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FINE - Das Weinmagazin - 64. Ausgabe - 01/2024

Hauptthema: GIPFELTREFFEN RIBERA DEL DUERO Pingus: Das ungeplante Meisterwerk RIBERA DEL DUERO Vega Sicilia: Wo Zeit keine Rolle zu spielen scheint RIBERA DEL DUERO Familia Fernández Rivera: Königinnen des Tempranillo TASTING Klaus Peter Kellers G-Max von 2002 bis 2022 RHEINGAU Geheimrat »J«: Rheingauer Mosaik TASTING40 Jahre Riesling-Cuvée Geheimrat »J« Weitere Themen dieser Ausgabe EDITORIAL Rote Spitzen, weiße Spitzen SÜDAFRIKA Uva Mira Mountain Vineyards: Kühle in Stellenbosch SÜDAFRIKA Kanonkop Wine Estate: Die Ehrenrettung des Pinotage SÜDAFRIKA Oldenburg Vineyards: Eine runde Sache SÜDAFRIKA L’Avenir und Le Bonheur: Ungleiche Geschwister SONOMA Die Chardonnays von Hartford Court und Stonestreet SONOMA La Crema Winery: Die rote Revolution CHAMPAGNE Lanson: Mit Kreuz und Krone WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst bei Björn Freitag im Goldenen Anker GENIESSEN Weichkäse der Zillertaler Manufaktur Eggemoa DAS GROSSE DUTZEND Terrazas de los Andes: Höhenrausch in Argentinien DIE PIGOTT-KOLUMNE Österreich klassifiziert seine Lagen WEIN & ZEIT Burgenland I: Süße Zweifel am Ruster Ausbruch MOSEL Joh. Jos. Prüm: Die Riesling-Doktorin ABGANG Ein offenes Wort zum Geheimrat

Hauptthema: GIPFELTREFFEN
RIBERA DEL DUERO Pingus: Das ungeplante Meisterwerk
RIBERA DEL DUERO Vega Sicilia: Wo Zeit keine Rolle zu spielen scheint
RIBERA DEL DUERO Familia Fernández Rivera: Königinnen des Tempranillo
TASTING Klaus Peter Kellers G-Max von 2002 bis 2022
RHEINGAU Geheimrat »J«: Rheingauer Mosaik TASTING40 Jahre Riesling-Cuvée Geheimrat »J«
Weitere Themen dieser Ausgabe
EDITORIAL Rote Spitzen, weiße Spitzen
SÜDAFRIKA Uva Mira Mountain Vineyards: Kühle in Stellenbosch
SÜDAFRIKA Kanonkop Wine Estate: Die Ehrenrettung des Pinotage
SÜDAFRIKA Oldenburg Vineyards: Eine runde Sache
SÜDAFRIKA L’Avenir und Le Bonheur: Ungleiche Geschwister
SONOMA Die Chardonnays von Hartford Court und Stonestreet
SONOMA La Crema Winery: Die rote Revolution
CHAMPAGNE Lanson: Mit Kreuz und Krone
WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst bei Björn Freitag im Goldenen Anker
GENIESSEN Weichkäse der Zillertaler Manufaktur Eggemoa
DAS GROSSE DUTZEND Terrazas de los Andes: Höhenrausch in Argentinien
DIE PIGOTT-KOLUMNE Österreich klassifiziert seine Lagen
WEIN & ZEIT Burgenland I: Süße Zweifel am Ruster Ausbruch
MOSEL Joh. Jos. Prüm: Die Riesling-Doktorin ABGANG Ein offenes Wort zum Geheimrat

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4 197772 520006 <strong>01</strong><br />

GIPFELTREFFEN<br />

GRÖSSEN AUS RIBERA DEL DUERO UND DEUTSCHLAND<br />

Champagne Argentinien Mosel Südafrika Kalifornien<br />

Lanson: Zurück Terrazas de los Andes: Joh. Jos. Prüm: Ehrenrettung für Die Chardonnays und Pinots<br />

an der Spitze Malbec auf über 1000 Metern Zeitlose Spätlesen den Pinotage Noirs von Jackson Family


<strong>FINE</strong><br />

DAS WEINMAGAZIN 1|<strong>2024</strong><br />

UVA MIRA MOUNTAIN<br />

VINEYARDS 46<br />

DER PINOTAGE<br />

VON KANONKOP 52<br />

OLDENBURG<br />

VINEYARDS 58<br />

DIE GÜTER L’AVENIR &<br />

LE BONHEUR 64<br />

VEGA SICILIA 20<br />

PETER SISSECK UND SEIN PINGUS 14<br />

11 <strong>FINE</strong> EDITORIAL _________________ Rote Spitzen, weiße Spitzen<br />

14 <strong>FINE</strong> RIBERA DEL DUERO ________ Pingus: <strong>Das</strong> ungeplante Meisterwerk<br />

20 <strong>FINE</strong> RIBERA DEL DUERO ________ Vega Sicilia: Wo Zeit keine Rolle zu spielen scheint<br />

26 <strong>FINE</strong> RIBERA DEL DUERO ________ Familia Fernández Rivera: Königinnen des Tempranillo<br />

46 <strong>FINE</strong> SÜDAFRIKA ________________ Uva Mira Mountain Vineyards: Kühle in Stellenbosch<br />

52 <strong>FINE</strong> SÜDAFRIKA ________________ Kanonkop Wine Estate: Die Ehrenrettung des Pinotage<br />

58 <strong>FINE</strong> SÜDAFRIKA ________________ Oldenburg Vineyards: Eine runde Sache<br />

64 <strong>FINE</strong> SÜDAFRIKA ________________ L’Avenir und Le Bonheur: Ungleiche Geschwister<br />

HARTFORD COURT & STONESTREET 68<br />

LA CREMA UND SEINE PINOTS NOIRS 74<br />

DER TINTO PESQUERA VON<br />

FAMILIA FERNANDÉZ RIVERA 26<br />

68 <strong>FINE</strong> SONOMA ___________________ Die Chardonnays von Hartford Court und Stonestreet<br />

74 <strong>FINE</strong> SONOMA ___________________ La Crema Winery: Die rote Revolution<br />

80 <strong>FINE</strong> CHAMPAGNE _______________ Lanson: Mit Kreuz und Krone<br />

86 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ Klaus Peter Kellers G-Max von 2002 bis 2022<br />

94 <strong>FINE</strong> WEIN & SPEISEN ___________ Jürgen Dollase isst bei Björn Freitag im Goldenen Anker<br />

100 <strong>FINE</strong> GENIESSEN ________________ Weichkäse der Zillertaler Manufaktur Eggemoa<br />

102 <strong>FINE</strong> RHEINGAU _________________ Geheimrat »J«: Rheingauer Mosaik<br />

110 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ 40 Jahre Riesling-Cuvée Geheimrat »J«<br />

118 <strong>FINE</strong> DAS GROSSE DUTZEND ___ Terrazas de los Andes: Höhenrausch in Argentinien<br />

126 <strong>FINE</strong> DIE PIGOTT-KOLUMNE _____ Österreich klassifiziert seine Lagen<br />

130 <strong>FINE</strong> WEIN & ZEIT ________________ Burgenland I: Süße Zweifel am Ruster Ausbruch<br />

CHAMPAGNE LANSON 80 GEHEIMRAT »J« 102<br />

KATHARINA PRÜM 136<br />

G-MAX: GROSSE RIESLING-VERKOSTUNG 86<br />

136 <strong>FINE</strong> MOSEL _____________________ Joh. Jos. Prüm: Die Riesling-Doktorin<br />

146 <strong>FINE</strong> ABGANG ___________________ Ein offenes Wort zum Geheimrat<br />

