Fokus Immobilienrecht 21-2-2024
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<strong>Immobilienrecht</strong><br />
Mittwoch, <strong>21</strong>. Februar <strong>2024</strong> 11<br />
BEZAHLTE SONDERBEILAGE<br />
Viel Lärm um (fast) nichts<br />
Mietpreisbremse.<br />
Vermieter jammern,<br />
Mieter wollen mehr:<br />
Die Mietpreisbremse<br />
ist umstritten. Dabei<br />
könnte sie eventuell<br />
auch gar nicht zum<br />
Einsatz kommen.<br />
VON ANDRÉ EXNER<br />
Entlastungspaket für Mieter: Nachdem<br />
die Mieten in den vergangenen Jahren<br />
im zweistelligen Prozentbereich angezogen<br />
haben, hat sich die Regierung endlich<br />
zur Einführung einer Mietpreisbremse<br />
durchgerungen, die in Form des dritten<br />
mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes<br />
(3. MILG, siehe Kasten) vom Nationalrat<br />
verabschiedet wurde.<br />
Für die Vertreter der Mieter zunächst eine<br />
erfreuliche Maßnahme – allerdings keine Hilfe<br />
für alle, wie Georg Niedermühlbichler, Präsident<br />
der Mietervereinigung Österreichs<br />
(MVÖ) erklärt: „Die Regelung gilt nur im<br />
Richtwert- oder Kategoriemietzins – sowie im<br />
gemeinnützigen Bereich. Für den ungeregelten<br />
privaten Mietsektor, rund 425.000 Haushalte,<br />
bleibt die Regierung jede Lösung schuldig.<br />
Hier wird die Teuerung weiterhin mit<br />
voller Wucht durchschlagen.“<br />
Hoch gedeckelt<br />
Ein berechtigter Kritikpunkt: Auch wenn die<br />
Erhöhung in den vergangenen Jahren bei den<br />
Kategoriemieten im Altbau prozentuell am<br />
höchsten war, werden im ungeregelten privaten<br />
Bereich, also bei Neubauwohnungen, die<br />
höchsten Nettomieten in absoluten Eurobeträgen<br />
verlangt. Und bei einer Monatsmiete<br />
von 400 Euro macht selbst eine Erhöhung um<br />
zehn Prozent weniger aus als eine um fünf<br />
Prozent bei 900 Euro. Damit sind die Mieter<br />
von Neubauwohnungen von jeder Erhöhung<br />
in der Regel am stärksten betroffen.<br />
Was die Mietpreisbremse tatsächlich zum<br />
zahnlosen Gesetz machen dürfte, ist jedoch<br />
nicht das, sondern der auffällig hohe Deckel:<br />
Die Bremse greift ja erst ab fünf Prozent Inflation.<br />
Doch seit der Jahrtausendwende lag<br />
die Inflation nur 2022 und 2023 über diesem<br />
Wert. Entwickelt sich die Wirtschaft in den<br />
kommenden Jahren laut den Prognosen, wird<br />
die Bremse also wahrscheinlich gar nicht zum<br />
Einsatz kommen.<br />
Die Arbeiterkammer (AK) würde daher<br />
lieber einen niedrigeren Deckel sehen. „Eine<br />
dauerhafte Mietenbremse mit maximal zwei<br />
Prozent pro Jahr, auch rückwirkend für 2022<br />
und 2023, ist nötig, bis es zu einer umfassenden<br />
Mietrechtsreform kommt“, sagt AK-<br />
Wien-Präsidentin Renate Anderl. Wobei den<br />
Mietervertretern selbst jene drei, vier Prozent<br />
Mieterhöhung, die bei einem leichten Abflauen<br />
der Inflation bis 2025 laut dem 3. MILG<br />
möglich wären, schon zu hoch wären: „Es ist<br />
ungerecht, die Miete immer wieder um den<br />
Verbraucherpreisindex zu erhöhen“, so Elke<br />
Hanel-Torsch, Vorsitzende der MVÖ Wien.<br />
„Denn auch laufende Kosten wie Verwaltungshonorare,<br />
Versicherungen und Grundsteuer<br />
werden den Mietern über die Betriebskosten<br />
zur Gänze umgehängt“, erklärt<br />
Hanel-Torsch.<br />
Vermieter verärgert<br />
Weniger erfreut zeigen sich über die Mietpreisbremse<br />
dennoch wie erwartet die Vermieter:<br />
Martin Prunbauer, Rechtsanwalt und<br />
Präsident des österreichischen Haus- und<br />
Grundbesitzerbundes (ÖHGB) bezeichnet das<br />
Gesetz als „Sozialhilfe auf Kosten der Eigentümer“.<br />
Denn bereits die coronabedingte<br />
Aussetzung der Indexierung habe die Eigen-<br />
tümer finanziell stark belastet, sagt Prunbauer,<br />
der mit dem ÖHGB rund 30.000 große Vermieter<br />
vertritt. „Nun sollen sich Vermieter<br />
wieder in Verzicht üben“, so Prunbauer.<br />
Bei der Anpassung von Mieten handelt es<br />
sich nicht um „irgendwelche einseitigen Erhöhungen“<br />
der Mietzinse, sondern um gesetzlich<br />
geregelte und einpreisbare Anpassungen<br />
an den Verbraucherpreisindex, weist<br />
der ÖHGB-Präsident hin. Prunbauer stößt<br />
sich auch an der oft gehörten Behauptung,<br />
dass die Mieten Preistreiber der Inflation seien:<br />
„Erstens sind vor allem die Betriebskosten<br />
davongaloppiert, es gab eklatante Erhöhungen<br />
infolge der gestiegenen Energiepreise<br />
und der Gebührenerhöhungen durch<br />
die Gemeinden, wo in der Regel jede Möglichkeit<br />
für eine Valorisierung genutzt wurde.<br />
Zweitens hat selbst das Wirtschaftsforschungsinistitut<br />
Wifo errechnet, dass die Anpassung<br />
der Richtwertmietzinse auf die gesamtösterreichische<br />
Inflation gerade einmal<br />
0,1 Prozentpunkte beträgt.“<br />
Streit dauert an<br />
Das sehen Mietervertreter anders: Die indexbasierten<br />
Mieterhöhungen betragen bei Kategoriemieten<br />
von 2022 bis 2026 – also inklusive<br />
der ab dem kommenden Jahr geltenden Mietpreisbremse<br />
– 34 Prozent, bei Richtwertmieten<br />
24 Prozent und bei den gänzlich ungeregelten,<br />
aber deutlich höheren freien Mieten<br />
29 Prozent und kratzen damit an der<br />
Schmerzgrenze zehntausender Mieter, so die<br />
AK. Die Entspannung dieses Anstiegs durch<br />
das 3. MILG sei mit einigen Prozentpunkten<br />
gering, das Gesetz daher eine „Augenauswischerei“,<br />
meint AK-Wien-Präsidentin Anderl.<br />
Die Erhöhung landete jedoch nicht bei<br />
den Vermietern, entgegnet der ÖHGB, sondern<br />
bei anderen – über die rasant steigenden<br />
Betriebskosten. Auch fehle bei der Mietpreisbremse<br />
die Treffsicherheit: „Es werden auch<br />
einkommensstarke Mieter im regulierten Bereich<br />
unterstützt. Das ist nicht angemessen,<br />
zumal 60 Prozent aller Mietverhältnisse dem<br />
MIETE SPAREN<br />
Kein Aprilscherz: Ab 1. April 2025 gilt für alle<br />
mietrechtlichen Kategoriebeträge und Richtwerte<br />
dank des 3. MILG für 2025 und 2026<br />
eine Anhebungsgrenze von jeweils fünf<br />
Prozent, zudem wird für die Anpassung der<br />
Richtwerte im Jahr 2025 nur die Inflation <strong>2024</strong><br />
berücksichtigt, nicht aber 2023. Ab 2027<br />
erfolgt die jährliche Anpassung wieder nach<br />
Maßgabe der durchschnittlichen Inflation der<br />
vorangegangen drei Jahre – sollte diese aber<br />
über fünf Prozent hinausgehen, wird der über<br />
fünf Prozent liegende Teil nur zur Hälfte in<br />
die Erhöhung eingerechnet.<br />
öffentlichen Sektor angehören“, weist Prunbauer<br />
auf eine typisch österreichische Besonderheit<br />
der Mietpreisbremse hin. Eine, die<br />
letztlich sowohl die hitzigen Diskussionen<br />
um das Thema als auch die seltsame Ausgestaltung<br />
des Gesetzes selbst erklärt: Deckelt<br />
©coverart by Yago Hortal<br />
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Im Neubau greift<br />
die neue<br />
Mietpreisbremse<br />
ab 2025 nicht. Im<br />
Altbau schon,<br />
aber erst ab fünf<br />
Prozent<br />
Jahresinflation.<br />
[Getty Images/mikeinlondon]<br />
der Staat die Mieten zu niedrig, schneidet er<br />
sich ins eigene Fleisch. Damit wirkt das zahnlose<br />
3. MILG schließlich auch als eine Art Vor-<br />
Wahlgeschenk an die Opposition: Der mit Abstand<br />
größte Wohnungsvermieter Europas ist<br />
die Gemeinde Wien.<br />
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II Mittwoch, <strong>21</strong>. Februar <strong>2024</strong><br />
IMMOBILIENRECHT<br />
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Das lange Hoffen auf die Trendwende<br />
Investment. Die Immobilienwirtschaft<br />
hat den<br />
Rückwärtsgang eingelegt.<br />
Steuerliche und rechtliche<br />
Vereinfachungen<br />
könnten das ändern.<br />
VON ANDRÉ EXNER<br />
Baustelle in Wien: Neue Wohnungen werden zur Mangelware. Heuer werden in Österreich um<br />
70 Prozent weniger Wohnungen errichtet als im Boomjahr 2019. [Invester United Benefits]<br />
Die Bauwirtschaft schlägt Alarm: Die<br />
Hauspreise sind 2023 im Jahresvergleich<br />
um zwölf Prozent gefallen, der<br />
bei weitem stärkste Rückgang seit Beginn der<br />
Aufzeichnungen in den 1970er-Jahren – unter<br />
