Dezember_Ausgabe

frei.e.buerger38617
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Abb.: Selbstporträt Wentzingers (1710–1797) um 1760 DIE FREIBURGER ARMENSTIFTUNGEN UND IHRE PRÄ- GENDEN PERSÖNLICHKEITEN Mit der Zusammenlegung der Freiburger Armenstiftungen war das Armenwesen der Stadt zu Beginn des 19. Jahrhunderts im finanziellen Bereich sehr gut aufgestellt. Doch dieser „Reichtum“ kam nicht von ungefähr, er war dem Wohlwollen einiger sozial engagierter BürgerInnen Freiburgs zu verdanken. Diese hatten früh eingesehen, dass die immer größer werdende Armut wirksam bekämpft werden muss. Mit ihren Mitteln setzten sie sich in der Armenpolitik der Stadt für die Rechte der Armen ein und versuchten durch finanzielle Zuwendungen, das Elend zu bekämpfen. Einige dieser Menschen will ich an dieser Stelle erwähnen, da sie in der Stadtgeschichte und vor allem der „Armutsgeschichte“ Freiburgs eine bedeutende Rolle einnehmen. Eine der schillerndsten Figuren der Freiburger Stadtgeschichte war der bedeutende Bildhauer, Maler und Architekt Johann Christian Wentzinger (1710-1797). Wentzinger stammte aus Ehrenkirchen, der Vater war Landwirt und Besitzer mehrerer Mühlen. Die Ausbildung und der Werdegang des späteren Künstlers sind nicht ganz klar. Er lernte das Bildhauerhandwerk in Freiburg und verbrachte seine Gesellenzeit in Straßburg. Danach zog es Foto: Wikipedia ihn weiter in die Welt hinaus, unter anderem studierte er an den Akademien von Paris und Rom. Unklar bleibt, wie das alles finanziert wurde, ob Wentzinger Gönner oder Sponsoren hatte. Denn als Sohn eines Müllers hätte er die Ausbildung und vor allem die Studienreisen nach Frankreich und Italien nicht finanzieren können. Zurück in Freiburg meldete er keinen Betrieb und kein Gewerbe an, er sah sich als „akademischen Künstler“, der über dem Handwerk steht. Dadurch unterlag er natürlich auch keinem Zunftzwang. Ab 1745 lebte Wentzinger in Freiburg, im Jahr 1761 ließ er sich sein Wohnhaus am Münsterplatz bauen. In diesem Haus „Zum schönen Eck“ lebte und arbeitete der Künstler fortan. Heute ist das Haus besser als „Wentzingerhaus“ bekannt und beherbergt seit 1994 das Museum für Stadtgeschichte. Der Maler hatte sich in die Bürgermeistertochter Katharina Egg verliebt, die ihn aber höflich abwies. Sie wollte ehelos bleiben und ihr Leben den Armen widmen. Katharina Egg verstarb sehr früh und hinterließ ihr beträchtliches Vermögen dem Armenspital. Zu Lebzeiten hatte sie Wentzinger, dem sie weiter freundschaftlich verbunden war, gebeten, es ihr gleichzutun. Der Künstler hielt sein Versprechen und als er 1792 starb, hinterließ er ein Vermögen von mehr als 70.000 Gulden den Armen. Johann Christian Wentzinger wurde noch zu Lebzeiten zum Ehrenbürger und zum Ehrenstadtrat ernannt. 14 FREIeBÜRGER 12 | 2023

