Dezember_Ausgabe

frei.e.buerger38617
von frei.e.buerger38617 Mehr von diesem Publisher
01.03.2024 Aufrufe

Abb.: Berthold I. auf einem Stifterbild des Klosters St. Peter auf dem Schwarzwald (um 1520) 900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 33) Foto: Wikipedia In der letzten Ausgabe ging es um die neue Strukturierung des Freiburger Armenwesens zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ich berichtete unter anderem über Ferdinand Weiß und Heinrich Sautier, zwei herausragende Personen des Armenwesens in der Stadt. In dieser Folge berichte ich darüber, was die beiden und einige andere für die Armen der Stadt geleistet haben und wie sich das auswirkte. Zuerst möchte ich aber einen Blick auf die politische und gesellschaftliche Lage in Freiburg und im Breisgau zu dieser Zeit werfen. FREIBURG UND DER BREISGAU ZU BEGINN DES 19. JAHRHUNDERTS Wie ich bereits erzählt habe, war ab dem Jahr 1805 die Jahrhunderte dauernde Herrschaft des Hauses Habsburg in Freiburg beendet. Freiburg war nun die „dritte Hauptstadt Badens“, nach Karlsruhe und Mannheim. Freiburg war Hauptstadt und Verwaltungssitz des Breisgaus und der neue Landesfürst hieß Karl Friedrich von Baden. Doch Freiburg war nicht erst jetzt in das Interesse des badischen Markgrafen geraten, er hatte schon länger vor, die Stadt und den Breisgau seinem Land hinzuzufügen. Denn seine Ahnenlinie ließ sich bis zu Graf Berthold I., Herzog von Kärnten zurückverfolgen, dem Ahnherrn der Zähringer, die ja auch die Gründer Freiburgs waren. Napoleon hatte den Flickenteppich auf der süddeutschen Landkarte verschwinden lassen, sodass es im Süden nur noch drei Länder gab: Bayern, Württemberg und Baden. Zwar war Baden das kleinste dieser drei Länder, doch dank seiner Koalition mit dem französischen Kaiser hatte Markgraf Karl Friedrich sein Territorium mehr als vervierfacht. Allerdings hatte diese enge Freundschaft mit Napoleon auch seinen Preis. Denn Bonaparte betrachtete diese drei Staaten nun als Aufmarschgebiet für seine Truppen, sollte es mal wieder irgendwo Krieg geben. Die drei Südstaaten waren nun mehr oder weniger französische Pufferzone gegen Österreich oder Preußen. Doch die Übergangsphase zwischen den verschiedenen Herrschaften verlief turbulent und war mit einigen Schwierigkeiten verbunden. 12 FREIeBÜRGER 12 | 2023

Vor dem Übergang zum Kurfürstentum Baden waren Truppen Napoleons, die auf dem Weg durchs Deutsche Reich waren, im Breisgau stationiert. Zwar hatten sie keinerlei Herrschafts- oder Besatzerrechte, doch sie hielten sich nicht immer daran. Ein Beispiel dafür ereignete sich am 15. März 1804, als die französischen Truppen Louis de Bourbon, Herzog von Enghien und Mitglied der gestürzten französischen Königsfamilie, zusammen mit anderen franz. Migranten aus Ettenheim entführten. Ohne Gerichtsverfahren und somit auch ohne die Chance einer Verteidigung wurde der Herzog eine Woche später im Schlossgraben von Vincennes erschossen. Wahrscheinlich war der Herzog während der Revolution in Frankreich in Abwesenheit verurteilt worden, so wie die meisten Familienmitglieder und andere hohe Adelige. In Freiburg war man betroffen, weil der Herzog eigentlich auf dem Weg in die Stadt war. Er wollte im Haus des Kaufmanns und Bankiers Heinrich Sautier Quartier nehmen. Danach waren Freiburgs EinwohnerInnen verunsichert und verängstigt, viele fürchteten jetzt wieder vermehrte Übergriffe durch das französische Militär. Zwar blieben diese aus, aber von ruhigen Zeiten konnten die BürgerInnen trotzdem nicht sprechen. Doch nicht nur die Franzosen haben in Freiburg Chaos hinterlassen, sondern natürlich auch die Vorderösterreicher. Vor allem im Armensektor musste die neue badische Regierung ein ziemliches Durcheinander übernehmen. Die vielen verschiedenen Stiftungen, die oftmals aneinander vorbei arbeiteten, hatte ich bereits in einem früheren Kapitel erwähnt. Schon Kaiserin Maria Theresia hatte ja gefordert, die Freiburger Stiftungen zusammenzulegen, was nun auch endlich erfolgt war. Doch im Zuge ihrer sozialen Reformen hatten die Kaiserin und später ihr Sohn Kaiser Joseph II. Freiburg zum Experimentierfeld auserkoren. Sämtliche neuen Reformansätze der damals vorderösterreichischen Regierung wurden zuerst in Freiburg ausprobiert, bevor man eine Ausdehnung auf das gesamte Reich in Erwägung zog. Da auch immer wieder neue Vorschläge gemacht wurden, wie man gerade die Armenfürsorge verbessern oder modernisieren kann, lief vieles durcheinander. Denn kaum war eine Reform bekannt gemacht und umgesetzt, kam schon die nächste Änderung. Auch bleibt zu bezweifeln, ob wirklich alle Ideen vernünftig waren. Fakt war aber, die Habsburger Regierung hat damals der Stadt, dem Rat und den BürgerInnen die Armenversorgung aus der Hand genommen und ihre Entscheidungen meist aus der Ferne getroffen. Zwar war das Freiburger Armenwesen in diesen Jahren finanziell am leistungsstärksten, doch fehlte wie gesagt eine einheitliche Struktur, von der aus die Armenpolitik der Stadt gesteuert werden konnte. Foto: Wikipedia Abb.: Die Hinrichtung des Herzogs von Enghien (Gemälde von Jean-Paul Laurens, 1873) Trotz allem muss man die Bestrebungen im Armenwesen der Stadt würdigen. Um den Jahrhundertwechsel herum betreuten die Institutionen der Stadt immerhin mehr als 300 bedürftige Menschen ständig. Das Vermögen der Stiftungen belief sich in jener Zeit auf etwa 200.000 Gulden. Doch all diese „positiven Zahlen“ dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Freiburger Armenpolitik die Armut der Menschen nur linderte und nicht wirksam bekämpfte. Auch die Einstellung von Stadt und BürgerInnen gegenüber dem Thema Armut hatte sich inzwischen gewandelt. Früher war man der Meinung, die Armut wäre eher ein räumliches, regionales Problem und man könnte die Gesellschaft „von Armut reinigen“. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts betrachtete man die Armut dann als das was sie wirklich war: ein soziales Problem, das jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft berührte! Mit dem Abschied der Habsburger kam die Armenpflege dann wieder zurück in städtische Hände. Die Stadt und einzelne Akteure der Armenfürsorge versuchten es nun mit Armutsprävention, die alle Armen erreichen sollte, unabhängig von Herkunft und Voraussetzungen. FREIeBÜRGER 12 | 2023 13