Berücksichtigung der Inflation betrug der<br />
Rückgang knapp 20 Prozent. Die Aktivität im<br />
Immobiliensektor ist so niedrig wie seit der<br />
großen Rezession 2008 nicht mehr: Das Investmentvolumen<br />
hat sich mehr als halbiert,<br />
die Beschäftigung sinkt.<br />
Die Rede ist von Deutschland – aber auch<br />
in Österreich ist es nur mehr eine Frage von<br />
Monaten, bevor solche Horrorzahlen die Runde<br />
machen, warnt die Immobilienbranche<br />
einstimmig. Um die Politik zum Handeln zu<br />
bewegen, haben 18 führende Unternehmen<br />
und Institutionen der Bauwirtschaft und der<br />
Baustoffindustrie von Zementputzhersteller<br />
Baumit über Fensterproduzent Internorm bis<br />
zum Ziegel-Weltmarktführer Wienerberger<br />
die Initiative „Mehr Zuhaus’ in Österreich!“<br />
gegründet und einen Forderungskatalog ausgearbeitet.<br />
Denn es drohen massive Auftragseinbrüche<br />
und eine beispiellose Wohnungsnot,<br />
wie Torsten Kreft, Geschäftsleiter von<br />
hagebau Österreich, warnt: „Die Politik hat<br />
mit zu strengen Kreditvergaberichtlinien,<br />
überbordender Bürokratie und völlig verfehlten<br />
Fördersystemen maßgeblich zu dieser Situation<br />
beigetragen. Das muss jetzt korrigiert<br />
werden, sonst können wir den drohenden<br />
Wohnungsrückstand nicht mehr aufholen.“<br />
Alarmierende Zahlen<br />
In der Tat ist die Prognose alarmierend, so<br />
auch Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister<br />
der Bundesinnung Bau in der Wirtschaftskammer<br />
Österreich. Wurde 2019 noch<br />
der Bau von 69.900 Wohneinheiten im Neubau<br />
bewilligt, hat sich diese Zahl bis 2023 kontinuierlich<br />
in etwa halbiert. Heuer werden<br />
nur mehr rund 30.000 Baubewilligungen erwartet,<br />
nach dem besonders schwachen Jänner<br />
droht jedoch bereits ein Einbruch auf nur<br />
mehr rund 20.000.<br />
„Die Ankündigungen der Bundesregierung<br />
sind grundsätzlich zu begrüßen, denn<br />
sie zeigen zumindest ein Problembewusstsein“,<br />
so der Bundesinnungsmeister. „Allerdings<br />
treffen diese Ideen nicht den Kern des<br />
Problems, nämlich die ausbleibende Baunachfrage.<br />
Um diese zu stabilisieren, braucht<br />
es zielgerichtete Maßnahmen.“ Ohne politisches<br />
Gegensteuern seien zehntausende Jobs<br />
in Gefahr, warnt Jägersberger: Inklusive Bau<br />
und Dienstleistern hängt rund jeder zehnte<br />
Job in Österreich an der Immobilienwirtschaft.<br />
Denn die meisten Neubauwohnungen<br />
wurden in den vergangenen Jahren nicht von<br />
Eigennutzern, sondern von institutionellen<br />
und privaten Investoren zur Vermietung gekauft.<br />
Und diese sind aufgrund der gestiegenen<br />
Zinsen vom Markt praktisch verschwunden.<br />
Zahlreiche Bauträger haben bereits fix<br />
geplante Projekte verschoben oder auf unbestimmte<br />
Zeit ausgesetzt – so hat Österreichs<br />
SCHÖNHERR BERÄT<br />
Während Immobilientransaktionen zuletzt rar<br />
waren, sorgte der Verkauf eines großen<br />
Immobiliendienstleisters für Aufsehen: Österreichs<br />
größte private Hausverwaltungsgesellschaft<br />
IMV erwarb im Dezember mit der EHL<br />
Immobilien Management GmbH das Hausverwaltungsgeschäft<br />
der EHL-Gruppe. Die<br />
IMV ist einer der größten privaten Immobilienverwalter<br />
Österreichs mit Standorten in<br />
Wien, Linz, Graz, Klagenfurt und München.<br />
Beim Deal an Bord war die Sozietät Schönherr:<br />
Die führende Full-Service-Wirtschaftsrechtskanzlei<br />
hat die Verkäuferin EHL Immobilien<br />
GmbH begleitet.<br />
größter Bauträger Buwog bereits 2023 alle<br />
Neubauprojekte auf Eis gelegt und wird auch<br />
heuer keinen Spaten setzen.<br />
Bauordnung entrümpeln<br />
Die Flaute am Bau sollte nicht zum Dauerzustand<br />
werden: Die Initiative „Mehr Zuhaus’<br />
in Österreich!“ fordert daher rechtliche Vereinfachungen<br />
wie eine Entrümpelung der<br />
Bauordnung: Die vielen Paragrafen machen<br />
die Entwicklung neuer Projekte zum bürokratischen<br />
Hürdenlauf. So brauche es schnellere<br />
Bauverfahren und Flächenumwidmungen,<br />
ebenso sollte die Aufstockung bestehender<br />
Gebäude erleichtert werden; das würde auch<br />
dem Problem der Bodenversiegelung entgegenwirken.<br />
Weitere Forderungen sind Steuererleichterungen,<br />
das „Comeback“ der Zweckbindung<br />
der Wohnbauförderung inklusive<br />
einer Aufstockung der Mittel um eine halbe<br />
Milliarde Euro – und vor allem, wie inzwischen<br />
von der gesamten Immobilienwirtschaft<br />
gefordert, eine baldige Entschärfung<br />
der strengen Kreditvergaberichtlinien der<br />
KIM-V. „Die Kreditvergaberichtlinien der Finanzmarktaufsicht<br />
gehen an der Einkommensrealität<br />
der österreichischen Familien<br />
und am Wohnungsmarkt vollkommen vorbei“,<br />
findet Georg Bursik, Geschäftsführer<br />
von Baumit Österreich. „Es kann nicht sein,<br />
dass die kleinen Häuslbauer die Rechnung für<br />
Fehler in der Zins- und Förderpolitik und für<br />
Großinsolvenzen bezahlen.“<br />
Kaum Transaktionen<br />
Tatsächlich verzerren die weitreichenden<br />
Folgen von Milliardenpleiten die Zahlen zum<br />
bereits notleidenden Immobilieninvestmentmarkt<br />
sogar zum Besseren. So steckten institutionelle<br />
Anleger im Vorjahr laut Zahlen des<br />
Immobiliendiestleisters CBRE im Vorjahr<br />
zwar rund 2,8 Milliarden Euro in österreichische<br />
Objekte, um die Hälfte weniger als<br />
2022. Bereinigt um große Notverkäufe aus<br />
dem Signa-Portfolio wäre das Volumen aber<br />
weit unter zwei Milliarden Euro geblieben.<br />
Auch heuer fallen die Transaktionen im Vergleich<br />
zum bereits schwachen Vorjahr noch<br />
weiter, wie aktuelle Daten der Grundbuchexperten<br />
von IMMOunited zeigen. Die meisten<br />
Marktteilnehmer warten offenbar auf weitere<br />
Preisrückgänge.<br />
Und diese dürften in der Tat kommen:<br />
CBRE sieht die „Stabilisierung der Preise und<br />
Renditen erst Mitte <strong>2024</strong> erreicht”, wie<br />
Schwarz sagt. „Flexibilität ist im aktuellen<br />
Marktumfeld das Wichtigste“, rät Dieter<br />
Steup, Geschäftsführer des gleichnamigen,<br />
auf große Transaktionen spezialisierten Investmentmaklerunternehmens<br />
in Wien:<br />
„Man sollte den Kopf nicht in den Sand stecken:<br />
Es ist besser, die Chancen zu nutzen<br />
und jetzt zu kaufen, als auf den Tiefpunkt der<br />
Preise zu warten.“ Sein Co-Geschäftsführer<br />
Thomas Morawek würde es besser finden,<br />
wenn nicht alle Marktteilnehmer darauf warten<br />
würden, was der andere tut – und dabei<br />
darauf hoffen, dass der Mitbewerber in<br />
Schieflage gerät und damit die Preise weiter<br />
purzeln: „Wir raten, mit dem Immobilienkauf<br />
nicht zu lange zu warten, sonst sind die attraktivsten<br />
Projekte bereits weg. Auch erwarten<br />
wir, dass in Österreich die Talsohle rascher<br />
durchschritten wird als beispielsweise<br />
in Deutschland.“<br />
Politik ist gefordert<br />
Eine Hoffnung, die sich nur dann erfüllen<br />
dürfte, wenn die Politik die Probleme hierzulande<br />
erkennt, rasch handelt – und trotz vieler<br />
anderweitiger Sorgen, vom Krieg über die<br />
Inflation bis zum Wahlkampf, die von der<br />
Bauwirtschaft geforderten Maßnahmen von<br />
der Steuererleichterung bis zur Mobilisierung<br />
der Mittel für den Wohnbau angeht. „Wohnungsbau<br />
ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen<br />
derzeit einfach nicht kostengünstiger<br />
möglich. Die teure Finanzierung<br />
und die wegen der schwachen Konjunktur<br />
unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven<br />
machen den Kauf oder auch nur die Miete einer<br />
Wohnung zudem für viele Menschen zu<br />
einer immer größeren Herausforderung“, resümiert<br />
Buwog-CEO Daniel Riedl. „Die Politik<br />
ist dringend gefordert, die Rahmenbedingungen<br />
zu verbessern, um wirksam entgegenzusteuern.“<br />
Besser früher als später: Irgendwann<br />
muss ja doch wieder gebaut werden.<br />
„Im Interesse der Wohnungssuchenden wäre<br />
es zu wünschen, dass die Politik dafür sorgt,<br />
dass dies besser früher als später der Fall sein<br />
wird“, so der Buwog-Chef – auch und gerade<br />
in einem Wahljahr.