8 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> INHALT<br />

INHALT <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 9


An exceptional<br />

whisky<br />

LIEBE LESERINNEN,<br />

LIEBE LESER,<br />

mögen Sie Pinotage? Nein, das ist keine Fangfrage, die Sie eines sonderbaren Geschmacks überführen<br />

soll. Der noch immer etwas zweifelhafte Ruf dieser Rebsorte rührt bloß daher, dass Winzer<br />

und Kellermeister mit ihr allerhand falsch machen können, indem sie die Pflanzen ungebremst<br />

wuchern lassen oder bei der Gärung nicht wie die Schießhunde auf niedrige Temperaturen<br />

achten: Bei 28 Grad muss Schluss sein, hat Birte Jantzen in Südafrika gelernt, sonst gibt es Fehltöne<br />

wie gegrillte Karotte und Gumminoten. Was sie auf Gütern wie Oldenburg und L’Avenir<br />

an Pinotage zu kosten bekam, hatte hingegen die Klasse von Premiers Crus – und überhaupt<br />

war ihre Reise durch die Region Stellenbosch ein Vergnügen für alle Sinne.<br />

Erst recht auf Spitzenniveau war Rainer Schäfer in Ribera del Duero unterwegs. Der Pingus,<br />

den Peter Sisseck 1995 eher zufällig kreiert hat – man könnte auch sagen: mit dem Glück des<br />

Hochbegabten –, gilt als wohl bester Rotwein Spaniens, mit Konkurrenz auf Augenhöhe durch<br />

den Único von Vega Sicilia und den Tinto Pesquera. Bei dem hat es vor einigen Jahren einen<br />

Umbruch gegeben, vom genial-bizarren Gründer und Macho Alejandro Fernández (»Gott schuf<br />

zuerst den Mann, danach die Frau und den Tempranillo«) zu seiner Witwe, seinen Töchtern<br />

und Enkelinnen, also von der One-Man-Show zum weiblichen Kollektiv, unter dem der Betrieb<br />

jetzt Familia Fernández Rivera heißt. Dabei schlagen die Damen einen deutlich anderen Ton an,<br />

ohne deswegen den Anspruch zu senken.<br />

Weitaus harmonischer und fließender ist der Generationen- und Geschlechterwechsel bei<br />

Joh. Jos. Prüm abgelaufen, diesem Inbegriff der Mosel-Spätlesen. Jahrelang hatten Manfred und<br />

Katharina Prüm gemeinsam den sagenumwobenen Keller betreut, ehe die Tochter schließlich die<br />

Leitung des Guts übernahm – eine Übergabe von Herrn Doktor Riesling an Frau Doktor Ries ling<br />

sozusagen, hatten doch beide einst in Jura promoviert. Überhaupt, der deutsche Riesling: In<br />

dieser <strong>Ausgabe</strong> widmen wir ihm gleich zwei große Vertikalen, deren Teilnehmer wieder einmal<br />

verblüff waren, wie grandios diese Rebsorte reifen kann. Was der rheinhessische Perfektionist<br />

Klaus Peter Keller und seine Familie als G-Max in die Flasche bringen, gehört in eine Klasse für<br />

sich, weswegen da die versierten Verkoster Stuart Pigott und Stephan Reinhardt gleich beide<br />

ihre Eindrücke festgehalten haben. Der Geheimrat »J« wiederum ist als musterhafte trockene<br />

Lagen-Cuvée längst ein Stück Rheingauer Tradition, von der 1983 begonnenen Pionierarbeit<br />

des Winzers Rolf Wegeler und des Kellermeister Norbert Holderrieth bis in die Gegenwart.<br />

Öfters liegen bei diesen Blindproben die Meinungen der beiden Autoren und des gesamten<br />

Teams deutlich auseinander, und beim Geheimrat kam Stephan Reinhardt selber zu anderen<br />

Er gebnissen, als die Weine der einleitenden Aufwärmrunde später erneut serviert wurden. Seltsam?<br />

Eigentlich nicht. Zum einen benoten die Juroren ein solches Vorspiel oft besonders zurückhaltend<br />

(sie wissen ja nicht, ob sie die hohen Punktzahlen für noch Besseres aufsparen müssen),<br />

zum anderen stammten die Weine dieser Ouvertüre aus anderen Flaschen als die der Hauptrunde,<br />

auch wenn alle jeweils Stunden vorher dekantiert worden waren – das tut den Rieslingen gut,<br />

damit sie sich richtig zeigen können. Die Abfolge der Weine kann eine Bewertung ebenso einfärben<br />

wie die Speisen, die zwischen den Flights gereicht werden, oder die Ermüdung im Laufe<br />

der Probe. Vor allem jedoch stehen trotz allem Streben nach Objektivität hinter jedem Urteil<br />

persönliche Wahrnehmungen, Erwartungen und Vorlieben. Kurz: Was wir bei <strong>FINE</strong> betreiben,<br />

ist keine exakte Wissenschaft, sondern letzten Endes Geschmackssache im doppelten Sinne.<br />

Ihre Chefredaktion<br />

EDITORIAL <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 11


<strong>FINE</strong>AUTOREN<br />

DANIEL DECKERS Die Lage des deutschen Weins ist sein Thema – wenn er nicht gerade als Politikredakteur<br />

der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« über Gott und die Welt zur Feder greift. An der Hochschule Geisenheim<br />

lehrt Daniel Deckers Geschichte des Weinbaus und -handels. In seinem Buch »Wein. Geschichte und Genuss«<br />

beleuchtet er durch mehr als 3000 Jahre die Rolle dieses unschätzbaren Kulturguts als Spiegel der Zeitläufte.<br />

JÜRGEN DOLLASE hat sich schon als Rock musiker und Maler verdingt; als Kritiker der kulinarischen Landschaft<br />

ist er heute eine feste Instanz. Viel beachtet sind seine Bücher über die Kunst des Speisens: Bei Tre Torri<br />

erschien zuletzt seine »Geschmacksschule«; das visionäre Kochbuch »Pur, präzise, sinnlich« widmet sich der<br />

Zukunft des Essens.<br />

URSULA HEINZELMANN Die Gastronomin und gelernte Sommelière schreibt für die »Frankfurter Allgemeine<br />

Sonntagszeitung«, die Magazine »Efflee« und »Slow Food« sowie Bücher übers Essen und Trinken.<br />

Ihr Buch »China – Die Küche des Herrn Wu« (erschienen bei Tre Torri) liefert tiefe Einblicke in die vielfältige<br />

Kochkunst der Chinesen.<br />

BIRTE JANTZEN In Hamburg aufgewachsen, teilt sie heute ihre Zeit zwischen Deutschland und Frankreich.<br />

Ob in der Haute Couture oder beim Wein: Tex turen und Nuancen sind kein Geheimnis für sie. Wenn sie nicht<br />

gerade in den Weinbergen unterwegs ist, um den Winzern über die Schulter zu schauen, liebt sie es, für Wein zu<br />

begeistern. Birte Jantzen schreibt sowohl in Frankreich als auch in Deutschland und lehrt französischen Wein<br />

an der Hochschule in Geisenheim.<br />

PAUL KERN Im Campingurlaub mit dem Sohn ei nes Weinjournalisten probierte Paul Kern Große Gewächse<br />

aus dem Emaillebecher. Es folgten ein Weingutspraktikum in Südafrika, eine Kochausbildung in ei nem Zweisternerestaurant<br />

und ein Studium der Weinwirtschaft in Geisenheim. Nun schreibt er über Wein und Gastronomie<br />

für diverse Magazine und Führer.<br />

STEFAN PEGATZKY Der promovierte Germanist kam 1999 nach Berlin und erlebte hautnah, wie sich<br />

die Metropole von einer Bier- zur Weinstadt wandelte. Er schreibt regelmäßig über Wein und Genuss, steuerte<br />

zur Tre-Torri-Reihe »Beef!« den Band »Raw. Meisterstücke für Männer« bei und bereicherte die »Gourmet<br />

