Faltblatt_HR_Fricker Restaurant Vitamin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kunst<br />
H.R. <strong>Fricker</strong><br />
‹Grosser Charaktersatz›
H.R. <strong>Fricker</strong> (*194-2023)<br />
‹Schieber/<br />
Zusammensetzungen›<br />
4 Schieberblöcke<br />
mit je vier Schiebern, 2014<br />
Aluminium,<br />
graviert und bedruckt<br />
je 22 × 36 cm<br />
Der Mensch- ein widersprüchliches Wesen<br />
‹Verwirrt›, ‹auf der Suche nach Edelweiss›, ‹bereit zu Höhenflügen›,<br />
‹mag Rollenwechsel›, ‹spitzfindig›, ‹tatenlos<br />
zusehen›, ‹stellt sich die Frage: lohnt der Aufwand?› In bunten,<br />
kontrastreichen Farbkombinationen, in diversen<br />
Schrifttypen und Grössen in Emaille auf Metall gebrannt, beschreiben<br />
die zu einem rechteckigen Block gehängten Schilder<br />
menschliche Eigenschaften und Aktivitäten. Die<br />
insgesamt 40 Schilder des ‹Grossen Charaktersatzes›<br />
beschreiben Eigenschaften, die sich teilweise widersprechen.<br />
Und doch sind es nicht die Eigenschaften mehrerer<br />
Menschen, sondern nur eines einzigen - und zwar<br />
diejenigen des in Trogen lebenden und arbeitenden<br />
Künstlers H. R. <strong>Fricker</strong>. Er gehört zu den profiliertesten<br />
Künstlern seiner Generation. Geprägt durch die 68er-<br />
Bewegung und den Aufbruch der Kunst in den Siebzigerjahren<br />
des 20. Jahrhunderts entwickelte er ein aussergewöhnliches<br />
Werk, in dem sich kommunikative und<br />
ästhetische Strategien in innovativer Art und Weise<br />
verbinden.<br />
An Grösse und Materialisierung orientieren sich die<br />
Metalltafeln an Strassenschildern. H.R. <strong>Fricker</strong> spielt mit<br />
Irritation und Suggestion und der automatisierten<br />
Erwartung, dass ein Zusammenhang zwischen zwischen<br />
Text und Raum besteht. Ursprünglich für die etwas<br />
weniger öffentlichen Räumlichkeiten des Finanzdepartements<br />
entwickelt, empfängt der Grosse Charaktersatz<br />
die Gäste im Pavillon des <strong>Restaurant</strong>s vitamin. Aufgrund<br />
der neuen prominenten Lage wurden einige der Aussagen<br />
wie beispielsweise " tatenlos zusehen" oder „latent<br />
sexistisch" gecancelt und durch leere Schilder ersetzt.
Sprache als Mittel der Kommunikation stellte für H.R.<br />
<strong>Fricker</strong> das A und O seiner Kunst dar, was auch seine<br />
Beschäftigung mit Palindromen (Wörtern oder Versen,<br />
die vorwärts- wie rückwärtsgelesen Sinn ergeben) und<br />
Anagrammen (durch Umstellung von Buchstaben oder<br />
Silben innerhalb eines Wortes entstandenes neues<br />
sinnvolles Wort) belegt. 2004 realisierte er für das<br />
Engadiner Bergdorf Vna Schilder mit Verben, die<br />
umschreiben, was mit Sprache alles möglich ist:<br />
fluchen, philosophieren, lehren, … . Diese Schilder<br />
werden aussen an die Häuser gehängt, wobei jedes Jahr<br />
neu bestimmt wird, welches Schild an welchem Haus<br />
hängt. Die „Charaktersätze", die ganz unterschiedliche<br />
Grössen annehmen können, entstanden ab 2008 und<br />
wurden immer wieder neu variiert und angepasst.<br />
‹Grosser Charaktersatz›<br />
40 Emailschilder, 2014<br />
je 20 × 80 cm<br />
IH. R. <strong>Fricker</strong>, 1947 in Zürich geboren, gehört zu den<br />
profiliertesten Künstlern seiner Generation. Geprägt<br />
durch die 68er-Bewegung und den Aufbruch der Kunst in<br />
den Siebzigerjahren des 20. Jh. entwickelte er ein<br />
aussergewöhnliches Werk, in dem sich kommunikative<br />
und ästhetische Strategien in innovativer Art und Weise<br />
verbinden. Er verstand seine künstlerische Tätigkeit<br />
gleichermassen als ästhetischen, sozialen und kommunikativen<br />
Akt. Er nutzte den Freiraum der Kunst für die<br />
Postulierung gesellschaftlicher Anliegen und infiltrierte<br />
gleichzeitig mit seinen künstlerischen Aktivitäten die<br />
Gesellschaft. Er machte sich einen Namenals Mail Artist<br />
und nutze auch das World Wide Web für seine Zwecke.<br />
Schilder tauchten Anfang der Neunzigerjahre in seinem<br />
Werk auf. Mit ihnen benannte und besetzte er Räume:<br />
zuerst Ausstellungsräume, dann Stadträume und immer<br />
mehr auch den privaten Wohnraum.<br />
Mit vier mehrteiligen Schiebertafeln schuf H.R. <strong>Fricker</strong><br />
eine weitere Spracharbeit für das Kantonsspital<br />
St.Gallen, die eine Einladung zur Partizipation ist: Auf<br />
jeder Tafel gibt es jeweils acht Worte, zwei auf jeder<br />
Zeile. Das Begriffspaar, das zu einem einzigen Begriff<br />
verschmilzt, erschliesst sich demjenigen, der den<br />
Schieber bewegt. Bei den listigen Wortschöpfungen<br />
standen Begriffe aus der Finanzwelt und dem Spitalwesen<br />
Pate. In den Blöcken mit den vier Begriffspaaren<br />
springt das Auge von einer Zeile zur andern und schafft<br />
so neue, allenfalls heikle Konstellationen. Die Verteilung<br />
der mit Magneten versehenen Schildchen auf die<br />
einzelnen Blöcke ist jederzeit austauschbar.<br />
Christine Musits, Kunstbeauftragte Kantonsspital<br />
St.Gallen, Januar 2024
Herausgeber:<br />
Kantonsspital St. Gallen<br />
Departement Bau und Raum<br />
H-Kunst<br />
T +41 71 494 22 16<br />
h-kunst@kssg.ch<br />
www.kssg.ch/h-kunst