Genauso mysteriös wie die jungen Jahre Wentzingers ist sein Verbleib nach seinem Tod. Der große Künstler wurde zwar auf dem (heute) Alten Friedhof beerdigt, aber die genaue Stelle ist nicht mehr bekannt. Als man bei Arbeiten auf dem Friedhof die Grabstelle öffnen wollte, fand man sie leer vor. Eine Kopie seines Grabsteines lehnt heute an der Friedhofsmauer beim Eingang an der Stadtstraße. Sein originaler Grabstein steht im Wentzingerhaus. Er trägt eine Aufschrift seines Freundes Heinrich Sautier: „Er durchlebte ein Jahrhundert, durch ihn leben Jahrhunderte!“ Eine sehr große Rolle im Armenwesen spielte Heinrich Sautier (1746-1810). Heinrich Sautier stammte aus einem vermögenden Elternhaus, dem Vater gehörten mehrere Grundstücke und Häuser in Freiburg und das von ihm gegründete Bankhaus Sautier in der damaligen Kaiserstraße. Sautier besuchte das Jesuitengymnasium und trat mit 15 Jahren dem Jesuitenorden bei. Nach dem Tod des Vaters erbte er ca. 10.000 Gulden und einige Häuser und Grundtücke und hätte somit keiner Arbeit nachgehen müssen. In jungen Jahren zog es ihn allerdings auch nicht zu Banken und Finanzen hin, Sautier wollte Lehrer werden und Kinder und Jugendliche ausbilden. Das wird ihn durch sein ganzes Leben begleiten und auch nach seinem Tod bis in die heutige Zeit erhalten bleiben. Denn nach Sautiers Meinung war fehlende oder mangelhafte Bildung eine der Hauptursachen für die Armut. Deshalb legte er großen Wert auf Ausbildung, denn er vertrat die These, dass sich der Mensch nur durch Bildung aus der Armut befreien kann. Sautier selbst lehrte als Grammatiklehrer unter anderem im Jesuitenschloss in Freiburg. Nach Aufhebung des Jesuitenordens war er etwa 20 Jahre als Professor für Poetik am Akademischen Gymnasium tätig. 1784 schenkte er den Gemeinden Pfaffenweiler und Oehlingsweiler 1.000 Gulden, mit der Auflage, davon Bücher und Schulmaterialien für bedürftige Schüler zu erwerben. Im Jahr 1792 beendete er seine Lehrertätigkeit und lebte fortan als Privatier am Münsterplatz. In der Folgezeit beschäftigte sich der Bankierssohn dann doch mit Finanzen. Um 1790 stellte er einen detaillierten Sparplan für die einfachen Leute auf. Er überzeugte die gerade gegründete „Bürgerliche Beurbarungsgesellschaft“ eine „Volkskasse“ zu gründen, was 1804 dann auch geschah. Die Volkskasse sollte die kleinen, gesparten „Scherflein von Dienstboten, Mägden und Knechten, Witwen und Waisen“ zinsgünstig anlegen. Aus dieser von Sautier gegründeten Volkskasse entstand am 15. Januar 1827 die heutige „Sparkasse Freiburg“. Wie in der letzten Folge schon kurz erwähnt, gründete Sautier in den Jahren 1800 und 1801 zwei Stiftungen, eine für bedürftige Bürgertöchter und eine für Bürgersöhne. Hier sollten die Kinder nach der Entlassung aus der Volksschule vier Jahre Foto: Joergens.mi / Wikipedia / CC-BY-SA-3.0 Abb.: Das Grab von Christian Wenzinger auf dem Alten Friedhof in Freiburg lang die stiftungseigenen Schulen besuchen und dort zu einem christlich-religiösen Leben angehalten werden. Die Jungen sollten im Normalfall zu Handwerkern, die Mädchen zu Dienstbotinnen oder Hausfrauen ausgebildet werden. Nach Beendigung ihrer Ausbildung bekamen sie, je nach Schulleistungen, einen von der Stiftung angesparten Betrag ausbezahlt, als eine Art Start ins neue Leben. Sautiers Stiftungen fanden auch über Freiburgs Stadtgrenzen hinaus große Beachtung und auch Unterstützung. Markgraf Karl Friedrich von Baden stellte Sautiers Stiftungen sogar unter seinen persönlichen Schutz. Der Landesherr bewilligte regelmäßige Beträge aus öffentlichen Mitteln zur Unterstützung. Im nächsten Teil geht es mit den Stiftern und ihren Stiftungen weiter. Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg und Herrn Thalheimer, der Waisenhausstiftung, Gerlinde Kurzbach, Peter Kalchtaler und Dr. Hans-Peter Widmann. Carsten FREIeBÜRGER 12 | 2023 15

