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DER WEG ZUM BUCH - Die Landesbibliothek Oldenburg in der Ofenerstraße

Das klassizistische Bibliotheksgebäude am Damm in Oldenburg war im II. Weltkrieg zerstört worden, die geretteten Bücher fanden schließlich einen neuen Platz in dem ehemaligen Arsenalgebäude an der Ofenerstraße. In einem sehr zähen Umbauprozeß über mehr als ein Jahrzehnt erwuchs dieses zu einem Juwel der Fünfziger Jahre Architektur und einer beispielhaften Verbindung von Buch und Gestaltung. Das damals intendierte Konzept wies über die reine "Buchbewahrung" hinaus zu der Bibliothek als Anker in einem Netzwerk kultureller, wissenschaftlicher und Bildungsinstitutionen, der erste Schritt hierzu war die Einrichtung einer "Wärmestube für geistige Arbeiter" und bis in den späten Abend und das Wochenende verlängerte Öffnungszeiten, bereits kurz nach dem Krieg. Das hier vorliegende "Bilderbuch" zu diesem Bau fußt primär auf einer Fotosession kurz vor dem neuerlichen Umzug der Bibliothek in den späten Achtziger Jahren, umfaßt aber auch darüber hinaus greifende Recherchen und Dokumente.

Das klassizistische Bibliotheksgebäude am Damm in Oldenburg war im II. Weltkrieg zerstört worden, die geretteten Bücher fanden schließlich einen neuen Platz in dem ehemaligen Arsenalgebäude an der Ofenerstraße. In einem sehr zähen Umbauprozeß über mehr als ein Jahrzehnt erwuchs dieses zu einem Juwel der Fünfziger Jahre Architektur und einer beispielhaften Verbindung von Buch und Gestaltung.
Das damals intendierte Konzept wies über die reine "Buchbewahrung" hinaus zu der Bibliothek als Anker in einem Netzwerk kultureller, wissenschaftlicher und Bildungsinstitutionen, der erste Schritt hierzu war die Einrichtung einer "Wärmestube für geistige Arbeiter" und bis in den späten Abend und das Wochenende verlängerte Öffnungszeiten, bereits kurz nach dem Krieg.

Das hier vorliegende "Bilderbuch" zu diesem Bau fußt primär auf einer Fotosession kurz vor dem neuerlichen Umzug der Bibliothek in den späten Achtziger Jahren, umfaßt aber auch darüber hinaus greifende Recherchen und Dokumente.

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Der Tod me<strong>in</strong>es Großvaters Woldemar Baeckmann<br />

(Voldemar Johannovich Beckman).<br />

Aus <strong>der</strong> Geschichte me<strong>in</strong>er Großmutter Kleopatra, die ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit<br />

oft hörte.<br />

V. I. Beckman hatte e<strong>in</strong>e sehr harte Zeit, die Trennung von se<strong>in</strong>en Töchtern<br />

und den Hunger zu ertragen. Len<strong>in</strong>grad wurde 1941 völlig von deutschen<br />

Truppen e<strong>in</strong>geschlossen, man bezeichnet das als " die Blockade". In <strong>der</strong><br />

Stadt gab es ke<strong>in</strong>en Strom, ke<strong>in</strong>e Wasserversorgung, Hungersnot wütete.<br />

Bald waren die Vorkriegslieferungen an Nahrung verbraucht,<br />

Familienschmuck wurde für Nahrung versetzt. Man lebte von e<strong>in</strong>er dürftigen<br />

Ration, die auf Karten ausgegeben wurde.<br />

In <strong>der</strong> Wohnung lebten Großmutter, ihre Schwester Tamara und Woldemar.<br />

Sie sortierten die Möbel aus, kratzten den Tischler-Leim und kochten die<br />

"Suppe", aßen Sturgeon-Le<strong>in</strong>wand-Grundierung - Tamara war Gemälde-<br />

Restaurator<strong>in</strong>. Kurz vor dem neuen Jahr 1942 tauschte er se<strong>in</strong>en letzten<br />

Schatz - die e<strong>in</strong>zigen Stiefel - gegen Brot. Und dieses Brot wurde auch<br />

gegessen. Am Abend vor dem Schlafengehen sagte Waldemar: "Bekreuzige<br />

mich, Clip" (Clip verkürzt für Kleopatra). Das waren se<strong>in</strong>e letzten Worte. Am<br />

Morgen fand me<strong>in</strong>e Großmutter ihn tot.<br />

<strong>Die</strong> Großmutter wollte die Leiche ihres Mannes nicht <strong>der</strong> Beerdigungstruppe<br />

überlassen, die alle Toten <strong>in</strong> Len<strong>in</strong>grad <strong>in</strong> Massengräbern begrub. Sie wollte,<br />

dass ihr Mann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em separaten Grab begraben wurde. Dafür waren jedoch<br />

gewisse Mittel erfor<strong>der</strong>lich. Und das Geld und die Werte waren weg. Es war<br />

also notwendig, Brot und Wodka anzusammeln, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> belagerten Stadt<br />

zur Verhandlungswährung wurde. Me<strong>in</strong>e Großmutter hatte e<strong>in</strong>en Plan. Sie<br />

erzählte den Behörden nicht vom Tod ihres Mannes. Se<strong>in</strong> Körper wurde auf<br />

das Sofa unter <strong>der</strong> Decke gelegt, als ob er noch am Leben wäre. <strong>Die</strong><br />

Wohnung war sehr kalt (weniger als -20 ° C) und <strong>der</strong> Körper war gut erhalten.<br />

So erhielt me<strong>in</strong>e Großmutter für e<strong>in</strong>ige Zeit zusätzliches Essen auf die Karte<br />

ihres Großvaters und sparte es. Als sie genug Brot für die Beerdigung<br />

gesammelt hatte, rief die Großmutter den Arzt an und meldete den Tod ihres<br />

Mannes. <strong>Die</strong> Todesursache wurde als „V.I. Beckman, 51, DZ-Kardiosklerose.<br />

“ angegeben. Es war verboten, den Tod durch Erschöpfung anzuzeigen. <strong>Die</strong><br />

Leiche wurde anstelle e<strong>in</strong>es Sarges <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Schrank gelegt, und die<br />

Großmutter brachte ihn zum Friedhof von Smolensk. Dort wurden die Toten<br />

Len<strong>in</strong>grads <strong>in</strong> Massengräbern begraben. Aber die Großmutter bat die<br />

Friedhofsverwaltung, für ihren Mann e<strong>in</strong> getrenntes Grab gegen Brot und<br />

Wodka zu errichten.<br />

E<strong>in</strong>ige Zeit später wurde e<strong>in</strong>e Großmutter von jemandem aus <strong>der</strong> Familie<br />

Beckmann besucht - me<strong>in</strong>e Großmutter sagte, dass es e<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> war und er<br />

aus dem Kaukasus kam. Er wusste da noch nicht, dass Voldemar gestorben<br />

war.<br />

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