29.02.2024 Aufrufe

Unternehmerbrief_Health_Care_2024_1

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Mit Spannung erwartet: Das Urteil<br />

des Bundessozialgerichts zur angemessenen<br />

Vergütung des Unternehmerrisikos<br />

in der Pflege<br />

Wie hat das BSG entschieden und was bedeutet<br />

das Urteil für Pflegeeinrichtungen?<br />

Im Frühjahr 2023 beschäftigte sich das Bundessozialgericht<br />

erneut mit der Bemessung einer angemessenen Vergütung<br />

im Bereich der sozialen Pflegeversicherung des<br />

SGB XI. Im Streit stand ein Schiedsspruch über Pflegesätze<br />

und Entgelte einer stationären Pflegeeinrichtung.<br />

Dabei stand vor allem die Frage der Bemessung des<br />

Unternehmerrisikos im Vordergrund.<br />

Positive Signale für Pflegeeinrichtungen!<br />

Das Gericht hat die bislang geltenden restriktiven<br />

Grundsätze 3 zumindest teilweise 3zurückgenommen, die<br />

es selbst mit Urteil vom 26. September 2019 aufgestellt<br />

hatte. Die bisherigen Regelungen erschwerten die Festsetzung<br />

eines adäquaten Wagniszuschlags in der Praxis<br />

erheblich und führten seitens der Pflegeeinrichtungen oft<br />

zu wenig zufriedenstellenden Ergebnissen.<br />

Was ändert sich konkret durch das Urteil?<br />

1. Berücksichtigung der Entgelte für Unterkunft und<br />

Verpflegung: Hervorzuheben ist, dass bei der Vergütung<br />

des Unternehmerrisikos nun auch die Entgelte<br />

für Unterkunft und Verpflegung zu berücksichtigen<br />

sind.<br />

2. Größerer Spielraum der Schiedsstelle: Erfreulich ist<br />

zudem der erweiterte Spielraum der Schiedsstelle bei<br />

der Bemessung der Gewinnchance. Entgegen der vorangegangenen<br />

Auffassung des Landessozialgerichts<br />

Schleswig-Holstein, welches die Auffassung vertrat,<br />

das Unternehmerrisiko könne nicht durch eine Pauschale<br />

berücksichtigt werden, sah das BSG darin 3<br />

zumindest im Ansatz 3 keinen Grund zur Beanstandung.<br />

3. Einzelfallprüfung: Allerdings müsse die Schiedsstelle<br />

regelmäßig hinsichtlich der Angemessenheit der Gesamtvergütung,<br />

einschließlich der Vergütung des Unternehmerrisikos,<br />

in einem externen Vergleich die<br />

Umstände des Einzelfalls prüfen und individualisiert<br />

anpassen. Für die Beurteilung des Einzelfalls sei laut<br />

BSG beispielsweise auch von Bedeutung, wenn unternehmerische<br />

Risiken bereits auf der Ebene der Gestehungskosten<br />

oder bei Auslagerungen von Leistungen<br />

auf Dritte entstehen könnten.<br />

Fazit:<br />

Durch die Entscheidung des BSG sollte die angemessene<br />

und rechtssichere Vergütung des Unternehmerrisikos für<br />

Pflegeeinrichtungen zukünftig eher erleichtert werden.<br />

Unser Tipp:<br />

Trotzdem gibt es weiterhin einige Fallstricke, die in den<br />

Verhandlungen beachtet werden müssen. Eine professionelle<br />

Beratung und Begleitung ist daher nach wie vor unumgänglich.<br />

Sprechen Sie uns gerne an!<br />

Oliver Warneboldt<br />

Wichtiges Urteil zu Darlegungsanforderungen<br />

im Schiedsverfahren<br />

über Pflegesätze und Entgelte<br />

Wie plausibel und nachvollziehbar müssen Betreiber<br />

einer Pflegeeinrichtung in Vergütungsverhandlungen<br />

ihre Kosten darlegen?<br />

Das Bundessozialgericht hat in einem Revisionsverfahren<br />

im Zusammenhang mit einem Schiedsspruch über die<br />

Darlegungsanforderungen einer stationären Pflegeeinrichtung<br />

hinsichtlich ihrer tatsächlichen Kosten entschieden<br />

(Az. B3 P2/22 R).


