />
hat die RLW<br />
ein großes Potenzial“<br />
Dr. Gernot Bodner<br />
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Da die RLW sehr<br />
bodenmikrobiologisch<br />
zentriert ist, ist die Ernährung<br />
des Bodenmikrobioms so zentral.<br />
Darum immergrüne Pflanzen auf dem<br />
Feld haben, die Photosynthese betreiben.<br />
Das Abgeben der Assimilate wird auch<br />
als Liquid-Carbon-Pathway nach der australischen<br />
Wissenschaftlerin Dr. Christine<br />
Jones bezeichnet.<br />
Der US-amerikanischer Wissenschaftler<br />
Noah W. Sokol von der School of Forestry<br />
and Environmental Studies der Yale Universität<br />
habe 2019 veröffentlicht, dass<br />
dieser wassergelöste Kohlenstoff der<br />
Treiber für den Humusaufbau ist. Bei den<br />
Assimilaten, die die Wurzeln ausscheiden,<br />
handele es sich im Wesentlichen um<br />
Glucose, Aminosäuren und organische<br />
Säuren, die mikrobiell verstoffwechselt<br />
werden. Es ist sozusagen der invivo-Pfad<br />
des Humusaufbaus. Bodner berichtete<br />
von eigenen Untersuchungen auf RLW-<br />
Pionierbetrieben, die Humussteigerungsraten<br />
von bis zu 15 Prozent erreicht<br />
hätten. Auf leichten Böden könne<br />
mehr Humus aufgebaut werden<br />
als auf schweren Böden.<br />
Der Liquid-Carbon-Pathway (LCP),<br />
der der in Wasserextrakt messbare<br />
Kohlenstoff ist, sei um 30<br />
Prozent gestiegen – durch den<br />
vermehrten Anbau von Zwischenfrüchten<br />
und Untersaaten, weil die<br />
tief assimilieren würden. Bodner: „Bei<br />
den Humusbildungsmechanismen hat<br />
die RLW ein großes Potenzial. Beim Ökolandbau<br />
ist es die organische Düngung<br />
und bei der konservierenden Landwirtschaft<br />
ist es vor allem die Schonung des<br />
Aggregathumus. Der LCP ist der wichtigste<br />
Hebel zur Humusmehrung.“<br />
Der Unterschied zwischen Biolandwirtschaft<br />
und konventioneller Landwirtschaft<br />
zeige sich vor allem in Landschaften,<br />
die wenig natürliche Strukturen<br />
hätten. Das bedeute, je kleinstrukturierter<br />
eine Landschaft sei, umso mehr<br />
verschwinde dieser Unterschied. Auf<br />
der Landschaftsebene existiere ein ganz<br />
entscheidender Hebel für mehr Biodiversität.<br />
Seine eigenen Versuche hätten im<br />
Hinblick auf Kohlenstoffveränderungen,<br />
um Faktoren zu quantifizieren, ergeben:<br />
Die Artenvielfalt ist gleich Artenzahl in<br />
der Fruchtfolge. Die Zwischenfrüchte<br />
hätten einen wesentlichen Erklärungsfaktor<br />
geliefert für die Steigerung der<br />
Humusgehalte.<br />
Laut Bodner ist das Wichtigste, das<br />
Pflanzen wachsen und Photosynthese<br />
betreiben. Pflanzen sind die Primärproduzenten.<br />
Ohne Pflanzen lebt kein Ökosystem.<br />
„Alles, was im Boden vorkommt,<br />
sind im Wesentlichen Organismen, die<br />
gefüttert werden müssen. Pflanzen sind<br />
der Startpunkt für mehr Bodenbelebung.<br />
Die Vielfalt der Pflanzen hat einen gewissen<br />
Zusatznutzen in den Bodenwirkungen.<br />
Beim Humus gehen wir davon aus,<br />
dass diversere Pflanzenbestände eine<br />
größere Vielfalt an organischen Stoffen in<br />
den Boden pumpen und somit eine größere<br />
Vielfalt an Bodenmikroben hervorbringen,<br />
was zusammen humusmehrend<br />
wirkt“, machte Bodner aufmerksam.<br />
RLW und Pflanzenschutz<br />
Frau Prof. Dr. agr. Verena Haberlah-Korr<br />
von der Fachhochschule Südwestfalen in<br />
Soest referierte zum Thema „Integrierter<br />
Pflanzenschutz – Baustein der Regenerativen<br />
Landwirtschaft“. Auch sie stellte<br />
die fünf Prinzipien der RLW vor und ging<br />
anschließend der Frage nach, welchen<br />
Einfluss diese auf den Pflanzenschutz<br />
haben. Bei der Direktsaat mit möglichst<br />
wenig Bodenbewegung sieht sie eine<br />
Schnittstelle.<br />
„Ich muss mir über meine Unkrautregulierung<br />
Gedanken machen. Mit Mulchauflagen<br />
aus organischen Material zu arbeiten,<br />
ist eine Möglichkeit“, erläuterte die<br />
Wissenschaftlerin. Bei der dauerhaften<br />
Bodenbedeckung – ob es jetzt Zwischenfrüchte<br />
oder Beisaaten sind –, das seien<br />
grüne Brücken, in denen Pilze konserviert<br />
werden beziehungsweise Virosen überdauern<br />
könnten. Mäuse und Schnecken<br />
müssten kontrolliert werden, da diese<br />
sich darin wohlfühlen würden.<br />
Weite Fruchtfolgen empfahl sie, da sie<br />
Fruchtfolgekrankheiten minderten. Auf<br />
dem Versuchsgut der Hochschule in<br />
Soest wird seit über 30 Jahren pfluglos<br />
gewirtschaftet. Die Fruchtfolge besteht<br />
aus acht Gliedern, Leguminosen sind<br />
auch enthalten. Auf dem Betrieb wird<br />
das sogenannte Soester Pflanzenbaukonzept<br />
umgesetzt, das aus den 90er Jahren<br />
stammt. „Das Konzept beinhaltet schon<br />
die permanente Bodenbedeckung durch<br />
Begrünungssysteme und Mulchwirtschaft“,<br />
ließ die Professorin einblicken.<br />
Mais-Direktsaat in Roggen<br />
Für den eigenen Betrieb hätten sie sich<br />
eine Messerwalze nach dem Vorbild des<br />
Roller Crimpers des Rodale Instituts in<br />
den USA gebaut. Diese spezielle Walze<br />
wird im Roggen in der Blüte eingesetzt.<br />
Zu früh geknickte Zwischenfrüchte stehen<br />
wieder auf und wachsen weiter. Die<br />
Pflanzen werden an den Boden gedrückt<br />
und mehrfach geknickt. Die Biomasse<br />
ergibt eine ergiebige Mulchschicht. In<br />
Soest wird zum Beispiel in Versuchen<br />
Mais in Direktsaat in den liegenden Roggen<br />
gesät.<br />
Auch zwei Monate nach dem Walzen ist<br />
der Boden zwischen den Maisreihen noch<br />
sehr gut bedeckt. So wird die Wasserverdunstung<br />
gemindert, die Wasserinfiltration<br />
erhöht und Wind- beziehungsweise<br />
Wassererosion vorgebeugt. Die Maisdirektsaat<br />
in den gewalzten Roggen verursachte<br />
in den Versuchen 30 bis 37 Prozent<br />
weniger Ertrag im Vergleich zur<br />
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AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
konventionellen Maissaat. Anmerkung<br />
der Redaktion: Der Roggen könnte zu viel<br />
Wasser entzogen haben, was ertragsmindernd<br />
wirken kann. Zudem ergeben sich<br />
Ertragsnachteile infolge der systembedingten<br />
späten Maissaat.<br />
Mit einer Mulchschicht aus Gerste wird<br />
in Winterroggen gearbeitet. Der Boden<br />
ist dadurch stark bedeckt. Es muss kein<br />
Herbizid verwendet werden, weil die<br />
Mulchschicht die Konkurrenzpflanzen<br />
unterdrückt. Falls notwendig lässt sich<br />
mit einer Bandspritze nacharbeiten. Prof.<br />
Haberlah-Karr empfiehlt in den Anbau<br />
konkurrenzstarke Kulturpflanzen einzubeziehen,<br />
die einen hohen Bedeckungsgrad<br />
des Bodens haben. Im Durchschnitt aus<br />
dreijährigen Versuchen führte die höhere<br />
Bodenbedeckung zu 50 Prozent weniger<br />
Unkrautdruck zum Beispiel im Weizen.<br />
Das Soester Versuchsgut besitzt auch<br />
eine Stakete-Hacke mit Kamerasteuerung.<br />
Mit dieser Hacke wird beispielsweise im<br />
Raps, der in Einzelkornsaat gedrillt wird,<br />
gearbeitet oder in Zuckerrüben, Mais und<br />
Leguminosen. Nasse Bedingungen wie<br />
im Herbst 2023 bringen die Hacktechnik<br />
aber an ihre Grenzen. Im Rapsanbau<br />
testen die Soester Agrar-Wissenschaftler<br />
Begleitsaaten zur Schadinsektenabwehr.<br />
So sollen Begleitpflanzen wie Rüben oder<br />
Leindotter den Rapserdfloh abwehren.<br />
Mit dem Einmischen von früh blühendem<br />
Raps sollen Rapsglanzkäfer angelockt<br />
werden. Zudem wird ein Gemenge bestehend<br />
aus Weißklee, Öllein, Boxhornklee,<br />
Gartenkresse und Buchweizen gegen andere<br />
Schadinsekten getestet. Die Begleitsaaten<br />
böten auf jeden Fall Vorteile hinsichtlich<br />
der Bodenbedeckung. Belastbare<br />
Ergebnisse lagen leider noch nicht vor.<br />