Abb.: Berthold I. auf einem Stifterbild des Klosters St. Peter auf dem Schwarzwald (um 1520)<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 33)<br />

Foto: Wikipedia<br />

In der letzten <strong>Ausgabe</strong> ging es um die neue Strukturierung<br />

des Freiburger Armenwesens zu Beginn des 19. Jahrhunderts.<br />

Ich berichtete unter anderem über Ferdinand<br />

Weiß und Heinrich Sautier, zwei herausragende Personen<br />

des Armenwesens in der Stadt. In dieser Folge berichte<br />

ich darüber, was die beiden und einige andere für die Armen<br />

der Stadt geleistet haben und wie sich das auswirkte.<br />

Zuerst möchte ich aber einen Blick auf die politische<br />

und gesellschaftliche Lage in Freiburg und im Breisgau zu<br />

dieser Zeit werfen.<br />

FREIBURG UND DER BREISGAU ZU BEGINN DES 19.<br />

JAHRHUNDERTS<br />

Wie ich bereits erzählt habe, war ab dem Jahr 1805 die<br />

Jahrhunderte dauernde Herrschaft des Hauses Habsburg<br />

in Freiburg beendet. Freiburg war nun die „dritte Hauptstadt<br />

Badens“, nach Karlsruhe und Mannheim. Freiburg<br />

war Hauptstadt und Verwaltungssitz des Breisgaus und<br />

der neue Landesfürst hieß Karl Friedrich von Baden.<br />

Doch Freiburg war nicht erst jetzt in das Interesse des<br />

badischen Markgrafen geraten, er hatte schon länger vor,<br />

die Stadt und den Breisgau seinem Land hinzuzufügen.<br />

Denn seine Ahnenlinie ließ sich bis zu Graf Berthold I.,<br />

Herzog von Kärnten zurückverfolgen, dem Ahnherrn<br />

der Zähringer, die ja auch die Gründer Freiburgs waren.<br />

Napoleon hatte den Flickenteppich auf der süddeutschen<br />

Landkarte verschwinden lassen, sodass es im Süden nur<br />

noch drei Länder gab: Bayern, Württemberg und Baden.<br />

Zwar war Baden das kleinste dieser drei Länder, doch<br />

dank seiner Koalition mit dem französischen Kaiser hatte<br />

Markgraf Karl Friedrich sein Territorium mehr als vervierfacht.<br />

Allerdings hatte diese enge Freundschaft mit<br />

Napoleon auch seinen Preis. Denn Bonaparte betrachtete<br />

diese drei Staaten nun als Aufmarschgebiet für seine<br />

Truppen, sollte es mal wieder irgendwo Krieg geben. Die<br />

drei Südstaaten waren nun mehr oder weniger französische<br />

Pufferzone gegen Österreich oder Preußen. Doch die<br />

Übergangsphase zwischen den verschiedenen Herrschaften<br />

verlief turbulent und war mit einigen Schwierigkeiten<br />

verbunden.<br />

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