Edition – Kochlegenden« um Titel zu Hans Haas, Harald Wohlfahrt und Marc Haeberlin.<br />

STUART PIGOTT Seit der 1960 in London geborene studierte Kunsthistoriker und Maler im Wein – dem deutschen<br />

zumal – sein Lebensthema fand, hat er sich mit seiner unkonventionellen Betrachtungsweise in den Rang<br />

der weltweit geachteten Autoren und Kritiker geschrieben. Sein Buch »Planet Riesling« erschien bei Tre Torri.<br />

STEPHAN REINHARDT Sein Weg von der Theaterwissenschaft zum Weinjournalismus führte über die<br />

»Süddeutsche Zeitung«, den »Feinschmecker«, den »Weinwisser« und »Vinum«. 2<strong>01</strong>2 erschien sein Buch<br />

»The Finest Wines of Germany«, 2<strong>01</strong>4 holte ihn Robert Parker ins Team des »Wine Advocate«, für den Stephan<br />

Reinhardt bis heute arbeitet. Er schreibt außerdem für »The World of Fine Wine« und ist Weinkolumnist der<br />

»Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«.<br />

RAINER SCHÄFER wuchs in Oberschwaben auf und lebt seit drei Jahrzehnten in Hamburg, wo er über die<br />

Dinge schreibt, die er am meisten liebt: Wein, gutes Essen und Fußball, stets neugierig auf schillernde Per sönlichkeiten,<br />

überraschende Erlebnisse und unbekannte Genüsse.<br />

VERLEGER UND HERAUSGEBER<br />

Ralf Frenzel<br />

r.frenzel@fine-magazines.de<br />

CHEFREDAKTION<br />

info@fine-magazines.de<br />

ART DIRECTOR<br />

Guido Bittner<br />

TEXTREDAKTION<br />

Boris Hohmeyer,<br />

Katharina Harde-Tinnefeld<br />

AUTOREN DIESER AUSGABE<br />

Daniel Deckers, Jürgen Dollase,<br />

Ursula Heinzelmann, Birte Jantzen,<br />

Paul Kern, Stefan Pegatzky, Stuart Pigott,<br />

Stephan Reinhardt, Rainer Schäfer<br />

FOTOGRAFEN<br />

Guido Bittner, Rui Camilo, Leif Carlsson,<br />

Johannes Grau, Marco Grundt, Alex<br />

Habermehl, Arne Landwehr<br />

GRÜNDUNGSCHEFREDAKTEUR<br />

Thomas Schröder (2008–2020)<br />

VERLAG<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

Sonnenberger Straße 43<br />

65191 Wiesbaden<br />

www.tretorri.de<br />

Geschäftsführer: Ralf Frenzel<br />

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Bora Erdem<br />

Telefon: +49 611-57 99.0<br />

b.erdem@fine-magazines.de<br />

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<strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> <strong>Weinmagazin</strong> erscheint<br />

vierteljährlich zum Einzelheft-Preis<br />

von € 20,– (D), € 21,– (A), € 24,50 (I)<br />

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Auskunft und Bestellungen<br />

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oder per E-Mail: abo@tretorri.de<br />

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Die <strong>FINE</strong>-Charta mit den Regeln, nach denen wir<br />

verkosten und bewerten, finden Sie im Internet unter<br />

fine-magazines.de/die-fine-weinbewertung<br />

Titelfoto: Pingus, Vega Sicilia, Tinto Pesquera, G-Max und Geheimrat »J« von GUIDO BITTNER<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der<br />

Verlag haftet nicht für unverlangt eingereichte<br />

Manuskripte, Dateien, Datenträger und Bilder.<br />

Alle in diesem Magazin veröffentlichten Artikel<br />

sind urheberrechtlich geschützt.<br />

12 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> IMPRESSUM


KÖNIGINNEN<br />

DES TEMPRANILLO<br />

ALS OBERHAUPT VON GRUPO PESQUERA IN RIBERA DEL DUERO WAR<br />

ALEJANDRO FERNÁNDEZ EIN MACHER UND MACHO, GENIALER WINZER<br />

UND SELBSTDARSTELLER. MIT SEINEN TÖCHTERN UND ENKELINNEN<br />

HAT SICH MANCHES GEÄNDERT BEI DEM UNTERNEHMEN, DAS JETZT<br />

FAMILIA FERNÁNDEZ RIVERA HEISST. DIE QUALITÄT ABER IST GEBLIEBEN<br />

Von RAINER SCHÄFER<br />

Fotos MARCO GRUNDT<br />

26 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> RIBERA DEL DUERO<br />

RIBERA DEL DUERO <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 27


Peñafiel inzwischen nennt, zeigt sich mit neuen Ideen und viel<br />

Elan nach einer kurzen Schaffenskrise jetzt wieder in beeindruckender<br />

Form.<br />

Ribera del Duero Ende Januar: Tagsüber meldet sich schon<br />

der Frühling an mit schmeichelnden Temperaturen und ge ­<br />

winnenden Sonnenstrahlen, nachts kommt der Winter noch<br />

einmal zurück und überzieht die Landschaft mit Frost und Eis.<br />

Zwischen Roa und La Horra in der Provinz Burgos liegen die<br />

Weingärten von Condado de Haza verborgen im dichten Nebel.<br />

Unerwartet lässt der kaum zu durchdringende Schleier das<br />

mächtige Schild mit dem Namen des Guts erkennen. Die Reben<br />

sehen so aus, als hätte man sie frühmorgens im Halbschlaf<br />

überrascht: Die langen, noch ungeschnittenen Ruten auf den<br />

untersetzten Stämmen wirken wie eine unordentliche Frisur<br />

aus wirren hölzernen Antennen. Mitten in den Weinbergen<br />

liegt das herrschaftliche Anwesen aus roten Ziegeln und weißem<br />

Kalkstein mit seinem großzügigen Innenhof.<br />

Robert Parker adelte den Tinto Pesquera<br />

mit 98 Punkten zum »Pétrus Spaniens«<br />

Mit Condado de Haza, seinem zweiten Weingut in Ribera del<br />

Duero nach Tinto Pesquera, zeigte Alejandro Fernández seinen<br />

wachsenden Erfolg und Wohlstand, es ist ein Landsitz mit Stil<br />

und Geschmack. 1982 hatte der Starkritiker Robert Parker den<br />

Alejandro Fernández war seit Beginn der 1970er­Jahre eine der schillerndsten<br />

und exzentrischsten Persönlichkeiten in Ribera del Duero und der gesamten<br />

spanischen Weinszene, Gründer, Gesicht und Star des Grupo Pesquera. Er ließ<br />

keine Gelegenheit aus, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren und in den Mittelpunkt<br />

zu stellen. Bei alldem war Fernández ein harter Arbeiter und gewiefter<br />

Stratege, er baute die vier Weingüter Tinto Pesquera, Condado de Haza, Dehesa<br />