Mittwoch, <strong>21</strong>. Februar <strong>2024</strong><br />
IMMOBILIENRECHT<br />
Trautes Heim, Kredit allein?<br />
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Im Gespräch. Familienrechtsanwältin Valentina Philadelphy-Steiner über Risiken beim kreditfinanzierten Erwerb<br />
der Ehewohnung und mögliche Lösungswege in der Krise.<br />
III<br />
Valentina Philadelphy-Steiner ist Rechtsanwältin und auf die Bereiche Familienrecht, <strong>Immobilienrecht</strong> und Nachlassplanung spezialisiert. Das Private Wealth & Family Business Service ihrer Wiener Kanzlei<br />
umfasst u.a. Beratung zur Vermögensaufteilung und -weitergabe bei Trennungen, Todesfällen und Betriebsübergaben. [Jeff Mangione]<br />
INTERVIEW: ANDRÉ EXNER<br />
Nach wie vor steht die Eigentumswohnung<br />
oder das eigene<br />
Haus für viele von uns<br />
ganz oben auf der Liste der erfüllbaren<br />
Träume. Als typischerweise<br />
größte private Investition im Leben<br />
stellt der Kauf oder die Errichtung<br />
des Eigenheimes oftmals ein eheliches<br />
Gemeinschaftsprojekt dar.<br />
Niedrigzinsen<br />
‘‘<br />
und Kreditlaufzeiten<br />
bis ins hohe<br />
Alter lockten<br />
in den vergangenen<br />
Jahren Paare,<br />
für welche der Erwerb<br />
einer Immobilie<br />
sonst unerschwinglich<br />
gewesen wäre,<br />
zur Fremdfinanzierung.<br />
Diese<br />
Generation kennt<br />
praktisch keine Zinsen. Auch Vermögende<br />
nahmen gern günstige<br />
Kredite mit variablem Zinssatz in<br />
Anspruch, um ihr Eigenkapital<br />
währenddessen anderweitig zu<br />
verwenden.<br />
Nun, in Zeiten allgemeiner Teuerung<br />
und steigender Kreditzinsen,<br />
geraten Haushalte in Turbulenzen.<br />
„Die Presse“: Frau Philadelphy-Steiner,<br />
wie nehmen Sie die aktuelle gesamtwirtschaftliche<br />
Situation in Ihrer<br />
familienrechtlichen und immobilienrechtlichen<br />
Beratungspraxis<br />
wahr?<br />
Valentina Philadelphy-Steiner:<br />
Unsere Kanzlei erhält derzeit vermehrt<br />
Anfragen von Paaren, die<br />
sich in finanziellen und persönlichen<br />
Schwierigkeiten befinden.<br />
Der bisherige Lebensstandard, das<br />
Haus oder die Eigentumswohnung,<br />
scheint nicht mehr haltbar. Die Betroffenen<br />
suchen nach Auswegen –<br />
sollen sie das Eigenheim verkaufen<br />
und stattdessen eine Wohnung<br />
mieten? Gibt es eine Möglichkeit<br />
der Umschuldung? Oftmals führt<br />
Die Teuerungen betreffen<br />
auch Scheidungen.<br />
In Zeiten allgemeiner<br />
Teuerung und steigender<br />
Kreditzinsen geraten<br />
Haushalte in Turbulenzen.<br />
der finanzielle Druck zur<br />
Beziehungskrise.<br />
Besonders herausfordernd ist die<br />
Situation bei Trennung und Scheidung.<br />
Hier müssen sich die Ehepartner<br />
auch mit der Frage auseinandersetzen,<br />
wer in der<br />
bisherigen Ehewohnung bleibt und<br />
wer auszieht. Das ist emotional belastend<br />
für die Beteiligten und erfordert<br />
zudem wichtige wirtschaftliche<br />
sowie<br />
rechtliche Klärungen.<br />
Was ist beim Thema<br />
Eigenheim<br />
und Ehescheidung<br />
im Einzelnen<br />
zu beachten?<br />
Nach österreichischem<br />
Recht<br />
sind bei einer<br />
Scheidung alle<br />
Gebrauchsgüter<br />
zwischen den Eheleuten aufzuteilen.<br />
Das betrifft auch Immobilien.<br />
Wenn einer der Ehegatten die bisherige<br />
Ehewohnung übernehmen<br />
soll, stellen sich oft komplexe Berechnungsfragen.<br />
Wer hat welche<br />
Mittel eingebracht, welche Wertsteigerungen<br />
hat das Haus oder die<br />
Wohnung während aufrechter Ehe<br />
erfahren? Kann einer der Partner<br />
den Kredit zur Gänze übernehmen<br />
und auch die laufenden Betriebsund<br />
Erhaltungskosten der Wohnung<br />
künftig allein bestreiten? Verfügt<br />
er oder sie gegebenenfalls über<br />
ausreichend Kapital für eine Ausgleichszahlung<br />
an den ausziehenden<br />
Partner? Sollte den Eheleuten<br />
die Einigung nicht gelingen, droht<br />
am Ende der Notverkauf.<br />
Macht es einen Unterschied, ob nur<br />
einer oder beide Partner im Grundbuch<br />
stehen?<br />
Bei der Vermögensaufteilung<br />
macht es keinen Unterschied. Den<br />
Aufteilungsanspruch hat auch ein<br />
Ehepartner, der nicht im Grundbuch<br />
steht. Zu bedenken ist aber:<br />
Wer als alleiniger Eigentümer im<br />
Grundbuch eingetragen ist, hat es<br />
in der Hand, die Liegenschaft zu<br />
verkaufen oder zu belasten.<br />
Was bedeuten Scheidung und Auszug<br />
eines Partners für den gemeinsamen<br />
Kredit?<br />
Wenn die scheidenden Partner sich<br />
darauf einigen, dass die Familienimmobilie<br />
künftig einem von ihnen<br />
allein gehören soll, verbinden sie<br />
das gewöhnlich mit einer Übereinkunft<br />
über die Schuldentilgung.<br />
Üblicherweise übernimmt derjenige,<br />
der in der Wohnung bleibt, die<br />
komplette Rückzahlung des bislang<br />
gemeinsam bedienten Kredits.<br />
Das setzt eine Änderung der Finanzierungsvereinbarung<br />
voraus, wofür<br />
die Zustimmung der Bank als<br />
Vertragspartnerin des Kreditvertrages<br />
erforderlich ist. Banken haben<br />
in dieser Situation das Interesse,<br />
sich ihren Haftungsfonds zu erhalten,<br />
sprich ihre Position nicht dadurch<br />
zu verschlechtern, dass sie<br />
einen Schuldner mit guter Bonität<br />
aus der Haftung entlassen. In der<br />
Praxis wird die Bank kaum Einwände<br />
haben, wenn beispielsweise die<br />
nur teilzeitbeschäftigte oder einkommenslose<br />
Ehefrau als Mitschuldnerin<br />
des gutverdienenden<br />
Mannes aus dem Kreditvertrag ausscheidet.<br />
Sollten hingegen beide<br />
Ehepartner nahezu gleich hohe<br />
Einkünfte haben, wird die Bank weniger<br />
geneigt sein, einen von ihnen<br />
aus der Haftung zu entlassen, es sei<br />
denn, der verbleibende Schuldner<br />
bringt neue Sicherheiten bei.<br />
Und wenn eine einvernehmliche Änderung<br />
des Kreditvertrags nicht zustande<br />
kommt?<br />
Das Ehegesetz gibt dem Gericht die<br />
Möglichkeit, mit Beschluss festzustellen,<br />
welcher Ehegatte Hauptschuldner<br />
und welcher nur noch<br />
sogenannter Ausfallsbürge sein<br />
soll. Der Ausfallsbürge kann nur<br />
wegen des Betrags belangt werden,<br />
den die Bank nicht in angemessener<br />
Frist vom Hauptschuldner (nötigenfalls<br />
im Exekutionsweg) hereinbringt.<br />
Das darf aber nicht als gänzliche<br />
Entlassung des Schuldners aus dem<br />
Kreditvertrag missverstanden werden.<br />
Schlimmstenfalls muss der<br />
Ausfallsbürge im Verwertungsverfahren<br />
für die aushaftende Restverbindlichkeit<br />
einstehen und an die<br />
Bank zahlen. Er bleibt insoweit dem<br />
Kredit verhaftet. Das bedeutet für<br />
ihn eine schlechtere Bonität, als es<br />
ohne die Ausfallsbürgschaft der<br />
Fall wäre, und somit eine nachteilige<br />
