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Magazin-2024-1

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Nr. 1 | März <strong>2024</strong><br />

KOLUMBIEN<br />

Eine Geschichte, die Hoffnung macht<br />

KONZERNVERANTWORTUNG<br />

Wieso die Schweiz jetzt aufholen muss


Franziska Lauper<br />

Geschäftsleiterin terre des hommes schweiz<br />

Liebe Leser*innen<br />

Durch Krieg, Covid und Klimakrise leiden weltweit<br />

immer mehr Menschen unter Hunger und Armut.<br />

Trotzdem will der Bundesrat für den Globalen Süden<br />

weniger Geld zur Verfügung stellen. Ich kann mich<br />

nicht erinnern, dass die Zeiten für die Internationale<br />

Zusammenarbeit je so schlecht waren wie heute.<br />

Gerade deshalb sind jetzt Stimmen wichtig, die sich für<br />

eine international solidarische Schweiz einsetzen. Dies<br />

ist für die Sicherheit und die Würde aller Menschen<br />

entscheidend.<br />

Seit der Verabschiedung der global vereinbarten Entwicklungsziele<br />

konnten deutliche Entwicklungserfolge<br />

in den Bereichen der Bildung, der globalen Gesundheit<br />

und der Armutsbekämpfung erzielt werden. Die<br />

Pandemie hat viele davon innerhalb von kürzester Zeit<br />

zunichtegemacht. Der Krieg gegen die Ukraine hat zu<br />

einer massiven Erhöhung der Lebensmittelpreise in<br />

vielen Weltregionen geführt.<br />

Die Schweiz mit ihrem international bedeutenden<br />

Finanz- und Rohstoffhandelsplatz hat die finanziellen<br />

Mittel, hier Gegensteuer zu geben. Sie muss ihre<br />

globale Verantwortung wahrnehmen und ihre Politik<br />

entsprechend anpassen – sie muss weniger nehmen<br />

und endlich mehr geben. Der Bund plant jedoch, die<br />

Mittel für die Internationale Zusammenarbeit für die<br />

ärmsten Länder auf Kosten des Ukraine-Wiederaufbaus<br />

drastisch zu kürzen.<br />

Dagegen müssen wir uns wehren! Unsere Solidarität<br />

muss auch den Menschen im Globalen Süden gelten,<br />

die tagtäglich für Rechte kämpfen, die uns selbstverständlich<br />

erscheinen. Beteiligen Sie sich mit einem<br />

Statement an der Kampagne «#MehrSolidaritätJetzt»<br />

(s. Seite 7). Mit einer Spende können Sie unsere Arbeit<br />

in der Schweiz, Afrika und Lateinamerika unterstützen.<br />

Herzlichen Dank!<br />

Inhalt<br />

3 Aktuelles und Kurznews<br />

4 Kolumbien Zukunft für junge Bäuer*innen<br />

7 Schweiz Kampagne «#MehrSolidaritätJetzt»<br />

8 Entwicklungspolitik Konzernverantwortung<br />

10 Rezept Chicorée mit Mozzarella<br />

11 Nachlassplanung Das letzte Wort haben Sie<br />

12 Nachgefragt Robert Guerra<br />

KALENDER<br />

8. März Internationaler Frauentag<br />

7. April Weltgesundheitstag<br />

Impressum<br />

magazin terre des hommes schweiz<br />

Ausgabe Nr. 1, März 2023<br />

Kasernenhof 8, CH-4058 Basel<br />

IBAN CH18 0900 0000 4000 0260 2<br />

Auflage: 21 457 Ex.<br />

5 Franken für 4 Ausgaben im Jahr<br />

Redaktion: Loredana Engler<br />

Begleitbrief: Loredana Engler<br />

Visuelle Gestaltung und Bildredaktion: Michèle Minet<br />

Korrektorat: Loredana Engler, Sylvia Valentin<br />

Druck: Gremper AG, Basel/Pratteln<br />

Papier: Amber® Graphic, FSC für Öko-Waldwirtschaft<br />

Titelseite Foto: Susanne Furler<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong>


