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NL_FOCUS_2024_10_Bayer

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KONZERNE<br />

Klagen wegen des Pflanzengifts Glyphosat konfrontiert<br />

Gefloppt Nach dem Forschungs-Aus für ein Schlaganfallmittel sucht <strong>Bayer</strong>s Pharma-Sparte nach neuen Hoffnungsträgern<br />

Fotos: Getty Images, action press, dpa, Ralf Krieger<br />

»<br />

Manche<br />

Mit arbeiter<br />

feiern ihn und<br />

machen Selfies<br />

mit Anderson<br />

«<br />

Nina Melches,<br />

Chemie-Gewerkschafterin<br />

sich einst kilometerlang zwischen Köln<br />

und Düsseldorf am Rhein entlangzog, als<br />

sichere Bank – abgesehen von gelegentlichen<br />

Krisen wie den um den Cholesterinsenker<br />

Lipobay, der das Unternehmen<br />

2001 empfindlich traf. Vor nicht einmal<br />

zehn Jahren, 2015, war <strong>Bayer</strong> an der<br />

Börse 120 Milliarden Euro wert, und damit<br />

mehr wert als Größen wie Volkswagen,<br />

SAP oder Siemens.<br />

Dann allerdings folgte der Deal, der<br />

die <strong>Bayer</strong>-Welt auf den Kopf stellte. Im<br />

Frühjahr 2016 wurde Werner Baumann<br />

Konzernchef, ein Eigengewächs.<br />

Sagte der stets korrekt<br />

im Anzug gewandete Finanzexperte<br />

noch kurz vor Amtsantritt,<br />

mit ihm werde es „eher<br />

Evolution als Revolution“<br />

geben, kündigte er wenige<br />

Wochen später an, Monsanto<br />

in den USA zu übernehmen.<br />

Am Ende einer Übernahmeschlacht<br />

zahlte man 60 Milliarden<br />

Euro für den umstrittenen<br />

Saatguthersteller.<br />

Die Übernahme machte<br />

die Leverkusener zwar zum<br />

größten Agrochemie-Konzern<br />

der Welt. Allerdings zu<br />

einem hohen Preis: Aktuell<br />

liegen die <strong>Bayer</strong>-Schulden<br />

bei 36 Milliarden Euro<br />

– mehr, als der Konzern an<br />

der Börse noch wert ist. Mit<br />

der Übernahme provozierte<br />

der Konzern zudem endlose<br />

Gerichtsverfahren, die zusammenhängen<br />

mit dem Monsanto-Unkrautvernichtungsmittel<br />

Roundup und dessen<br />

Wirkstoff Glyphosat. An dem auch<br />

in Deutschland eingesetzten Pflanzengift<br />

scheiden sich die Geister. Während<br />

die Internationale Agentur für Krebsforschung<br />

Glyphosat als „wahrscheinlich“<br />

krebserregend einstufte, verlängerte die<br />

EU erst im vergangenen November dessen<br />

Zulassung für weitere zehn Jahre.<br />

Komplizierter ist die Lage in den USA.<br />

Dort erkannte zwar die zentrale Environmental<br />

Protection Agency keine Krebsgefahr.<br />

Doch einzelne Bundesstaaten<br />

bewerten die<br />

Sache anders. Und zuletzt<br />

verlor <strong>Bayer</strong> nach neun in<br />

Folge gewonnenen Verfahren<br />

in kurzer Taktung aufsehenerregende<br />

Prozesse und<br />

wurde teils von Laienjurys zu<br />

Rekordstrafen von bis zu 2,25<br />

Milliarden Dollar verurteilt.<br />

Zwar sind 113 000 Verfahren<br />

inzwischen beigelegt. Doch<br />

noch sind fast 50 000 Klagen<br />

offen – und nach den jüngsten<br />

Urteilen wittern Klägeranwälte<br />

neue Chancen.<br />

Die Unsicherheit über den<br />

Fortgang belastet den Konzern.<br />

„Wenn <strong>Bayer</strong> erneut<br />

Vergleiche erzielt, wird das<br />

künftige Prozesse nicht verhindern,<br />

und in ein, zwei<br />

Jahren kann es dann eine<br />

neue Welle von Verfahren<br />

geben”, sagt Markus Manns,<br />

Fonds-Manager und Pharma-Experte<br />

bei Union Investment. Zehn Milliarden<br />

Euro hat das Unternehmen für Vergleiche<br />

bereits gezahlt. Weitere sechs Milliarden<br />

Euro Rückstellungen haben die Rheinländer<br />

vorgenommen. Ob das reicht, ist<br />

ungewiss.<br />

Dahinter verblassen viele Erfolge der<br />

Sparte wie die Fortschritte bei Gentechnik<br />

und Pflanzenzucht. Dazu kommt: Noch<br />

2022 konnte <strong>Bayer</strong> dank hoher Preise<br />

für Glyphosat Umsatz und Gewinn kräftig<br />

steigern. Im vergangenen Jahr dagegen<br />

brach der Gewinn stark ein, weil die<br />

Konkurrenz aufholte und die Verkaufspreise<br />

sanken.<br />

Strafzahlungen und Rückstellungen in<br />

Verbindung mit schrumpfenden Erträgen<br />

führen dazu, dass an anderen Stellen<br />

Geld fehlt für überfällige Investitionen.<br />

Etwa im Pharmageschäft. Für Fondsmanager<br />

Manns steht fest: „Die Pipeline der<br />

Pharma-Sparte ist sicher eines der größten<br />

Probleme, die <strong>Bayer</strong> derzeit plagen.“<br />

Unterm Strich stehe der Konzern heute<br />

„wesentlich schlechter da als vor dem<br />

Monsanto-Kauf“.<br />

Daher schmerzt es besonders, wenn<br />

selbst fest eingeplante Hoffnungsträger<br />

patzen. Asundexian, ein Mittel gegen<br />

Schlaganfall, wird es nicht wie geplant<br />

zur Marktreife bringen. Das Medikament<br />

verhieß Blockbuster-Qualitäten und sollte<br />

im Idealfall vier bis fünf Milliarden Euro<br />

einspielen – jedes Jahr.<br />

Doch die werden nun nicht fließen.<br />

Nachdem <strong>Bayer</strong> Mitte November mitteilte,<br />

der Konzern stoppe nach dem<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>10</strong>/<strong>2024</strong><br />

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