Ausgangsposition für einen<br />
wirtschaftlichen Neustart.<br />
Haben Sie ein Fallbeispiel aus Ihrer<br />
Beratungstätigkeit für uns?<br />
Ein Paar ließ sich scheiden. Die Frau<br />
übernahm das bis dahin gemeinsam<br />
bewohnte Haus, der Mann zog<br />
aus und erhielt eine Ausgleichszahlung.<br />
Die Bank<br />
‘‘<br />
entließ ihn nicht<br />
aus der Ausfallsbürgschaft.<br />
Als<br />
der Mann später<br />
einen Kredit zum<br />
Wohnungskauf<br />
mit seiner neuen<br />
Partnerin aufnehmen<br />
wollte, forderte<br />
die Bank zusätzliche Sicherheiten,<br />
weil der Mann aufgrund der<br />
aufrechten Ausfallsbürgschaft eine<br />
schlechte Bonität habe. Wir empfahlen<br />
der Frau, mit finanzieller<br />
Unterstützung ihrer Eltern eine<br />
Teiltilgung des Kredits vorzunehmen,<br />
was sie tat. Das verringerte<br />
den gesamt aushaftenden Kreditsaldo,<br />
sodass die Bank schließlich<br />
doch einwilligte, den Mann aus der<br />
Haftung zu entlassen.<br />
Gibt es eine Möglichkeit, gegen solche<br />
ungeplante Entwicklungen Vorkehrungen<br />
zu treffen?<br />
Gerade vor dem gemeinsamen Kauf<br />
einer Immobilie sollten Ehepaare<br />
nicht nur in finanziellen, sondern<br />
vor allem auch in juristischen Dingen<br />
professionelle Beratung in Anspruch<br />
nehmen. Rechtsanwältinnen<br />
und Rechtsanwälte können<br />
hinsichtlich möglicher Zukunftsszenarien<br />
– Trennung, Krankheit,<br />
Ableben und so weiter – präventiv<br />
aufklären, die rechtlichen Implikationen<br />
erläutern und passende vertragliche<br />
Gestaltungsmöglichkeiten<br />
aufzeigen.<br />
Insbesondere sollten die Partner<br />
vor der Aufnahme eines Kredits<br />
zum Kauf des Eigenheimes gut<br />
überlegen, ob ihren Bedürfnissen<br />
besser gedient ist, wenn sie gemeinsam<br />
oder doch jeder separat<br />
einen Kredit aufnehmen.<br />
Dazu ein weiteres Beispiel für ein<br />
möglichst zu vermeidendes Szenario:<br />
Ein Ehepaar, beide Partner Mitte<br />
30, mit zwei kleinen Kindern,<br />
baute ein Einfamilienhaus. Der<br />
Mann hatte den dafür benötigten<br />
Kredit formal allein abgeschlossen,<br />
weil die Frau in<br />
Karenz war und<br />
kein eigenes Einkommen<br />
hatte.<br />
Der Mann hatte<br />
der Bank erfolgreich<br />
dargestellt,<br />
dass er den Kredit<br />
allein bedienen<br />
könne. Im Innenverhältnis<br />
hatten die Eheleute<br />
freilich vereinbart, den Kredit gemeinsam<br />
zurückzuzahlen. Die Frau<br />
verstarb bei einem Unfall. Sie hatte<br />
keine Lebensversicherung zur Besicherung<br />
der Kreditrückzahlung abgeschlossen.<br />
Infolge der tragischen<br />
Ereignisse musste der Ehemann<br />
fortan sowohl die Rückzahlungsraten<br />
des Kredits als auch die Lebenshaltungskosten<br />
der Familie eigenständig<br />
tragen.<br />
Ehepartner, die nicht im<br />
Grundbuch stehen, haben<br />
dennoch Anspruch<br />
auf Aufteilung.<br />
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Diese Seite wurde finanziert von<br />
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IV Mittwoch, <strong>21</strong>. Februar <strong>2024</strong><br />
IMMOBILIENRECHT<br />
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Bestellerprinzip. Die Neuregelung kann zu rechtlichen Problemen führen – sowohl bei durch Makler vermittelten<br />
Objekten als auch bei Wohnungen, die über Social-Media-Plattformen angeboten werden.<br />
Unangenehmer Rechtsstreit auf Bestellung<br />
VON ANDRÉ EXNER<br />
Die Befürchtungen der Immobilienwirtschaft<br />
sind<br />
eingetreten: Zwar müssen<br />
Wohnungsmieter dank des Bestellerprinzips<br />
seit Juli 2023 keine Maklergebühren<br />
mehr bezahlen – doch<br />
das Angebot ist spürbar zurückgegangen.<br />
Laut Zahlen des unabhängigen<br />
Maklerverbands Immobilienring<br />
stehen ausgerechnet auf dem<br />
angespannten Wohnungsmarkt der<br />
Bundeshauptstadt weniger Mietwohnungen<br />
bereit, sagt Immobilienring-Präsident<br />
Georg Spiegelfeld:<br />
„Seit Einführung des Bestellerprinzips<br />
hat sich das Angebot<br />
auf Plattformen von Wohnungen<br />
bis 1000 Euro Monatsmiete um 50<br />
Prozent reduziert, bei Wohnungen<br />
im Preisbereich von 1000 bis 1500<br />
Euro Miete um 25 Prozent.“ Erst bei<br />
Luxusmietwohnungen im Preisbereich<br />
jenseits von 1500 Euro Monatsmiete<br />
ist das Angebot weiterhin<br />
stabil.<br />
Viele, die in Österreich eine<br />
Wohnung mieten, kommen aus<br />
dem Ausland. Das Informationsdefizit<br />
ist hoch, wie die D.A.S. Rechtsschutzversicherung<br />
hinweist – daher<br />
versuchen laut Marktteilnehmern,<br />
einige „schwarze Schafe“ die<br />
Mieter mit windigen Tricks oder<br />
unerlaubten Ablösen doch zur Kassa<br />
zu bitten. Allerdings: Bei Wohnungsmietverträgen<br />
hat der erste<br />
Auftraggeber für die gesamte Vermittlerprovision<br />
aufzukommen.<br />
Bei Verstößen drohen Verwaltungsstrafen<br />
von bis zu 3600 Euro oder<br />
sogar der Verlust der Maklerzulassung,<br />
wie das Unternehmen hinweist.<br />
Denn Provisionen gibt es nur<br />
mehr bei der Vermittlung von Im-<br />
Den Makler bezahlt in der Regel der Vermieter. Das ist für Mieter nicht immer ideal. [Getty Images/Pavel Iarunichev]<br />
mobilieneigentum. Nur mehr eine<br />
einzige Ausnahme vom Bestellerprinzip<br />
lässt der Gesetzgeber zu.<br />
Bei der Vermittlung von durch<br />
Dienstgeber angemieteten Dienstwohnungen<br />
darf die Maklerprovision<br />
weiterhin verlangt werden,<br />
wenn sie damit Dienstnehmern eine<br />
Dienst-, Natural- oder Werkwohnung<br />
zur Verfügung stellen.<br />
Informationsmangel droht<br />
Aufgrund des neuen Bestellerprinzips<br />
trägt bei der Vermittlung von<br />
Mietwohnungen jene Vertragspartei<br />
die Maklerprovision, die den<br />
Makler erstmals beauftragt. Immobilienmakler<br />
können mit Wohnungssuchenden<br />
daher nur dann<br />
rechtlich eine Provision vereinbaren,<br />
wenn diese als erste Auftraggeber<br />
bei der Vermittlung eines<br />
Wohnungsmietvertrags tätig geworden<br />
sind. „Jedoch nur dann,<br />
wenn Vermieter oder Verwalter weder<br />
am Unternehmen des Immobilienmaklers<br />
beteiligt sind noch<br />
maßgeblichen Einfluss darauf nehmen<br />
können“, konkretisiert Ingo<br />
Kaufmann, Mitglied des Vorstands<br />
der D.A.S. Rechtsschutzversicherung.<br />
Wer zahlt, schafft an: Weil den<br />
Makler seit dem Sommer 2023 der<br />
Vermieter bezahlt, darf er die Mieter<br />
nicht nur im Regen stehen lassen,<br />
sondern muss das rechtlich betrachtet<br />
sogar tun. Da üblicher-<br />
weise der Vermieter als Erstauftraggeber<br />
den Maklervertrag abschließt,<br />
werden Makler voraussichtlich<br />
keinen provisionsfreien<br />
Vertrag mehr mit Mietern eingehen.<br />
„Die bisher gängige Praxis der<br />