Nach gescheiterten Vergütungsverhandlungen hatte die<br />

Schiedsstelle die Pflegesätze und Entgelte festgelegt, jedoch<br />

wurde dieser Beschluss nach Klageeinreichung der<br />

stationären Pflegeeinrichtung vom Landessozialgericht<br />

aufgehoben.<br />

Prospektive Gestehungskosten im Fokus<br />

Das Landessozialgericht kritisierte, dass die Pflegeeinrichtung<br />

nicht ausreichend nachvollziehbare und plausible<br />

Darlegungen zu den prospektiven Gestehungskosten,<br />

insbesondere zu Personalkosten und Leiharbeit, vorgelegt<br />

hätte.<br />

Vorlage konkreter Unterlagen zwingend notwendig<br />

Das Gericht hob hervor, dass die Schiedsstelle genaue<br />

Anforderungen an die Plausibilisierung der Kostenstruktur<br />

stellen dürfe, jedoch hätte sie konkrete Unterlagen zur<br />

Plausibilisierung verlangen und der Einrichtung eine angemessene<br />

Frist zur Vorlage gewähren müssen. Das habe<br />

die Schiedsstelle nicht getan, weshalb das LSG den<br />

Schiedsspruch aufhob. Die Pflegeeinrichtung legte Revision<br />

ein und argumentiert, dass das Landessozialgericht<br />

zu Unrecht eine "integrierte" Angemessenheitsprüfung<br />

durchgeführt habe. Sie betont, dass der Streitgegenstand<br />

auf die Leasingkosten für Pflegekräfte und die Bemessung<br />

eines angemessenen Risikozuschlags beschränkt<br />

sei.<br />

BSG bestätigt unzureichende Plausibilisierung<br />

Das Bundessozialgericht wies die Revision zurück und<br />

bestätigte die Kritik des Landessozialgerichts an der unzureichenden<br />

Plausibilisierung der Kostenstruktur durch<br />

die Pflegeeinrichtung. Die Schiedsstelle dürfe demnach<br />

weitere Nachweise zu den Gestehungskosten verlangen<br />

und die Anforderungen an die Plausibilisierung waren<br />

nicht ermessensfehlerhaft.<br />

Fazit:<br />

Pflegeeinrichtungen müssen nach den gesetzlichen Vorgaben<br />

ihre Vergütungsforderungen nachvollziehbar darlegen,<br />

wobei die Schiedsstelle einen gewissen Spielraum<br />

bei der Bewertung hat, welche Unterlagen für die Plausibilisierung<br />

erforderlich sind. Die Entscheidung der<br />

Schiedsstelle unterliegt einer eingeschränkten gerichtlichen<br />

Kontrolle.<br />

Unser Tipp:<br />

Um in der Praxis bei Vergütungsverhandlungen den Darlegungsanforderungen<br />

über die Kosten gerecht zu werden,<br />

ist es ratsam, gut vorbereitet zu sein und bereits vor<br />

Beginn der Verhandlungen alle relevanten<br />

Kostennachweise gut zu dokumentieren. Unsere Expertinnen<br />

und Experten sind Ihnen gern dabei behilflich!<br />

Oliver Warneboldt<br />

Anerkennung tatsächlicher Auslastungsquoten<br />

und Anpassung Personalschlüssel<br />

Leitung und Verwaltung<br />

in Niedersachsen<br />

Die niedersächsische Pflegesatzkommission hat am 22.<br />

November 2023 Empfehlungen zu folgenden Aspekten<br />

veröffentlicht:<br />

1. Umgang mit der wirtschaftlich herausfordernden<br />

Situation vollstationärer Pflegeeinrichtungen<br />

aufgrund von Belegungseinbrüchen<br />

Dieser Empfehlung zufolge haben vollstationäre Pflegeeinrichtungen<br />

für Pflegesatzverhandlungen mit Laufzeitbeginn<br />

ab 1. Dezember 2023 die Möglichkeit, von der<br />

bisher in Verhandlungen grundsätzlich unterstellten Auslastungsquote<br />

von 98 % abzuweichen, wenn die tatsächliche<br />

und nachgewiesene einrichtungsindividuelle Auslastung<br />

der letzten 12 Monate unmittelbar vor Aufforderung<br />

unterhalb von 98 % liegt. Als Untergrenze ist jetzt<br />

90 % definiert.<br />

Wir haben bei allen von uns geführten oder unterstützten<br />

Verhandlungen in Niedersachsen mit Laufzeitbeginn ab<br />

