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Aktionsbündnis zusammengeschlossen, um für eine<br />
leistungsgerechte und notwendige Erhöhung der Zuschüsse<br />
zu kämpfen. „Aktionsbündnis: Suchtberatung<br />
Baden-Württemberg retten!“ hat nun drei wichtige Forderungen<br />
an die zuständigen Regierungsstellen gestellt:<br />
1) Die Suchtberatungsstellen benötigen dringend Hilfszahlungen,<br />
um die Angebote der Einrichtungen aufrechtzuerhalten.<br />
2) Im Nachtragshaushalt 2024 muss zumindest<br />
die ursprüngliche Forderung von 25.000 Euro pro<br />
Fachkraftstelle berücksichtigt werden. 3) Ab dem Haushalt<br />
2025 muss eine sich dynamisierende Finanzierung<br />
der Suchtberatungsstellen etabliert werden.<br />
Angesichts der Problematik dürfte das wohl nicht zu viel<br />
verlangt sein, sondern es ist einfach eine Forderung nach<br />
gerechtfertigter Anerkennung ihrer Arbeit! Wahrscheinlich<br />
wird sich von den entscheidenden PolitikerInnen im<br />
Stuttgarter Landtag niemand etwas unter Suchtberatung<br />
vorstellen können oder gar die Arbeit der verschiedenen<br />
Fachkräfte richtig bewerten können. Vielleicht wäre es ja<br />
ganz hilfreich, wenn sich die PolitikerInnen das mal vor<br />
Ort anschauen. Sie könnten ja einmal für ein paar Tage in<br />
verschiedene Suchtberatungsstellen gehen und sich das<br />
Tätigkeitsfeld der FachberaterInnen anschauen. Dieser<br />
Blick von unten kann manchmal helfen, um die Arbeit<br />
in den Beratungsstellen richtig einschätzen zu können.<br />
Denn hier können keine Pauschalrechnungen aufgestellt<br />
werden, so nach dem Schema: ein Betroffener eine halbe<br />
Stunde oder Ähnliches. Die Arbeit eines Suchtberaters mit<br />
einem Klienten ist sehr komplex und auch oftmals langwierig.<br />
Das kann man auch daran sehen, dass die Krankenkassen<br />
pro Person einen Zeitraum von sechs Monaten<br />
für Beratung und Betreuung ansetzen und letztendlich<br />
auch bezahlen. In einzelnen Fällen kann die Behandlungsdauer<br />
auch verlängert werden. Wie bereits erwähnt,<br />
wurden im Jahr 2021 mehr als 60.000 Suchterkrankte in<br />
Baden-Württemberg betreut. Wenn man bei jedem einen<br />
Behandlungszeitraum von sechs Monaten rechnet, kann<br />
man ersehen, welch enormer Arbeitsaufwand hier geleistet<br />
wird!<br />
Wie muss man sich Suchtberatung vorstellen? Als Beispiel<br />
habe ich hier die Suchtberatungsstelle der AGJ in der<br />
Oberau genommen. Diese Einrichtung ist eine anerkannte<br />
Fachstelle für Prävention, Information, Beratung und<br />
Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen. Den ersten<br />
Schritt muss natürlich der Suchtkranke selbst machen, er<br />
muss den Weg zur Beratungsstelle finden. Hier angekommen<br />
erwartet ihn ein Team bestehend aus Fachkräften<br />
in den Bereichen Soziale Arbeit, Psychologie und Medizin<br />
sowie Erziehungswissenschaften. Alle im Team haben<br />
langjährige Erfahrung mit Sucht- und therapeutischer<br />
Arbeit. Die FachberaterInnen versuchen in einem ersten<br />
Gespräch mit dem Klienten festzustellen, ob dieser sich<br />
auf dem Weg in eine Abhängigkeit befindet oder schon in<br />
einer Sucht steckt. Im ersten Fall versuchen die SuchtberaterInnen<br />
gemeinsam mit dem Hilfesuchenden präventiv<br />
Wege zu finden, damit es gar nicht erst zu einer manifestierten<br />
Sucht kommt. Selbst das ist nicht in ein paar<br />
Gesprächen erledigt, es kann sehr zeit- und arbeitsintensiv<br />
sein, bis man eventuell zum Erfolg kommt. Und es<br />
braucht natürlich viel Vertrauen, von beiden Seiten. Ist<br />
der Betroffene bereits in einer Sucht, versucht man Mittel<br />
zu finden, da wieder herauszukommen. Auch das kann<br />
nicht von heute auf morgen klappen und bedarf oft mehrerer<br />
Anläufe. Die Möglichkeiten der Suchtmittelbekämpfung<br />
wären zum einen die ambulante Gesprächstherapie<br />
in der Einrichtung. Dabei werden in Einzel- und/oder<br />
Gruppengesprächen alle Aspekte der Abhängigkeit betrachtet<br />
und Methoden erarbeitet, das Leben wieder anders<br />
bzw. sinnvoller zu gestalten. Die zweite Möglichkeit<br />
ist die Behandlung in einer spezialisierten Suchtklinik.<br />
In diesem Fall hilft die Beratungsstelle bei der Beantragung<br />
einer solchen Therapie und bei den Vorbereitungen<br />
auf eine solche. Natürlich kann die suchtkranke Person<br />
vor und auch nach der Klinik in der Beratungsstelle ambulant<br />
betreut werden. Da Suchterkrankungen häufig<br />
mit psychischen Erkrankungen einhergehen, wird in der<br />
Beratungsstelle auch psychologische Betreuung angeboten,<br />
was natürlich auch während der Therapien der Fall<br />
ist. Nicht immer ist eine solche Behandlung erfolgreich,<br />
manche Leute brauchen mehrere Anläufe, wieder andere<br />
schaffen es gar nicht. Doch das liegt nicht an der Arbeit<br />
der BeraterInnen, sondern daran, dass Rückfälle zum normalen<br />
Erscheinungsbild von Suchterkrankungen gehören.<br />
Nun wird sich mach einer fragen, warum ich mich bei<br />
diesem Thema so ins Zeug lege. Das ist ganz einfach, ich<br />
kenne mich damit aus, weil ich selbst einige Jahre als<br />
Suchtkranker in eben diese Beratungsstelle in der Oberau<br />
gekommen bin. Heute bin ich seit fast zehn Jahren trockener<br />
Alkoholiker und auch bei mir hat es lange gedauert<br />
und viele Anläufe gebraucht, bis ich so weit gekommen<br />
bin. Doch am Anfang meiner Suchtbekämpfung stand die<br />
Suchtberatungsstelle, bei der ich in vielen Gesprächen<br />
viel gelernt habe. Über Sucht allgemein, über meine Sucht<br />
speziell und auch über mich. Ich war froh, dass es diese<br />
Einrichtung gab und ich wünsche mir, dass das auch in<br />
Zukunft noch viele Abhängige sagen werden.<br />
Unter https://suchtberatung-retten.de kann man mehr<br />
über das Aktionsbündnis erfahren. Mit einer Unterschrift<br />
kann man das Bündnis in ihren Forderungen unterstützen.<br />
Auch wie und wo man für das Aktionsbündnis spenden<br />
kann, erfährt man auf dieser Seite.<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 12 | 2023 9