AKTUELLES UND KURZNEWS<br />

Frauentag 8. März: Wieso es<br />

ihn noch immer braucht<br />

Derzeitigen Prognosen zufolge werden<br />

ganze 132 Jahre vergehen, bis wir<br />

beim aktuellen Tempo weltweit die<br />

volle Gleichstellung der Geschlechter<br />

erreichen. Diese Zahl ist ein Weckruf,<br />

denn sie erinnert uns daran, dass trotz<br />

bereits erzielter Fortschritte noch erhebliche<br />

Anstrengungen erforderlich<br />

sind, um echte Gleichberechtigung zu<br />

verwirklichen – sowohl in der Schweiz<br />

als auch in unseren Projektländern in<br />

Afrika und Lateinamerika.<br />

In unseren Projekten legen wir und unsere<br />

Partnerorganisationen den Fokus<br />

darauf, Mädchen und junge Frauen<br />

vor sexualisierter Gewalt und Frühverheiratung<br />

zu schützen. Doch nicht<br />

nur der Schutz, sondern auch die aktive<br />

Unterstützung ist entscheidend.<br />

Wir schaffen ein Umfeld, das es ihnen<br />

ermöglicht, ihre Zukunft frei von<br />

Gewalt selbst zu gestalten. Wir setzen<br />

uns dafür ein, die Geschlechtergleichstellung<br />

zu stärken und die Frauenrechte<br />

konkret umzusetzen.<br />

Der Internationale Frauentag bleibt<br />

nicht nur ein Tag, um auf Ungleichheiten<br />

aufmerksam zu machen, sondern<br />

auch, um sich für eine gerechtere<br />

und gleichberechtigtere Zukunft<br />

einzusetzen. LEn<br />

Junge selbstbewusste Frauen machen sich für ihre Rechte stark. Foto Hafid Derbal<br />

Sie möchten Mädchen und Frauen in unseren<br />

Projekten nachhaltig stärken?<br />

Übernehmen Sie eine Patenschaft!<br />

Ihre Meinung ist gefragt!<br />

Was ist Ihre Meinung zu unserem <strong>Magazin</strong>?<br />

Bitte nehmen Sie sich einen<br />

kurzen Moment Zeit, um an unserer<br />

Online-Umfrage teilzunehmen. Ihre<br />

Antworten helfen uns, die Inhalte und<br />

Themen besser abzustimmen. Vielen<br />

Dank im Voraus für Ihre Teilnahme!<br />

Hier geht es zur Umfrage<br />

Mitmachen und gewinnen!<br />

Bitte den Fragebogen online<br />

bis 30. April <strong>2024</strong> ausfüllen.<br />

Unter allen Teilnehmer*innen<br />

verlosen wir drei handsignierte<br />

Kochbücher unserer<br />

Botschafterin, der Sterneköchin<br />

Tanja Grandits.<br />

Foto iStock<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong> 3


KOLUMBIEN<br />

Zukunft für junge Menschen auf dem Land<br />

Der jahrzehntelange bewaffnete Konflikt in Kolumbien hat tiefe Spuren in der<br />

Bevölkerung hinterlassen. Der Alltag war lange von Gewalt geprägt, Menschen<br />

wurden vertrieben und bäuerliche Gemeinschaften zerstört. Auch die Familie<br />

der 23-jährigen Bäuerin Luz Dey Aguirre musste fliehen. Doch ihre Geschichte<br />