RECHT FÜR VERMIETER<br />
Mit dem Handbuch „Rechtsberater<br />
für Vermieterinnen und<br />
Vermieter” hat der Linde Verlag,<br />
führend in den Bereichen Steuern,<br />
Wirtschaft und Recht, ein heuer in<br />
vierter Auflage aktualisiertes Werk<br />
im Angebot, das auch das Thema<br />
Mietvertrag ausführlich behandelt.<br />
Doppelmaklertätigkeit gilt nur<br />
mehr bei Eigentum. Das führt zu einem<br />
Entfallen von Informationspflichten<br />
der Makler gegenüber potenziellen<br />
Mietern“, sagt<br />
Kaufmann – daher bietet es sich für<br />
Mieter an, einen Rechtsexperten zu<br />
Rate zu ziehen und den Mietvertrag<br />
von diesem prüfen zu lassen.<br />
Fake-Angebote nehmen zu<br />
Spiegelfeld findet zwar, dass Berichte<br />
über „schwarze Schafe“<br />
meistens ins Reich der Fabeln gehören:<br />
„Wir screenen laufend die Inserate<br />
auf Einhaltung des Bestellerprinzips.<br />
Unsere Mitglieder wie<br />
auch die meisten anderen Immobilienmakler:innen<br />
arbeiten gesetzeskonform“,<br />
sagt der Immobilienring-Präsident.<br />
Allerdings würden<br />
immer mehr Mietwohnungen ganz<br />
legal „unter der Hand“ vermietet:<br />
Die Angebote über Facebook haben<br />
zugenommen, Facebookgruppen,<br />
wo Wohnungen angeboten und gesucht<br />
werden, vergrößern sich laufend.<br />
Die Mietangebote stammen<br />
von Vormietern oder Eigentümern,<br />
die sich in den vergangenen Jahren<br />
Wohnungen als private Anlage gekauft<br />
haben. „Wir beobachten bei<br />
unserem laufenden Screening sehr<br />
oft überhöhte Preise bei Wohnungen,<br />
die dem MRG unterliegen, aber<br />
auch Miethöhen, die in keiner Relation<br />
zum Standard des Angebots<br />
stehen“, warnt er: „Vorsicht vor<br />
Fake-Angeboten ist auf jeden Fall<br />
angebracht.“ Denn auch hier könnte<br />
die „beratungsfreie“ Unterschrift<br />
unter dem Mietvertrag zwar Geld<br />
durch die fehlende Maklerprovision<br />
sparen, aber auch unerwünschte<br />
rechtliche Folgen haben – für Mieter<br />
wie für Vermieter.<br />
Die EU steigert das Tempo bei<br />
Renovierungen<br />
Energieeffizienz. Die EU plant eine Sanierungsoffensive. Um die Sanierungsquote<br />
nachhaltig zu steigern, braucht es jedoch auch rechtliche Schritte.<br />
©iStock<br />
WISSEN<br />
MACHT<br />
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IM IMMOBILIENRECHT<br />
Tagung Wohn- &<strong>Immobilienrecht</strong> 11052<br />
Inkl. Expertendiskussion zur neuen Wiener Bauordnung<br />
22.-23.05.24, Wien und online<br />
Moderation: FH-Doz. Univ.-Lektor Mag. Kothbauer<br />
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Judikatur-Update zum Wohnrecht 11079<br />
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VON ANDRÉ EXNER<br />
Die Energiewende gewinnt an<br />
Fahrt: Bis 2050 soll die EU klimaneutral<br />
werden, vor allem beim<br />
Energiefresser Immobilien ist das<br />
Einsparungspotenzial in Sachen<br />
CO2 enorm. Weil der Neubau in Sachen<br />
Energieverbrauch nur die<br />
Spitze des Eisbergs darstellt – und<br />
sowieso nur mehr mit umweltfreundlichen<br />
Energiesystemen errichtet<br />
werden darf –, liegt der <strong>Fokus</strong><br />
daher auf Sanierungen.<br />
Ehrgeizige Sanierungsziele<br />
Die Sanierungsziele aus Brüssel<br />
sind ehrgeizig: Bis zum Jahr 2030 ist<br />
EU-weit die Renovierung von 16<br />
Prozent der Gebäude mit der<br />
schlechtesten Energieeffizienz vorgesehen<br />
und bis 2033 26 Prozent.<br />
Ausreden gelten nicht, denn den<br />
Regierungen der EU-Mitgliedsländer<br />
sind die Hände gebunden. So<br />
müssen die jeweiligen nationalen<br />
Maßnahmen sicherstellen, dass der<br />
durchschnittliche Primärenergieverbrauch<br />
um mindestens 55 Prozent<br />
bei den schlechtesten Gebäuden<br />
gesenkt wird.<br />
Um diese Ziele zu erreichen,<br />
braucht es auch in Österreich eine<br />
deutliche Steigerung der Sanierungsquote,<br />
die in den vergangenen<br />
Jahren stets unter der Zwei-<br />
Prozent-Marke blieb. Dafür braucht<br />
es klare Regeln, damit die einzelnen<br />
Mieter und Wohnungseigentümer<br />
die Umstellung der Heizung auf ein<br />
zentrales klimafreundliches System<br />
akzeptieren können. „Wenn<br />
das gelingt, würde ein Ruck durch<br />
die Immobilienwirtschaft gehen“,<br />
sagt Susanne Formanek, Vorstand<br />
und kaufmännische Projektleiterin<br />
von Renowave.at, dem österreichischen<br />
Innovationslabor für klimaneutrale<br />
Gebäude- und Quartierssanierungen.<br />
„Die Sanierung<br />
und Heizungsumstellung sehr vieler<br />
älterer Bauten von Gemeinden,<br />
Gemeinnützigen, Privaten und Eigentumsbauten<br />
scheitert vielfach<br />
am Widerstand von Einzelpersonen.“<br />
Deshalb sei es notwendig,<br />
dass auch die Kostentragung rechtlich<br />
eindeutig geregelt wird. Dafür<br />
seien die Lebensbedingungen einkommensschwacher<br />
Bewohner sowie<br />
die Minderheitenrechte und<br />
der Schutz der Eigentumsrechte zu<br />
berücksichtigen.<br />
Rechtliche Eingriffe<br />
Bereits dafür braucht es Eingriffe in<br />
das bestehende Miet- und Wohnrecht.<br />
Doch das ist erst der Anfang:<br />
Renowave rät generell, notwendige<br />
Maßnahmen, um Gebäude „enkelfit“<br />
zu machen – also zu dekarbonisieren<br />
–, wohnrechtlich als Erhaltung<br />
und nicht länger als Verbesserung<br />
einzustufen. „Mit einer<br />
solchen kleinen Änderung könnten<br />
einige Knoten im Miet- und Wohnungseigentumsrecht<br />
gelöst werden“,<br />
so Formanek. Entscheidend<br />
ist zudem die Leistbarkeit: Die EU-<br />
Ziele können selbst nach den notwendigen<br />
rechtlichen Änderungen<br />
erst dann erfüllt werden, wenn die<br />
Zinsen wieder sinken.<br />
Konnte vor einem Jahr eine größere<br />
Sanierung noch um 1,5 Prozent<br />
finanziert werden, ist der Zinssatz<br />
heute etwa dreimal so hoch. Hätte<br />
man vor zwei Jahren für eine umfassende<br />
Sanierung 100.000 Euro<br />
auf 20 Jahre finanziert, wäre sich<br />
das mit einer monatlichen Rate unter<br />
500 Euro ausgegangen – heute<br />
ist das Doppelte fällig. Bis Finanzierungen<br />
wieder günstiger werden,<br />
sind daher Förderungen umso<br />
wichtiger. Einfach das Geld vom<br />
Staat zu holen und „loszusanieren“,<br />
geht jedoch höchstens bei<br />
Einfamilienhäusern in Einzellage:<br />
Sobald mehrere Parteien involviert<br />
sind, ist eine rechtliche Vorprüfung<br />
der Vorhaben ratsam.<br />
NEUER FÖRDERRECHNER<br />
Bis zu 27.500 Euro Förderung gibt<br />
es für die Heizungsumrüstung, in<br />
besonderen Fällen sogar noch<br />
mehr, und der Staat übernimmt<br />
bis zu 100 Prozent der Kosten für<br />
private Sanierungsprojekte. Berechnen<br />
lässt sich die genaue<br />
Summe mit Hilfe des Pelletheizungen-Herstellers<br />
ÖkoFEN<br />
unter www.foerderrechner.at.
