Mein Leipzig

D
a hat jemand auf einer Plakatsäule eine Mitteilung hinterlassen. Vielleicht
eine Aufforderung zur Weltrevolution – in vietnamesischer Sprache. Oder
handelt es sich um eine Botschaft von Außerirdischen, die Zukunft der Erde betreffend?
Schriften und grafische
Zeichen haben mich immer
fasziniert. Ganz in
der Nähe dieser Plakatsäule
liegt die Hochschule
für Grafik und
Buchkunst. Dort habe
ich mich 1956 um einen
Studienplatz in der Fachrichtung
Fotografik beworben.
Für etwa 400
Bewerber gab es 20 Plätze.
Da hatte ich keine
Chance. Meine eingereichten
Arbeiten waren
auch nur mittelmäßig.
Statt dessen bin ich dann
auf der "Ingenieurschule
Otto Grotewohl" gelandet, der früheren "Meisterschule für das Grafische Gewerbe".
Nebenbei ging ich zu einem Künstler, der eine Art private Kunstschule unterhielt.
Herbert Hauschild hieß der Mann. Er hatte auch ein Buch über die Geschichte der
Schrift geschrieben. In seiner großen Wohnung saßen immer ein paar Eleven, die sich
in der Kunst des Schreibens übten: Goetheworte, Schillerworte, LaoTse ...
Eins lernte man bei Hauschild und im ganzen grafischen Gewerbe: Die Ehrfurcht vor
Geschriebenem und vor Gedrucktem. Diese Einstellung ist mir geblieben, auch wenn
inzwischen über 60 Jahre vergangen sind und ich schließlich einen ganz anderen Beruf
ergriffen habe. Ein Buch wegzuwerfen - das bringe ich kaum übers Herz.
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