macht Hoffnung und zeigt, dass auch auf dem Land eine würdevolle Zukunft<br />

möglich ist.<br />

Luz Dey Aguirre<br />

ist Bäuerin aus<br />

Überzeugung.<br />

Nebenbei berät<br />

sie junge Bäuer*innen<br />

und ist<br />

im Gemeinderat<br />

aktiv.<br />

Foto Susanne Furler<br />

Luz Dey Aguirre blickt auf die üppigen grünen<br />

Wälder, klaren Flüsse und sanften Hängen rund<br />

um ihr Dorf El Silencio (Anm. d. Red. «Die Stille»).<br />

Hier im ländlichen Teil des Departements Antioquia<br />

im Nordwesten Kolumbiens scheint die Welt<br />

in Ordnung. Doch die Geschichte von Luz Dey<br />

Aguirre beginnt nicht in dieser idyllischen Umgebung.<br />

Als Kind musste ihre Familie vor den gewaltsamen<br />

Auseinandersetzungen zwischen Regierung<br />

und paramilitärischen Gruppen fliehen. Luz Dey<br />

Aguirre, ihre Eltern, ihre zwei Schwestern und<br />

zwei Brüder haben im kleinen Weiler El Silencio<br />

eine neue Heimat gefunden. Die Familie bewirtschaftet<br />

ihr eigenes Feld und betreibt eine Fisch-<br />

zucht. Neben dem Anbau von Bananen, Maniok,<br />

Mais und Bohnen produzieren sie auch Kaffee. Da<br />

aber der Kaffeepreis und die Kosten für Düngemittel<br />

stark schwanken, reicht das Einkommen nicht<br />

immer.<br />

Jugendtreffen und Filmabende<br />

Luz Dey Aguirre ging schon als Kind an die Treffen<br />

unserer Partnerorganisation ACA (Asociación<br />

Campesina de Antioquia). «Ich ging mit meinen<br />

Freund*innen hin und fühlte mich gleich wohl.<br />

Die Filmabende für die ganze Gemeinde, welche<br />

ACA bis heute organisiert, sind für mich nach wie<br />

vor wichtige Termine.» Die obligatorische Schulzeit<br />

4 magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong>


Stolz: Die jungen<br />

Frauen in El<br />

Silencio lassen<br />

in farbenfrohen<br />

Roben traditionelle<br />

kolumbianische<br />

Tänze<br />

aufleben.<br />

Foto Susanne Furler<br />

konnte Luz Dey Aguirre in Nachbardörfern besuchen,<br />

für das Gymnasium musste sie aber zu Verwandten<br />

ziehen in die Hauptstadt des Bezirks, Argelia<br />

de María. Da es auf dem Land für junge Menschen<br />

kaum Einkommensmöglichkeiten gibt, kehren<br />

viele nach der Schulzeit nicht in ihre Dörfer<br />

zurück, sondern bleiben in der Stadt. Einige von<br />

ihnen kommen mit Drogen in Kontakt, beginnen<br />

selbst zu konsumieren, werden – ob freiwillig oder<br />

unter Druck – für den Drogenhandel rekrutiert.<br />

Wiederum andere sehen keine andere Möglichkeit,<br />

als sich zu prostituieren.<br />

Perspektiven auf dem Land schaffen<br />

Unsere Partnerorganisation ACA engagiert sich<br />

seit 2009 für die Verbesserung der Perspektiven<br />

für Jugendliche und junge Erwachsene im östlichen,<br />

ruralen Teil des Departements Antioquia.<br />

Diese Region war mehr als andere von Gewalt<br />

und schweren bewaffneten Auseinandersetzungen<br />

zwischen Regierung und FARC-Gruppierungen<br />

betroffen. Als Folge davon zogen unzählige<br />

Menschen in die Städte. Dadurch ging aber vielerorts<br />

die bäuerliche Identität verloren und Gemeinschaften<br />

brachen auseinander. Aus diesem<br />

Grund bildet ACA in zwölf Dörfern 220 junge<br />

Bäuer*innen in traditionellen und biologischen<br />

Anbaumethoden aus. Sie lernen unter anderem<br />

Gemüsegärten und Fischteiche anzulegen, Geflügelzucht<br />

zu betreiben und Kräuter anzubauen.<br />

Dies sichert nicht nur die Existenz der jungen<br />