Blühstreifen in Fahrgassen<br />
In einem neuen Projekt testet das Team<br />
von Prof. Haberlah-Korr Blühstreifen in<br />
Fahrgassen. „Fahrgassen sind nicht die<br />
Bereiche der höchsten Produktivität.<br />
Darum können wir dort gezielt etwas für<br />
Nützlinge machen“, hob die Dozentin<br />
hervor. Im weiteren Verlauf ihres Vortrages<br />
ging sie auch auf die Wirksamkeit von<br />
Komposttee ein, die im Rahmen einer<br />
Bachelorarbeit untersucht worden war.<br />
Der Versuch fand in 2020 als Feldversuch<br />
in Nordhessen in Wintergerste und<br />
Winterweizen unter pfluglosen Bedingun-<br />
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BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
AKTUELLES<br />
gen statt. Verwendet wurde Komposttee<br />
der Firma SGL. Ausgebracht wurden viermal<br />
80 Liter pro Hektar zwischen dem 9.<br />
April und dem 10. Juni im Entwicklungsstadium<br />
EC 24-60 des Getreides. Es<br />
wurden nicht nur Parzellen mit und ohne<br />
Komposttee verglichen. Für die dritte<br />
Variante wurde der Komposttee filtriert,<br />
sodass ein Sterilfiltrat entstand, in dem<br />
keine Effektiven Mikroorganismen (EM)<br />
mehr enthalten waren. Der Student hat<br />
den Deckungsgrad, die Grünfärbung, die<br />
Vitalität, die Pflanzenhöhe und Blattmasse<br />
bonitiert.<br />
Hinweis: Es handelt sich lediglich um<br />
einjährige Ergebnisse. In Wintergerste<br />
waren die Pflanzen mit Komposttee laut<br />
Prof. Haberlah-Korr grüner – egal, ob mit<br />
Sterilfiltrat oder ohne. Der Wuchs sei höher<br />
gewesen, aber die Deckungsgrade<br />
seien gleich gewesen. In Winterweizen<br />
habe sich die gleiche Tendenz gezeigt.<br />
In Wintergerste habe der Komposttee<br />
Zwergrost teilweise signifikant reduziert,<br />
auch den Befall von Rhynchosporium,<br />
Netzflecken und Mehltau. „Allerdings<br />
lässt sich nicht sagen, dass die EMs großen<br />
Einfluss auf die Reduktion gehabt<br />
haben. Es sind wohl eher die Spurenelemente,<br />
mit denen die Pflanzen gestärkt<br />
wurden.<br />
In Winterweizen reduziert Komposttee<br />
bei DTR und Septoria die Befallshäufigkeit,<br />
weniger jedoch die Befallsstärke“,<br />
berichtete Prof. Haberlah-Korr. In einer<br />
Projektarbeit in 2022 haben Studentinnen<br />
die Wirksamkeit von Komposttee in<br />
Wintergerste untersucht. Der Feldversuch<br />
fand in Essen auf einem Betrieb<br />
statt, auf dem schon seit 30 Jahren<br />
pfluglos gewirtschaftet wird.<br />
Der Komposttee wurde im Herbst in<br />
EC 11 und 23 mit 70 beziehungsweise<br />
50 Litern pro Hektar ausgebracht. Der<br />
Versuch umfasste Varianten mit und<br />
ohne Komposttee in vier Wiederholungen.<br />
Bonitiert wurden die Pflanzenhöhe,<br />
der Deckungsgrad, die Grünfärbung<br />
(Yara-N-Tester) sowie Blattlaus- und<br />
Mehltaubefall. Hinsichtlich Grünfärbung<br />
und Mehltaubefall habe es keine Unterschiede<br />
gegeben. Wohl aber seien mehr<br />
Blattläuse in den Komposttee-Varianten<br />
anzutreffen gewesen.<br />
Fazit Pflanzenschutz in der Regenerativen<br />
Landwirtschaft: „Der Methodenkoffer<br />
des integrierten Pflanzenschutzes<br />
kommt auch in der RLW zum Einsatz.<br />
Jedoch liegt der Fokus stärker auf vorbeugende<br />
Maßnahmen zur Gesunderhaltung<br />
des Systems. Die Wirksamkeit von<br />
Komposttee ist unsicher. Die Frage ist,<br />
ob die Pflanzen eher gesund und vitaler<br />
sind aufgrund der Düngewirkung. Der<br />
Baustein ‚Planting green‘ funktioniert mit<br />
der Rodale-Walze zur Unkrautunterdrückung.<br />
Je nach Systemansatz ist aber mit<br />
Ertragseinbußen zu rechnen.“<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
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POLITIK<br />
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
INTERVIEW<br />
„Biogas gewinnt als Winterbiogas<br />
einen ganz neuen, weitaus<br />
höheren Stellenwert für die<br />
heimische Versorgungssicherheit“<br />
Im Gespräch mit Dr. Thomas Griese, Vorstandsmitglied des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE)<br />
Nordrhein-Westfalen (NRW) e.V. über den mangelnden Zubau neuer Biogasanlagen in Verbindung mit<br />
schlechten rechtlichen Rahmenbedingungen.<br />
Interviewer: Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Zur Person:<br />
Dr. Thomas Griese, geboren 1956 im westfälischen<br />
Soest als Kind einer Landwirtfamilie,<br />
ist seit Mai 2021 stellvertretender<br />
Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare<br />
Energien NRW. Der promovierte<br />
Jurist war zuvor unter anderem in den<br />
Jahren 1995 bis 2005 als Staatssekretär<br />
im Ministerium für Umwelt, Raumordnung<br />
und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen sowie in den Jahren 2011 bis<br />
2020 im gleichen Amt für das Ministerium<br />
für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten<br />
in Rheinland-Pfalz tätig.<br />
Biogas Journal: Herr Dr. Griese, in Nordrhein-Westfalen<br />
sind etwa 1.140 Biogasanlagen<br />
in Betrieb, die verlässlich<br />
Strom, Wärme und sogar auch Kraftstoff<br />
produzieren. Wie groß ist das Biogaspotenzial<br />
in Ihrem Bundesland und warum<br />
wird es nicht gehoben?<br />
Dr. Thomas Griese: Wie groß das Biogaspotenzial<br />
in NRW ist, weiß derzeit niemand<br />
genau. Das Landesamt für Natur,<br />
Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV)<br />
hat zuletzt 2014 die Potenziale der Biomasse<br />
in einer Potenzialstudie ermittelt,<br />
sprich vor gut zehn Jahren. Nach einer<br />
Biogas-Anhörung im Landtag, die Anfang<br />
2023 stattgefunden hat, haben die beiden<br />
Regierungsfraktionen von CDU und<br />
Grünen einen Entschließungsantrag an<br />
die Landesregierung gestellt, die landesweiten<br />
Biogas-Potenziale zu untersuchen.<br />
Die Ergebnisse liegen noch nicht<br />
vor. Das ist aber kein Grund, die Hände<br />
in den Schoss zu legen.<br />
Auch wenn wir noch keine genauen Zahlen<br />
haben, wissen wir, dass es ein großes<br />
ungenutztes Potenzial gibt. Dafür nur<br />
zwei Belege: Das Deutsche Biomasseforschungszentrum<br />
(DBFZ) hat ermittelt,<br />
dass 46 Prozent der bisher erdgasbasierten<br />
flexiblen Stromerzeugung durch eine<br />
umfassende Flexibilisierung der vorhanden<br />
Biogasanlagen ersetzt werden kann.<br />
Und von dem bundesweit in den Haushalten<br />
anfallenden Bioabfall wird nur die<br />
Hälfte getrennt erfasst und wiederum<br />
nur die Hälfte davon wird in Biogasanlagen<br />
verwertet. Das bedeutet: Viel mehr<br />
Biogas ist möglich, ohne dass ein einziger<br />
zusätzlicher Hektar Mais angebaut<br />
werden müsste.<br />
Biogas Journal: Die schwarz-grüne Landesregierung<br />
hat sich aber in ihrem<br />
Koalitionsvertrag ganz klar zum Ausbau<br />
Erneuerbarer Energien bekannt. Welche<br />
Gründe gibt es noch, weshalb in Düsseldorf<br />
nicht eine verstärkte Biogasnutzung<br />
auf der Agenda steht?<br />
Dr. Griese: Fakt ist, dass sich die NRW-<br />
Landesregierung schwerpunktmäßig um<br />
die Wind- und Solarenergie kümmert.<br />
Durchaus mit beachtlichem Erfolg. Der<br />
Ausbau der Windenergie ist zwar noch<br />
ein gutes Stück von den Zahlen entfernt,<br />
die sich Schwarz-Grün selbst zum Ziel<br />
gesetzt haben, aber nach den Jahren der<br />
politisch gewollten Flaute steigen die<br />
Zahlen der Genehmigungen und der installierten<br />
Anlagen. Bei der Solarenergie<br />
hat es im vergangenen Jahr mehr als eine<br />
Verdoppelung bei den Neuinstallationen<br />
gegeben. Deshalb, so unsere Hoffnung,<br />
gibt es nun Luft, auch endlich den Ausbau<br />
der Biogasnutzung in den Fokus zu<br />
nehmen. Die Wärmewende in NRW ist<br />
ohne eine stabile Basis bei der Biogasnutzung<br />
nicht möglich. Der Biogasbranche<br />