1. Dezember 2023 oder später ausnahmslos erfolgreich<br />

die geringeren Auslastungsquoten umgesetzt. Zur Anerkennung<br />

der geringeren Auslastungsquoten empfiehlt<br />

sich die Übermittlung der tatsächlichen Auslastung der<br />

vergangenen zwölf Monate an die zuständigen Kostenträger.<br />

2. Personalschlüssel für den Bereich Leitung und<br />

Verwaltung<br />

Bei Pflegesatzverhandlungen liegt der Personalschlüssel<br />

für Leitung und Verwaltung bisher bei 1:26,0. Mit der<br />

Empfehlung der Pflegesatzkommission sind für Verhandlungen<br />

mit Laufzeitbeginn ab 1. Dezember 2023 niedrigere<br />

Personalschlüssel und somit mehr refinanziertes Personal<br />

möglich.<br />

Für Pflegesatzverhandlungen mit Laufzeitbeginn ab dem<br />

1. Dezember 2023 gilt der Personalschlüssel 1:24,5<br />

Für Pflegesatzverhandlungen mit Laufzeitbeginn ab dem<br />

1. Dezember <strong>2024</strong> gilt der Personalschlüssel 1:24,0<br />

Für die meisten Pflegeeinrichtungen sind nach unseren<br />

Erfahrungen für die Umsetzung keine Neueinstellungen<br />

an Personal notwendig, da die überwiegende Mehrheit


ereits seit Jahren deutlich mehr Personal im Bereich Leitung<br />

und Verwaltung bereithält.<br />

Dennis Klatt<br />

Aktualisierung der Ergänzungshilfen<br />

für gestiegene Energiekosten<br />

Die Ergänzungshilfen nach § 154 SGB XI für die gestiegenen<br />

Energiekosten können für Pflegeeinrichtungen<br />

noch bis einschließlich April <strong>2024</strong> refinanziert werden.<br />

Der GKV-Spitzenverband hat die Antragsformulare, welche<br />

auf der GKV-Homepage zu finden sind, nochmals aktualisiert.<br />

Wurden Ergänzungshilfen auf Grundlage von Abschlagszahlungen<br />

für Energiekosten geltend gemacht, so sind<br />

Jahresabrechnungen zum Energieverbrauch bis spätestens<br />

zum 30. August <strong>2024</strong> einzureichen. Jahresabrechnungen<br />

für den Erstattungszeitraum bis zum 30. August<br />

<strong>2024</strong> sind hiervon abweichend bis zum 31. Dezember<br />

2025 nachzureichen.<br />

Kommt die Pflegeeinrichtung der fristgerechten Verpflichtung<br />

zur Offenlegung nicht nach, werden die bereits<br />

ausgezahlten Ergänzungshilfen pauschal um 20 % gekürzt.<br />

Weiterhin sind Pflegeeinrichtungen, welche die Ergänzungshilfen<br />

in Anspruch genommen haben, verpflichtet,<br />

eine Energieberatung durch einen zertifizierten Energieberater<br />

durchführen zu lassen. Wird dies unterlassen,<br />

droht eine Kürzung der Hilfen. Die tatsächlichen Kosten<br />

für eine Energieberatung im Zeitraum vom 1. Dezember<br />

2022 bis zum 31. Dezember 2023 werden den Pflegeeinrichtungen<br />

erstattet. Je nach Größe der Einrichtung sind<br />

diese begrenzt auf 4.000 ¬ bis 7.500 ¬, sofern keine anderen<br />

Fördermittel hierfür in Anspruch genommen wurden.<br />

Die Nachweiserbringung muss bis zum 30. August <strong>2024</strong><br />

erfolgen.<br />

Dennis Klatt<br />

Externe Unternehmensnachfolgen<br />

von Pflegeeinrichtungen<br />

Im deutschen Markt für den Verkauf von stationären Altenpflegeheimen<br />

zeichnet sich seit spätestens dem ersten<br />

Quartal 2023 eine tiefgreifende Veränderung ab. Die<br />

Branche, in der der Marktanteil der TOP 30 Pflegeheimbetreiber<br />

seit Jahren stetig wächst und im Jahr 2023 laut<br />

pflegemarkt.com bei mittlerweile 23,5 % lag, ist nach wie<br />

vor mittelständisch geprägt.<br />

Vom Verkäufer- zum Käufermarkt<br />

Sie erlebt zurzeit im Bereich der Unternehmensverkäufe<br />

von stationären Altenpflegeheimen einen Wandel von einem<br />

Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Maßgeblich beeinflusst<br />