Menschen und ihrer Familien, sondern bewahrt<br />

auch das kleinbäuerliche traditionelle Wissen. Die<br />

Produkte werden regional vermarktet, ein Teil ist<br />

für den Eigenbedarf bestimmt.<br />

Von der Schulbank zum Gemüsegarten<br />

«Nach der Matura zog ich zurück zu meiner Familie<br />

nach El Silencio. Bald nahm ich am Ausbildungskurs<br />

für ökologische Landwirtschaft von<br />

ACA teil. Ich wollte mehr wissen über die ökologische<br />

Landwirtschaft, die Rechte von Bäuer*-<br />

innen, Kunsthandwerk und traditionelle kolumbianische<br />

Tänze. Gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen<br />

von ACA und anderen Jugendlichen im<br />

Dorf haben wir viele Gemüsegärten angelegt<br />

und Fischzuchten aufgebaut. Heute bin ich Landjugendberaterin<br />

und kann mein Wissen über die<br />

ökologischen Landwirtschaft und die bäuerliche<br />

Kultur mit anderen Jugendlichen der ganzen<br />

Region teilen. Das gibt mir ein gutes Gefühl.»<br />

Luz Dey Aguirre erzählt, dass sich ihre Sicht auf<br />

das Leben verändert hat. «Viele gehen davon aus,<br />

dass auf dem Land keine lebenswerte Zukunft<br />

möglich ist. Ich und viele andere Jugendliche sind<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong><br />

5


KOLUMBIEN<br />

Links: Einer der<br />

errichteten<br />

Fischteiche.<br />

Rechts: Luz<br />

Dey Aguirre<br />

inmitten der<br />

Gemüsegärten.<br />

Fotos Susanne Furler<br />

der Beweis dafür, dass das nicht so ist. Ich bin<br />

gerne Bäuerin und Vorbild für die jüngeren Kursteilnehmer*innen.»<br />

Die Zukunft mitgestalten<br />

Neben ihrer Tätigkeit als Bäuerin und Beraterin<br />

ist Luz Dey Aguirre auch Mitglied im Jugendrat<br />

ihrer Gemeinde. Sie nehmen sich Jugendfragen<br />

an, stärken Jugendprozesse und stellen Projekte<br />

vor, um finanzielle Unterstützung zu erhalten.<br />

Am Anfang erhielten sie nur wenig Unterstützung<br />

vom Bürgermeisteramt. Das hat sich geändert,<br />

seitdem der Jugendrat von El Silencio 2022<br />

als bester kommunaler Jugendrat im Departement<br />

Antioquia ausgezeichnet wurde. «Darauf<br />

bin ich sehr stolz. Ich sehe es als meine Pflicht,<br />

dass ich mich im Jugendrat engagiere, damit die<br />

Landjugend nicht vergessen wird.»<br />

Auf die Frage, was sich Luz Dey Aguirre für die<br />

Zukunft wünscht, überlegt sie kurz: «Mein Wunsch<br />

ist, dass wir mit dem Verkauf unserer Produkte<br />

unseren Lebensunterhalt vollständig selbst verdienen<br />

können und sich dadurch unsere Lebensbedingungen<br />

weiter verbessern.» Damit sich das<br />

erfüllt, hat sie einen Plan: Sie möchte Heilpflanzen<br />

anbauen und verkaufen. Unsere Partnerorganisation<br />

ACA unterstützt sie dabei mit einer Ausbildung<br />

und fachlicher Begleitung.<br />

Susanne Furler, Programmkoordination Kolumbien<br />

Nachhaltige Lebensgrundlagen – Sustainable Livelihoods<br />

Junge Menschen aus ländlichen Gegenden wie zum Beispiel Luz Dey Aguirre haben es besonders<br />

schwer, ihren Traum von einem besseren Leben zu verwirklichen. Sie wohnen in Regionen, die überdurchschnittlich<br />

stark von Konflikten oder den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Wir arbeiten<br />

mit lokalen Partnerorganisationen in Afrika und Lateinamerika zusammen, die jungen Menschen den<br />

Zugang zu einer beruflichen Ausbildung ermöglichen. Gemeinsam unterstützen wir benachteiligte<br />

Jugendliche beim Aufbau ihres Kleinunternehmens in nachhaltiger Landwirtschaft, mit dem sie ein<br />