bei uns im Land wäre sehr mit einem<br />
Abbau von bürokratischen Hürden sowie<br />
mit einem gezielten Förderprogramm für<br />
eine forcierte Flexibilisierung und den<br />
Umbau zu Biomethanlagen geholfen.<br />
Biogas Journal: Wird die Umsetzung der<br />
kommunalen Wärmeplanung die Errich-<br />
48
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
POLITIK<br />
tung neuer Biogasanlagen in NRW initiieren?<br />
Dr. Griese: Erfreulich ist, dass eine Reihe<br />
von Kommunen die Erweiterung von<br />
Bioabfallvergärungsanlagen oder auch<br />
Neuanlagen plant. Viel bedeutsamer ist<br />
es, dass der Anlagenbestand – wenn es<br />
irgendwie technisch möglich ist – so umgerüstet<br />
und ertüchtigt wird, dass die<br />
Biogasanlagen vor Ort flexibilisiert und<br />
fokussiert auf die Winterzeit zur Wärmeversorgung<br />
eingesetzt werden. Dafür gibt<br />
es landesweit einige Vorzeigeprojekte,<br />
aber viel zu wenige. Damit die Wärmewende<br />
endlich Fahrt aufnimmt, ist es<br />
unseres Erachtens einfach und schneller,<br />
die bestehenden Biogasanlagen umzurüsten,<br />
als auf den Neubau zu setzen.<br />
Biogas Journal: Sie setzen sich für einen<br />
sogenannten Winterbiogas-Bonus ein.<br />
Was meinen Sie damit und wie soll ein<br />
solcher Bonus ausgestaltet sein?<br />
Dr. Griese: Grünen Strom gibt es während<br />
der Sommermonate im Überfluss,<br />
vor allem in den kommenden Jahren<br />
durch die Umsetzung der zukunftsweisenden<br />
Ausbaupläne der Bundesregierung<br />
für die Wind- und Solarenergie.<br />
Ein schwerpunktmäßiger Einsatz von<br />
Biogasanlagen macht deshalb vor allem<br />
im Winter gleich doppelten Sinn, dann<br />
ist auch der Wärmebedarf am höchsten.<br />
Biogas gewinnt als Winterbiogas einen<br />
ganz neuen, weitaus höheren Stellenwert<br />
für die heimische Versorgungssicherheit.<br />
Für den schwerpunktmäßigen Einsatz<br />
von Bioenergie während der Wintermonate<br />
sprechen gleich mehrere Fakten:<br />
fDer Wärmebedarf besteht vor allem<br />
in den Wintermonaten.<br />
fDie Einsatzstoffe für die Bioenergie<br />
bilden die einzige erneuerbare Energie,<br />
die saisonal, also über Monate<br />
hinweg und kostengünstig gespeichert<br />
werden kann.<br />
fEs kann bedarfsgerecht und flexibel<br />
die notwenige Menge Strom und<br />
Wärme bereitgestellt werden.<br />
fBiogas kann vielseitig eingesetzt<br />
werden. Entweder durch die Vor-Ort-<br />
Verstromung mit Wärmebereitstellung<br />
oder aufgereinigt zu Biomethan als<br />
Erdgassubstitut.<br />
fAuch der Strombedarf ist in den Wintermonaten<br />
tendenziell höher, zudem<br />
liefert insbesondere die Photovoltaik<br />
in den Wintermonaten angesichts<br />
der geringeren Sonnenscheindauer<br />
weniger Strom.<br />
Damit die Betreiber einen finanziellen<br />
Anreiz bekommen, ihre Anlagen auf Winterbiogas<br />
umzustellen, sollte es nach<br />
unseren Vorstellungen einen Bonus von<br />
2 Cent pro Kilowattstunde geben. Über<br />
die Ausgestaltung und die Höhe dieses<br />
Bonus können wir noch diskutieren, viel<br />
wichtiger ist aber, dass Biogas endlich<br />
neu gedacht wird. Winterbiogas eröffnet<br />
auf jeden Fall neue Perspektiven für alle<br />
bestehenden Biogasanlagen.<br />
Biogas Journal: Die Bundesregierung<br />
wird die sogenannte Kraftwerksstrategie<br />
präsentieren. Sie wird unter anderem<br />
festlegen, mit welchen Kraftwerken ab<br />
2030 die Residuallast in Deutschland<br />
gedeckt werden soll. Welche Rolle müssen<br />
Ihrer Ansicht nach Biogasanlagen<br />
zwingend in einer solchen Strategie spielen?<br />
Sind Biogasanlagen nicht viel besser<br />
geeignet, Stromlücken zu füllen als<br />
viele neue große Gaskraftwerke?<br />
Dr. Griese: Wer glaubt, bei der Kraftwerksstrategie<br />
die Biogasanlagen außen<br />
vor zu lassen, liegt falsch. Wenn<br />
endlich die konsequente Verwertung<br />
von biogenen Reststoffen, insbesondere<br />
landwirtschaftlichen und kommunalen<br />
Reststoffen wie Stroh, Mist, Aufwuchs<br />
von Naturschutz- und Blühflächen sowie<br />
der Inhalt der braunen beziehungsweise<br />
Biotonne, in Gang käme, könnte die<br />
Biogaserzeugung hierzulande sogar noch<br />
deutlich wachsen.<br />
Aber schon die Flexibilisierung des vorhandenen<br />
Biogasanlagenparks kann dezentral<br />
schon bis 2030 eine jederzeit gesicherte<br />
Leistung (Residualleistung) von<br />
12 Gigawatt bereitstellen, also rund 40<br />
Prozent des Gesamtbedarfs an gesicherter<br />
Leistung von 28 Gigawatt (der zurzeit<br />
überwiegend noch durch Kohlekraftwerke<br />
gesichert wird). Und das alles, ohne<br />
die Anbaufläche für nachwachsende<br />
Rohstoffe und die Anzahl der Biogasanlagen<br />
auszubauen.<br />
Es braucht keinen milliardenschweren<br />
Neubau von 50 großen Gaskraftwerken in<br />
den nächsten Jahren. Diese Neubaupläne<br />
wären mehrfach teurer und der Zeitplan<br />
dafür ist ohnehin nicht zu halten.<br />
Das Bundeswirtschaftsministerium<br />
49
POLITIK<br />
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
sollte endlich auf die Karte Flexibilisierung<br />
der vorhandenen Biogasanlagen<br />
setzen und die genannten 12 Gigawatt<br />
gesicherte Leistung aus Biogasanlagen<br />
in der Kraftwerksstrategie verankern.<br />
Biogas Journal: Der LEE NRW fordert<br />
seit Monaten einen Biogasgipfel in NRW<br />
beziehungsweise auf Bundesebene. Warum<br />
ist ein solcher Gipfel notwendig?<br />
Dr. Griese: Es hat in den zurückliegenden<br />
Monaten bereits solche erfolgreichen<br />
Gipfeltreffen für die Wind- und<br />
Solarenergie gegeben. Das muss auch<br />
für die Bioenergie passieren. Die Bioenergie<br />
ist für die Energiewende und die<br />
dafür notwendige Versorgungssicherheit<br />
unverzichtbar. Warum setzt die Bundesregierung<br />
auf teure LNG-Importe für die<br />
Versorgungssicherheit in den Wintermonaten,<br />
statt in einem ersten Schritt die<br />
vorhandenen Biogas-Potenziale zu nutzen<br />
und auszubauen?<br />
Genau solche Fakten gehören in großer<br />
Runde auf den Tisch und ebenso die<br />
Maßnahmen, die notwendig sind, um die<br />
ungenutzten Potenziale endlich zur Versorgungssicherheit<br />
einzusetzen. Das ist<br />
auch die Voraussetzung für ein breites<br />
mediales Echo. Biogas macht nach wie<br />
vor den Fehler, sich immer kleinreden zu<br />
lassen.<br />
Biogas Journal: Hans-Josef Fell, Urheber<br />
des ersten EEG, fordert die Abkehr<br />
vom Ausschreibungssystem hin zum alten<br />
Vergütungssystem in modernisierter<br />
Form. Halten Sie das für realistisch oder<br />
sogar auch für notwendig?<br />
Dr. Griese: Es gibt weder in Berlin noch<br />
vor allem in Brüssel derzeit Mehrheiten,<br />
die eine Rückkehr zum alten Fördersystem<br />
der fixen Einspeisevergütungen ermöglichen<br />
könnten. Deshalb ist es viel,<br />
viel wichtiger, dass sich Verbände und<br />
Betreiber für Ausschreibungen mit wirklichen<br />
ausreichenden Volumina und wirtschaftlichen<br />
Gebotshöchstwerten stark<br />
machen. Das ist für mich das Gebot der<br />
Stunde.<br />
Biogas Journal: Für die Biomethan-Südausschreibung<br />
im vergangenen Jahr ist<br />
kein einziges Gebot eingegangen. Die<br />
regulären Biogasausschreibungen waren<br />
stark überzeichnet. Viele Gebote haben<br />
keine Bezuschlagung erhalten. Was läuft<br />
hier grundsätzlich falsch und was muss<br />
geändert werden?<br />
Dr. Griese: Die Differenzierung zwischen<br />
Nord- und Südausschreibung hat sich<br />
überhaupt nicht bewährt und sollte<br />
schnellstens abgeschafft werden. Sinn<br />
macht eine bundesweite Ausschreibung<br />
für den gesamten Biogassektor. Wie<br />
schon gesagt: Mit ausreichenden Volumina<br />
und auskömmlichen Gebotshöchstwerten.<br />