Mittwoch, <strong>21</strong>. Februar <strong>2024</strong><br />
IMMOBILIENRECHT<br />
Das Ende der unbefristeten Mietverträge?<br />
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Im Gespräch. Brauneis Rechtsanwälte berät bei Real Estate, Corporate & Commercial und Litigation. Philipp<br />
Sebesta und Georg Steindl-Tomschizek aus dem Immobilienteam über die neueste Judikatur im Mietrecht.<br />
V<br />
INTERVIEW: ANDRÉ EXNER<br />
Die Presse: In letzter Zeit versetzten<br />
zwei Entscheidungen des Obersten<br />
Gerichtshofs (OGH) die Rechtswelt<br />
in Aufruhr. Worum geht es konkret?<br />
Philipp Sebesta: Im vergangenen<br />
Jahr traf der OGH zwei richtungsweisende<br />
Entscheidungen zu Wertsicherungsklauseln<br />
in Verbrauchermietverträgen,<br />
die aus<br />
verschiedenen Gesichtspunkten<br />
die bekannte Mietvertragspraxis<br />
auf den Kopf stellen. Im Kern geht<br />
es um zwei Klauseln, die der OGH<br />
als kritisch hervorgehoben hat: In<br />
seiner Entscheidung zu 2 Ob 36/23t<br />
erachtete der OGH eine sogenannte<br />
„Index-Ersatz-Klausel“ für unklar<br />
im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes<br />
(KSchG). Die überprüfte<br />
Klausel sah vor, dass, sollte der Verbraucherpreisindex<br />
(VPI) einmal<br />
nicht mehr verlautbart werden, ein<br />
Index, „der diesem Index am meisten<br />
entspricht“, als Grundlage für<br />
die Wertsicherung dienen soll. Laut<br />
OGH bleibt es durch diese Bestimmung<br />
unklar, welcher Wertmesser<br />
für die Preisanpassung bei Wegfall<br />
des VPI maßgeblich sein soll. Die<br />
Klausel müsse daher im Sinne des<br />
KSchG unangewendet bleiben.<br />
Georg Steindl-Tomschizek: In einem<br />
Beisatz sprach der OGH bereits<br />
in dieser Entscheidung aus, dass<br />
Wertsicherungsklauseln, die nicht<br />
im Einzelnen ausverhandelt wurden,<br />
in Mietverträgen im Sinne des<br />
KSchG ferner unzulässig sind,<br />
wenn bei kundenfeindlichster Auslegung<br />
der Klausel schon innerhalb<br />
der ersten zwei Monate nach Vertragsschluss<br />
eine Entgeltänderung<br />
eintreten könnte. Die zweite Entscheidung<br />
(8 Ob 37/23h) bestätigte<br />
die bereits in der oben zitierten Entscheidung<br />
getätigte Aussage des<br />
OGH betreffend die Unzulässigkeit<br />
einer Wertsicherungsklausel, wenn<br />
eine Anhebung des Hauptmietzinses<br />
innerhalb der ersten zwei Monate<br />
nach Vertragsabschluss nicht<br />
ausgeschlossen ist.<br />
Welche Folgen haben diese Entscheidungen<br />
für die bestehenden<br />
Wertsicherungsklauseln in laufenden<br />
Mietverträgen?<br />
Steindl-Tomschizek: Alledem ist<br />
vorauszuschicken, dass die beiden<br />
angesprochenen OGH-Entscheidungen<br />
in Verbandsprozessen ergangen<br />
sind, in denen die Beurteilung<br />
der Klauseln immer in der<br />
„kundenfeindlichsten Auslegung“<br />
zu erfolgen hat, demgegenüber im<br />
Einzelfall die allgemeinen Auslegungsregeln<br />
des ABGB (§§ 914, 915<br />
ABGB) zur Vertragsauslegung heranzuziehen<br />
sind. Beide Entscheidungen<br />
sind im Zusammenspiel<br />
mit der EuGH-Judikatur zur Klausel-Richtlinie<br />
brisant, als demnach<br />
argumentiert werden könnte, dass<br />
nicht nur der überschießende und<br />
eigentlich strittige Teil der betroffenen<br />
Klauseln wegfällt, sondern die<br />
gesamte Klausel zu entfallen hat.<br />
Im Ergebnis bliebe der Vertrag ohne<br />
Wertsicherungsklausel aufrecht.<br />
Sebesta: Diese drohende Folge<br />
führte in der Branche unweigerlich<br />
zu großer Aufregung, weil Vermieter<br />
sich dadurch mit der Situation<br />
konfrontiert sähen, dass sie teilweise<br />
vor Mietverträgen stehen, deren<br />
Hauptmietzinse nun aufgrund der<br />
Entscheidungen nicht mehr wertgesichert<br />
wären. Besonders gravierend<br />
ist diese Folge bei unbefristeten<br />
und im Anwendungsbereich<br />
des MRG kaum auflösbaren Mietverträgen.<br />
Ohne vertragliche Wertsicherung<br />
müsste damit über die<br />
Vertragslaufzeit stets jener Hauptmietzins<br />
vorgeschrieben werden,<br />
der bei Anmietung ursprünglich<br />
vereinbart wurde. Dadurch drohen<br />
Georg Steindl-Tomschizek (steindl-tomschizek@brauneis.law, l.) und Philipp Sebesta (sebesta@brauneis.law) sind Rechtsanwälte bei Brauneis Rechtsanwälte in Wien.<br />
Sie orten als Folge der neuen OGH-Judikatur eine Reihe rechtlicher Fragezeichen. [Elisabeth Lammer]<br />
auch Rückforderungsansprüche<br />
von Mietern für sämtliche Erhöhungsbeträge<br />
aufgrund der Wertsicherung<br />
der vergangenen Jahre.<br />
Das ist ein beunruhigender Ausblick<br />
für Vermieter . . .<br />
Steindl-Tomschizek: Richtig ist,<br />
dass die momentane Judikaturlage<br />
zu erheblichen wirtschaftlichen<br />
Verwerfungen führen könnte. Ein<br />
Kritikpunkt liegt dabei in der Außerachtlassung<br />
des Zwecks von<br />
Wertsicherungsklauseln, der in der<br />
Sicherstellung eines andauernd angemessenen<br />
Entgelts<br />
für eine an-<br />
‘‘<br />
dauernde Leistung<br />
(die Zurverfügungstellung<br />
des Mietobjekts)<br />
besteht,<br />
weshalb gerade<br />
keine einseitige<br />
Entgelterhöhung<br />
durch den Vermieter<br />
vorgesehen ist.<br />
Es kann durch<br />
Wertsicherungsklauseln<br />
ja nicht<br />
nur zu Erhöhungen,<br />
sondern naturgemäß<br />
auch zu Senkungen des<br />
Hauptmietzinses kommen. Entgeltänderungen<br />
durch eine vereinbarte<br />
Wertsicherung geschehen<br />
auch nicht durch den Willen einer<br />
Vertragspartei, sondern sind diesem<br />
gerade entzogen. Die Veränderung<br />
des Entgelts (Hauptmietzinses)<br />
erfolgt anhand der<br />
konjunkturellen Entwicklung, festgehalten<br />
im Verbraucherpreisindex,<br />
der ja auch einen Gradmesser<br />
für viele weitere Bereiche unseres<br />
Lebens darstellt. Folglich können<br />
durch die Vereinbarung einer Wertsicherung<br />
keine willkürlichen Ent-<br />
„Immobilienbewertungen<br />
orientieren sich im<br />
geplanten Verkaufsfall<br />
bei vermieteten Objekten<br />
auch an den zu<br />
erzielenden Mieteinnahmen.“<br />
Georg Steindl-Tomschizek<br />
Brauneis Rechtsanwälte<br />
gelterhöhungen vorgenommen<br />
werden, vor denen das KSchG die<br />
Verbraucher schützen möchte. Zum<br />
Schutz vor überhöhten Hauptmietzinsen<br />
bestehen ohnehin gesetzliche<br />
Regularien, wie die im MRG<br />
(Vollanwendungsbereich) vorgesehene<br />
Möglichkeit zur Hauptmietzinsüberprüfung<br />
im Zuge eines<br />
Schlichtungsstellen- oder gerichtlichen<br />
Verfahrens. Hingegen könnte<br />
der Vermieter bei Wegfall der Wertsicherung<br />
vor dem Ergebnis stehen,<br />
dass er über eine fortgesetzte Vertragsdauer<br />
gerade kein angemessenes<br />
Entgelt mehr für das Mietobjekt<br />
erhält und er damit einhergehend<br />
eine Entwertung seines Mietobjektes<br />
sowohl bei Vermietung als auch<br />
beim Verkauf hinnehmen<br />
muss.<br />
Schließlich orientieren<br />
sich Immobilienbewertungen<br />
im geplanten Verkaufsfall<br />
bei vermieteten<br />
Objekten<br />
auch an den zu erzielenden<br />
Mieteinnahmen.<br />
Sebesta: Ein vorsichtiger<br />
Vermieter<br />
könnte angesichts<br />
der im Zusammenhang<br />
mit Wertsicherungsklauseln<br />
drohenden Folgen<br />
zu dem Schluss kommen, keine<br />