Einkommen erzielen können. Dadurch verbessern sich ihre Lebensbedingungen.<br />

Mit Ihrer<br />

Spende stärken<br />

Sie noch viele<br />

weitere junge<br />

Menschen.<br />

Vielen Dank!<br />

6<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong>


SCHWEIZ<br />

Jetzt Entwicklungszusammenarbeit stärken!<br />

Mit der Kampagne «#MehrSolidarität-<br />

Jetzt» setzen sich terre des hommes<br />

schweiz und eine breite Allianz zivilgesellschaftlicher<br />

Organisationen sowie<br />

Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft<br />

für eine starke Entwicklungszusammenarbeit<br />

ein.<br />

Das Parlament erhöht die Militärausgaben<br />

und legt die Schuldenbremse<br />

streng aus. Dies führt zu Kürzungen<br />

in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

für die ärmsten Länder. Der Bundesrat<br />

plant, Milliarden für den Ukraine-<br />

Wiederaufbau aus dem Budget der Internationalen<br />

Zusammenarbeit zu<br />

nehmen. Die Ukraine verdient Unterstützung,<br />

aber nicht auf Kosten des<br />

Globalen Südens.<br />

Es ist höchste Zeit für mehr Solidarität<br />

mit den Menschen in extremer Armut.<br />

Die Schweiz muss das UNO-Ziel<br />

von 0.7% des Bruttonationaleinkommens<br />

für die Entwicklungszusammenarbeit<br />

erfüllen. Die geplanten 0.36%<br />

sind beschämend niedrig und die strikte<br />

Schuldenbremse verhindert eine solidarische<br />

Schweiz. LEn<br />

Jetzt mehr Solidarität mit den vielen Menschen,<br />

die in extremer Armut leben und Gefahr laufen,<br />

in Vergessenheit zu geraten!<br />

Laden Sie hier Ihre persönliche Botschaft hoch<br />

und bekennen Sie Farbe:<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong><br />

7


Glencore-Mine Cerro de Pasco in Peru. Boden und Trinkwasser sind mit Schwermetallen verseucht. Untersuchungen zeigten, dass viele Kinder<br />

unter Schwermetallvergiftungen leiden. Foto zVg Koalition für Konzernverantwortung<br />