Wenn die Politik weiterhin auf<br />
regional differenzierte Ausschreibungen<br />
besteht, dann sollte es Auktionen geben,<br />
die Biogasanlagen mit flexibler Fahrweise<br />
fördern. Das macht volkswirtschaftlich<br />
und klimapolitisch Sinn!<br />
Biogas Journal: Herr Dr. Griese, vielen<br />
Dank für das Gespräch!<br />
Interviewer<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
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www.biogas.org<br />
INTERVIEW<br />
„Es ist Zeit, um große<br />
Linien zu fordern“<br />
Der Konstrukteur des ursprünglichen Erneuerbare-<br />
Energien-Gesetzes Hans-Josef Fell fordert, zur<br />
alten Einspeisevergütung zurückzukehren. Die<br />
Kosten der Förderung seien über die Stromkosten<br />
umzulegen, um die Entwicklung unabhängig vom<br />
Bundeshaushalt zu machen.<br />
Auf dem Wirtschaftsgipfel Biogas in Trier, zu dem der Fachverband<br />
Biogas e.V. zusammen mit dem Landesverband Erneuerbare Energie<br />
(LEE) Rheinland-Pfalz/Saarland eingeladen hatte, forderte der ehemalige<br />
Bundestagsabgeordnete der Grünen und „Vater des EEG“ Hans-Josef<br />
Fell das bestehende Ausschreibungssystem abzuschaffen und durch<br />
das alte EEG-Vergütungsgesetz zu ersetzen. Zudem brauche man die<br />
Bioenergien als Ausgleichsenergien (Biogas Journal 1_<strong>2024</strong>, Seite 18<br />
bis 21). Das BIOGAS Journal fragte Fell, Präsident der Energy Watch<br />
Group, wie er sich dies im Detail vorstellt.<br />
Von Interviewer: Dr. Martin Frey<br />
FOTO: DR. MARTIN FREY<br />
50
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
POLITIK<br />
Biogas Journal: Herr Fell, gesetzt den Fall, es gelänge<br />
zum ursprünglichen System zurückzukehren,<br />
würde dies auch der Biogasbranche wieder Aufwind<br />
verschaffen?<br />
Hans-Josef Fell: Ja natürlich, die Ausschreibungen<br />
sind das Instrument, das die bürgerlichen Investitionen<br />
aussperrt. Weil die Hürden, einen Zuschlag<br />
zu bekommen, so exorbitant hoch sind. Es sind die<br />
Bürokratie, die hohen Planungsaufwendungen und<br />
vieles mehr, so dass viele Akteure verzagt aufgeben.<br />
Wir sehen es ja bei den Ausschreibungen für die<br />
Biogas-Altanlagen: Zuschläge gibt es kaum, weil fast<br />
keine Bewerbungen da sind.<br />
Biogas Journal: Könnte man dies allein bundesweit<br />
regeln oder bräuchte man dazu die EU?<br />
Fell: Natürlich ist es immer gut, auf europäischer<br />
Ebene für Mehrheiten zu sorgen. Aber man kann es<br />
auch auf nationaler Ebene schaffen. Profitieren würden<br />
alle neuen und auch die repowerten Altanlagen,<br />
wenn man sie in ein neues EEG überführt, das nur<br />
stromfinanziert ist, so wie wir es damals eingeführt<br />
haben.<br />
Biogas Journal: Hier liegt also der Schlüssel zum<br />
Erfolg?<br />
Fell: Die Umlage auf den Strompreis haben wir damals<br />
bewusst gemacht, denn Finanzminister blockieren<br />
meist, wenn sie steigende Steuerausgaben<br />
fürchten. Deswegen wollten wir die EEG-Finanzierung<br />
nie im Steuerhaushalt haben. Wenn wir neue<br />
und repowerte Anlagen wieder über den Strompreis<br />
finanzieren, dann wäre dies auch keine Beihilfe<br />
mehr und der Einfluss der EU-Kommission wäre<br />
gering. Wenn ein Bundeskanzler endlich stärker in<br />
Brüssel auftritt und sagt, wir wollen kein Erdöl und<br />
Erdgas, sondern heimische Energiequellen und solche<br />
zentralen Rahmenbedingungen einfordert, dann<br />
könnte er offene Ohren finden.<br />
Biogas Journal: Das heißt, da muss nur der politische<br />
Wille da sein?<br />
Fell: Der politische Wille muss da sein, aber er muss<br />
auch induziert werden von den gesellschaftlichen<br />
Akteuren. Und da sehe ich auch keine Kraft bei den<br />
Erneuerbare-Energien-Verbände. Sie fordern eben<br />
nicht die Abschaffung der hemmenden Ausschreibungen<br />
und der Steuerfinanzierung, obwohl genau<br />
das die einst erfolgreichen Bürgerenergien massiv<br />
ausbremst.<br />
Es gilt, große Linien zu fordern: Abschaffung der<br />
Ausschreibungen, zurück zu einer modernen Einspeisevergütung.<br />
Sie kann und muss modernisiert<br />
werden in Richtung einer Kombikraftwerksvergütung.<br />
Biogas Journal: Was meinen Sie damit im Detail?<br />
Fell: Damit meine ich eine Einspeisevergütung, die<br />
man denen gibt, die systemdienlich einspeisen. Und<br />
das können die Investoren nur, wenn sie einen Mix<br />
aus Erneuerbaren Erzeugern und Speichern haben.<br />
Gerade flexibel geführte Biogasanlagen können helfen,<br />
die Schwankungen von Sonne und Wind auszugleichen.<br />
Es gibt keine bessere Stimulanz für den<br />
weiteren kraftvollen Ausbau.<br />
Biogas Journal: Was sind die wichtigsten Änderungen,<br />
die gegenüber dem ursprünglichen EEG vorgenommen<br />
werden müssten?<br />
Fell: Der große Erfolg des EEG 2000 begründete<br />
sich unter anderem in der gesetzlich festgelegten<br />
Einspeisevergütung und einer EEG-Umlage, die nur<br />
aus dem Strompreis finanziert wurde - nicht aus<br />
Steuergeld und Strombörsenerlösen. Die fossil-atomaren<br />
Stromkonzerne haben genau gegen diese erfolgreichen<br />
zwei Elemente lobbyiert und es durchgesetzt,<br />
zum Schaden des einst erfolgreichen Ausbaus<br />
der Bürgerenergien.<br />
Biogas Journal: Welche Voraussetzungen müssten<br />
geschaffen werden, um dafür im Bundestag eine<br />
Mehrheit zu finden?<br />
Fell: Jetzt wäre es Aufgabe des BEE und anderer<br />
Verbände einzufordern, zu diesen erfolgreichen Elementen<br />
zurückzukehren. Auch Klimaschutzorganisationen<br />
sollten sich endlich mit diesen fundamentalen<br />
Grundlagen beschäftigen, denn 100 Prozent<br />
Erneuerbare Energien bis 2030 ist der Kern eines<br />
erfolgreichen Klimaschutzes.<br />
Biogas Journal: Wie schätzen Sie die Chancen ein, in<br />
absehbarer Zeit eine solch grundlegende Gesetzesänderung<br />
hinzubekommen?<br />
Fell: Wenn Verbände, Unternehmen, Politiker solche<br />
großen notwendigen Gesetzesänderungen einfordern,<br />
dann können die unter Kanzlerin Merkel geschaffen<br />
Ausbaubremsen wieder beseitigt werden.<br />
Es braucht dafür wieder den Mut und die Kraft der<br />
Gesellschaft, so wie wir es unter Rot-Grün im Jahre<br />
2000 mit dem EEG erfolgreich gegen den Widerstand<br />
der Kohle- und Atomlobby taten.<br />
Biogas Journal: Herr Fell, vielen Dank für das Gespräch!<br />
Autor<br />
Dr. Martin Frey<br />
Fachjournalist<br />
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51
TITELTHEMA<br />
Speicherkraftwerke<br />
Flexibles Biomethan-KWK-<br />
Spitzenlastkraftwerk lässt<br />
Bio-Lebensmittel wachsen<br />
Nicht nur Biogasanlagen können bedarfsgerecht Strom und Wärme produzieren. Auch<br />
sogenannte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK), die mit Biomethan aus dem Erdgasnetz<br />
betrieben werden, sind dazu sehr gut in der Lage. Ein Leuchtturmprojekt lässt<br />
aufhorchen, in dem die Energieerzeugung und die Nahrungsmittelproduktion ganz<br />
und gar nicht im Widerspruch zueinander stehen.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
FOTOS: MARTIN EGBERT<br />
62
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
Regenwasservorratstanks und Wasserpumpen in einem der<br />
Gewächshäuser.<br />
Familie Querdel betreibt in Sassenberg-<br />
Füchtorf im Kreis Warendorf im nördlichen<br />
Nordrhein-Westfalen einen besonderen<br />
landwirtschaftlichen Betrieb. Er wird nach<br />
ökologischen Kriterien der zwei Verbände<br />
Bioland und Naturland bewirtschaftet, verfügt über<br />
eine sogenannte Bio-Biogasanlage, über Gewächshäuser<br />
und eine Biomethanspitzenlast-KWK-Anlage<br />
als neuestem Betriebszweig.<br />
Der Biohof hat sich in den vergangenen gut 20 Jahren<br />
kontinuierlich weiterentwickelt. „Im Dezember<br />