La Granja und El Vínculo auf. Neben der Finca Vega Sicilia und Peter Sisseck<br />

war er eine der drei Konstanten, die den Weinbau in Ribera del Duero trugen<br />

und fortentwickelten. Der Name Fernández steht für einige der begehrtesten<br />

Weine der Welt wie den Tinto Pesquera.<br />

Mit seinem hemdsärmeligen Charme kam Alejandro<br />

Fernández überall an, während im Hintergrund seine<br />

Ehefrau Esperanza Rivera und die vier Töchter Lucía,<br />

Olga, Mari Cruz und Eva Maria ihm lange den Rücken freihielten.<br />

Doch einige Jahre vor seinem Tod 2021 zerstritt sich die<br />

Fa milie und teilte sich in zwei Lager, die couragierten Frauen<br />

der zweiten und dritten Generation traten in die erste Reihe<br />

und übernahmen die Verantwortung. Familia Fernández Rivera,<br />

wie sich die Gruppe von vier Weingütern sowie einem Hotel in<br />

Drei Generationen<br />

Weinverstand:<br />

Esperanza Rivera<br />

(2. von rechts), ihre<br />

Töchter Lucía (l.)<br />

und Mari Cruz<br />

Fernández Rivera<br />

(2. von l.) sowie die<br />

Enkelinnen Ángela<br />

(Mitte) und Lucía<br />

Pascual Fernández<br />

28 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> RIBERA DEL DUERO<br />

RIBERA DEL DUERO <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 29


Tinto Pesquera mit 98 Punkten bewertet und zum »Pétrus<br />

Spaniens« geadelt. Daraufhin beschloss der Patron zu expandieren<br />

und kaufte in der Gegend um La Horra zunächst Trauben<br />

hinzu. Als er feststellte, dass Tempranillo hier völlig an ­<br />

ders ausfällt als in Pesquera – mit dunkleren Fruchtaromen<br />

sowie kräftigeren Gerbstoffen – erwarb Fernández nach und<br />

nach Weinberge und begann 1988 mit dem Bau des Guts. <strong>Das</strong>s<br />

Peter Sisseck in unmittelbarer Nachbarschaft Rebflächen<br />

akquirierte, bestätigt die besondere Güte des Terroirs mit Ton,<br />

Kieseln, Kalksteinen, Sand und eisenhaltigen Elementen. Später<br />

kamen zum Grupo Pesquera noch die beiden Güter Dehesa<br />

La Granja in der Provinz Zamora und El Vínculo in der Region<br />

La Mancha hinzu, wo neben Wein auch Olivenöl und Käse er ­<br />

zeugt werden. Ganz in der Nähe soll Don Quijote mit seiner<br />

Lanze gegen Windmühlen gekämpft haben.<br />

Olga, die zweitälteste Tochter von Esperanza Rivera und<br />

Alejandro Fernández, lebt seit 1989 mit ihrer Familie<br />

in der schlossartigen Bodega Condado de Haza. Sie<br />

stu dierte Jura, beschloss aber anschließend, im wachsenden<br />

Unternehmen mitzuarbeiten, und ist jetzt für dessen Finanzen<br />

Lucía Fernández Rivera, älteste Tochter des Gründers,<br />

leitet als Direktorin das Unternehmen. Zu dessen<br />

Spitzen-Tempranillos zählen Millennium und Janus von<br />

Tinto Pesquera sowie Alenza von Condado de Haza<br />

verantwortlich. Ihr Vater hatte es sich in den Kopf gesetzt, ein<br />

Château zu schaffen wie im Bordelais, das großzügig von Weinbergen<br />

eingerahmt wird – und wenn Alejandro Fernández sich<br />

etwas vorgenommen hatte, hielt er hartnäckig daran fest. Da<br />

die gut 200 Hektar, die sich vom Ufer des Duero bis auf einen<br />

über 900 Meter hohen Hügel erstrecken, 300 Eigentümer hatten,<br />

musste er jahrelang zäh verhandeln. Auf 170 Hektar stehen hier<br />

Reben, und wie bei allen vier Gütern dreht sich fast alles um<br />

Tempranillo, laut Olga Fernández Rivera die »Familienrebe,<br />

mit der wir uns sehr intensiv beschäftigt haben«. Kaum eine<br />

30 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> RIBERA DEL DUERO<br />

RIBERA DEL DUERO <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 31


Winzerfamilie hat wohl das Wesen des Tempranillo so seziert,<br />

verstanden und verinnerlicht wie die von Alejandro Fernández,<br />

der die Rebe sogar für die beste der Welt hielt.<br />

Den Keller von Condado de Haza ließ Fernández 150 Meter<br />

weit in den Berg hineinbohren, 36 Meter tief unter den<br />

Reben, mit einer Spezialmaschine, die sonst im Tunnelbau<br />

eingesetzt wird. Nie im Leben habe sie sich vorstellen<br />

können, sagt Olga Fernández Rivera, dass hier einmal solch ein<br />

Château stehen würde: »Für diesen Traum hat sich mein Vater<br />

wie ein Wahnsinniger abgerackert.« Inzwischen hat schon ein<br />

Familienmitglied aus der dritten Generation Verantwortung<br />

übernommen: Ihre Tochter Lucía Pascual Fernández baut seit<br />

2<strong>01</strong>8 gemeinsam mit Rodrigo Pons alle Weine von Familia<br />

Fernández Rivera aus. Die Enkelin des Gründers, die zuerst<br />

Chemie und danach Önologie und Weinbau in Madrid studiert<br />

hatte, setzte zügig einige Neuerungen durch. 60 Prozent der<br />

ins gesamt 600 Hektar Weinberge werden inzwischen organisch<br />

Lucía Pascual Fernández<br />

ist seit 2<strong>01</strong>8 zusammen mit<br />

Rodrigo Pons für den Ausbau<br />

der Weine auf allen Gütern<br />

der Familie zuständig. Um das<br />

Stammhaus im Dorf Pesquera<br />

breiten sich die Rebfelder aus<br />

bewirtschaftet, gerade der dritten Generation liegt laut Lucía<br />

Pascual Fernández viel daran, ökologischer zu arbeiten: »Wir<br />

merken, dass die unterschiedlichen Lagen sich dann deutlicher<br />

in den Weinen zeigen.« 2<strong>01</strong>8 wurde zum ersten Mal der Biowein<br />

20 Aldeas abgefüllt, ein reinsortiger Tempranillo.<br />

Neuerdings gibt es bei Familia Fernández<br />

Rivera mehr Fässer aus französischer Eiche<br />

Die Umstellung ist auch wichtig, weil mittlerweile alle Weine<br />

spontan vergoren werden. »<strong>Das</strong> funktioniert nicht, wenn man<br />