Konzernverantwortung:<br />

Die Schweiz muss nun aufholen<br />

Die neuen Richtlinien zur Konzernverantwortung<br />

in EU-Ländern sind jetzt<br />

klar. Sie gehen in wesentlichen Punkten<br />

weiter als das aktuelle Gesetz in<br />

der Schweiz. Wie bei der Abstimmung<br />

über die Konzernverantwortungsinitiative<br />

versprochen, muss die Schweiz<br />

nun aufholen.<br />

Es war eine lange Verhandlungsnacht<br />

in Brüssel. Im Europaviertel brannten<br />

am 13. Dezember letztes Jahr die Lichter<br />

bis 7.00 Uhr in der Früh. Dann war<br />

es soweit: Die seit Langem erwarteten<br />

EU-Richtlinien zu Konzernverantwortung<br />

waren fertig. Nun müssen sie formell<br />

noch definitiv verabschiedet werden,<br />

was diesen Frühling geschehen<br />

dürfte.<br />

Mit Freude erwartet wurden sie auch<br />

von den Unterstützer*innen der<br />

Schweizer Konzernverantwortungsinitiative<br />

(KVI), die 2020 nur am Ständemehr<br />

scheiterte. Denn schon länger<br />

ist klar, dass die neuen Regeln für EU-<br />

Länder in relevanten Punkten weitergehen<br />

als das aktuelle Gesetz in der<br />

Schweiz. Das Hauptargument der damaligen<br />

Gegner*innen der KVI, nämlich<br />

kein Alleingang der Schweiz, ist<br />

somit hinfällig.<br />

Aufsichtsbehörde ist möglich<br />

Diese erwarteten das Gesetz denn<br />

auch mit weniger Freude. Sie haben<br />

erreicht, dass für Schweizer Unternehmen<br />

aktuell nur eine Sorgfaltspflicht<br />

für die Bereiche Kinderarbeit<br />

und Konfliktmineralien gilt. Die generelle<br />

Einhaltung von Menschenrechten<br />

oder Umweltstandards gehören<br />

nicht dazu.<br />

Die neuen EU-Regeln gelten für alle<br />

Firmen mit einem Umsatz ab 150 Millionen<br />

Euro und mindestens 500 Angestellten.<br />

Für Risikobranchen wie<br />

etwa Landwirtschaft, Bauwirtschaft,<br />

Textilien und der Abbau von Bodenschätzen<br />

liegen die Schwellenwerte<br />

tiefer. Die Firmen müssen dabei die<br />

Sorgfaltspflicht nicht nur für ihre<br />

Tochterfirmen und sonstige etablierten<br />

Geschäftspartner*innen einhalten,<br />

sondern auch für ihre Zulieferer. Wie<br />

denn sowas überhaupt möglich sein<br />

solle, wurde in der Schweiz in den<br />

Debatten um die KVI heiss diskutiert.<br />

Überwacht wird die Einhaltung der<br />

Sorgfaltspflicht von einer Aufsichtsbehörde.<br />

Eine solche zu fordern, hatte<br />

sich die KVI für die Schweiz nicht getraut.<br />

Zu viel Wind in die Segel der<br />

Gegner*innen. Eine Behörde schaffen,<br />

die angeblich Unkontrollierbares kontrollieren<br />

soll? Als zu unrealistisch, aufwändig<br />

und teuer wurde die KVI schon<br />

ohne neue Behörde bezeichnet. Die 27<br />

EU-Mitgliedsländer sehen eine solche<br />

offenbar als sinnvoll und machbar an.<br />

Verstösse haben Konsequenzen<br />

Diese Behörde kann Untersuchungen<br />

durchführen und spricht bei Verstössen<br />

8 magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong>


ENTWICKLUNGSPOLITIK<br />

Bussen aus. Die maximale Bussenhöhe<br />

muss mindestens 5 Prozent des jährlichen<br />

Umsatzes des Unternehmens betragen.<br />

Zudem sind die Konzerne auch<br />

zivilrechtlich haftbar für entstandene<br />

Schäden, wenn sie ihrer Sorgfaltspflicht<br />