2005 haben mein Bruder Bernd und ich die Biogasanlage<br />
mit 250 Kilowatt (kW) installierter elektrischer<br />
Leistung in Betrieb genommen. Den größten<br />
Teil der anfallenden Wärme haben wir damals<br />
zum Beheizen der Putenställe und insbesondere der<br />
Monteure beim Einsetzen von Katalysatorwaben am BHKW.<br />
Aufzucht der Eintagsküken verwendet“, erklärt Andreas<br />
Querdel.<br />
Heute produzieren ein MAN-Blockheizkraftwerk<br />
(BHKW) mit 210 kW und zwei Schnell-Gas-BHKW<br />
mit je 250 kW installierter elektrischer Leistung – in<br />
Summe also 710 kW – Strom und Wärme. Biologisch<br />
wirtschaftet der Betrieb seit 2005, anfangs<br />
nach EU-Vorgaben. Seit 2016 ist der Betrieb Mitglied<br />
des Bioland-Anbauverbands. Mittlerweile ist<br />
der Betrieb Querdel auch von Naturland zertifiziert.<br />
Gewächshäuser erhöhen Wärmenutzung<br />
2013 wurde die Tierhaltung aufgegeben. Ein Putenstall<br />
wurde zu einer Maschinenhalle umgewidmet,<br />
ein Stall wurde für Mitarbeiterwohnungen umgebaut<br />
und der dritte Stall wird für die Sortierung und<br />
02161 918240<br />
63
PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
Andreas Querdel<br />
neben einem von drei<br />
neuen innio Jenbacher<br />
BHKW, die als hochflexible<br />
Spitzenlastkraftwerke<br />
betrieben<br />
werden.<br />
Verpackung des Gemüses genutzt. „Seit 2015 nutzen<br />
wir die Abwärme der BHKW zu 100 Prozent,<br />
insbesondere aufgrund des Baus von Gewächshäusern.<br />
2015 haben wir das erste Glashaus mit 2,5<br />
Hektar Fläche errichtet. Ein Jahr später wurde das<br />
Gewächshaus um weitere 2,5 Hektar erweitert und<br />
2022 haben wir weitere 4 Hektar Gewächshausfläche<br />
hinzugebaut“, informiert Querdel.<br />
In den Gewächshäusern baut er Tomaten, Gurken<br />
und Paprika an. Im Freiland produziert er unter anderem<br />
Spargel, Erdbeeren und Süßkartoffeln – alles<br />
ist Bioware. Die Gewächshäuser haben einen Wärmebedarf<br />
von 25 Gigawattstunden [= 25 Millionen<br />
Kilowattstunden (kWh)]. Die Biogasanlage wird mit<br />
gut 40 Prozent Mist aus Rinder- und Schweinehaltung<br />
von anderen Höfen gefüttert. 20 Prozent der<br />
Inputstoffe dürfen auch aus konventionellen Höfen<br />
kommen.<br />
Darüber hinaus werden Silomais, Kleegras, Wickroggen<br />
und Durchwachsene Silphie vergoren. Der<br />
Mist wird laut Querdel vor dem Vergären mit einem<br />
Biomasseschredder zerkleinert. Der liegende Fermenter<br />
mit 700 Kubikmetern (m³) Gärvolumen besitzt<br />
eine Gashaube mit 530 m³ Gasvolumen und<br />
ein auf ganzer Länge horizontal eingebautes Paddelrührwerk.<br />
Der Nachgärer hat ein Gärvolumen von<br />
1.300 m³, das alte Gärproduktlager (GPL) hat ein<br />
Volumen von 2.000 m³, das neue GPL kann 4.000<br />
m³ Gärdünger aufnehmen. Im Nachgärer durchmischen<br />
zwei Tauchmotorrührwerke das Substrat. Im<br />
Gärproduktlager sind davon drei Rührwerke verbaut.<br />
Die Biogasanlage wird als Trockenfermentation ohne<br />
Zugabe von flüssigem Wirtschaftsdünger betrieben.<br />
Der Trockensubstanzgehalt im Fermenter beträgt 14<br />
bis 15 Prozent, im Nachgärer 12,5 Prozent und im<br />
GPL 11 Prozent. Wenn das Gärsubstrat den Fermenter<br />
in Richtung Nachgärer verlässt, wird es mit<br />
Rauchgaskondensation und Abgaswärmerückgewinnung an<br />
der Holzhackschnitzelheizung.<br />
Die Holzhackschnitzelheizung mit zwei Kesseln von der Firma<br />
Kohlbach hat eine thermische Leistung von vier Megawatt.<br />
64
PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
9 ha unter Glas, in einem<br />
der Gewächshäuser<br />
werden Tomatenpflanzen<br />
angebunden.<br />
Ein Monteur bei<br />
Installationsarbeiten<br />
am neuen Biomethanspeicher.<br />
einem sogenannten Rotacut der Firma Vogelsang<br />
weiter aufgeschlossen, um den Abbau der Organik<br />
und die Viskosität des Gärsubstrats im Nachgärer zu<br />
verbessern. Mit einer Schnecken-Verdrängerpumpe<br />
von Wangen wird das Substrat umgepumpt. Die Gärtemperatur<br />
beträgt 40 Grad Celsius. 200 Tage verweilt<br />
das Gärsubstrat im gasdichten Raum.<br />
Separierte Feststoffe liefern Nährstoffe für<br />
die Gewächshäuser<br />
Ein Teil des Gärsubstrats, das den Nachgärer in<br />
Richtung GPL verlässt, durchläuft einen Press-<br />
Schneckenseparator von FAN. So wird ein erheblicher<br />
Teil der nicht abgebauten Feststoffe mit 25<br />
Prozent Trockensubstanzgehalt abgeschieden. Mit<br />
dem Feststoff wird unter anderem der Boden in<br />
den Gewächshäusern gedüngt. Gedüngt wird nach<br />
den Ergebnissen beziehungsweise den Bedarfen,<br />
die sich aus der Bodenanalyse ergeben. In den Gewächshäusern<br />
werden 40 bis 50 Tonnen des Feststoffs<br />
pro Jahr ausgebracht.<br />
Den Wärmebedarf in den Gewächshäusern deckt<br />
die Biogasanlage aber nicht alleine. Eine Holzhackschnitzelheizung<br />
mit zwei Kesseln liefert weitere<br />
Wärme. Deren thermische Leistung bringt es<br />
zusammen auf vier Megawatt. Dabei wird über die<br />
Rauchgaskondensation allein schon ein Megawatt<br />
Wärmeleistung gewonnen.<br />
Im Zuge der Planungen um die Erweiterung der<br />
Gewächshausfläche begannen Querdels auch Überlegungen<br />
hinsichtlich einer weiteren Wärmequelle<br />
anzustellen. So wurde im Juni 2021 für die Planungen<br />
die energethik Ingenieurgesellschaft mbH aus<br />
Osnabrück hinzugezogen. Dabei wurde die Idee zum<br />
Bau eines Biomethan-Speicherkraftwerks entwickelt.<br />
Noch Ende 2021 nahmen die Brüder Querdel<br />
an der ersten EEG-Ausschreibung für hochflexible<br />
Biomethananlagen bei der Bundesnetzagentur teil<br />
und bekamen auch einen Zuschlag.<br />
66
PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
Hofstelle Querdel mit<br />
der Biogasanlage,<br />
dem Kesselhaus mit<br />
der Hackschnitzelheizung,<br />
den alten<br />
Putenställen, den<br />
Gewächshäusern<br />
und dem neuen<br />
Biomethan-Spitzenlastkraftwerk<br />
im<br />
Hintergrund.<br />
Hochflexible Biomethan-Spitzenlast-BHKW<br />
liefern Wärme für die Gewächshäuser<br />
Das Biomethan-Spitzenlastkraftwerk besteht aus<br />
drei BHKW mit jeweils 3.352 Kilowatt elektrischer<br />
Leistung. Es darf pro Jahr während 2.000-Viertelstunden<br />
mit voller Leistung betrieben werden. Die<br />
Wärme puffert ein neuer 4.000 Kubikmeter fassender<br />
Behälter. Jedes BHKW steht für sich in einem<br />
separaten, betonierten Kleingebäude.<br />
Beim neuen Pufferspeicher handelt es sich um einen<br />
Stahltank, der vor Ort aus einzelnen Segmenten<br />
zusammengeschweißt worden ist. Er ist von außen<br />
mit einer 30 Zentimeter dicken Schicht aus Mineralwolle<br />
gedämmt und mit Trapezblechen gegen<br />
Witterungseinflüsse verkleidet. Das Dach wurde aus<br />
Stahlblechen gefertigt, das ebenfalls isoliert ist. Im<br />
Inneren dichtet eine Stickstoffblase das Dach ab.<br />
„Den Pufferspeicher haben wir mit Regenwasser aus<br />
unserem Speicherbecken befüllt. Es hat zuvor eine<br />
Endmineralisationsanlage durchlaufen“. erklärt, Andreas<br />
Querdel.<br />
Die Wärme der Holzhackschnitzelkessel und der<br />
Biogasanlage wird in einen bestehenden 1.500 Kubikmeter<br />
fassenden Pufferspeicher eingespeist. Der<br />
Bedarf an Holzhackschnitzeln soll künftig um 40<br />
Prozent reduziert werden. „Für <strong>2024</strong> haben wir 19<br />
Gigawattstunden Biomethan als Grundmenge eingekauft.<br />
Das Biomethan liefern zwei Anlagen virtuell.<br />
Eine Einspeiseanlage befindet sich in Nord-, die andere<br />
in Süddeutschland. Die Gaslieferanten müssen<br />
die gesetzlich vorgegebenen Nachhaltigkeitskriterien<br />
erfüllen. Den hochflexibel eingespeisten Strom<br />
aus dem Biomethan-Speicherkraftwerk vermarktet<br />
das Unternehmen Trianel für uns. Der Strom aus der<br />