im Rebberg viel Chemie eingesetzt hat«, weiß die 32­jährige<br />

Önologin, die zudem den Anteil an Fässern aus französischer<br />

Eiche erhöht hat – diese seien edler und würziger als die in<br />

Ribera del Duero populären<br />

amerikanischen Holzfässer,<br />

die nach Karamell und Vanille<br />

schmecken. Neues Equipment<br />

ist in den Keller eingezogen:<br />

Pressen, mit denen<br />

noch präziser gearbeitet werden<br />

kann, sowie bauchige<br />

Stahltanks mit Temperaturkontrolle.<br />

»Es war höchste<br />

Zeit, dass wir etwas unter ­<br />

nom men haben«, erklärt die<br />

enga gier te junge Winzerin,<br />

als sie das 300 Meter lange<br />

Tunnelsys tem betritt, in dem<br />

die »Fla schengeschichte un ­<br />

serer Gü ter aufbewahrt wird«. In diesem Stollen lagern auch<br />

die allerersten Jahrgänge Tinto Pesquera aus den 70er­Jahren,<br />

die Alejandro Fernández mit einfachsten Mittel gekeltert hat.<br />

»Die Weine meines Großvaters sind ein großes Geschenk«,<br />

sagt sie voller Respekt, »er war ein Visionär und hat neue Maßstäbe<br />

in Ribera del Duero gesetzt.«<br />

Gut 20 Kilometer flussabwärts wartet im Dorf Pesquera<br />

Lucía Fernández Rivera, die Direktorin des Unternehmens.<br />

Sie ist die älteste der vier Töchter und wohnt<br />

direkt neben ihrer Mutter, die auch noch mit 86 Jahren ihre<br />

Tage mit viel Energie angeht. Der Eingang zum Weingut ist<br />

ein steinerner Torbogen, auf dem ein Kreuz steht, er ist auch<br />

32 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> RIBERA DEL DUERO<br />

RIBERA DEL DUERO <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 33


<strong>Das</strong> Hotel AF Pesquera in<br />

Peñafiel gehört ebenfalls zu<br />

Familia Fernández Rivera<br />

wurde 2021 zum ersten Mal der weiße Pesquera Albillo Mayor<br />

aufgelegt. Der 2022er, neun Monate im französischen Barrique<br />

ausgebaut, duftet nach feiner Würze, hellen Blüten, Steinobst<br />

und Zitrusaromen, imponiert am Gaumen mit fester Struktur,<br />

Kraft, Schmelz, Salznoten und guter Länge – ein gekonnt vinifiziertes<br />

weißes Pendant zu den berühmten roten Klassikern.<br />

»Damit sprechen wir auch die Jüngeren an«, sagt Lucía Pascual<br />

Fernández, »unsere Energie erreicht ein neues Publikum.«<br />

Im vergangenen Jahr wurde auf zwei Hektar Garnacha an ­<br />

gepflanzt, die rote Rebe ist in der Assemblage als Partnerin<br />

des Tempranillo vorgesehen. »Garnacha bringt eine gute Säure<br />

mit, während die des Tempranillo wegen des Klimawandels<br />

sinkt«, erklärt Rodrigo Pons. 2025 solle erstmals geerntet werden.<br />

Die Rebberge der Bodega El Vínculo werden derzeit auf<br />

biologischen Weinbau umgestellt, die von Tinto Pesquera sollen<br />

folgen. Ribera del Duero befindet sich im Umbruch. Dort,<br />

wo früher Zuckerrüben wuchsen, sind imposante Gebäude<br />

und bekannte Weingüter entstanden. Familia Fernández Rivera<br />

ist mittendrin in dieser lebendigen Bewegung, die von ihr mitgetragen<br />

wird.<br />

Im Restaurant Origen-es kommen Produkte<br />

der Bodega El Vínculo auf den Tisch<br />

Die drei Schwestern Lucía, Olga und Mari Cruz Fernández Rivera<br />

sitzen im Restaurant Origen­es in ihrem Hotel AF Pesquera<br />

in Peñafiel und probieren das neue Menü des Chefkochs David<br />

Pérez Ruiz. Es ist eines der besten Restaurants dieser Gegend,<br />

hier werden auch Produkte der Bodega El Vínculo verarbeitet<br />

wie Olivenöl, Käse und Fleisch. Am Tisch wäre noch Platz, aber<br />

Eva Maria Fernández, die jüngste Schwester, fehlt. »Niemand<br />

von uns weiß, was sie macht«, sagt Lucía Fernández Rivera, und<br />

für einen Moment wird es still am Tisch. Es ist ein Schatten,<br />

der kaum auffällt bei so viel Licht und Glanz. Der Blick, sagt<br />

die Unternehmens­Direktorin, richte sich nur noch nach vorn.<br />

»Wir bereiten alles für die dritte Generation vor«, sagt Lucía<br />

Fernández Rivera, »sie ist unsere Zukunft.«<br />

44 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> RIBERA DEL DUERO


STELLENBOSCHS<br />

FRISCHESTE ECKE<br />

SELBST AN DEN SONNIGSTEN HÄNGEN VON UVA MIRA MOUNTAIN<br />

VINEYARDS WIRD ES DEN REBEN NICHT ZU HEISS. SIE PROFITIEREN<br />

VON DER KALTEN STRÖMUNG IM MEER UND VON DEN STRATEGIEN<br />

DES GUTSLEITERS CHRISTIAAN COETZEE<br />

Von BIRTE JANTZEN<br />

Fotos ARNE LANDWEHR<br />

Langsam ruckelt der staubige Geländewagen die zerfurchte, steile Piste zwischen Weinbergen<br />

und Fynbos hoch, Südafrikas typischem Buschland. Plötzlich schwebt ein majestätischer<br />

Greifvogel davon und verschwindet schwungvoll im wolkenverhangenen Panorama. Ein<br />

enthusiastisches Raunen übertönt den Motor, und Christiaan Coetzee, seit 2<strong>01</strong>3 Önologe<br />

und Direktor von Uva Mira Mountain Vineyards, erklärt begeistert: »<strong>Das</strong> Weingut grenzt<br />

an ein Naturreservat. Wir haben hier viele Wildtiere, und es ist fantastisch, sie beobachten<br />

zu können. Bei uns ist Nachhaltigkeit eine Herzenssache, die wirklich gelebt wird.«<br />