wurde diese Entwicklung durch eine Reihe von<br />

Insolvenzen großer Pflegeheimbetreiber im ersten Quartal<br />

2023. Die Insolvenzen können neben mutmaßlichen<br />

internen Gründen vor allem auf die Auswirkungen des<br />

Tariftreuegesetzes und Inflationseffekte bei Löhnen,<br />

Energie und Mieten sowie Zinssteigerungen zurückgeführt<br />

werden. Der nach wie vor bestehende Fachkräftemangel<br />

hat diese Entwicklungsspirale bei betroffenen<br />

Unternehmen sicherlich beschleunigt.<br />

Entwicklung des Marktes<br />

Trotz der unverändert hohen Nachfrage nach Pflegeleistungen<br />

und der unveränderten Perspektive, was die weiter<br />

steigende Anzahl pflegebedürftiger Personen angeht, hat<br />

sich die Einschätzung des Marktes in der Käufergruppe<br />

gewandelt.<br />

Auf der Immobilienseite haben steigende Zinsen die Immobilienkaufpreise<br />

sinken lassen, da sich die Refinanzierungsmöglichkeiten<br />

von Immobilienfonds verteuert und<br />

sich die Renditeerwartungen der Fondsinvestoren am Kapitalmarkt<br />

erhöht haben. Die Ursachen der nach wie vor<br />

erhöhten Anzahl von Insolvenzen innerhalb der Branche<br />

haben nicht nur die Renditen der Betreiber unter Druck<br />

gesetzt, sondern auch den Fokus im Markt für Verkäufe<br />

beeinflusst. In großen Teilen des Jahres 2023 lag der Fokus<br />

der Marktakteure auf Notverkäufen oder der Verhandlung<br />

temporärer Pachtanpassungen zur Abwendung<br />

weiterer Insolvenzen, so dass Projekte mit >regulären<<br />

Verkäufen nur auf >Sparflamme< verfolgt werden konnten.<br />

Gegen Ende des Jahres 2023 hat sich das Interesse an Zukäufen<br />

wieder auf das Vorkrisenniveau belebt, allerdings<br />

hat es zu deutlich weniger Angeboten geführt als zuvor.<br />

Die wenigen Angebote wiederum sind auf einem deutlich<br />

niedrigeren Kaufpreisniveau. Dies spiegelt einerseits die<br />

eher durch die Finanzmärkte bedingte Anpassung der Immobilienkaufpreise<br />

wider. Noch deutlicher wird die veränderte<br />

Marktwahrnehmung auf der Seite der Betriebskäufer,<br />

den Betreibern: Betriebskaufpreise von 1 ¬ werden<br />

auch für nach nachhaltiger Pacht profitable Betreiber<br />

teilweise genannt. Begründet wird diese Sichtweise eher<br />

pauschal mit den eingangs genannten Insolvenzgründen.<br />

Das hohe Angebot der mittelständischen Pflegeheimbetreiber<br />

ermöglicht aktuell kaum vertiefende Erläuterungen<br />

und Kaufpreisverhandlungen. Immobilieninvestoren<br />

befassen sich mit vorgeschlagenen Projekten zum Teil<br />

erst, wenn von Verkäuferseite das Interesse eines Käufers<br />

für den Betrieb mit ins Feld geführt werden kann.


Handlungsfelder<br />

Für Eigentümer mittelständischer Pflegeeinrichtungen,<br />

bei denen Betrieb und Immobilie in einer Hand gehalten<br />

werden und die von den Familien in der Regel auch selbst<br />

verantwortlich betrieben werden, ergeben sich daraus<br />

zwei Handlungsfelder:<br />

Erstens eine effektive Betriebsführung im Hier und Jetzt.<br />

Insbesondere im Bereich des Personalmarketings und der<br />

etablierten jährlichen Verhandlung von Pflegesätzen,<br />

neuerdings ergänzt um die Verhandlung von Investitionskosten.<br />

Zweitens die Prüfung von Optionen zur Gestaltung der<br />

Weiterentwicklung. Insbesondere die Prüfung energetischer<br />

Maßnahmen im Bereich der Nachhaltigkeit (Gebäudedämmung,<br />

alternative Energiequellen wie Photovoltaik<br />

oder Blockheizkraftwerke) hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit<br />

sowie die Prüfung von Erweiterungsmöglichkeiten<br />

der Kapazitäten.<br />

Vor allem das zweite Handlungsfeld war bisher eher ein<br />

>Glaubensthema

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!