Biogasanlage wird von EWE vermarktet“, lässt Andreas<br />
Querdel einblicken.<br />
Stromvermarktung am Intraday-Handel<br />
„Das Speicherkraftwerk wird dann betrieben, wenn<br />
der Börsenstrompreis am sogenannten Intradaymarkt<br />
am höchsten ist. Die Stromvermarktung geschieht<br />
über unser virtuelles Kraftwerk in Aachen.<br />
Neben dem Strompreis ist für uns wichtig zu wissen,<br />
wie voll der Gasspeicher und wie viel Wärme im Pufferspeicher<br />
vorhanden ist. Es ist festgelegt, wie voll<br />
der Pufferspeicher beladen sein muss. Wir fahren<br />
die Anlage in enger Abstimmung mit den Brüdern<br />
Querdel“, erklärt Wolfgang Buchwitz, Senior Sales<br />
Manager bei der Trianel GmbH.<br />
Trianel bekommt zum Beispiel Infos darüber, ob<br />
die Wärmespeicher leer sind oder nicht und wie der<br />
jeweilige Wärmebedarf ist. Es werden Betriebsparameter<br />
festgelegt, die im virtuellen Kraftwerk in<br />
Aachen berücksichtigt werden. „Wenn die Speicher<br />
leer sind, wird festgelegt, ab welchem Strompreis<br />
die BHKW betrieben werden sollen. Die nach<br />
EEG-Zuschlag erforderlichen 2.000 Viertelstunden<br />
(=500 Stunden pro Jahr) werden wir mindestens<br />
einhalten. Das SKW darf jährlich bis zu 1.300 Stunden<br />
Strom produzieren“, führt Buchwitz weiter aus.<br />
Wichtig sei, dass genug Biomethan vorhanden ist.<br />
Die Erlöse würden nach einer Quote zwischen Trianel<br />
und Querdel aufgeteilt. Wenn sich die BHKW<br />
in Ruhestellung befinden, dann müssen sie innerhalb<br />
von 5 Minuten unter Volllast Strom produzieren.<br />
Laut Buchwitz werden die Motoren dafür immer<br />
68
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
Biomethan-Spitzenlastkraftwerk<br />
bestehend aus drei Blockheizkraftwerken<br />
mit insgesamt<br />
10.056 kWel Leistung, einem<br />
Biomethanspeicher als Halbkugel<br />
ausgeführt und einem Warmwasserpufferspeicher.<br />
betriebswarm gehalten. Auch die Ansaugluft werde<br />
vorgewärmt.<br />
Damit den drei Spitzenlast-BHKW immer genügend<br />
Biomethan zur Verfügung steht, wurde ein externer<br />
Gasspeicher in Halbkugelform auf einer Betonplatte<br />
errichtet. Der Gasspeicher hat ein Fassungsvermögen<br />
von 10.000 Kubikmetern. Der Speicher ist über<br />
eine 1.700 Meter lange Leitung mit einer Erdgasleitung<br />
verbunden, aus der das Biomethan virtuell<br />
entnommen wird.<br />
Das Beispiel zeigt exemplarisch, dass es keiner großen<br />
Gaskraftwerke, die irgendwann einmal Wasserstoff-ready<br />
sind, bedarf. Landwirtschaftliches Unternehmertum<br />
beweist, dass sogar der Ökolandbau<br />
in erheblichem Maße die Energiewende mit vorantreiben<br />
kann.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
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martin.bensmann@biogas.org<br />
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69
INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
Cachao<br />
Portugals erstes<br />
Biomethandorf<br />
Die Bauarbeiten<br />
für die Versorgung<br />
mit Biomethan in<br />
Cachao laufen.<br />
Biogas ist in Portugal bisher eine Rarität, die fast ausschließlich bei Mülldeponien und<br />
Kläranlagen zu finden ist. Doch das soll sich ändern. Die Regierung hat Mitte Januar einen<br />
Aktionsplan für Biomethan vorgestellt, mit dem das Land seine Potenziale erschließen will.<br />
Das Ziel: bis 2040 knapp 20 Prozent des Erdgasimportes zu ersetzen.<br />
Von Dipl.-Pol. Oliver Ristau<br />
Nebel liegt über dem Douro und seinen<br />
Nebenflüssen im Norden Portugals. Er<br />
hüllt die Täler an diesem Tag in milchiges<br />
Licht – ebenso wie die Dörfer. Eines<br />
ist Cachao, ein Ort in der Provinz Braganca,<br />
12 Kilometer von der Kreisstadt Mirandela<br />
entfernt: eine Durchgangsstraße, von der ein paar<br />
Gassen abzweigen, eine Cafeteria mit Mittagstisch<br />
und ein Industriegebiet, das bessere Tage gesehen<br />
hat. Viele ehemalige Fabrikgebäude sind verfallen,<br />
von einem früheren Restaurant ist die Werbeaufschrift<br />
abgeblättert. Unten schlängeln sich die<br />
dunklen Wasser des Tua, Namensgeber des nahen<br />
Naturparks.<br />
Nichts deutet darauf hin, dass sich in dem verschlafenen<br />
Örtchen ein innovatives Energieprojekt<br />
verbergen könnte. Doch die wenigen Einwohner, die<br />
auf der Straße unterwegs sind, wissen Bescheid.<br />
„Biomethan? Ja, gibt es in dem neuen Viertel“, sagt<br />
eine Frau, die durch das Industriegebiet schlendert.<br />
„Einfach hochfahren“, empfiehlt sie. Das Viertel<br />
heißt Vila Nordeste und windet sich einen Hügel<br />
hinauf. Es besteht vor allem aus schmalen Einfamilienhäusern<br />
mit kleinen Veranden. Ein Mann, der<br />
vor seinem Haus mit den Hunden spielt, kann genauer<br />
beschreiben, wo die Bauarbeiten stattfinden.<br />
Er weiß auch, dass die Arbeiter gerade Pause machen.<br />
Schließlich sei es Mittag und da seien alle im<br />
Restaurant.<br />
Tatsächlich sind der Bagger und der Lieferwagen in<br />
der Straße, von der der Nachbar spricht, verlassen.<br />
Der Bagger hat am Rand des Pflasters einen Graben<br />
ausgehoben – anderthalb Meter tief und kaum einen<br />
Meter breit. Ein aufgerollter Schlauch liegt bereit,<br />
der künftig Biomethan zu den Häusern bringen soll.<br />
Biomethan für die Küche<br />
So wie zu Manuel Coreia, der eine Straße weiter<br />
hügelaufwärts wohnt und darauf wartet. Seit zwei<br />
Jahren lebt der Endsechziger wieder in seinem Hei-<br />
FOTOS: OLIVER RISTAU<br />
100
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
Noch ist das neue Zuleitungsrohr versiegelt. Der<br />
Anschluss an das lokale Verteilnetz soll dieses Jahr<br />
noch kommen, schätzt er. In anderen Straßen ströme<br />
das Biomethan bereits in die Häuser. Es sei vorgesehen,<br />
das gesamte Viertel damit zu versorgen.<br />
„Für die Küchen“, wie Coreia sagt. Bisher kochen<br />
seine Frau und er mit Erdgas und elektrisch.<br />
Cachao, Vila Nordeste,<br />
erhält als erste<br />
Gemeinde Portugals<br />
Biomethan.<br />
Manuel Coreia zeigt<br />
den Anschlusskasten<br />
für Biomethan.<br />
Er wartet darauf, an<br />
das Biomethannetz<br />
angeschlossen zu<br />
werden.<br />
matdorf. Mehr als 30 Jahre hatte er in Deutschland<br />
verbracht, in Münster und in Pinneberg. Jetzt kümmert<br />
er sich um den Olivenanbau, wie er erzählt.<br />
„Ich habe 4.000 Bäume“, sagt er stolz. Eine örtliche<br />
Kooperative produziert daraus Öl. Der rüstige<br />
Mann zeigt den Anschlusskasten vor seinem Haus.<br />
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101<br />
Referenzvideo
INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
Portugal erzeugt einen<br />
großen Teil seines<br />
Biogases mit Klärgas.<br />
Hier die Anlage von<br />
Frielas, die das<br />
Biogas auch zu Biomethan<br />
aufbereitet.<br />
Portugals erste Gemeinde mit eigenem<br />
Biomethannetz<br />
Cachao mit seinen rund 500 Einwohnern ist ein<br />
einmaliges Vorhaben. Erstmals erhält eine Gemeinde<br />
in Portugal ihr eigenes Biomethannetz. Versorgt<br />
werden sollen neben 80 Haushalten auch Unternehmen,<br />
und zwar die, die noch im Gewerbegebiet<br />
ansässig sind. Auch der örtliche Fußballclub könnte<br />
einen Anschluss erhalten.<br />
Manuel Coreia ist im Begriff, den Müll wegzubringen<br />
und verabschiedet sich. Damit schließt sich ein<br />
Kreis. Denn sein Abfall wird – zusammen mit dem<br />
zehntausender übriger Portugiesinnen und Portugiesen<br />
in der Region – die Biomethanversorgung auch<br />
in Zukunft sichern. Denn Quelle des Biogases ist<br />
die Deponie von Urjais. Sie liegt Luftlinie kaum zwei<br />
Kilometer entfernt.<br />
Deponie liefert das Gas<br />
Eine schmale Landstraße windet sich hügelaufwärts,<br />