nicht nachgekommen sind. In einem<br />

solchen Prozess haben die Konzerne eine<br />

Herausgabepflicht für Dokumente,<br />

die der Beweisführung dienen. Das aktuelle<br />

Schweizer Gesetz sieht keinerlei<br />

Haftung vor.<br />

Neue Initiative<br />

Die Schweiz muss ihre Regeln zur Konzernverantwortung<br />

nun deutlich verbessern und sich<br />

an jenen der EU orientieren. Es braucht Klarheit<br />

und einheitliche Rechtsrahmen für alle Schweizer<br />

Unternehmen. Dies sehen auch Wirtschaftsakteur*innen<br />

wie die IG Detailhandel oder IKEA so,<br />

die sich in den Medien entsprechend geäussert<br />

haben. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass<br />

sich der Bundesrat ohne zusätzlichen Druck wenig<br />

bewegt. Die Koalition für Konzernverantwortung<br />

bereitet deshalb eine neue Volksinitiative vor.<br />

In die EU-Regeln wurde auch das Thema<br />

Klima aufgenommen. Die Unternehmen<br />

sollen in einem Plan darlegen, wie<br />

sie ihr Geschäftsmodell künftig so ausrichten<br />

wollen, dass es mit dem 1,5%<br />

Ziel der maximalen globalen Erwärmung<br />

kompatibel ist.<br />

In der Schweiz nicht durchsetzbar<br />

Von der Gesetzgebung werden auch<br />

Schweizer Firmen betroffen sein, die in<br />

der EU einen Jahresumsatz von mindestens<br />

150 Millionen machen. Weitere<br />

Firmen werden als Zulieferer von<br />

in EU-Ländern ansässigen Unternehmen<br />

Garantien abgeben müssen, sich<br />

an die Vorgaben zur Einhaltung von<br />

Menschenrechten und Umweltstandards<br />

zu halten. Die Krux dabei: Sanktionen<br />

von ausländischen Behörden<br />

oder Gerichten sind in der Schweiz<br />

nicht durchsetzbar.<br />

Die Entwicklungen in der EU machen<br />

klar, dass die Schweizer Gesetzgebung<br />

nun nachziehen muss, wie dies<br />

vom Bundesrat im Abstimmungskampf<br />

der KVI versprochen wurde.<br />

Die Schweiz befindet sich bezüglich<br />

Richtlinien zu Konzernverantwortung<br />

tatsächlich im Alleingang. Sie<br />

hinkt den europäischen Ländern hinterher.<br />

Sylvia Valentin, Entwicklungspolitische Kampagnen<br />

KVI, geltendes Schweizer und geplantes<br />

EU-Gesetz im Vergleich<br />

KVI (2020)<br />

Geltendes Schweizer<br />

Gesetz (in Kraft seit<br />

1. 1. 2020)<br />

Geplantes<br />

EU-Gesetz<br />

Sorgfaltspflicht<br />

Menschenrechte<br />

Nur für Kinderarbeit<br />

und Konfliktmaterialien<br />

Umweltstandards<br />

Klimapflichten<br />

Aufsicht<br />

Haftung<br />

Verbindliche Absenkpfade für<br />

CO₂-Emissionen<br />

Aufsichtsbehörde mit Sanktionskompetenz<br />

…für Schäden von Tochterfirmen<br />

…für Schäden von Zulieferern<br />

Die Vergleichstabelle zeigt, dass die geplanten EU-Richtlinien deutlich weiter gehen als die aktuelle Schweizer Gesetzgebung.<br />

(Stand bei Redaktionsschluss).<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong><br />

9


REZEPT<br />

CHICORÉE MIT MOZZARELLA<br />

«Wenn es während der kalten Jahreszeit etwas knackig Frisches braucht, ist<br />

der zartbittere Chicorée mein Favorit. Er hat eine belebende Wirkung, und<br />

zusammen mit dem cremigen Mozzarella und den süssen Feigen wird daraus<br />

eine schöne Vorspeise. Das schwarze Sesamdressing passt auch zu vielen anderen<br />