Genauso mysteriös wie die jungen Jahre Wentzingers ist<br />

sein Verbleib nach seinem Tod. Der große Künstler wurde<br />

zwar auf dem (heute) Alten Friedhof beerdigt, aber die<br />

genaue Stelle ist nicht mehr bekannt. Als man bei Arbeiten<br />

auf dem Friedhof die Grabstelle öffnen wollte, fand<br />

man sie leer vor. Eine Kopie seines Grabsteines lehnt heute<br />

an der Friedhofsmauer beim Eingang an der Stadtstraße.<br />

Sein originaler Grabstein steht im Wentzingerhaus.<br />

Er trägt eine Aufschrift seines Freundes Heinrich<br />

Sautier: „Er durchlebte ein Jahrhundert, durch ihn leben<br />

Jahrhunderte!“<br />

Eine sehr große Rolle im Armenwesen spielte Heinrich<br />

Sautier (1746-1810). Heinrich Sautier stammte aus einem<br />

vermögenden Elternhaus, dem Vater gehörten mehrere<br />

Grundstücke und Häuser in Freiburg und das von ihm gegründete<br />

Bankhaus Sautier in der damaligen Kaiserstraße.<br />

Sautier besuchte das Jesuitengymnasium und trat mit<br />

15 Jahren dem Jesuitenorden bei. Nach dem Tod des Vaters<br />

erbte er ca. 10.000 Gulden und einige Häuser und Grundtücke<br />

und hätte somit keiner Arbeit nachgehen müssen.<br />

In jungen Jahren zog es ihn allerdings auch nicht zu Banken<br />

und Finanzen hin, Sautier wollte Lehrer werden und<br />

Kinder und Jugendliche ausbilden. Das wird ihn durch<br />

sein ganzes Leben begleiten und auch nach seinem Tod<br />

bis in die heutige Zeit erhalten bleiben. Denn nach Sautiers<br />

Meinung war fehlende oder mangelhafte Bildung<br />

eine der Hauptursachen für die Armut. Deshalb legte er<br />

großen Wert auf Ausbildung, denn er vertrat die These,<br />

dass sich der Mensch nur durch Bildung aus der Armut<br />

befreien kann. Sautier selbst lehrte als Grammatiklehrer<br />

unter anderem im Jesuitenschloss in Freiburg. Nach<br />

Aufhebung des Jesuitenordens war er etwa 20 Jahre als<br />

Professor für Poetik am Akademischen Gymnasium tätig.<br />

1784 schenkte er den Gemeinden Pfaffenweiler und Oehlingsweiler<br />

1.000 Gulden, mit der Auflage, davon Bücher<br />

und Schulmaterialien für bedürftige Schüler zu erwerben.<br />

Im Jahr 1792 beendete er seine Lehrertätigkeit und lebte<br />

fortan als Privatier am Münsterplatz.<br />

In der Folgezeit beschäftigte sich der Bankierssohn dann<br />

doch mit Finanzen. Um 1790 stellte er einen detaillierten<br />

Sparplan für die einfachen Leute auf. Er überzeugte<br />

die gerade gegründete „Bürgerliche Beurbarungsgesellschaft“<br />

eine „Volkskasse“ zu gründen, was 1804 dann<br />

auch geschah. Die Volkskasse sollte die kleinen, gesparten<br />

„Scherflein von Dienstboten, Mägden und Knechten,<br />

Witwen und Waisen“ zinsgünstig anlegen. Aus dieser von<br />

Sautier gegründeten Volkskasse entstand am 15. Januar<br />

1827 die heutige „Sparkasse Freiburg“. Wie in der letzten<br />

Folge schon kurz erwähnt, gründete Sautier in den Jahren<br />

1800 und 1801 zwei Stiftungen, eine für bedürftige<br />

Bürgertöchter und eine für Bürgersöhne. Hier sollten die<br />

Kinder nach der Entlassung aus der Volksschule vier Jahre<br />

Foto: Joergens.mi / Wikipedia / CC-BY-SA-3.0<br />

Abb.: Das Grab von Christian Wenzinger auf dem Alten<br />

Friedhof in Freiburg<br />

lang die stiftungseigenen Schulen besuchen und dort zu<br />

einem christlich-religiösen Leben angehalten werden. Die<br />

Jungen sollten im Normalfall zu Handwerkern, die Mädchen<br />

zu Dienstbotinnen oder Hausfrauen ausgebildet<br />

werden. Nach Beendigung ihrer Ausbildung bekamen sie,<br />

je nach Schulleistungen, einen von der Stiftung angesparten<br />

Betrag ausbezahlt, als eine Art Start ins neue Leben.<br />

Sautiers Stiftungen fanden auch über Freiburgs Stadtgrenzen<br />

hinaus große Beachtung und auch Unterstützung.<br />

Markgraf Karl Friedrich von Baden stellte Sautiers<br />

Stiftungen sogar unter seinen persönlichen Schutz. Der<br />

Landesherr bewilligte regelmäßige Beträge aus öffentlichen<br />

Mitteln zur Unterstützung.<br />

Im nächsten Teil geht es mit den Stiftern und ihren Stiftungen<br />

weiter.<br />

Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg und Herrn<br />

Thalheimer, der Waisenhausstiftung, Gerlinde Kurzbach,<br />

Peter Kalchtaler und Dr. Hans-Peter Widmann.<br />

Carsten<br />

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