passiert ein paar Dörfer, links und rechts stehen Olivenbäume,<br />
mal streckt eine Korkeiche ihre kräftigen<br />
FOTO: AGUAS TEJO ATLANTICO<br />
BIOPRACT<br />
102
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
An der Mülldeponie von Urjais<br />
befindet sich eines der ersten<br />
Biomethanprojekte zur Einspeisung<br />
in das Netz.<br />
Äste in die Luft. Der Blick schweift über eine bergige<br />
Landschaft mit Wiesen bis zum Horizont. Der<br />
Nebel ist im Tal geblieben. Von der zentralen Müllkippe<br />
des Kreises aber fehlt jede Spur. Bis die Straße<br />
abwärts wieder in den Nebel führt und die Nase<br />
sie schließlich ortet. Dann tauchen auch Müllautos<br />
auf. Der Betriebshof des Abfallverwerters Residuos<br />
do Nordeste ist erreicht. Ein Stück weiter steht eine<br />
Tankstelle der Marke Dourogas, gesäumt von einem<br />
großen Photovoltaikfeld. Sie bietet Kraftstoff (compressed<br />
natural gas = CNG) für Gasfahrzeuge an.<br />
Die Biomethan-Aufbereitungsanlage ist markant an<br />
der großen Schrift zu sehen. Sie steht hinter einem<br />
schweren Metallzaun. Seit 2022 sei sie in Betrieb,<br />
erklärt ein Mitarbeiter von Residuos do Nordeste,<br />
der die Anlage überwacht. Seitdem werde das Deponiegas<br />
von allen Stoffen außer Methan gereinigt und<br />
in das Netz eingespeist. Von hier ströme es auch<br />
nach Cachao.<br />
Weitere und auch technische Details will Eigentümer<br />
Dourogas allerdings nicht beantworten. Mehrfache<br />
Bitten des Biogas Journals um einen Dialog<br />
blieben erfolglos. Klar ist, dass das Unternehmen<br />
aus dem nordportugiesischen Vila Real ein Netz von<br />
Erdgastankstellen im Land betreibt und vor drei Jahren<br />
auch ins Biomethan-Geschäft eingestiegen ist.<br />
Biogas an Tankstellen<br />
Meist handelt es sich bei dem angebotenen Kraftstoff<br />
um fossiles CNG. An manchen Dourogas-Tankstellen<br />
spielt aber auch Biogas eine Rolle. Zum Beispiel<br />
in Carregado, einem Industrieort unweit<br />
An dieser Tankstelle<br />
stehen mobile<br />
Biogascontainer. Das<br />
abgefüllte Gas kann<br />
vor Ort zu Biomethan<br />
aufbereitet und dem<br />
übrigen CNG beigemischt<br />
werden.<br />
Geben macht glücklich.<br />
In Deutschland generieren rund 9.600 Biogasanlagen<br />
eine elektrische Kapazität von über<br />
5.600 Megawatt. Diese Anlagen versorgen<br />
mehr als neun Millionen Haushalte mit Strom<br />
und decken etwa 5,4 Prozent des deutschen<br />
Stromverbrauchs ab.<br />
Rondomat 5.5<br />
Wir sind ein Teil davon.<br />
HIER MEHR ERFAHREN<br />
103<br />
W W W . F L I E G L . C O M
INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
Auch der örtliche<br />
Fußballclub könnte Biomethankunde<br />
werden.<br />
von Lissabon. Dort stehen auch mobile Biogascontainer<br />
des Unternehmens Gecrio, das<br />
CNG- und LNG-Tankstellen ausrüstet. Dabei<br />
geht es laut Unternehmensangaben um<br />
abgefülltes Biogas, das an den Tankstellen<br />
zu Biomethan aufbereitet und dem übrigen<br />
Methan beigemischt wird. Dem äußeren Zustand<br />
der Container nach zu urteilen, scheint<br />
das aber an jener Tankstelle keine große Rolle<br />
zu spielen. Zurück nach Urjais zur Müllkippe,<br />
die ihr Deponiegas zu Biomethan<br />
aufbereitet. Verwerter Residuos do Nordeste<br />
produziert dort schon seit 2011 und damit<br />
mehr als zehn Jahre Biogas. Ein Gasmotor<br />
mit 716 Kilowatt Leistung steht dafür bereit<br />
und wandelt das Gemisch in Strom und<br />
Wärme um. Bisher hat das Unternehmen<br />
den Strom in das regionale Netz eingespeist<br />
– ausreichend für 1.500 Haushalte, wie es<br />
damals in einer Pressemeldung hieß.<br />
Portugals Einspeisevergütung<br />
Mitte des ersten Jahrzehnts der 2000er Jahre<br />
hatte Portugal eine Art Einspeisevergütung<br />
für Biogas eingeführt – für alle Anlagen,<br />
die Strom und Wärme nicht selber nutzen<br />
konnten. In Anspruch genommen haben das<br />
fast ausschließlich Abfallverwerter so wie<br />
Residuos do Nordeste und Kläranlagen. Die<br />
mittlere Vergütung für Strom aus Deponiegas<br />
betrug laut der maßgeblichen Verordnung<br />
von 2007 102 bis 104 Euro je Megawattstunde<br />
(MWh). Sonstiges Biogas hatte pro<br />
MWh einen Anspruch auf 115 bis 117 Euro.<br />
Zusätzlich kam noch ein Umweltkoeffizient<br />
Biomethan (im Hintergrund<br />
im Nebel) und<br />
Photovoltaik bei der<br />
Mülldeponie Urjais.<br />
Portugal ist ein<br />
großer Weinproduzent.<br />
Die Rückstände<br />
sollen künftig für die<br />
Biogasproduktion zum<br />
Einsatz kommen.<br />
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BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
ins Spiel. Die Verordnung sah eine Laufzeit von 15<br />
Jahren vor. Nun ist die Förderung ausgelaufen. Die<br />
Unternehmen müssen den Strom am Markt verkaufen<br />
oder andere Lösungen finden. Im Falle der<br />
Deponie von Urjais lautet die neue Option (für den<br />
organischen Anteil des Abfalls) Biomethan. Neben<br />
Urjais ist in Portugal mindestens noch eine weitere<br />
Biomethananlage in Betrieb, die das Gas in das<br />
Netz einspeist. Sie arbeitet im Klärwerk von Frielas,<br />
keine halbe Stunde Autofahrt vom Flughafen Lissabon<br />
entfernt. Abwasserspezialist Aguas de Tejo<br />
Atlantico produziert dort seit vielen Jahren Biogas<br />
aus dem Klärschlamm. Mitte 2021 stellten die Verantwortlichen<br />
auf Biomethan um, auch hier mit dem<br />
Partner Dourogas. Die Technik lieferte die portugiesische<br />
Firma Sysadvance. Dourogas will laut einer<br />
Pressemitteilung dort mittelfristig Wasserstoff und<br />
E-Fuels produzieren.<br />
Bei der offiziellen Einweihung des Projektes in Urjais<br />
im Sommer 2022 war auch der portugiesische<br />
Umweltminister Duarte Cordeiro eigens aus Lissabon<br />
angereist und voll des Lobes. Es sei „ein Zeichen<br />
für das ganze Land“, um mehr Biorohstoffe<br />
zu sammeln, zu Biogas und schließlich zu<br />
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BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
Getränke- und<br />
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produziert an seinem<br />
portugiesischen<br />
Standort in Carregado<br />
Biomethan für die<br />
eigene Versorgung.<br />
Das abgetrennte CO 2<br />
könnte für die Kohlensäure<br />
zum Einsatz<br />
kommen.<br />
Biomethan zu verwerten. Dies ermögliche Portugal,<br />
künftig den Erdgasimport zu verringern.<br />
Mitte Januar <strong>2024</strong> hat Lissabon konkretisiert, wie<br />
das aussehen soll. Das nationale Labor für Energie<br />
und Geologie (LNEG) hat den Entwurf eines Aktionsplans<br />
für Biomethan vorgelegt. Er beschreibt, wie<br />
Biomethan von <strong>2024</strong> bis 2040 einen maßgeblichen<br />
Anteil an Portugals Gasversorgung erreichen kann.<br />
Die Konsultationen dazu sollen Anfang Februar<br />
<strong>2024</strong> abgeschlossen sein.<br />
Biomethan soll Erdgasimporte verringern<br />
Konkret sieht der Plan die Chance, mit aus Biogas<br />
aufbereitetem Biomethan bis 2030 den Bedarf an<br />
fossilem Erdgas um 9,1 Prozent zu reduzieren und<br />
bis 2040 um 18,6 Prozent. Noch importiert Portugal<br />
Gas vollständig aus dem Ausland. Weil das Land<br />
zu diesem Zweck von der Pipelineversorgung über<br />
Spanien abhängig ist, setzt es seit vielen Jahren auf<br />
verflüssigtes Erdgas (LNG). Am Atlantikhafen Sines<br />
kommt LNG zum Beispiel aus Nigeria an, das einen<br />
wichtigen Teil des Bedarfs sichert. Insgesamt importiert<br />
Portugal laut EU 5,5 Milliarden Kubikmeter<br />
Erdgas im Jahr.<br />
Doch damit Biomethan eines Tages übernehmen<br />
kann, muss Portugal seinen Biogassektor erst einmal<br />