Uva Mira, übersetzt »wunderbare Traube«,<br />

macht seinem Namen Ehre. An den Hängen<br />

des Helderbergs gelegen, im für seine hervorragenden<br />

Weine bekannten Goldenen Dreieck<br />

von Stellenbosch, steht das Gut gleichermaßen für<br />

faszinierende Landschaft und maßgeschneiderten<br />

Weinbau. Der Großteil des 127 Hektar großen Be ­<br />

sitzes ist von Fynbos bedeckt, die 28 Hektar Rebfläche<br />

sollen über die nächsten Jahre auf 35 Hektar<br />

erweitert werden. Die Parzellen liegen 260 bis<br />

620 Meter über dem Meeresspiegel, an nordöstlich<br />

bis nordwestlich ausgerichteten, von verwitterten<br />

Granitböden geprägten Hängen, nur neun Kilometer<br />

entfernt vom Atlantischen Ozean. Der Blick reicht<br />

bis nach Kapstadt und zum Tafelberg, an manchen<br />

Tagen sogar bis nach Robben Island.<br />

Eigentlich ist das Klima in Stellenbosch me ­<br />

diterran, nicht aber auf Uva Mira. Dieses Fleckchen<br />

gehört nach dem Winkler­Index ebenso wie<br />

Bordeaux in die Cool­Climate­Klassifizierung, denn<br />

die geografische Lage bringt eine willkommene<br />

Besonderheit: Im Frühling und Sommer erfrischt der<br />

kalte Benguelastrom das Wasser der nahe gelegenen<br />

False Bay und schenkt den sonnigen Nordwesthängen<br />

des Helderbergs eine kühlende Meeresbrise.<br />

So findet hier die Weinlese im Durchschnitt zwei<br />

Wochen später statt als anderswo in Stellenbosch,<br />

was Trauben mit optimaler phenolischer Reife und<br />

markanter Säure, aber ohne übersteigerten Zuckergehalt<br />

ergibt. Außerdem fällt mehr Regen als in der<br />

übrigen Region, hauptsächlich im Winterhalbjahr.<br />

Augenzwinkernd erklärt Coetzee: »Normalerweise<br />

sind auf der Südhalbkugel die nach Norden und<br />

Wes ten ausgerichteten Hänge die wärmsten. Bei<br />

uns sind die westlichen allerdings ausnahmsweise<br />

am kühlsten. <strong>Das</strong> liegt an der Art, wie die Sonne<br />

über den Berg wandert, und am Einfluss des Ozeans.<br />

Einer unser elegantesten Chardonnays kommt deshalb<br />

aus einer Westlage.« Sauvignon Blanc, Cabernet<br />

Franc, Cabernet Sauvignon, aber auch Chardonnay<br />

und Shiraz fühlen sich hier ausgesprochen wohl.<br />

Der Merlot hingegen hat die Erwartungen nicht<br />

erfüllt und ist seit 2022 komplett vom Gut verschwunden.<br />

Auch Pinotage, die südafrikanische<br />

Rebsorte schlechthin, gibt es hier nicht.<br />

Seit 2004 werden die Weine unter dem eigenen<br />

Namen des Guts verkauft, das seit 2<strong>01</strong>4 dem<br />

Geschäftsmann Toby Venter gehört, Südafrika­Geschäftsführer<br />

von Porsche, Bentley und<br />

Lamborghini sowie Besitzer der Autorennstrecke<br />

Kyalami Grand Prix Circuit nördlich von Johannesburg.<br />

Auf der Suche nach einem Zweitwohnsitz nahe<br />

Kapstadt verliebte Venter sich unsterblich in Uva<br />

Mira, obwohl er eigentlich gar kein Weingut kaufen<br />

wollte. Seither lässt er Christiaan Coetzee und dessen<br />

eingespieltem 25­köpfigen Team freie Hand. <strong>Das</strong><br />

Resultat kann sich sehen lassen. Coetzees naturnahe<br />

Arbeit und eine ambitionierte Strategie haben<br />

die Qualität der Weine enorm gesteigert und das<br />

außergewöhnliche Terroir zum Ausdruck gebracht.<br />

Während der verwitterte Granit allge genwärtig<br />

ist, wird die Bodenstruktur immer komplexer, je<br />

höher die Parzellen liegen, zum Teil mit sandigen,<br />

lehmigen oder eisenhaltigen Elementen. Die Bodenformationen<br />

sind vor 400 bis 600 Millionen Jahren<br />

entstanden und gehören damit zu den ältesten der<br />

46 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> SÜDAFRIKA<br />

SÜDAFRIKA <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 47


MIT KREUZ<br />

UND KRONE<br />

LANSON IST EINES DER ÄLTESTEN CHAMPAGNERHÄUSER ÜBERHAUPT,<br />

SEIT MEHR ALS 120 JAHREN HOFLIEFERANT DES BUCKINGHAM<br />

PALACE UND NACH EINIGEN EIGENTÜMERWECHSELN WIEDER AN<br />

DER SPITZE DABEI. HEUTE PFLEGT HERVÉ DANTAN ALS KELLERMEISTER<br />

DEN MARKANTEN, VON FRISCHE UND VIELFALT GEPRÄGTEN STIL<br />

Von RAINER SCHÄFER<br />

Fotos LEIF CARLSSON<br />

Am massiven Metalltor prangt das spielerisch geschwungene L für Lanson, Symbol und Markenzeichen eines der<br />

bekanntesten Champagnerhäuser in Reims. Prunkvoll wie ein Palast erhebt sich das weiß getünchte Gebäude<br />

an der Rue de Courlancy in illustrer Nachbarschaft, ganz in der Nähe residieren prominente Schaumwein-<br />

Dynastien wie Heidsieck, Taittinger und Ruinart. Über dem geräumigen Vorhof mit einer dekorativen ovalen<br />

Rasenfläche in der Mitte wehen staatstragend Flaggen im Wind: Lanson versteht sich auch als Repräsentant von<br />

Reims, der inoffziellen Hauptstadt der Champagne und einstigen Krönungsstätte der französischen Könige,<br />

die wie kaum ein anderer Ort die Geschichte des Landes geprägt hat. Dieses stolze Selbstbewusstsein spiegelt<br />

sich in der Architektur von Champagne Lanson wie der ganzen Stadt, die gerne vorzeigt, was sie hat.<br />

<strong>Das</strong> Portal führt in einen großzügig gestalteten Eingangsbereich<br />

– Lanson ist ein gastliches Haus, das gern Besucher<br />

empfängt und sie mitnimmt in seine Erlebniswelt.<br />

Hier kann man die Champagner verkosten und tief eintauchen in<br />

die Evolution des Schaumweins und der Region: Zeittafeln dokumentieren<br />

die eindrucksvolle Entwicklung, Staats männer, Politiker<br />

und andere Prominente blicken von den Wänden. Schon<br />

Napoleon begoss seine Feldzüge mit Champagner von hier, Dwight<br />

D. Eisenhower, General im Zweiten Weltkrieg und späterer US-<br />

Präsident, feierte damit die Kapitulation<br />

von Nazideutschland,<br />

Jacqueline und John F. Kennedy<br />

zelebrierten ihre Leidenschaft<br />

mit feinsten Perlen, und auch<br />

Tennisstars wie Roger Federer<br />

oder Novak Djokovic genossen<br />

ihre Erfolge mit dem exquisiten<br />

Prestigegetränk: Seit 1977<br />

wird in Wimbledon beim bedeutendsten Tennisturnier der Welt<br />

Lanson ausgeschenkt. Es ist ein Champagner, der Geschichte begleitet,<br />

der zu besonderen Ereignissen getrunken wird. »Lanson<br />

soll ein Luxus sein, den sich alle zu bestimmten Anlässen leisten<br />

können und der nicht nur einige wenige erfreut«, erklärt Hervé<br />

Dantan, der seit zehn Jahren als verantwortlicher Kellermeister<br />

den Kurs vorgibt.<br />

Ohne Lanson lässt sich die Champagne kaum denken. In den<br />

gut 260 Jahren seit seinen Anfängen hat das Haus sich zu einer<br />

tragenden Institution in Reims<br />

und im gesamten Anbaugebiet<br />

entwickelt, Kultur und Lebensart<br />

wurden hier immer auch<br />

als Bildungsauftrag begriffen:<br />

Savoir-vivre, die Kunst des alltäglichen<br />

Genusses, ist das Leitmotiv<br />

des Hauses. »In einer un -<br />

sicheren Welt, die von Tag zu<br />

80 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> CHAMPAGNE<br />

CHAMPAGNE <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 81


KLAUS PETER KELLER<br />

G-MAX 2002–2022<br />

86 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> TASTING<br />

TASTING <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 87


JÜRGEN DOLLASE<br />

WEIN & SPEISEN<br />

DIESSEITS DES<br />

BILDSCHIRMS<br />

JÜRGEN DOLLASE ISST BEI BJÖRN FREITAG, MICK VERHEIJEN<br />

UND AMIN EMADI IM DORSTENER GOLDENEN ANKER<br />

Fotos GUIDO BITTNER<br />

Die TV-Köche, wie man sie meist sehr verallgemeinernd nennt, haben<br />

längst ganz unterschiedliche Sendungen und Betätigungsfelder. Am<br />

Beginn ihrer jeweiligen Laufbahn steht allerdings nach wie vor in der<br />

Regel eine solide Ausbildung als Koch, die in vielen Fällen auch schon zu Auszeichnungen<br />

wie etwa Michelin-Sternen geführt hat. Irgendwann geht es dann<br />

für manche in die Koch-Klamauk-Szene, die mehr vom Medium Fernsehen<br />

als vom Handwerk geprägt ist. Es gibt aber auch Köche, die andere Formate<br />

bedienen: unterhaltsam und zugewandt, weniger mit erhobenem Zeigefinger<br />

als mit der milden Autorität eines Könners, der weiß, wie viel Gutes er mit<br />

ein paar sinnvollen Hinweisen bewirken kann. Björn Freitag gehört zu dieser<br />

Gruppe, und er verfolgt mit Programmen wie seinem »Freitag tischt auf – Die<br />

Geheimnisse der Lebensmittelindustrie« auch eher journalistische Ansätze. Für<br />

sein Restaurant macht das eine spezielle Lösung notwendig, nämlich die enge<br />

