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casanostra 174 | Februar 2024

Knapp bei Kasse: Wenn die Mieterschaft an ihre Grenzen kommt | Landschaftsinitiative: Die Arbeit geht weiter | MetamorpHouse, anstatt verkaufen | Kündigungsfristen während der Ferien

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THEMA FAIR VERMIETEN 5<br />

Vermieten<br />

an Armutsbetroffene<br />

Fair vermieten heisst auch, günstigen<br />

Wohnraum an jene zu vermieten,<br />

die ihn besonders nötig haben.<br />

Doch Vermieter*innen brauchen<br />

vor allem die Sicherheit, dass<br />

Miete und Nebenkosten pünktlich<br />

bezahlt werden. Ein Dilemma.<br />

Text Nadim Chammas, Redaktor<br />

auf rund 1900 Franken. «Sie seien damit natürlich weit darüber»,<br />

haben die zukünftigen Mieter*innen gesagt. «Da haben<br />

bei mir bisschen die Alarmglocken geschrillt. Ich habe dann<br />

ein längeres Telefon gemacht mit der SVA des Kantons. Diese<br />

haben mir gesagt: Eigentlich müssen Sie um Ihre Miete keine<br />

Angst haben.» Nicolas verliess sich auf diese Auskunft der<br />

Fachstelle und schloss den Mietvertrag ab. «Ich habe mich zu<br />

Recht darauf eingelassen. Bis heute ist die Miete immer<br />

pünktlich bezahlt worden».<br />

Fotos: conceptualmotion/iStock, Madhourse/iStock<br />

Vermieter*innen sind verantwortlich, die wirtschaftliche Situation<br />

der Mietinteressent*innen vor Mietbeginn zu überprüfen.<br />

Sie tun dies vor Abschluss des Vertrags, in der Regel<br />

aufgrund eines aktuellen Beitreibungsregisterauszugs oder<br />

von persönlichen Abgaben. Karin Weissenberger, Leiterin des<br />

Casafair-Beratungsteams, sagt: «Es müssen im Vorfeld des<br />

Vertragsabschlusses unbedingt die nötigen Informationen<br />

eingeholt werden, also Nachfragen beim Arbeitgeber oder bei<br />

vorheriger Vermieterschaft, sofern diese als Referenzen angegeben<br />

wurden.»<br />

Ja, zahlen die dann?<br />

Genau das hat Casafair-Mitglied Nicolas getan. Er vermietet<br />

ein Altstadthaus mit Garten an eine Familie, die von der Sozialhilfe<br />

unterstützt wird. Nicolas hat sich auf einen Aufruf<br />

im <strong>casanostra</strong> hin gemeldet und vermietet an Menschen, die<br />

von Armut betroffen sind. Er erscheint auf seinen Wunsch<br />

hin nicht mit seinem richtigen Namen, weil er die Persönlichkeitsrechte<br />

seiner Mieterschaft schützen will. Beide Elternteile<br />

haben eine Sehbehinderung, weshalb vor Mietbeginn<br />

umfangreiche Ausbauten nötig waren. Diese wurden von einer<br />

gemeinnützigen Stiftung finanziert. Zum allseitigen Gewinn.<br />

«Die Liegenschaft ist kein 08/15-Objekt», wie Nicolas im<br />

Gespräch mit <strong>casanostra</strong> sagt. «Ich musste eine Mieterschaft<br />

finden, die zu dem Haus passt.» Die Mietinteressenten, welche<br />

beim Auswahlverfahren vorne lagen, gaben an, von Unterstützungsleistungen<br />

zu leben. «Ich habe natürlich am Anfang<br />

auch Bedenken gehabt: ja, zahlen die dann?» Die Faustregel<br />

sagt: höchstens ein Drittel des Einkommens fürs Wohnen.<br />

Der Mietzins für das Haus mit 130 m 2 Wohnfläche beläuft sich<br />

Kautionsversicherungen: Geschäft mit der Not<br />

Ein Knackpunkt für viele Mietverhältnisse ist die Mietkaution.<br />

Karin Weissenberger meint dazu: «Es ist klar, dass gerade<br />

armutsbetroffene Menschen die drei Monatsmieten nicht<br />

aufbringen können. Hier muss man Lösungen mit einer zeitlichen<br />

Staffelung für die Zahlung der Sicherheit finden.»<br />

Diese Notlage ist auch Basis für ein fragwürdiges Geschäftsmodell.<br />

Mietkautionsversicherungen werben mit<br />

Mietkaution ohne Bankdepot. Die Jahresprämie beträgt einen<br />

Bruchteil der Kautionssumme, wird aber am Ende des<br />

Mietverhältnisses nicht zurückerstattet. Mieter*innen mit<br />

knappem Budget zahlen am Ende drauf. Mehrere Vermieter*innen<br />

haben mit solchen Versicherungen auch schon<br />

schlechte Erfahrungen gemacht, wie Casafair-Berater Michel<br />

Wyss berichtet. Im Schadensfall, wenn Instandsetzungen<br />

nötig waren, bezahlten Kautionsversicherungen nicht oder<br />

nicht ohne Weiteres. Auch Vermieter Nicolas hatte von einem<br />

früheren Mietvertrag her schon mit einer Kautionsversicherung<br />

zu tun, welche eine Instandsetzung nicht bezahlen wollte.<br />

«Ein Cabaret. Das ist dann zu guter Letzt noch einigermassen<br />

okay herausgekommen. Doch seitdem ist mir ein<br />

Mietkautionskonto lieber.» Bei ihm bauen die Mieter*innen<br />

die Kaution in Raten auf.<br />

Wer im Raum Basel eine Wohnung sucht, kann sich<br />

für die Verbürgung der Mietkaution auch an die Stiftung<br />

Edith Maryon wenden. Sabine Dettwiler leitet hier die Abteilung<br />

Mietkautionen. «Wir stellen Mietkautionsbürgschaften<br />

mit Solidarhaftung für alle aus: für Wohlverdienende, für<br />

Working Poor, Sozialhilfe-Empfänger*innen, IV-EL-Empfänger*innen<br />

und AHV-Bezüger*innen.» Gemäss Dettwiler ist<br />

die Nachfrage gross. «Der Antrag wird vom Mieter gestellt.<br />

CASANOSTRA <strong>174</strong> <strong>2024</strong>

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