Mietverträge mehr abzuschließen,<br />
die über die gesetzliche Mindestvertragsdauer<br />
hinausgehen, da einerseits<br />
der Werterhalt auf dem<br />
Prüfstand steht und andererseits<br />
auch nicht ausgeschlossen werden<br />
kann, dass in Zukunft Wertsicherungsklauseln<br />
grundsätzlich für<br />
unzulässig erklärt werden und damit<br />
unangewendet bleiben müssten.<br />
Immobilienbewertungen sind in Folge<br />
von Insolvenzen gerade in aller<br />
Munde. Gibt es hier Auswirkungen<br />
für die Bewertung in Unternehmen?<br />
Sebesta: Natürlich stellt sich die<br />
Frage, ob bilanzierende Vermieter<br />
die Bewertung ihrer Immobilien in<br />
den Bilanzen nicht vorsorglich anzupassen<br />
hätten, um Haftungen im<br />
Zusammenhang mit Bewertungsfehlern<br />
vorzubeugen. Werden nun<br />
Immobilienvermögen<br />
zu hoch bewertet<br />
und in den Jahresabschluss<br />
in<br />
diesem Sinne<br />
„überhöht“ aufgenommen,<br />
könnte<br />
dies zur Nichtigkeit<br />
dieser Jahresabschlüsse<br />
führen,<br />
was wiederum die<br />
Gesellschafter zum<br />
Rückersatz der erhaltenen<br />
Dividenden<br />
verpflichten<br />
könnte. Da unter<br />
Umständen auch<br />
die Leitungsorgane<br />
der Gesellschaften für den Rückersatz<br />
allenfalls zu Unrecht veranlasster<br />
Dividendenzahlungen haften<br />
könnten, sollte dieses Thema nicht<br />
unterschätzt werden.<br />
Wie sind Sie in Ihrer anwaltlichen<br />
Praxis aktuell mit dieser Thematik<br />
konfrontiert?<br />
Steindl-Tomschizek: Vermieter<br />
kommen nun laufend mit Forderungen<br />
von Mietern zu uns, die<br />
pauschal und ohne Konkretisierung<br />
die Erhöhungsbeträge aus der<br />
Wertsicherung für die Vergangenheit<br />
zurückfordern und zugleich für<br />
die Zukunft die Zahlung des bei Vertragsbeginn<br />
vereinbarten (nicht<br />
mehr wertgesicherten) Hauptmietzinses<br />
ankündigen.<br />
‘‘<br />
„Ein vorsichtiger Vermieter<br />
könnte zu dem<br />
Schluss kommen, keine<br />
Mietverträge über<br />
die gesetzliche Mindestvertragsdauer<br />
hinaus<br />
mehr abzuschließen.“<br />
Philipp Sebesta<br />
Brauneis Rechtsanwälte<br />
Und welche Argumente sprechen<br />
nun für oder gegen diese Forderungen<br />
der Mieter?<br />
Sebesta: Allgemein wird in einem<br />
gerichtlichen Verfahren zu überprüfen<br />
sein, ob ein Hauptmietzins<br />
ohne entsprechende Wertsicherung<br />
(insbesondere bei unbefristeten<br />
Mietverträgen) von den Parteien<br />
bei Vertragsabschluss überhaupt<br />
nur angedacht gewesen sein könnte.<br />
Nach derzeitigem Meinungsstand<br />
ist ferner<br />
strittig, ob die<br />
Rückforderbarkeit<br />
allenfalls zu Unrecht<br />
eingehobener<br />
Wertsicherungen<br />
für drei Jahre<br />
oder gar für dreißig<br />
Jahre möglich sein<br />
soll. Der OGH entschied<br />
dazu in der<br />
Vergangenheit,<br />
dass für die Rückforderung<br />
von zu<br />
Unrecht eingehobenen<br />
„Mietbetreffnissen“<br />
(also<br />
sämtlichen aus<br />
dem Mietverhältnis entspringenden<br />
Ansprüchen) für Objekte, die<br />
dem MRG unterliegen, jedenfalls<br />
die dreijährige Verjährungsfrist zu<br />
gelten habe (8 Ob 12/13t). Im Einzelfall<br />
muss im Lichte der beiden OGH-<br />
Entscheidungen stets überprüft<br />
werden, ob einerseits eine vom<br />
KSchG verpönte Entgelterhöhung<br />
in den ersten zwei Monaten laut<br />
Mietvertrag vertraglich ausgeschlossen<br />
ist, und andererseits wie<br />
die Index-Ersatz-Klausel konkret<br />
formuliert ist. Abschließend bleibt<br />
festzuhalten, dass gerade das Mietrecht<br />
eine höchst vielschichtige<br />
Rechtsmaterie darstellt und viele<br />
Variablen beinhaltet, weshalb jeder<br />
Vertrag und jede Forderung im Einzelfall<br />
zu überprüfen sind.<br />
INFORMATION<br />
Diese Seite wurde finanziert von<br />
Brauneis Rechtsanwälte GmbH.
VI Mittwoch, <strong>21</strong>. Februar <strong>2024</strong><br />
IMMOBILIENRECHT<br />
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Auf Eigentümer rollen rechtliche Probleme zu<br />
Streitpotenzial. Die Umsetzung der Energiewende im Gebäudesektor könnte zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten<br />
führen. Auch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes zu Indexklauseln sorgt für Ärger.<br />
VON ANDRÉ EXNER<br />
Zuckerbrot statt Peitsche: Die<br />
Bundesregierung setzt bei<br />
der Dekarbonisierung des<br />
Immobiliensektors statt auf Verbote<br />
und Strafen auf förderungsrechtliche<br />
Anreize. Allein im Neubau<br />
dürfen seit heuer keine Gasthermen<br />
mehr installiert werden, im<br />
Bestand sollen saftige Förderungen<br />
von – je nach Einkommen – bis zu<br />
100 Prozent der entstehenden Kosten<br />
dafür sorgen, dass Österreich zu<br />
einem Wärmepumpen-Musterschüler<br />
Europas wird.<br />
Rechtliche Fallen<br />
Das Konzept ist nicht nur politisch<br />
umstritten, sondern auch rechtlich:<br />
„Aus wohnrechtlicher Perspektive<br />
ist dazu kritisch anzumerken, dass<br />
mangels Verpflichtungen der<br />
Normunterworfenen der Gesetzgeber<br />
wohl keinen unmittelbaren<br />
Druck sieht, das Wohnrecht für die<br />
Erreichung des Klimaschutzziels<br />
umbauen zu müssen“, sagt Christoph<br />
Kothbauer – der Universitätsund<br />
FH-Professor ist Konsulent für<br />
Wohn- und <strong>Immobilienrecht</strong> sowie<br />
Vortragender bei der ARS Akademie,<br />
Österreichs größtem privaten<br />
Fachseminaranbieter, der mit rund<br />
20 Fachbereichen ein breites Spektrum<br />
an Seminarinhalten und Branchenthemen<br />
abdeckt.<br />
„Damit besteht die Gefahr, dass<br />
Vermieter, Mieter, Eigentümergemeinschaften<br />
und Wohnungseigentümer<br />
und damit nicht zuletzt<br />
auch die Liegenschaftsverwalter –<br />
ungeachtet der in Aussicht gestellten<br />
Förderungen – beim Ausstieg<br />
aus den fossil betriebenen Wärmebereitstellungsanlagen<br />
erheblichen<br />
Rechtsunsicherheiten ausgesetzt<br />
sind.“<br />
WEG-Novelle wirkt nach<br />
Um Rechtssicherheit zu schaffen,<br />
hat der Gesetzgeber mit der WEG-<br />
Novelle vor zwei Jahren die Mehrheitsfindung<br />
im Rahmen der gemeinschaftlichen<br />
Beschlussfassung<br />
im Sinne einer Erleichterung<br />
grundlegend reformiert. Dabei<br />
wurde auch die Bildung einer angemessenen<br />
Rücklage neu normiert.<br />
Neues Gesetz, viele Fragen<br />
Wasbringt die neue<br />
FlexKap?<br />
Steuern.<br />
Wirtschaft.<br />
Recht.<br />
Am Punkt.<br />
Bis aus einem alten Haus ein energieeffizientes Gebäude wird, braucht es hohe Investitionen, die rechtlich derzeit oft noch umstritten sind. [Getty Images/Philippe Paternolli]<br />
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lindeverlag.at<br />
Kothbauer befasst sich im Praxishandbuch<br />
„Fehlerfreie Beschlussfassung<br />
im Wohnungseigentum“,<br />
das im Shop des Fachinformationsanbieters<br />
LexisNexis erhältlich ist,<br />
auf mehr als 300 Seiten mit den Änderungen.<br />
Sein Fazit: Einfacher<br />
sind Sanierungsvorhaben auch mit<br />
der WEG-Novelle nicht unbedingt<br />
geworden. Empfehlenswert ist daher<br />
in den meisten Fällen eine umfassende<br />
und auf die individuelle<br />
Situation des Objekts zugeschnittene<br />
Rechtsberatung.<br />