Zusammenarbeit mit einem Küchenchef, der im täglichen Geschäft umsetzt,<br />

was man gemeinsam festgelegt hat. Wie gut das beim Goldenen Anker gelingt,<br />

kann man den Restaurantführern übrigens nur sehr ungenau entnehmen. Als<br />

weinaffner Koch hat Björn Freitag nicht nur eine gute Sammlung an Flaschen,<br />

sondern ist auch immer bemüht, zuverlässige Qualitäten in einem moderaten<br />

Preissegment anzubieten.<br />

BJÖRN FREITAG (50, rechts im Bild) hat eine übersichtliche kulinarische<br />

Biografie. Der Sohn einer Gastronomenfamilie machte nach dem Abitur von<br />

1991 bis 1994 eine Lehre im Schachener Hof in Lindau. 1995 war er in der<br />

Wiesbadener Ente vom Lehel, 1996 im Frankfurter Brückenkeller, und bereits<br />

1997 übernahm er nach dem Tod des Vaters mit 23 Jahren den Goldenen Anker<br />

in Dorsten. 20<strong>01</strong> bekam er einen Michelin-Stern. Einer breiteren Öffentlichkeit<br />

bekannt wurde er durch seine schon im Jahr 2000 begonnenen TV-Aktivitäten.<br />

Heute ist er vor allem in diversen Sendungen des WDR zu sehen, zum<br />

Beispiel »Lecker an Bord« mit Frank Buchholz.<br />

Küchenchef im Anker ist der in Belgien geborene MICK VERHEIJEN<br />

(44, links). Nach Abschluss seiner Ausbildung ging Verheijen nach Deutschland,<br />

zuerst 1998 an die Ahr zu Brogsitters Gasthaus Sanct Peter. Prägend wurde für<br />

ihn die Arbeit bei Karl-Emil Kuntz in der Herxheimer Krone, wo er von 2003<br />

bis 2008 Souschef und anschließend bis 2<strong>01</strong>8 Küchenchef war. Seit August 2020<br />

hat er die gleiche Position bei Björn Freitag. Verheijens Erfahrung bei Kuntz ist<br />

auch den vielfältigen, handwerklich komplexen Gerichten im Goldenen Anker<br />

anzumerken – sie haben oftmals ein weit höheres Niveau, als viele aktuelle<br />

Bewertungen das wiedergeben.<br />

Restaurantleiter und Sommelier AMIN EMADI (36, Mitte) stammt aus Iran<br />

und hat nach der Schule erst einmal in verschiedenen Restaurants gearbeitet,<br />

etwa bei der Kette Cafe Del Sol, in Kanada sowie auf einem Expeditionsschiff. In<br />

Paul’s Brasserie in Essen stieg er nach seiner Prüfung zum Restaurantfachmann<br />

2020 zum stellvertretenden Restaurantleiter auf, im August 2023 kam er zum<br />

Goldenen Anker. Auch ohne vorherige Erfahrungen in der Sternegastronomie<br />

wirkt Emadi hier ganz selbstverständlich genau am richtigen Platz.<br />

94 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> WEIN & SPEISEN<br />

WEIN & SPEISEN <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 95


RHEINGAUER<br />

MOSAIK<br />

GERADE DIE VIELFALT DER LAGEN, DIE ZUM GEHEIMRAT »J« VOM<br />

WEINGUT WEGELER BEITRAGEN, SICHERT DIESEM TROCKENEN<br />

RIESLING SEIT DEM PREMIERENJAHRGANG 1983 SEIN KONSTANTES<br />

NIVEAU. WAS VOR 40 JAHREN DIE AVANTGARDE DES DEUTSCHEN<br />

QUALITÄTSWEINBAUS WAR, IST HEUTE EIN GROSSER KLASSIKER<br />

Von STEFAN PEGATZKY<br />

Fotos JOHANNES GRAU und GUIDO BITTNER<br />

102 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> RHEINGAU<br />

RHEINGAU <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 103


Die Unterschiede könnten kaum größer sein: In der Parzelle Kronnest stehen die Reben windumtost auf einer<br />

winzigen Terrasse auf gut 250 Metern Höhe im Steilhang des Taunus­Absturzes im Rüdesheimer Berg Rottland. Im<br />

Winkeler Jesuitengarten hingegen schauen die Trauben ebenerdig auf den vorbeiziehenden Rhein, als Teil eines<br />

historischen »Clos« von einer Weinbergsmauer geschützt, die den Ort zu einer der wärmsten Lagen im Rheingau<br />

macht. »Wir haben eine große Diversität an Flächen«, resümiert Michael Burgdorf, seit 20 Jahren Betriebsleiter<br />

beim Weingut Wegeler aus Oestrich­Winkel im Rheingau, »und das hat natürlich auch Nachteile wie die langen<br />

Fahrwege. Aber es ist unsere Rückversicherung gegen die Erderwärmung. Denn als Winzer reagierst du auf die<br />

Wetterextreme nicht durch möglichst kühle Lagen, sondern durch einen Mix aus wärmeren und kühleren Lagen.«<br />