entwickeln. Denn 2023 erzeugte das Land laut<br />
Aktionsplan gerade einmal 87 Millionen Kubikmeter<br />
Biogase. Das entspricht weniger als zwei Prozent<br />
der Erdgasimporte. Insgesamt kommt Portugal auf<br />
derzeit schätzungsweise 70 Anlagen. Der Aktionsplan<br />
weiß um das Dilemma. Eine nationale Industrie<br />
gebe es noch nicht, konstatiert er. Zugleich sei aber<br />
Biomethan für Portugal unverzichtbar, um den Gasbedarf<br />
der Industrie, des Transportsektors und der<br />
Energieversorgung zu dekarbonisieren.<br />
Der Plan definiert zwei Phasen: In den kommenden<br />
zwei Jahren bis 2026 müsse der Markt aufgebaut<br />
werden. In der folgenden Phase bis 2040 gelte es,<br />
diesen auf Größe zu trimmen und zu professionalisieren.<br />
20 Maßnahmen sollen die nachhaltige Produktion<br />
und Verteilung sicherstellen. Dafür sollen<br />
zunächst existierende Biogaskapazitäten in die Aufbereitung<br />
investieren. Dabei geht es vor allem um<br />
solche Anlagen wie in Urjais und Frielas.<br />
Denn Stand heute stammt der Großteil des Biogases<br />
noch aus den festen Siedlungsabfällen (residuos<br />
solidos urbanos – RSU) und dem Klärschlamm. Insbesondere<br />
bei den Abfällen lasse sich das Potenzial<br />
durch eine konsequentere Trennung und Sammlung<br />
noch steigern. Die Potenziale an den Kläranlagen<br />
sind dagegen weitgehend ausgereizt. Parallel sollen<br />
weitere Anlagen an bestehenden und neuen Standorten<br />
zugebaut werden.<br />
Viehwirtschaft soll in Biogasanlagen<br />
investieren<br />
Daneben listet der Plan drei weitere Sektoren auf,<br />
die künftig Biogas produzieren und es zu Biomethan<br />
aufbereiten sollen. Der bedeutendste ist die Viehwirtschaft.<br />
Dort sind Anlagen zur Verwertung von<br />
Gülle und Dung sowie sonstigen Reststoffen bisher<br />
noch ein Fremdwort. Diese könnten aber bis 2030<br />
ein Drittel des erwarteten Biogases/Biomethans liefern.<br />
Der Aktionsplan prognostiziert<br />
einen Beitrag der portugiesischen<br />
Viehwirtschaft von rund einer Terawattstunde<br />
(TWh) Biomethan im Jahr.<br />
Zum Vergleich: Die Siedlungsabfälle<br />
könnten die Produktion noch um<br />
0,36 TWh steigern, der Klärschlamm<br />
nur um 0,05 TWh.<br />
Nächstgrößter Sektor, der bisher<br />
ebenfalls noch unterentwickelt ist,<br />
ist die übrige Landwirtschaft. Hier<br />
könnten beispielsweise Gerste,<br />
Mais, Sonnenblumen-Halme und<br />
Stroh zur anaeroben Vergärung eingesetzt<br />
werden. Ihr potenzieller Biomethanbeitrag:<br />
0,56 TWh. Mit 0,07<br />
TWh könnte außerdem die Agroindustrie<br />
einen Beitrag leisten. Gemeint<br />
sind große Verarbeitungsbetriebe<br />
von Lebensmitteln wie Wein,<br />
Olivenöl und Fruchtsäften. Als Rohstoffe<br />
bieten sich zum Beispiel die<br />
Trester von Trauben und Oliven an,<br />
das Spülwasser der Ölpressen und<br />
die Fruchtpulpe.<br />
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BIOGAS JOURNAL | 2_<strong>2024</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
Synthetisches Biomethan<br />
Dann kalkuliert das LNEG noch mit kleineren<br />
Beiträgen aus der Vergasung von<br />
Forstrückständen (0,01 TWh) und synthetischem<br />
Biomethan. Dabei handelt es<br />
sich um ein Produkt, das aus dem vom<br />
Biogas abgetrennten CO 2<br />
und externem<br />
grünen Wasserstoff besteht und 0,29<br />
TWh liefern kann. Insgesamt kommt das<br />
Institut so auf eine Summe von 2,7 TWh<br />
pro Jahr bis 2030. Das entspricht 9 Prozent<br />
des erwarteten Gasbedarfs Portugals.<br />
Im nächsten Schritt bis 2040 soll<br />
die Produktion von Biomethan aus dem<br />
biogenen CO 2<br />
zum größten Faktor werden.<br />
Diese könnte laut der Wissenschaftler<br />
insgesamt 2 TWh an synthetischem<br />
Biomethan bereitstellen. Die Vergasung<br />
von Forstrestholz könnte zusätzlich 0,5<br />
TWh bringen. Insgesamt errechnet das<br />
Institut so eine Biomethanproduktion<br />
von 5,57 TWh – die 18,6 Prozent am<br />
Gasbedarf wären erreicht.<br />
Der Plan nennt neben den Zielen eine<br />
Reihe von „Aktionen“, damit Portugal auf<br />
diesem Weg erfolgreich sein kann. Dazu<br />
zählen beispielsweise mehr Biomethan-<br />
Gemeinden aufzubauen wie in Cachao.<br />
So könnte am Ort der Erzeugung ein Teil<br />
direkt verbraucht werden. Dazu gilt es,<br />
die bestehende Gasnetzinfrastruktur zu<br />
verstärken und mit dem ebenfalls erwarteten<br />
Bedarf an grünem Wasserstoff zu<br />
verzahnen.<br />
Zentraler Punkt ist die Sicherstellung<br />
der Wirtschaftlichkeit. Damit die Unternehmen<br />
auch die entsprechenden Investments<br />
tätigen, sind laut Aktionsplan<br />
Finanzhilfen unerlässlich. Das betreffe<br />
sowohl Investitionen (Capex) als auch<br />
den Betrieb (Opex). Das LNEG nennt<br />
als Beispiel Differenzkontrakte. Mit der<br />
Verabschiedung des Aktionsplans könnten<br />
<strong>2024</strong> die ersten Ausschreibungen<br />
starten. Die EU-Kommission hat Ende<br />
2023 staatliche Hilfen in Höhe von 140<br />
Millionen Euro im Rahmen von REPower-<br />
EU durchgewunken. Lissabon will diese<br />
Mittel für Auktionen von Biomethan und<br />
Wasserstoff nutzen. Eine kolportierte<br />
Idee: Portugals Gaskonzern Galp kauft<br />
die angebotenen Mengen ein und speist<br />
sie in das Gasnetz ein.<br />
Allianz kauft Gasverteilnetz<br />
Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Gasverteilnetzbetreiber,<br />
die ehemalige Galp<br />
Gás Natural Distribuição. Galp hatte<br />
vor einigen Jahren die Infrastruktur an<br />
Finanzinvestoren verkauft. Diese haben<br />
das Unternehmen in Floene umbenannt.<br />
Mit 75 Prozent größter Anteilseigner ist<br />
die Münchener Allianz-Versicherung. Die<br />
übrigen 25 Prozent hält das japanische<br />
Unternehmen Marubeni.<br />
In einem Interview mit portugiesischen<br />
Medien erklärte Floene-Chef Gabriel<br />
Sousa letztes Jahr, dass Biomethan erheblich<br />
schneller verfügbar sein kann als<br />
grüner Wasserstoff. Die rund 70 Biogasanlagen<br />
sollten alle in die Biomethanaufbereitung<br />
investieren. Dem Unternehmen<br />
lägen außerdem bereits mehrere<br />
Dutzend Anträge auf Einspeisung von<br />
Biomethan und grünem Wasserstoff ins<br />
Verteilnetz vor. Floene selbst plant in einem<br />
Demonstrationsprojekt in Seixal bei<br />
Lissabon solaren Wasserstoff zu erzeugen<br />
und in sein Netz einzuspeisen.<br />
Wie attraktiv Biomethan für die portugiesische<br />
Industrie schon zu sein scheint,<br />
zeigt das Beispiel des US-Getränke- und<br />
Snackriesen Pepsi. Der unterhält im erwähnten<br />
Carregado bei Lissabon eine<br />
Fabrik, die unter anderem Kartoffelchips<br />
produziert. Als erstes Konzernbeispiel in<br />
Südeuropa kündigte das Unternehmen<br />
für den portugiesischen Standort den<br />
Bau einer Biogasanlage an, die sowohl<br />
das Abwasser aus der Produktion als<br />
auch die Kartoffelschalen nebst anderen<br />
Abfällen zu Biogas vergären will.<br />
2023 war Startschuss für das Projekt.<br />
Pepsi will das Biogas außerdem zu<br />
Biomethan aufbereiten und so seinen<br />
Erdgasverbrauch verringern. Die CO 2<br />
-<br />
Emissionen des Standorts sollen damit<br />
um 30 Prozent sinken. Angesichts dieser<br />
positiven Wirkung für den Klimaschutz<br />
erscheint die Investition von 7,5 Millionen<br />
Euro überschaubar – zumal der<br />
Getränkeriese ja auch das CO 2<br />
aus der<br />
Biogasaufreinigung selbst gebrauchen<br />
kann als Basis der Kohlensäure für seine<br />
Produkte.<br />
Autor<br />
Dipl.-Pol. Oliver Ristau<br />
Redaktion und Kommunikation<br />
Sternstr. 106 · 20357 Hamburg<br />
040/38 61 58 22<br />
ristau@publiconsult.de<br />
www.oliver-ristau.de<br />
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