Salaten sehr gut.» Tanja Grandits<br />

Sesamdressing<br />

100 ml Sonnenblumenöl<br />

5 EL Sojasauce<br />

3 EL Ahornsirup<br />

4 EL Reisessig<br />

1 EL geröstetes Sesamöl<br />

2 EL schwarzer Sesam, geröstet,<br />

Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle<br />

Salat<br />

3 gelbe Chicorée<br />

3 rote Chicorée<br />

6 Feigen<br />

4 Büffelmozzarella<br />

2 EL schwarzer Sesam, geröstet<br />

Foto Lukas Lienhard, AT Verlag<br />

1. Für das Dressing alle Zutaten fein mixen.<br />

2. Für den Salat den Strunk des Chicorées keilförmig herausschneiden.<br />

Die Blätter längs halbieren, kleine Blätter ganz<br />

lassen und in eine Schale geben.<br />

3. Die Feigen sechsteln und darauflegen. Den Mozzarella<br />

zerpflücken und in die Schale geben. Mit dem Dressing<br />

marinieren und den gerösteten Sesam darüberstreuen.<br />

Das neue Kochbuch von<br />

Tanja Grandits kaufen<br />

und gleichzeitig spenden<br />

Tanja Grandits ist Botschafterin<br />

unseres Partnerprojekts Ebli für<br />

Teenage-Mütter in Tansania.<br />

Das Rezept stammt aus ihrem<br />

brandneu erschienenen<br />

Kochbuch «Einfach Tanja». Für<br />

90 Franken inklusive Spende<br />

erhalten Sie das neue Kochbuch<br />

mit persönlicher Signatur<br />

von Tanja Grandits.<br />

10 magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong>


NACHLASSPLANUNG<br />

Foto iStock<br />

Das letzte Wort<br />

haben Sie.<br />

Webinare <strong>2024</strong><br />

Mit einer frühzeitigen Nachlassplanung<br />

sorgen Sie dafür, dass Sie nach<br />

Ihrem Tod auch tatsächlich das letzte<br />

Wort haben. Mit einem Testament<br />

bestimmen Sie zu Lebzeiten, wer wie<br />

viel Ihres Nachlasses erben soll, wenn<br />

Sie nicht mehr da sind.<br />

Nutzen Sie die Möglichkeiten des<br />

neuen Erbrechts und begünstigen<br />

Sie Menschen und Organisationen,<br />

die Ihnen wirklich am Herzen liegen.<br />

Dies sind nämlich nicht immer<br />

die gesetzlich vorgesehenen Erb*innen.<br />

Erstellen Sie ein Testament und<br />

bestimmen Sie im Rahmen des Gesetzes<br />

die Anteile für Ihre Kinder,<br />

Partner*innen, Freund*innen und gemeinnützige<br />

Organisationen.<br />

Neu bieten wir unseren Spender*innen<br />

in diesem Jahr vier kostenlose<br />

Webinare zu Nachlassplanung<br />

und Testament an. Dein Adieu, das<br />

Schweizer Portal für ein selbstbestimmtes<br />

Lebensende, führt sie mit<br />

dem Erbrechtsexperten Dr. iur.<br />

Marc’Antonio Iten durch. Die Webinare<br />

vermitteln wichtiges Wissen<br />

zur Nachlassplanung und helfen bei<br />

der Erstellung eines eigenen Testaments.<br />

Ihre Fragen beantwortet der<br />

Experte im Live-Chat. Sie erhalten<br />

nach der Anmeldung einen Link und<br />

können gemütlich von zu Hause mit<br />

Ihrem Computer, Laptop, Tablet oder<br />

Smartphone teilnehmen. Reservieren<br />

Sie sich schon heute einen Termin<br />

und melden Sie sich an.<br />

Bevorzugen Sie einen persönlichen<br />

Anlass? Wir bieten voraussichtlich<br />

Ende Mai <strong>2024</strong> in Zürich einen solchen<br />

an. Eine Einladung wird folgen.<br />

Hier können Sie bereits jetzt unseren<br />

Testament-Ratgeber per Post oder<br />

per E-Mail bestellen und sich erste<br />

Gedanken machen. QR-Code unten<br />

scannen, Bestellformular ausfüllen,<br />

abschicken.<br />

Haben Sie Fragen?<br />

Gerne berate ich Sie: 061 338 91 36,<br />

susanne.buri@terredeshommes.ch<br />

Susanne Buri<br />

Verantwortliche<br />

Erbschaften<br />

7. März 15.00 – 16.00 Uhr<br />

29. Mai 19.00 – 20.00 Uhr<br />

19. September 10.00 – 11.00 Uhr<br />

11. November 13.15 – 14.15 Uhr<br />

Anmeldung<br />

Code mit Smartphone fotografieren,<br />

Website öffnen, Webinar auswählen,<br />

Namen eingeben und registrieren.<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 1 <strong>2024</strong><br />

11


«Meine Realität ist nicht<br />

einfach: Ich bin ein Transmann,<br />

schwarz und lebe<br />

in einer Favela. Das Projekt<br />

hat meine Sichtweise<br />

verändert und gibt mir<br />

Hoffnung. Diese gebe ich<br />

weiter. Ich kämpfe für<br />

eine chancengleiche Welt<br />

ohne Unterdrückung,<br />

bessere Sicherheit für alle<br />

und eine Politik für junge<br />

Menschen aus Randgebieten.»<br />

Robert Guerra, 23, politischer Aktivist und<br />

Künstler aus Brasilien<br />

Foto Comunicação GCASC<br />

Aufzeichnung Fabiana Kuriki, Programmkoordination Brasilien<br />

Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation GCASC<br />

stärken wir die Rechte von jungen Menschen in<br />

Peixinhos, einem Quartier von Olinda im Bundesstaat<br />

Pernambuco. Mit kulturellen, pädagogischen und<br />

sportlichen Aktivitäten sowie Kommunikations- und<br />

Gesundheitsförderung erreichen wir jährlich rund<br />

11 500 junge Menschen und leisten damit einen Beitrag<br />

zur Friedenskultur.<br />

Mehr zu unseren Projekten in Brasilien<br />

12

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