Die rechtlichen Fallen betreffen<br />
neben der Umstellung der Heizung<br />
Themen wie Kochstellen, aber auch<br />
die Anbringung von privaten PV-<br />
Anlagen in der Form von Balkonkraftwerken<br />
sowie die Nachrüstung<br />
von E-Auto-Ladestationen. Bei all<br />
diesen Vorhaben geht nichts ohne<br />
umfassende juristische Beratung.<br />
Erschwerend wirkt, dass die Regierung<br />
bei der Umrüstung bestehender<br />
Anlagen bremst – die Länder jedoch<br />
das Tempo steigern.<br />
So gibt es in Wien eine neue Förderung<br />
für die Bewohner von Mietwohnungen,<br />
wenn sie den Gasanschluss<br />
aufgeben. Das betrifft<br />
neben Heizungen auch E-Herde<br />
und könnte damit<br />
‘‘<br />
für Zehntausende<br />
Mieter interessant<br />
sein. Allerdings ist<br />
ein Tausch des Gasherds<br />
gegen einen<br />
E-Herd in einer<br />
Mietwohnung ohne<br />
Zustimmung des<br />
Vermieters rechtlich<br />
nicht möglich, zudem<br />
ist dafür meistens<br />
auch ein Aufstemmen<br />
der Wände und damit der<br />
Eingriff in Allgemeinflächen des<br />
Hauses notwendig, was das Streitpotenzial<br />
weiter erhöht.<br />
Hoher Arbeitsaufwand<br />
Bei vielen Vermietern<br />
tickt eine Zeitbombe,<br />
die vom<br />
Gesetzgeber entschärft<br />
werden muss.<br />
Stefan Jaitler<br />
Gutwerk Immobilien<br />
Eigentümer haben auch mit dieser<br />
Förderung wenig Freude: Sie<br />
scheuen sich vor langwierigen<br />
Rechtsstreitigkeiten mit den Mietern<br />
sowie vor hohen Investitionen.<br />
Denn während Mieter die Mietpreisbremse<br />
zumindest theoretisch<br />
schützen könnte, steigen die Betriebskosten<br />
munter weiter. Erst im<br />
November vergangenen Jahres<br />
wurde die gesetzliche Mindestrücklage<br />
von 90 Cent auf 1,06 Euro<br />
je Quadratmeter Gesamtnutzfläche<br />
und Monat angehoben.<br />
„Der Arbeitsaufwand für ESG ist<br />
in etwa 40-mal höher als für die<br />
DSGVO“, vergleicht Stefan Jaitler,<br />
geschäftsführender Gesellschafter<br />
der Immobilienverwaltung Gutwerk<br />
die neuen ökologischen Normen<br />
mit einer anderen bekannten<br />
Rechtsvorschrift. „Doch inzwischen<br />
sind alle großen institutionellen<br />
Immobilieneigentümer gesetzlich<br />
dazu verpflichtet, die<br />
entsprechenden Daten zu erheben,<br />
auszuwerten und Sparpotenziale<br />
zu identifizieren. Wir müssen deswegen<br />
sehr viele Daten sammeln,<br />
die Bereiche vom Energieverbrauch<br />
bis zum Hausmüllaufkommen betreffen<br />
und einen hohen Kostenund<br />
Arbeitsaufwand verursachen.“<br />
Dazu komme das Problem, dass<br />
sich ESG- und DSGVO-Vorschriften<br />
in der Praxis oft widersprechen: So<br />
könnten Smart Meter automatisch<br />
abgelesen werden – das ist aber aus<br />
datenschutzrechtlichen Gründen<br />
nicht erlaubt. „Deswegen müssen<br />
wir die Smart Meter persönlich fotografieren:<br />
Diese befinden sich ja<br />
im Allgemeinbereich des Hauses<br />
und sind deswegen zugänglich.“<br />
Gutwerk betreut alle Objektarten<br />
von der Wohnung im Zinshaus<br />
bis zu Neubauten, Bürohäusern<br />
und Einkaufsoder<br />
Logistikflächen.<br />
Überall ist die Entwicklung<br />
eindeutig, so Jaitler:<br />
„Die ESG-Konformität<br />
ist für die Klienten<br />
sehr wichtig, aber auch<br />
die Rechtssicherheit.“<br />
Da kein Haus einem anderen<br />
gleiche, seien die<br />
Energieeinsparungspotenziale<br />
individuell zu<br />
definieren. Daher fragten viele Eigentümer<br />
von energetisch veralteten<br />
Bestandsobjekten beim Unternehmen<br />
an, wie sie ihre entsprechenden<br />
Ziele leichter und<br />
ohne rechtliche Probleme erreichen<br />
könnten. Gutwerk findet dafür<br />
stets eine Lösung, so der Gesellschafter:<br />
So könne es statt einem<br />
aufwendigen Kompletttausch der<br />
Heizungsanlage schon sehr viel bewirken,<br />
wenn eine veraltete Lüftungsanlage<br />
gegen eine neue getauscht<br />
wird. Auch dafür gibt es<br />
Förderungen, zudem können gewerbliche<br />
Vermieter die Kosten auf<br />
15 Jahre abschreiben, was die Investitionsbereitschaft<br />
erhöht.<br />
Indexklauseln im Kreuzfeuer<br />
KRITIK VOM ÖVI<br />
Der Österreichische Verband der<br />
Immobilienwirtschaft (ÖVI) lehnt<br />
jüngst gehörte Pläne, Vermieter<br />
mit den Kostenpositionen Versicherung,<br />
Grundsteuer und<br />
Verwaltung zu belasten, ab: „Wenn<br />
das Mietrechtssystem neu aufgestellt<br />
wird, kann das nur fair<br />
erfolgen. Eine einseitige Belastung<br />
des Vermieters ist nicht gerechtfertigt“,<br />
so ÖVI-Vorstand Timur<br />
Jelinek. Die Mietsteigerungen<br />
fußten zudem nicht auf der<br />
Indexierung: „Mehr Qualität<br />
bedingt auch einen anderen<br />
Preis.“<br />
Damit das funktioniert und die<br />
Energiewende von den großen Vermietern<br />
vorangetrieben wird,<br />
braucht es vor allem eines: kalkulierbare<br />
Mieterträge. Doch gerade<br />
auf dieser Front tut sich derzeit eine<br />
weitere rechtliche Falle auf – die neben<br />
künftigen Erträgen auch früher<br />
erwirtschaftete rückwirkend betreffen<br />
kann: Aktuelle Urteile des<br />
Obersten Gerichtshofs (OGH) stellen<br />
die beliebten und in der Regel<br />
vertraglich vorgeschriebenen Inflationsanpassungen<br />
auf eine harte<br />
Probe.<br />
Nach Ansicht des OGH sind viele<br />
dieser Indexklauseln rechtswidrig,<br />
da sie nicht den Regelungen des<br />
Konsumentenschutzgesetzes entsprechen.<br />
„Das bedeutet, dass je<br />
nach Ausgestaltung des Vertrages<br />
nur der ursprünglich vereinbarte<br />
Mietzins Gültigkeit hat. Der Mieter<br />
könnte die zu viel bezahlte Miete<br />
zurückverlangen und der Vermieter<br />
dürfte in Zukunft nur den ursprünglich<br />
laut Mietvertrag verlangten<br />
Mietzins vorschreiben“,<br />
warnt Kothbauer.<br />
Klagen in Vorbereitung<br />
Mit Hinblick auf die jüngsten OGH-<br />
Urteile könnten so mehr als<br />
100.000 Mietverträge mit ihren Indexklauseln<br />
in ganz Österreich<br />
rechtswidrig sein – es gibt bereits<br />
erste Rechtsanwaltskanzleien, die<br />
mit Rechtsschutzversicherungen<br />
und Prozesskostenfinanzierern zusammenarbeiten,<br />
um Mietkostenrückforderungen<br />
zu erwirken, die<br />
Jahrzehnte zurückreichen können.<br />
„Diese Situation ist der Rechtssicherheit<br />
nicht zuträglich, bei vielen<br />
Vermietern tickt daher eine Zeitbombe,<br />
die vom Gesetzgeber entschärft<br />
werden muss“, sagt Jaitler.<br />
Er sieht das Justizministerium am<br />
Ball und hofft, dass die Rechtsunsicherheit<br />
bald beseitigt wird.<br />
Denn gerade internationale Immobilieninvestoren<br />
haben für<br />
rechtliche Probleme in Österreich<br />
wenig Verständnis – und könnten<br />
bei einer Eskalation dieses Problems<br />
Österreich auf die „schwarze<br />
Liste“ setzen und von Neuinvestments<br />
jahrelang Abstand nehmen,<br />
was den bereits angespannten Immobilienmarkt<br />
weiter belasten<br />
dürfte. Das unterstreicht auch Georg<br />
Steindl-Tomschizek aus dem<br />
Immobilienteam der Kanzlei Brauneis<br />
Rechtsanwälte. Er warnt:<br />
„Schließlich orientieren sich Immobilienbewertungen<br />
im geplanten<br />
Verkaufsfall bei vermieteten<br />
Objekten auch an den zu erzielenden<br />
Mieteinnahmen.“