Viele Winzer, die alle ihre Rebberge »um den<br />

eigenen Kirschbaum haben«, wie Burgdorf<br />

es ausdrückt, stellt der Klimawan del zu nehmend<br />

vor Probleme. <strong>Das</strong> Weingut Wegeler mit sei ­<br />

nen 45 Hektar Rebfläche zwischen Hallgarten und<br />

Rüdesheim kommt damit bestens zurecht, vor allem<br />

bei sei ner Prestige­Cuvée, die vor 40 Jahren zum<br />

ersten Mal ab gefüllt wurde: Der Geheimrat »J« wird<br />

je nach Jahrgang aus bis zu 16 hervorragenden Einzella<br />

gen des Gutes assembliert, wodurch mögliche<br />

Schwan kungen ausgeglichen werden können. Zu seiner<br />

Entstehungszeit 1983 herrschten freilich ganz<br />

andere Probleme. Einerseits fielen manche Sommer<br />

emp findlich kühl und regnerisch aus, andererseits<br />

steckte der deutsche Wein mitten in seiner wohl<br />

größten Geschmackskrise: der sogenannten Süßwelle,<br />

als jegliche Qualität in einem Meer zuckriger<br />

Billigweine zu verschwinden drohte.<br />

»Damals«, erzählt Michael Burgdorf, »war der<br />

Geheimrat ›J‹ die Antwort auf die Frage: Wie be kommen<br />

wir über die Jahre ein reifes Produkt?« Qualität<br />

und Charakter allein hätten nicht genügt, um<br />

einen Wein in diesem schwierigen Umfeld durchzusetzen,<br />

er brauchte zudem eine starke Markenidentität.<br />

»Und heute ist ›J‹ die Antwort auf die Frage: Wie<br />

bekommen wir in Zeiten des Klimawandels einen<br />

Wein mit einem moderaten Alkohol, einer Frische<br />

und einem Alterungspotenzial, die dem Riesling ge ­<br />

recht werden?« Burgdorf fasziniert, dass ein Wein,<br />

der zur Avantgarde des deutschen Weinwunders ge ­<br />

hörte und dann zum Klassiker wurde, jetzt erneut<br />

an der Spitze steht.<br />

Der heutige Miteigentümer des Weinguts Wegeler,<br />

Ralf Frenzel, kennt die frühen Jahre des Geheimrat<br />

»J« nicht bloß aus eigener Anschauung, er war<br />

sogar an dessen Entstehung beteiligt. Frenzel hatte<br />

1982 nach einer Ausbildung als Koch und Restaurantfachmann<br />

19­jährig in der Wiesbadener Ente vom<br />

Lehel des Gastronomen und Küchenchefs Hans Peter<br />

Wodarz als Chefsommelier begonnen, zu einer Zeit,<br />

als dieser Beruf in Deutschland eben erst zu existieren<br />

begann. Die Ente war damals ein Zentrum der jungen<br />

deutschen Spitzenküche, und man war dort ganz<br />

besonders an der Verbindung von Essen und Wein<br />

interessiert. Als Pioniere der noch überschaubaren<br />

heimischen Gourmetszene schlossen das Ehepaar<br />

Wodarz und ihr junger Sommelier dabei deutschen<br />

Spitzenwein mit ein – wohl wissend, dass der zu<br />

Beginn der 80er­Jahre wenig mehr als ein Gerücht<br />

aus besseren Tagen war.<br />

Auf der Karte der Ente fanden die<br />

Winzer Impulse und Anregungen<br />

Aus diesem Grund hatte Wodarz’ Ehefrau Annema rie<br />

das Unternehmen »Die Nasen − Spezialweinversand<br />

und Beratung« gegründet, und innerhalb kurzer<br />

Zeit wurde Ralf Frenzel dessen Mastermind. Es galt<br />

nicht nur, die besten deutschen Weine für die Karte<br />

der Ente und den eigenen Vertrieb zu finden, sondern<br />

vor allem, den Winzern Impulse sowie Anregungen<br />

zu geben, ihre Weine nach französischem<br />

Vorbild trocken und als mögliche Essensbegleiter<br />

an zule gen. Für eine »Nasen«­Kollektion wurden<br />

sogar Weine exklusiv in Auftrag gegeben und nach<br />

einem eigenem Konzept vinifiziert: »Die ›Nasen‹­<br />

Weine gären vollkommen durch. Sie werden nicht<br />

entsäuert, sondern reifen und entwickeln ihre Harmonie<br />

individuell im Holzfass – je nach Beschaffenheit<br />

über mehrere Jahre.«<br />

Damals war der Gastraum der Ente so etwas<br />

wie die Brutstätte des späteren deutschen<br />

Weinwunders. Im Wochentakt diskutierten<br />

dort aufgeschlossene Winzer, Händler und Gastronomen<br />

über Veränderungen und Konzepte, ließen<br />

sich von den Visionen der Familie Wodarz und Ralf<br />

Frenzels inspirieren. Auch Rolf Wegeler und Norbert<br />

Holderrieth aus dem nahen Rheingau waren Stammgäste,<br />

und gerade bei ihnen fiel die Mahnung des jun ­<br />

gen Sommeliers nach einem »konsequenten Weg in<br />

Richtung Qualität« auf fruchtbaren Boden. Ihr Gut<br />

war schon länger – auch dank seiner tradi tionellen<br />

Orientierung in Richtung Export – ein Vorrei ter<br />

bei trockenen Rieslingen, es arbeitete mit wenig<br />

Chemie, keiner Entsäuerung, niedrigem Ertrag und<br />

einer späten, aber nicht zu späten Lese. 1983, im<br />

Jahr eins nach dem Jubiläum »100 Jahre Weingüter<br />

Wegeler­Deinhard«, kreierte Holderrieth dann den<br />

Der Rüdesheimer Berg Roseneck gehört zu<br />

den vier herausragenden Lagen, die gleichsam<br />

als Rückgrat der Cuvée jedes Jahr dabei sind<br />

Geheimrat »J«, einen trockenen Rheingau­Riesling,<br />

dessen Mostgewicht von 93 Oechsle deutlich über<br />

dem einer normalen Spätlese lag.<br />

Eine trockene Spätlese? <strong>Das</strong> erschien<br />

bei der Premiere 1985 exotisch<br />

Als Spätlese hielt sich der 1985 vorgestellte Premieren<br />

jahrgang im Rahmen des deutschen Weingesetzes<br />

– die Geschmacksrichtung trocken machte<br />

ihn allerdings zum Exoten. Weine ohne Restsüße<br />

bildeten weniger als fünf Prozent der Produktion,<br />

meistens Diabetikerweine als QbA oder Kabinett.<br />

Daneben wich der Geheimrat »J« gleich in zweierlei<br />

Hinsicht grundlegend von den klassischen Prin zi ­<br />

pien des deutschen Weinbaus ab. Erst einmal durch<br />

das Konzept: Die Trauben stammten nicht aus einer<br />

einzelnen Lage, sondern waren eine Cuvée der besten<br />

Partien des Gutes. <strong>Das</strong> war und ist in der Champagne<br />

oder in Bordeaux gang und gäbe, gilt dort doch die<br />

Assemblage, also das Zusammenstellen eines Blends<br />

durch den Kellermeister und sein Team, als eigene<br />

Kunstform. Eins und eins sind da mehr als zwei, die<br />

Cuvetierung wird dazu genutzt, einem Wein durch<br />

die Auswahl seiner Bestandteile die größtmögliche<br />

Balance und Komplexität zu verleihen. Außerdem<br />

können die Nachteile eines Jahrgangs ausgeglichen<br />

werden, sodass mit der Zeit in den Weinen eine<br />

Kontinuität sichtbar wird, nämlich das Savoir­faire<br />

104 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> RHEINGAU<br />

RHEINGAU <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 105


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144 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> 145


<strong>FINE</strong>ABGANG<br />

EIN OFFENES WORT<br />

ZUM GEHEIMRAT<br />

Wine of the Year<br />

2023<br />

100/100<br />

Wenn Sie es nicht schon wussten, haben Sie es in diesem Heft aus Stefan<br />

Pegatzkys Artikel über die 40-jährige Entwicklung des Geheimrat »J«<br />

erfahren: Ich bin seit einigen Jahren Gesellschafter bei den Weingütern<br />

Wegeler. Ist es unter diesen Umständen statthaft, wenn <strong>FINE</strong> sich ausführlich<br />

mit ihrer berühmten Rheingauer Riesling-Cuvée befasst? Die Frage liegt nahe<br />

und ist berechtigt, darum möchte ich an dieser Stelle erklären, warum meine Antwort<br />

darauf »ja« lautet.<br />

<strong>Das</strong>s ein Fachverleger und Weinliebhaber sich auf dem höchsten erreichbaren<br />

Niveau engagiert, sollte Ehrensache sein. Zudem liegt mir der Geheimrat »J«,<br />

dessen Anfänge mit meiner Frühzeit als Sommelier zusammenfallen, seit vier<br />

Jahrzehnten persönlich am Herzen – schon deswegen konnte ich der Gelegenheit,<br />

bei Wegeler zu investieren, nicht widerstehen. Wäre es aber nun angemessen,<br />

dieses Traditionsweingut aus unserer Berichterstattung zu verbannen? Sollte ich<br />

Ihnen sagen: Gerade feiert ein Wein Jubiläum, den finde ich großartig, und er<br />

ist auch historisch bedeutend, aber wir können leider nicht darüber berichten,<br />

weil ich an dem Gut beteiligt bin? <strong>Das</strong> klänge erst recht nach schlecht versteckter<br />

Werb ung. Oder sollten wir den Geheimrat »J« einfach ignorieren? <strong>Das</strong> fände ich<br />

unlauter Ihnen gegenüber, schließlich haben Sie den Anspruch, von uns bestmöglich<br />

informiert zu werden.<br />

<strong>Das</strong>s ich unsere Autoren hier so wenig beeinflusst habe wie bei anderen Themen,<br />

kann ich Ihnen nur versichern, nicht beweisen. Doch zum Glück besteht<br />

die Leserschaft von <strong>FINE</strong> ja aus erwachsenen Menschen, die sich ihr Urteil selber<br />

bilden können. Seien Sie also gern misstrauisch, ziehen Sie so viel von dem ab,<br />

was bei uns über den Geheimrat »J« steht, wie Ihnen richtig erscheint. Wenn Sie<br />

dann trotzdem noch seinen 40. Geburtstag feiern mögen, sollte es mich freuen.<br />

Ich meine, so objektiv ich kann: Er hat es verdient.<br />

Ihr Ralf Frenzel<br />

Verleger und Herausgeber<br />

146 <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2024</strong> ABGANG

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